Zurück in die Zukunft: (Klassische)Musik in 100 Jahren

  • Salut,


    der große Schlichter kommt! :D:stumm: ---> :jubel:


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Die Diskussion dreht sich (naturgemäß) im Kreis. Und zwar, weil Kriterien konstruiert werden, die in Wirklichkeit nicht aussagekräftig sind.
    Ich will es an einem extremen Beispiel verdeutlichen.
    Mozart ist in seinen Opern in der Führung der Singstimme ein wahrhaft begnadeter Melodiker.
    Debussy vermeidet im "Pelléas" jede herkömmliche Melodie in der Singstimme.
    Nun kann ich als Debussy-Fan sagen: Es ist ein Fortschritt Debussys gegenüber Mozart, dass Debussy seine Singstimmen dem Tonfall der gesprochenen Sprache anpasst, statt lied- oder arienhafte Melodien zu erfinden.


    Ich würde das auch als einen Fortschritt bezeichnen - und zwar objektiv. Subjektiv wäre die Frage, bb es mir gefällt - das ist etwas anderes. Ich kenne Debussys Vokalwerke leider noch nicht, seine Instrumentalmusik hingegen mag ich. Derzeit aber liegt mein besonderes Interesse bei den Leidgenossen Mozarts. Das war einst ganz anders - und das wird auch seine Grenzen habe. Aber ich lerne dazu, das finde ich toll.


    Zitat


    Was ist in ästhetischer Hinsicht schon ein Fortschritt im Sinne einer positiven Weiterentwicklung?


    Nochmals aus dem Kreis: Für mich ist eine positive Weiterentwicklung ein Fortschritt. Es steht ja jedem frei, eine neue Errungenschaft zu nutzen, oder sie ungenutzt liegen zu lassen. Das ist ja im Zweifelsfalle keine Wertung, sondern eine Bedarfsfrage.


    Zitat


    Im übrigen bin ich mit Claus Huth wieder einmal einer Meinung: Kein einziger mir bekannter "Vertreter der Moderne" streitet den Wert der Tradition ab. Es gibt mitunter seltsame und höchst individuelle Wertungen, aber keine prinzipielle Ablehnung. Die Ablehnung findet jedoch sehr oft in der entgegengesetzten Richtung statt. Oder konkreter gesagt: Ich kenne mehr Stockhausen-Fans, die für Bach schwärmen als Bach-Fans, die für Stockhausen schwärmen. Der den "Vertretern der Moderne" immer wieder unterstellte Snobismus ist also eher auf der anderen Seite zu suchen.


    Daraus schließe ich etwas anderes.


    Was mich stört ist, dass es offenbar nicht möglich ist, die Faszination für Neue Musik begreifbar zu machen.


    Ich bin ein "moderner" Mensch, d.h. ich beobachte neue Entwicklungen mit großem Interesse und so sie mir sinnvoll, praktikabel oder schön erscheinen, versuche ich sie zu nutzen, wenn es möglich ist. Mit der Neuen Musik hat das bisher nicht funktioniert - daher habe ich beschlossen [Herdplattenprinzip], die Finger bei mir zu halten. Meine persönliche Auffassung von "Kunst" im abstrakten Sinne [also ohne unbedingte Herleitung von "Können"] ist, dass mich ein Werk [Literatur, Malerei, Musik] ohne besonderen Zwang "anmacht". Dabei ist es mir völlig gleichgültig, wann ein Werk entstanden ist und wer der Autor ist. Es "muß" sich nur in mein Wohlfühlgefühl quasi von selbst integrieren. Die Neue Musik konnte das bisher nicht. Das heißt nicht, dass ich diese Musik abwerte, sondern mich davon weitestgehend distanziere. Gefordert sind aber die Vertreter dieses Genres, das Gegenteil zu bewirken, oder? Das ist eine große Aufgabe, um die ich Euch nicht beneide.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    1) Musik muss so schön sein, dass man sie mit Freude genießen kann.
    2) Musik muss Verstand und Gefühl aufrütteln.
    Die "Vertreter der Moderne" tendieren zu 2), die "Vertreter der Retrospektivität" tendieren zu 1).
    LG


    Salut,


    die "Vertreter der Moderne" tendieren zu 2) - damit meinst Du Vertreter der Neuen Musik. Das Publikum aber - der Konsument also - tendiert stets [jaja...] zu 1) --> Volksmusik, Popmusik.


