"Hochwertige 'Neue Musik'"- vs. "Schlagerschund"

  • Und mit Hilfe welcher juristischen Kriterien entscheidet er das?

    Ich bin überzeugt, daß die meisten Urteile (allgemein) nicht an Hand von juristischen Kriterien entschieden werden, sondern nach persönlicher Einschätzung etc.

    Er mir hier widersprechen will, dem halte ich entgegen, daß es - wäre dem nicht so - es ja nie zu Revisionen von Urteilen kommen könnte . denn die "juristischen Kriterien sind ja unveränderlich. Selbstverständlich werden die dann allerdings in der Urteilsfindung -quasi als Alibi - angeführt. Diese Praktikt hat ihre Schwächen, verhindert aber, daß "Täter" (hier im weitestens Sinne des Wortes) durch Schlupflöcher von Gesetzesaualegungen entwischen können.


    Sol heissen ist muß - unabhängig von formalen Gesetzen möglich sein, "Butterecken, "Aktionskunst" und was es derlei noch an Scharlatanerie und Schund gibt als "nicht künstlerisch wertvoll" zu beurteilen und zu verurteilen..

    Hier zählt IMO der Wille, und - so verhanden - der gute Geschmack und der Menschenverstand.

    Es gibt aber - theoretisch - immer ein Schlupfloch.

    Das trifft - in Miniaturversion - auch auf die "Gesetze" in Foren zu:

    ("Es steht aber nirgends, daß das verboten ist" - etc.)


    Daher habe ich die Tamino Forenregeln sehr spitzfindig formuliert (wobei sie nur sehr selten von mir eingeordert werden) aber für den Fall der fälle gibts da eine Klausel:


    Nicht von diesen Regeln betroffene Vorkommnisse werden, je nach Umständen von Moderator, Supermoderator oder Administor entschieden.

    Die gibt mir höchstmögliche Kontrolle und Flexibilität.


    mfg aus der Metropole Wien

    Alfred


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Wenn aber die Erwartungen von so vielen Menschen befriedigt werden, ist daran wohl irgendwas Gutes, wenn auch nicht für mich.

    Lieber Thomas,


    das ist ein treffender Satz. H. H. Eggebrecht konstatiert der Musikwissenschaft Sprach- und Hilflosigkeit im Falle von solcher Musik wie dem Schlager. Weil sich das Publikum, das diese Musik mag, schlichtweg gar nicht interessiert für die "ästhetischen Kriterien" und dem, was wissenschaftlich objektivierbar Qualitätskriterien für "gute Musik" sind, also ob die Harmonik simpel bis stereotyp ist, die Aussage banal, der Ausdruck triefend kitschig usw. Diese Musik befriedigt sehr gut ein Bedürfnis, und allein deswegen wird sie konsumiert. Bei mir ist es so, dass ich viel eher einen nicht ganz künstlerisch hochwertigen Film mir angucken kann, aber bei banaler Musik die Geduld verliere und es nicht ertragen kann, sie überhaupt anzuhören. Das sagt dann etwas aus über den Stellenwert, den Musik und Film bei mir haben. (Natürlich weiß ich zwischen Filmen und Filmen zu unterscheiden, also zwischen Chaplin oder Unterhaltungskino.) Die Toleranz gegenüber dem nicht so ganz so Perfekten und Erhabenen was die Qualität angeht hängt also vom Interesse ab, das wir an dieser Musik haben. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Dahlhaus hatte Unterhaltungsmusik etwa in "Analyse und Werturteil" noch im Gesamten abgewertet, eine Position, von der sich die Musikwissenschaftler anlässlich einer Konferenz zur "Re-Lektüre" seiner Grundlagen der Musikgeschichte entschieden distanzierten, der Band dazu erschien 2016. Die Welt von Eggebrecht und Dahlhaus ist also gewissermaßen auch schon untergegangen, wenn auch vor allem von Dahlhaus vieles noch als relevant gilt.

  • H. H. Eggebrecht konstatiert der Musikwissenschaft Sprach- und Hilflosigkeit im Falle von solcher Musik wie dem Schlager.

    Das ist auch insofern nicht mehr aktuell, als es am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien vor ein paar Jahren ein Seminar(?) zu Andreas Gabalier gab. Die Musikwissenschaft interessiert sich mehr für diese Dinge, als uns hier wahrscheinlich recht ist ...

    ;)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Witzig! In der Arbeit wird der Kollege als eine Art Superstar behandelt. Ich habe den Namen bis jetzt noch nie gehört ;). Hast Du schon gelesen, ob es Resultate in dieser Arbeit gibt? So weit ich gelesen habe, wird das Thema erstmal nur soziologisch behandelt.

