Der Klang rund um uns

  • Hat schon einmal jemand von Euch beim Wahrnehmen der zufälligen Geräuschkulisse rundum ein musikalisch-ästhetisches Empfinden gehabt?


    Mir ging es z.B. einmal so, als ich in der eher ruhigen Fußgängerzone der Wiener Annagasse bei gutem Wetter und niedrigem Geräuschpegel knapp hintereinander eine Türe und eine Glocke schlagen hörte. Ich hatte das intensive Gefühl sehr passender und wirkungsvoller musikalischer Einsätze oder eines abstrakt-ästhetischen Dialogs ohne Bindung an die alltägliche Sinnebene etwa einer Tür oder Glocke.


    (An alle, die wissen, wo das hingehen soll, bitte nicht verraten!)


    :rolleyes:

  • Ich weiß nicht, ob das zu dem passt, wonach Du fragst, aber ich hatte ein ganz interessantes Erlebnis im Zusammenhang mit einem Werk von Peter Maxwell Davies.
    In seiner Ersten Symphonie gibt es Stellen, an denen hohe Holzbläser lange Töne in sehr engem Abstand halten, was als seltsam verschwimmender Klanghintergrund über weite Strecken festgehalten wird.
    Davies lebt auf den Orkney-Inseln, auf denen im Sommer Abertausende Seevögel brüten, vor allem diverse Alk- und Möwen-Arten. Als ich in einem Sommer auf den Orkneys war und einem der Brutgebiete näherkam, war die ganze Luft von den Seevogelrufen erfüllt. Das ergab genau jenen Klanghintergrund, den ich bei Davies gefunden hatte.

    ...

  • Oder: wie wäre es, wenn man am Bahnhof sitzend (z.B. in der Kälte) den grausamen Lärm eines bremsenden Güterzugs, statt sich darüber zu ärgern, anhörte, als wäre es eine symphonische Dichtung voller Überraschungen in den Details der Klangentfaltung? Wäre das nicht eine Bereicherung? (vorrausgesetzt, man hat das nicht jeden Tag, das gebe ich zu ...)

  • stimmt, diesen Gedanken hatte ich auch mal - Wien Straßenbahnstation Schottentor (Station für 5 Linien)
    aber so groß ist der Überraschungseffekt nicht..

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Heute habe ich dem morgendlichen Vogelgesang bei offenem Fenster gelauscht.


    Bald ist 21. Juni, der längste Tag. Vor Sonnenaufgang beginnen die Vögel zu singen. Doch nicht jede Vogelart singt zur gleichen Zeit. Der Grad der Morgendämmerung bestimmt den Weckreiz. Das macht Sinn, denn die Vögelmännchen stecken mit dem Gesang ihre Reviere in der Brutzeit ab.


    https://www.nabu.de/tiere-und-…egel-bestimmen/20663.html

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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Irgendwann vor ca. 20 Jahren waren wir in der Eishalle in Garmisch, bei den Richard Strauss Festspielen. Das Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks spielte unter Lorin Maazel u.a. Till Eulenspiegel, die Rosenkavalier-Suite und die Alpensinfonie. Es war im Hochsommer, schon die Einfahrt nach Garmisch von Mittenwald aus (dort war unsere FeWo) war in der Abendsonne ein Erlebnis.

    In der Halle gibt es unzählige offene Stellen unterm Dach, die lebhaft von Spatzen frequentiert wurden. Es mögen wohl Hunderte Spatzen in der Halle im Gebälk unterm Dach gewesen sein, und sie ließen es sich nicht nehmen, Maazel zu unterstützen. Nie habe ich mich in einem Konzert so abgelenkt aber auch nie so amüsiert gefühlt wie an diesem Abend. Das Spatzenkonzert bleibt unvergessen.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich hab zuhause 2 frisch verliebte Wellensittiche die fast pausenlos am zwitschern und und mich jeden Morgen wecken. Einige meiner Bekannte finden es nervig, für mich ist das wie Musik.

  • Ich habe geschlafen. Als ich erwachte kam mir Joachim Ernst Berendt (1922-2000) in den Sinn und dieser Thread. Warum nur?


    Der Jazz Enthusiast ("Jazzbuch"), Radiopionier der Nachkriegsjahre, Förderer mancher musikalischen Grösse, der Weltmusik und Vertreter einer spirituellen Lebenssicht hatte Bücher herausgegeben, die sich mit dem Phänomen der Musik, des Hörens und des Klanges beschäftigten.


    Nada Brahma, Die Welt ist Klang ist eines jener Bücher. Das Bild des Gehäuses einer Schnecke auf dem Cover ist vom Grafiker mit Bedacht ausgewählt worden, den musikalische Gesetzmässigkeiten finden sich in jedem Phänomen der Natur. Alles ist von Klang durchdrungen.




    Antiquarisch findet man die Lesung Joachim-Ernst Berendts der drei Bücher Die Welt ist Klang - Vom Hören der Welt - Muscheln in meinem Ohr noch. Der Verlag und Vertrieb 2001 brachte sie heraus. Das Auditorium Netzwerk Wissenschaft und Lebenspraxis veröffentlichte die 13 CDs ebenfalls.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Auf You Tube sind die Lesungen Joachim-Ernst Berendts zu Nada Brama, Die Welt ist Klang mit Musikbeispielen abrufbar.





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    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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