    Gefühle wachrütteln und den Verstand anstrengen ist auch bei der "Retro"-Musik möglich und durchaus praktikabel - nur ist es nicht allein das. Man kann das einfach ausblenden und lediglich die Schönheit der Musik genießen, oder man kann sich tiefer damit beschäftigen.



    Zitat

    Original von C.Huth


    Das gibt mir nicht die Antwort, woher die in meinen Augen konstruierte Behauptung kommt, "Vertreter der Moderne" (wer auch immer das sei) fänden diese absolut "besser" als die Tradition. Ich habe so etwas nie behauptet und auch noch nie gelesen (jedenfalls nicht von einem vermeintlichen "Vertreter der Moderne"), dennoch scheint man es irgendwo lesen zu können, sonst würde es nicht so konstant behauptet.


    Ich habe das , zumindest ist es mir nicht bewußt, auch nicht behauptet. Mein Zitat bezog sich ganz einfach nur auf die Konstruktion von Feindbildern [innerhalb der Forums - das was vermutlich das Mißverständnis ;) ].


    :hello:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Was mich stört ist, dass es offenbar nicht möglich ist, die Faszination für Neue Musik begreifbar zu machen.


    Ulli, das Problem hast Du mit jeder Musik. Ich kann jemandem, der Klassische Musik nicht mag, die Faszination für Klassische Musik nicht begreifbar machen.
    Ich kann jemandem, der 5-stimmige Madrigale nicht mag, die Faszination für Gesualdo nicht begreifbar machen.
    Ich kann einem eingeschworenen Anti-Wagnerianer die Faszination für den "Parsifal" nicht begreifbar machen.
    Wie sollte es mir da gelingen, jemandem, der Neue Musik nicht mag, die Faszination für Neue Musik begreifbar zu machen?


    Ich habe etwa gestern zum ersten Mal - mit wachsender Faszination - die 2. Symphonie von Galina Ustvolskaya gehört. Mittlerweile habe ich das Stück drei Mal gehört und mir vorhin die Partitur bestellt. Es ist, als ob das Herz schneller schlägt.
    Subjektiv: Wie kann einem das nicht gefallen?
    Objektiv: Völlig verständlich, wenn man rhythmisierten Abfolgen von Clustern nicht mit derselben Begeisterung begegnet, wie ich das mache.
    :hello:

    ...

  • Lieber Ulli,


    verstehe ich Dich recht, dass es jemand, der - sagen wir mal - Berios "Sinfonia" so großartig findet wie ich, erreicht, dass Dich das Stück "ohne Zwang anmacht"? Ich bin mir sicher, dass ich das auch durch einen ausführlichen Thread, in dem ich die Vorzüge des Werkes aus meiner Sicht und was ich daran liebe, beschreiben suche (möglich ist das nie ganz, sonst wäre es ja keine Musik), nicht erreichen würde. Eben weil Dich das Werk "ohne Zwang nicht anmacht". Was ich erreichen könnte, ist, zu versuchen, dass Du es Dir nochmal anhörst. Aber dass sich meine Faszination dafür bei Dir einstellt, kann ich nicht garantieren.


    Nun: Mich macht vieles von Mozart auch gar nicht an, jedenfalls nicht ohne den sanften Zwang, dass ich es mir gelegentlich doch anhöre. Zum Beispiel (ein Outing, ein Outing!) die c-moll-Messe. Das hat mich noch nie sonderlich angesprochen. Erklärst Du mir, warum es Dich so besonders anspricht und erreichst Du bei mir, die Schwelle zu überschreiten? Ich glaube, das geht auch nicht wirklich. Aber: Ich rechne der c-moll-Messe durchaus Kunstcharakter zu, weil ich mal ganz unbefangen davon ausgehe, das an etwas, wovon jemand soviel hält, mindestens soviel dran sein muss, dass ich es Kunst nennen kann. Unabhängig davon, ob es mich anmacht oder nicht.