    Das ist schon eine Leistung, den Schlagerstar, der nach Helene Fischer auch in Deutschland jahrelang die Nummer zwei gewesen sein dürfte, und der medial sehr viel Wirbel erzeugt hat (siehe die Diskssion zum "Hakenkreuz-Cover" ab Seite 98) nicht zu kennen.

    ;)

    Das ist zwar keine musikwissenschaftliche Arbeit, aber auch bei musikwissenschaftlichen Arbeiten zu Schlagerthemen oder Verwandtem (Rap etc.) wird Musikanalyse eine eher untergeordnete Rolle spielen.

  • Verwiesen wird in der Arbeit aber auf musikanalytische Ergebnisse in folgendem Text:


    Hois, Eva Maria / Weber, Michael (2015). Das „Rehlein“ und der „Mountain Man“. Traditionalismus und Globalität bei Andreas Gabalier. In: Positionen zur Rolle alpiner Musiktraditionen in einer globalisierten Welt. Tagungsband zum Grazer Herbstsymposium zu Volksmusikforschung und -praxis, 22.–24. Oktober 2015. Graz: Verlag Steirisches Volksliedwerk, 58-79.


    Da sind wir in der Volksmusikforschung, die ergibt, dass bei dem Volks-Rock'n'Roller nur sehr wenig Volksmusik drin ist ("die stilistischen Einflüsse und Übernahmen aus dem Kernbereich der internationalen populären Musik sind deutlich ausgeprägter und vielfältiger").

    ^^

  • Das ist auch insofern nicht mehr aktuell, als es am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien vor ein paar Jahren ein Seminar(?) zu Andreas Gabalier gab. Die Musikwissenschaft interessiert sich mehr für diese Dinge, als uns hier wahrscheinlich recht ist ...

    Keine Frage, dass sie das tut. Es gibt sogar Lehrstühle für Popmusik. Fragt sich nur, in welcher Hinsicht. In Adornos Musiksoziologie gibt es eine Typologie von Hörertypen und da kommt auch der Schlagerhörer vor. Die Generation von Dahlhaus und Eggebrecht war noch um objektivierbare Kriterien bemüht, was die Analyse auch der Qualität von Musik angeht. Das finde ich ist nach wie vor einen Standard, von dem man nicht einfach so leichtfertig abrücken sollte. Natürlich gibt es da auch Vorurteile. Eggebrecht hat z.B., obwohl er sehr wohl zu einem differenzierten Urteil kommt, Schwierigkeiten mit einer hybriden Musikform wie der Salonmusik, die zugleich gehobene Musik und Unterhaltungsmusik ist. Da spricht er wie ein Vertreter der klassischen Moderne, der die Sparten strikt trennt, und sieht sie grundsätzlich privativ. Das würde ich z.B. anders sehen. ;)

  • In einem Jahre zurück liegend Fall im Kölner Museum Ludwig auf Basis von Tierschutz.

    Nun, da wurde eine Aktion untersagt, die gegen geltendes Recht verstoßen hätte. Und genau aus diesem Grunde. Die Frage, ob das Kunst ist oder nicht, ist juristisch nicht relevant und juristisch auch nicht zu entscheiden. Ein Kunstwerk kann selbstverständlich gegen geltendes Recht verstoßen (das kommt sogar ziemlich oft vor), hört damit aber nicht auf ein Kunstwerk zu sein, wenn es vor der Feststellung dieses Verstoßes eins war oder es hinterher als solches erkannt und anerkannt wird. Wär es anders, wären die zahlreichen (zum Teil sehr bedeutenden und entsprechend berühmten) Werke, deren Autoren wegen Gotteslästerung oder auch wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften oder Bilder angeklagt worden sind, keine Kunst. Ich bezweifle stark, dass man mit einem solchen Kriterium weit kommt.

    Statt einer Hermeneutik brauchen wir eine Erotik der Kunst.

    Susan Sontag

  • In dubio wird das hier in Karlsruhe entschieden. Natürlich sind auch diese Entscheidungen angreifbar.


