An anderer Stelle kam eine Diskussion über Tastenbeläge von Klavieren und Flügeln aus Elfenbein auf, die dort nicht zum Thema gehört. Deshalb hier:
Bis etwa 1989 verwendeten die meisten großen Klavierfirmen Elfenbein für die Beläge der Tastaturen. Das war nicht nur üblich sondern auch legal. Das änderte sich am 17. Oktober 1989 mit dem Washingtoner Artenschutzabkommen, bei dem sich 177 Staaten auf ein Verbot des Handels mit Elfenbein einigten. Die Klavierfirmen entwickelten (wenn sie es nicht schon vorher getan hatten) daraufhin gute Alternativen. Auch wenn in der Folgezeit die Bestimmungen durch zahlreiche Ausnahmeregelungen aufgeweicht wurden, ist es seitdem nicht mehr möglich, neue Flügel oder Klaviere mit Elfenbeintastaturen zu kaufen, und es ist seither kein Elefant mehr für den Klavierbau gestorben (einzelne kaputte Beläge mussten aus dem noch vorhandenen Restbestand erneuert werden).
Da aber weiterhin jährlich bis zu 20000 Elefanten illegal getötet werden, hat man bei der EU das Verbot mit Wirkung zum 19.1.2022 auf jegliche Gegenstände, in denen Elfenbein verarbeitet wurde, ausgeweitet. Für Klaviere und Flügel bedeutet das: Bis zum Stichtag benötigte man bei Grenzübertritten in die bzw. aus der EU ein CITES-Dokument vom Bundesamt für Naturschutz, und der innereuropäische Handel ohne Bescheinigung war nur gestattet, wenn das Elfenbein nachweislich aus der Zeit vor 1947 stammte und dieses nach 1947 nicht mehr verändert wurde. Wurden diese Bescheinigungen vor dem Stichtag ausgestellt, haben sie ein Jahr später, also am 19.1.2023 ihre Gültigkeit verloren.
Statt dessen gelten jetzt folgende EU-Regelungen:
- Der Verkauf bzw. Kauf eines Instrumentes, das vor dem 3. März 1947 gebaut wurde, ist unter bestimmten Voraussetzungen genehmigungsfähig.
- Der Verkauf bzw. Kauf eines Instrumentes, welches legal erworbenes Elfenbein aus der Zeit vor dem 01.07.1975 (asiatischer Elefant) bzw. 26.02.1976 (afrikanischer Elefant) enthält und „von einem ausübenden Künstler zum Musizieren verwendet wird oder bis vor kurzem verwendet wurde und somit kein reiner Dekorationsgegenstand ist“, ist genehmigungsfähig.
- Der Verkauf bzw. Kauf eines Instrumentes, das nach dem 26.02.1976 gebaut wurden, ist nicht mehr genehmigungsfähig; gegebenenfalls bereits erteilte Genehmigungen haben zum 19.1.2023 ihre Gültigkeit verloren. Nicht nur jeglicher Handel mit diesen Instrumenten sondern schon die Suche nach einem Käufer ist illegal. Auch der Käufer ist verpflichtet, sich vor dem Kauf über die Rechtmäßigkeit des Handels zu versichern, und macht sich gegebenenfalls ebenfalls strafbar.
- Sogar bei Schenkungen ist Vorsicht geboten: In der Begriffsklärung der EU-Verordnung wird unter "Handel" auch "Einfuhr, Ausfuhr, Wiederausfuhr, Verwendung, Beförderung oder Überlassung" aufgeführt. Ob eine Schenkung von privat an privat noch möglich ist, ist unklar.
Was kann also der Besitzer eines Instruments tun, das nach 1976 gebaut und (wie gesagt damals völlig legal) mit Elfenbeinbelägen ausgestattet wurde, wenn er dieses verkaufen oder verschenken will? Dringend abzuraten ist davon, einfach auf den Satz "Wo kein Kläger, da kein Richter" zu vertrauen: Schon vor der strengen Neuregelung wurde z.B. in Traunstein ein Bösendorfer konfisziert, weil der Besitzer einen Käufer gesucht hatte, bevor er die - damals noch mögliche - Genehmigung eingeholt hatte. Mit der Neuregelung hat sich die Situation wie beschrieben erheblich verschärft. Es gibt deshalb nur eine Möglichkeit: Die vorhandenen Elfenbeinbeläge müssen vor dem Verkauf von einem Klavierbauer entfernt werden (wozu er wieder eine behördliche Genehmigung braucht) und anschließend entsorgt werden. Immerhin verzichtete die EU auf die Nachweispflicht, dass durch diese Vorgehensweise ein Elefant wieder zum Leben erweckt wird. Auch das hätte mich nicht mehr gewundert.
Wenn man nach all dem auf die Idee kommt, das Instrument statt dessen einfach kostenlos an einen Entsorger zu geben, könnte das anscheinend (ohne Gewähr) legal sein. Ich selbst denke statt dessen für den (hoffentlich fernen) Tag, an dem ich nicht mehr Klavierspielen kann, darüber nach, meinen Flügel nach Brüssel vor das Gebäude der EU-Kommission transportieren und dort öffentlich in Brand stecken zu lassen.