    Die persönliche Faszination für ein bestimmtes Werk greifbar zu machen, ist IMO nie wirklich möglich. Es mag bei älterer Musik immer einfacher werden, weil man im Laufe der Geschichte und Rezeptionsgeschichte bereits einen Konsens erreicht hat. Das ist ein reines Phänomen des verflossenen Zeitablaufs. Das kann man jetzt auch schon in Ansätzen bei Schönberg und besonders bei einem so extremen Werk wie Strawinskys "Sacre" bemerken. Meiner Meinung nach wäre es ein Fehler, den fehlenden Konsens über ein Werk dem Werk anzulasten.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Ulli, das Problem hast Du mit jeder Musik. Ich kann jemandem, der Klassische Musik nicht mag, die Faszination für Klassische Musik nicht begreifbar machen.


    Eben. Und auch wenn es mir selbst unmöglich ist, das nachzuvollziehen, ich kenne (zumindest virtuell, teils auch real) Musikhörer, die sehr viel mehr Probleme damit haben, Mozart und Bach zu mögen (d.h. deren Musik nicht mögen) als relativ abgefahrene Kunstmusik der letzten 50 Jahre. Und das sind Laien, keine Musiker oder Komponisten. Soviel dazu, dass das Publikum immer "1)" wollte (Claus hat ja schon darauf hingewiesen, dass kaum ernstzunehmende Musik nur einer der beiden Punkte entspricht). In einem anderen Forum gab es einen Sänger, für den die Musik spätestens mit dem Tod Händels starb; danach kam flaches Geklingel ohne ordentlichen Kontrapunkt oder rhetorische Expression...
    Es entspricht BTW ja auch überhaupt nicht dem Hauptstrom des Konzertpublikums a la Pius Schuberts Tod als Anfang vom Abstieg wahrzunehmen; für viele fängt richtige Musik erst mit Beethoven an und gipfelt bei Brahms, Verdi, Wagner oder Strauss.
    Es gibt hier also keine "natürliche" Wahrnehmung, was schön und weniger schön ist.


    Zitat


    Ich kann jemandem, der 5-stimmige Madrigale nicht mag, die Faszination für Gesualdo nicht begreifbar machen.
    Ich kann einem eingeschworenen Anti-Wagnerianer die Faszination für den "Parsifal" nicht begreifbar machen.
    Wie sollte es mir da gelingen, jemandem, der Neue Musik nicht mag, die Faszination für Neue Musik begreifbar zu machen?


    Eine Variante des Phänomens ist (ungefähr seit Platons Menon) als Paradox des Lernens bekannt: Um einen Lehrgegenstand erfassen zu können, bedarf es gewisser Fähigkeiten, z.B. geometrische; wie soll dann der Schüler Geometrie lernen, wenn er sie nicht ohnehin schon kann?


    Wiederum Rosen sehr erhellend (in oben genanntem Essay, meine Kursivierung)
    "What is not understood in most of the debate is how taste is formed, and why music is difficult. Brahms once remarked that it would have been wonderful to be a composer at the time of Mozart, when writing music was easy. This nostalgia is profound and it implies a real uneasiness which appears in all the arts in the mid-nineteenth century. [...] Painting has become harder to read at first looking, music more dificult to grasp at first hearing. This is a fact of modern life. We cannot make the difficulty go away by trying to compose again like Mozart, write like Racine or Byron, or paint like Rembrandt. It is not at all natural to want to listen to classical music. Learning to appreciate it is like Pascal's wager: you pretend to be religious, and suddenly you have faith. You pretend to love Beethoven - or Stravinsky - because you think that will make you appear educated and cultured and intelligent, because that kind of muisc is prestigious in professional circles, and suddenly you really love it, you have become a fanatic, you go to concerts and buy records and experience true ecstasy when you hear a good performance (or even when you hear a mediocre one if you have little judgment)."


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hi, Ihr Drei!


    Edwin, Du hast den falschen Namen, sonst könnte ich jetzt jpc schreiben - so muß es jec sein. :D


    Ich bin gerührt, vor soviel Bemühen.


    Zitat

    Ulli, das Problem hast Du mit jeder Musik. Ich kann jemandem, der Klassische Musik nicht mag, die Faszination für Klassische Musik nicht begreifbar machen.