    Man sollte bei Kunst und Kitsch den Trash nicht vergessen. :*


    Doppelpunkt:


    - God Rot Turnbrigde Wells (handle with care)

    - Pink Narcissus (mit Haydns Horn(y) Concert)


    auch - aber eher nierenschädigend:


    - Mahler u.a. (Ken Russell)

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Das Verfassungsgericht befindet darüber, was Kunst ist? Seit wann denn das? Worüber ein Gericht befinden kann, ist, ob das Kunstwerk oder die Kunstaktion gegen geltendes Recht verstößt und darum untersagt werden muss. Mit der Frage, ob etwas Kunst ist oder nicht, hat das absolut nichts zu tun. Und selbstverständlich gilt für jeden Künstler und für jedes Kunstwerk der Grundsatz der Kunstfreiheit. Aber ebenso selbstverständlich hat diese da ihre Grenzen, wo gegen geltende Gesetze verstoßen würde. Das ist eine ganz selbstverständliche Grenze der Kunstfreiheit, die sicher niemand in Frage stellen wird. Ein Mord im Rahmen einer Kunstaktion ist ein Mord, und wer so etwas organisiert, kann sich nicht auf die Kunstfreiheit berufen. Aber etwas auf die Bühne bringen, was irgendwem nicht gefällt, ist kein Verstoß gegen ein Gesetz, weil es mitSicherheit keins gibt, das untersagt, dass etwas gemacht wird, was diese,m Irgendjemand missfällt. Da kann kein Gericht der Welt etwas machen.

    Statt einer Hermeneutik brauchen wir eine Erotik der Kunst.

    Susan Sontag

  • Das Verfassungsgericht befindet darüber, was Kunst ist? Seit wann denn das?

    Hm. Das habe ich nicht gesagt. Da war wieder zu viel brennendes Stroh unterwegs, Mann. Es gibt in KA nicht bloß das BVG ... da gibt's noch andere, die über allerhand entscheiden (also: das Gegenteil von „scheiden“ = zusammenfügen).


    Aber davon ab(gesehen) - ich will mich gar nicht darauf berufen: ist es nicht so, daß Kunst also solche erst Jahrezehnte bis Jahrhunderte danach als solche (an)erkannt bzw. definiert wird? Welcher neandertaler Höhlenbemaler wusste schon, was Kunst im heutigen Sinne ist?


    Da kann kein Gericht der Welt etwas machen.

    Das Gericht kann natürlich nur für die Jetztzeit „entscheiden“. Das liegt daran, daß man Gesetze (bzw. Definitionen) benötigt, um „Recht“ zu sprechen: was „Recht“ ist (resp. als solches temporär empfunden wird) wird definiert und ist nicht per se so, denn wenn es anders wäre, benötigte man ja gar keine Gesetze. Kunst ist also kein Naturgesetz; man verständigt sich bei der Gesetzgebung (allgemein, nicht bloß die Kunst betreffend) verbindlich darauf, was recht (adjektivisch benutzt, weil es mir gerade passt) und unrecht (dto.) ist (weil es eben kein Naturgesetz ist bzw. gibt).


    Das „Rechtsgefühl“ hat sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte (zu Recht 8-)) mehrfach geändert. Die Auslegungen des BFH und BVG haben mehrfach 180° Kehrtwenden gemacht, was dem jeweiligen Zeitgeist geschuldet ist: das ist auch völlig „normal“, da es eben keine „Norm“ gibt. „Gesetz“ bedeutet lediglich, daß man sich jetzt (!) auf einen gemeinsamen Nenner verständigt; der (Nenner) ist natürlich fortwährend formbar.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Das Gericht stellte fest: Das ist Kunst.

    Und: solange dagegen niemand „vorgeht“ (was nicht implizit meine Intention ist; also: rein theoretisch): bleibt das eben so. Das ist die Vereinbarung von „Recht(sprechung)“. Ich muß kein staatlich anerkannter Philosoph sein, um philosophische Betrachtungen anstellen zu können.


    Natürlich kann niemand „per Gesetz“ entscheiden (also: definieren - das heißt dann aber: definitiv!), was Kunst ist oder nicht. Per legem - nach dem Gesetz; also nach dem, was per jetzt festgelegt ist, was also „gesetzt“ wurde (was zu lesen ist, worauf man sich geeinigt hat, was diesem Forum offenbar fremd ist); das ist eine (einvernehmlich) gesetzte Vereinbarung. Nicht mehr, nicht weniger. Legere; lat. = (zu) lesen. Der Beobachter ist für die Realität (eher) irrelevant.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Die Richter beschäftigen sich aber sehr wohl mit dem Kunstbegriff. Eines von vielen Kriterien ist übrigens der Wille, Kunst zu machen. Wenn ich z.B. jemanden beleidigen will, kann ich das nicht hinterher als Kunst bezeichnen. Wenn aber mein primärer Wille ist, ein Kunstwerk zu schaffen, dann ist es meistens auch Kunst, auch wenn es jemanden beleidigt.


    Genau solche Dinge wägen die Richter ab.


    Und ja, auch gerichtlich anerkannte Kunst kann verboten werden. Es gibt ja noch weitere Rechtsgüter als nur die Freiheit der Kunst.