    Im Prinzip gebe ich Euch Recht. Edwin schrieb sinngemäß, dass mehr Liebhaber der Neuen Musik auch Bach mögen, als umgekehrt. Das ist für mich verständlich. Denn die Klassische Musik ist letztendlich doch etwas, das eben "von selbst" den Weg zum Herzen des Publikums findet. Die Neue Musik hingegen selten bis nie - wahrscheinlich will sie das auch gar nicht. Ich hatte neulich Gelegenheit, Werke von Johann Nepomuk David [der Name täuscht :D ] und Jörg [?] Widmann zu hören, gespielt von Lukas David. Er schien mir nicht glücklich zu sein... in keinem der beiden Fälle. Trotzdem hat er es gespielt [neben Beethoven, Debussy...]. Warum? Ich habe ihn nach dem Konzert gefragt, er meinte zu meiner Frau und mir "Ihr seid eben Zeitzeugen..." - lange hat mich dieser Satz beschäftigt. Die Werke übrigens waren harmlos im Vergleich zu sonstigen Klanggebilden. Mein Ohr hat sie schlichtweg ignoriert. Immerhin fand ich es nett, dass Herr Widmann eine kurze Einführung zu seinem Werk gab, dass er sich an Schönberg anlehne, das Werk aus den 76er oder 80er stammte, was weiß ich. Es war nicht das geringste dabei, was mich faszinierte. Bei den Werken von J. N. David scheint es so ähnlich zu sein, wie bei Bartók [Violinsonate] - Hauptsache ein werk ist komponiert, ob es spielbar ist - egal... es gibt von David eine als unspielbar geltende Violasonate [sola] - was bitte soll das? Das möchte ich erklärt haben.


    Gleichzeitig quält sich meine Frau mit einer nicht zu erklärenden Faszination mit der Bartók-Sonate ab [ich hab mich dran gewöhnt, wie an eine immerwährende Baustelle], auch diese enthält Stellen, die so - wie sie notiert sind - nicht spielbar sind, es gibt aber Lösungen/Annäherungsversuche. Ist das ein lustiges Rätselspiel? Gleichzeitig aber hält sie mir meine Noten vor [wenn es um eine Aufführung geht] und deutet auf angeblich unspielbare Stellen, z.B. eine b-moll-Phrase. Nach einer Woche MONSTERZOFF geht's dann doch und zwar problemlos. Irgendwie stimmt hier was nicht...


    Die c-moll-Messe ist übrigens auch nicht so mein Ding - die nachkomponierten Arien schon eher ;)


    Ich bin jetzt hungrig und müde - später vielleicht nochmal verständlicher und mehr...


    :hello:



    In einem anderen Forum gab es einen Sänger, für den die Musik spätestens mit dem Tod Händels starb; danach kam flaches Geklingel ohne ordentlichen Kontrapunkt oder rhetorische Expression...

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Clementi übertraf Mozart wahrscheinlich pianistisch sehr wohl. Ich habe das nur erwähnt, weil der pianistische Fortschritt durch Beethoven ja nun wirklích kein Argument sein kann.


    Nun, Du glaubst also nicht, dass die Klassik gewisse Qualitäten der Barockmusik verloren hat. Dass der Kontrapunkt von Mozart und Kollegen nicht mit dem von Bach und Kollegen mithalten kann, ist genauso Konsens wie dass die Instrumentation bei Mozart und Kollegen ausgefeilter sei als bei Bach und Kollegen. Beides ist schwer zu beweisen, ich glaube, dass hier im Forum niemand das wirklich kann. Jedenfalls ist es falsch, dass im Spätbarock die Holzbläser außer in Konzerten immer colla parte spielen.


    Dass die Aufgabenteilung beim Musizieren vom Mittelalter bis zu Beethoven eine extreme Verschiebung in Richtung Komponisten durchgemacht hat, ist natürlich auch kein klarer Fortschritt, sonst müßtest Du einsehen, dass erst beim reinen Tonbandstück der Höhepunkt der Entwicklung erreicht sei, da "Geschmacks- und Meinungsverschiedenheiten" der Interpreten erst da auf ein Minimum reduziert sind. Und die Wahl der Instrumente hat nunmal lange zu den Aufgaben der Interpretation gehört.


    Ich habe den Verdacht, dass der Fortschrittsglaube, der zu wissen glaubt, dass die Musikgeschichte zu Mozart "hinaufführt" manchmal die Ursache der Unfähigkeit ist, den Stilpluralismus der Musik des 20. Jh. würdigen zu können. Denn im 20. Jh. wurde alles an früheren "Errungenschaften" vom einen oder anderen "hinterfragt", und gerade die Rolle des Interpreten bei Cage ist da ein Punkt, der in diesem Zusammenhang sehr aufschlußreich ist.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Clementi übertraf Mozart wahrscheinlich pianistisch sehr wohl. Ich habe das nur erwähnt, weil der pianistische Fortschritt durch Beethoven ja nun wirklích kein Argument sein kann.


    Lieber KSM,


    Liegst Du hier nicht falsch. Kann man nicht eher sagen, daß erst ab Liszt man von richtigen Titanen reden kann.


    War Clementi besser als Field, oder schlechter. Oder als Hummel, Kalkbrenner, Herz? Oder Czerny, um nur einige Namen zu nennen.
    Clementi war Zeitgenosse von Mozart. Soweit ich weiß, wurde nie gesagt, daß Clementi ein soviel besserer Pianist als Mozart war.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Clementi war Zeitgenosse von Mozart. Soweit ich weiß, wurde nie gesagt, daß Clementi ein soviel besserer Pianist als Mozart war.


    Da braucht man nicht viel zu sagen, sondern lediglich in die Noten stieren (natürlich nicht in Hellers Sonatinenalbum... :P ).


    :D


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo liebe Forenteilnehmer,


    da melde ich mich als Neuling doch auch mal zu Wort!


    Ich finde die Frage, ob es in 100 Jahren noch "Klassik" gibt, ehrlich gesagt irrelevant.


    Interessant hingegen die Frage: Wie sah früher die künstlerisch hochstehende Musik aus, was für Formen hochwertiger Musik gibt es heute, und wie könnte es in Zukunft sein?


    Früher (d.h. bis Anfang des 20. Jahrhunderts) war ganz klar die künstlerisch avancierteste Musik die "Klassik".


    Dann geriet die "Klassik" in die Krise und brachte nur noch wenige Werke hervor, die in gleicher Weise die Zeit überdauern werden wie z.B. Werke von Bach, Schubert oder Wagner. Hingegen etablierte sich in weiten Teilen der "Neuen Musik" eine Art des "Brainfucks" und der Wichtigtuerei mit Tönen.


    Was hier in diesem Thread praktisch gar nicht zur Sprache kommt - was mich SEHR erstaunt!! - ist der Jazz, der sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer sehr differenzierten Kunstform entwickelte.


    Künstlerische Verdienste des Jazz sind u.a.:


    - Wiederbesinnung auf die Improvisation und starke Weiterentwicklung dieser


    - Erweiterung der klanglichen und technischen Möglichkeiten von Instrumenten (besonders deutlich u.a. bei Kontrabaß, Saxophon, Trompete, Mundharmonika)


    - Einführung neuer Maßstäbe für das, was man unter rhythmischer Präzision versteht


    - spontane Arbeit mit Rhythmen in im Westen bisher ungekannter Vielfalt und Komplexität


    - riesige Stilbandbreite von traditionell tonaler Musik über "impressionistische" Formen bis zu frei- und atonalen und selbst seriellen Konzepten


    - Entdeckung, daß sich absolute Ernsthaftigkeit gegenüber der Musik und Spaßhaben nicht ausschließt u.v.m.


    Was heute z.B. Brad Mehldau, Herbie Hancock, Wayne Shorter, Keith Jarrett u.a. machen, kann man vom künstlerischen Wert absolut mit klassischen Meistern vergleichen! Nur daß es a) spontan entsteht und daher nur live oder als Aufnahme genossen, nicht aber nachgemacht werden kann und b) natürlich nicht die kompositorische Qualität des Jazz mit derjenigen der Klassik verglichen werden kann, denn da ist natürlich die Klassik haushoch überlegen. Aber wer sagt, daß das primär Künstlerische an Musik automatisch die Komposition ist?


    Das Problem ist allerdings, daß die Klassikwelt nicht bereit ist, anzuerkennen, daß in der Chefetage der Musik nicht mehr nur die Klassik sitzt, sondern der Jazz jetzt gleichberechtigt dabei ist!


    Dies ist m.E. weniger ein Problem auf der musikalischen Ebene. Jeder, der ernsthaft Mehldau oder Jarrett zuhört, weiß, daß das ganz große Kunst ist.


    Nein, ich glaube, es ist mehr ein soziokulturelles Phänomen. Die gesellschaftlichen Gruppen der "Klassiker" und "Jazzer" unterscheiden sich immer noch viel zu sehr.


    Im Klassikkonzert sitzen meist Besserverdienende und Bildungsbürger, die über das Ungepflegte, Chaotische, Unpünktliche und Undisziplinierte der Jazzer die Nase rümpfen.


    Die Jazzer, meist eher establishmentfern eingestellt, finden hingegen Klassikkonzerte zu glatt, zu unkreativ, zu pünktlich (man kommt ja nicht mal mehr rein, wenn man ein bißchen später kommt...), zu still, zu wichtigtuerisch etc.


    Das führt dazu, daß jede Gruppe aufgrund dieser rein sozialen Konventionen nicht bereit ist, sich wirklich ernsthaft auf die Musik der anderen Gruppe einzulassen und deren Qualitäten wahrzunehmen. Sehr, sehr schade!!


    Eine Zukunftsprognose - welche Musik wird in 100 Jahren künstlerisch relevant sein? - ist daher schwierig; vielleicht wird der Jazz mehr anerkannt werden und sogar die GEMA Stücke mit Improvisationsteilen und Akkordsymbolen als E-Musik anerkennen???


    Ich hoffe zumindest, daß dann Kategorien wie "Klassik" oder "Jazz" endlich tot sind und man sich nur dafür interessiert, ob eine Musik künstlerisch etwas zu sagen hat und Menschen bewegt. Egal ob sie swingt oder nicht, ob sie aufgeschrieben ist oder improvisiert.


    LG,
    Hasenbein

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  • Zitat

    Original von hasenbein
    Ich hoffe zumindest, daß dann Kategorien wie "Klassik" oder "Jazz" endlich tot sind und man sich nur dafür interessiert, ob eine Musik künstlerisch etwas zu sagen hat und Menschen bewegt. Egal ob sie swingt oder nicht, ob sie aufgeschrieben ist oder improvisiert.


    Und da haben wir das Problem.
    Dieses Kriterium folgend ist André Rieu offensichtlich ein großer Künstler. Die meiste Musik von ihm ist schon traditionell, hat also schon bewiesen etwas zu bedeuten und sagen zu haben. Er bewegt viel Menschen mit seinen Ausführungen.


    LG, Paul

  • Hasernbein hat hier einiges interessantes geschrieben - dennoch bin ich mit vielem nicht einer Meinung:


    Zitat

    Dann geriet die "Klassik" in die Krise und brachte nur noch wenige Werke hervor, die in gleicher Weise die Zeit überdauern werden wie z.B. Werke von Bach, Schubert oder Wagner. Hingegen etablierte sich in weiten Teilen der "Neuen Musik" eine Art des "Brainfucks" und der Wichtigtuerei mit Tönen.


    Im Großen und Ganzen: d´accord


    Zitat

    Was hier in diesem Thread praktisch gar nicht zur Sprache kommt - was mich SEHR erstaunt!! - ist der Jazz, der sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer sehr differenzierten Kunstform entwickelte.


    Das ist unbestritten - es kam nur nicht zur Sprache, weil dieser Thread sich nicht mit Jazz - sondern eben mit Klassik befasst. Es gibt aber ein Mini-Jazzforum als Anhängsel - wo sowieso kompetente Beiträge gesucht werden. Ob die Entscheidung, dem Forum ein Jazz-Forum anzuhängen richtig opder falsch war- das wird die Zukunft weisen.


    Zitat

    Das Problem ist allerdings, daß die Klassikwelt nicht bereit ist, anzuerkennen, daß in der Chefetage der Musik nicht mehr nur die Klassik sitzt, sondern der Jazz jetzt gleichberechtigt dabei ist!


    Ich glaube nicht, daß dies heute noch wirklich ein Problem ist - selbst für mich nicht - wo ich sicher nicht zum progressiven Flügel des Forums gezählt werden kann......
    Ob "gleichberechtig - das ist allerdings schon eine Frage - nicht sosehr der Qualitätr wegen, sondern einerseits wegen der bereits angerissenen "Flüchtigkeit" (dennoch durch zahlreiche Aufnahmen unterminiert) und - das hat mich gewundert- der Zahlenmäßigen Unterlegenheit gegenüber dem "Klassikmarkt.
    Kaum zu glauben aber wahr : Es interessieren sich weit weniger Musikliebhaber für Jazz als für Klassik.


    Zitat

    Nein, ich glaube, es ist mehr ein soziokulturelles Phänomen. Die gesellschaftlichen Gruppen der "Klassiker" und "Jazzer" unterscheiden sich immer noch viel zu sehr.


    Das konnte ich eigentlich nicht beobachten - das war vielleicht einst so.
    Ich glasube man sieht heutzutage Klassik und Jazz als gleichwertiges, wenn auch ungleiches Brüderpaar. Keine musikrichtung liegt der Klassik näher als der Jazz.


    Zitat

    Ich hoffe zumindest, daß dann Kategorien wie "Klassik" oder "Jazz" endlich tot sind und man sich nur dafür interessiert, ob eine Musik künstlerisch etwas zu sagen hat und Menschen bewegt. Egal ob sie swingt oder nicht, ob sie aufgeschrieben ist oder improvisiert.


    Ich hoffe, daß sich diese Prognose nicht erfüllt, sie wäre eine Abwertung BEIDER Musikrichtungen, heraus käme ein Mischmasch ählich wie beim Crossover oder der Kreuzung zweier edler Hunderassen.
    Einschränkend könnte man jedoch sagen, daß die Klassik im eigentlichen Sinn bereits tot ist, was heute unter ihrem Namen komponiert wird, trägt allenfalls noch deren Namen - mehr nicht.......



    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallo Alfred,


    wenn ich von den Gruppen der "Klassiker" und "Jazzer" spreche, dann meine ich nicht das Publikum auf Großveranstaltungen (meinetwegen in der Berliner Philharmonie oder auf großen Festivals). Da ähneln sich die Zielgruppen mittlerweile tatsächlich relativ stark, obwohl ich bei Klassikkonzerten stets einen erheblich größeren Anteil Besserverdienender beobachte. Nein, ich spreche von den ganz gewöhnlichen, kleineren Konzerten, die das Gros der Veranstaltungen bilden. Hier bei uns sieht man die, die im Klavierkonzert der "Chopin-Gesellschaft" sitzen oder im "Pro Musica"-Kammerkonzert, niemals in einem Jazzclub. Und umgekehrt gilt das gleiche. Und die Leute sind auch wirklich vollkommen unterschiedlich.


    Daß der Jazz in der Tat zahlenmäßig unterrepräsentiert ist, liegt auch daran, daß die Klassik immer zahlungskräftige Geldgeber hat!! Er ist nun mal die Musik der Besserverdienenden, und zusätzlich gibt es dadurch, daß diese Musik als höherwertig gilt, kräftige Subventionen über Staat (Orchesterlandschaft!) und u.a. auch über die GEMA (für E-Musik Kompositionen gibt es WEITAUS höhere Beträge ausgezahlt als für sog. "U-Musik", unter die Jazz leider unberechtigterweise fällt). Das hat der Jazz alles nicht! Vielmehr muß der typische Jazzmusiker (auch wenn er wirklich gut ist) sich mit dummen, geizigen Clubbesitzern rumschlagen und dann Auftritte spielen in ranzigen Clubs mit unterirdischen Klavieren, wenn er nicht unbeschäftigt zu Hause rumsitzen will.


    Rein vom künstlerischen Gehalt IST der Jazz in der Chefetage, gleichberechtigt mit der Klassik, aber es wird nur nicht so gesehen. Auch oft aus Arroganz und Unwissen, sorry (auf beiden Seiten) - da ich an einer Musikhochschule tätig bin, kann ich das ständig eindeutig beobachten.


    Mit meinem letzten Absatz habe ich mich ungenau & mißverständlich ausgedrückt. Keineswegs bin ich für einen Mischmasch aus Klassik und Jazz. Das hat bisher praktisch nie befriedigend funktioniert, da die musikalischen Herangehensweisen beider Welten einfach zu unterschiedlich sind. Ich bin lediglich dafür, daß sich bei der Allgemeinheit ein Bewußtsein für künstlerisch wertvolle Musik herausbildet, statt bestimmte Labels wie "Klassik" oder "Jazz" automatisch für höherstehend zu halten. Und ich bin relativ sicher: Wenn sich dieses übergreifende Bewußtsein herausbildete (auch z.B. indem an Musikhochschulen Studenten der einen Richtung auch Musik der anderen Richtung vermittelt würde, also z.B. Klassiker etwas über Improvisation oder "Groove" lernten oder Jazzstudenten etwas über wirklich hohe Kompositionskunst), dann würde es sicherlich gegenseitige Beeinflussungen geben, nicht im Sinne eines doofen, aufgesetzten "Crossover", sondern als natürliche Entwicklung einer Musik des 21./22. Jahrhunderts.


    Nebenbei gibt es bereits Kompositionen der Neuen Musik, die hervorragend sind und auch zu den Sternstunden der Musik des 20. Jahrhunderts zählen, die ohne den Jazz nicht denkbar sind. Nein, ich meine nicht Gershwin. Sondern z.B. Ligetis Klavieretüden (in einer Liga mit Chopins oder Scriabins) oder viele Kompositionen von Dutilleux. Hier ist nix zu spüren von "Crossover", sondern einfach authentische, originelle, mitreißende Musik. Kapustins Stücke hingegen sind eher viel Lärm um nichts, eher Futter für virtuositäts- und selbstverliebte Klassik-Klavierstudenten :-)


    LG,
    Hasenbein

  • Hallo Paul,


    was Du sagst, ist natürlich - entschuldige bitte - Unsinn.


    Ich habe in meinem Posting ausdrücklich von künstlerisch wertvoller Musik gesprochen.


    Da gehört Rieu ja nun eindeutig nicht dazu.


    Und den Aspekt, daß die Musik Menschen bewegt, habe ich deswegen mit reingenommen, weil ich meine, daß der künstlerische Wert einer Musik nicht nur etwas vom Verstand Meßbares oder so ist, sondern daß gute Musik auch immer zur Folge hat, daß sie entsprechend aufnahmebereite Menschen bewegt.


    Man hat ja in der "Neuen Musik" versucht, künstlerisch wertvolle Musik zu schaffen, die die Menschen nicht bewegt (oder nur auf negative Weise), bei der man hauptsächlich die "Kunstfertigkeit" im Umgang mit seriellen Systemen etc. bestaunen sollte. Dies ist ja grandios gescheitert.


    Und in der Popmusik wird oft NUR versucht, die Menschen zu bewegen, oft auf platte Weise, aber in der Musik an sich findet nix statt.


    LG,
    Hasenbein

  • Hallo Alfred,


    ich hoffe, es ist o.k., wenn ich so viele Postings dicht hintereinander absetze. Wenn nicht, bitte Bescheid sagen!


    Ein Punkt fiel mir noch ein:


    Obwohl in der Klassik die größten Gestalten wie Bach, Mozart, Beethoven, Liszt einen Großteil ihres Ruhms ihren Improvisationen zu verdanken haben (was gäbe ich darum, Beethoven improvisieren zu hören!), sind viele Klassiker heutzutage mehr oder weniger so eingestellt: "Ach, das war ja jetzt nur improvisiert, das zählt nicht so viel." (Z.B. kommt es auch oft vor, daß man virtuoses Spiel nur dann anerkennt & bewundert, wenn es durch mühsames Üben nach Noten erfolgt, improvisiertes virtuoses Spiel aber, weil "leichter", abwertet.)


    Wenn man in der Klassikwelt wieder (so wie vor 200 Jahren auch schon und so wie in praktisch ALLEN außereuropäischen Musikkulturen!) die Gleichwertigkeit improvisierter mit aus Noten erarbeiteter Musik sehen würde, ergäben sich sicherlich auch viel mehr neue Möglichkeiten und auch Querverbindungen zwischen Musikrichtungen und Stilen.


    Und vor allem würde es wieder wichtiger werden, daß man ein wirklich kreativer Musiker ist, auch als "Interpret", und die Massen von austauschbaren chinesischen Wunderkindern, die hauptsächlich nur unfaßbar fleißig sind, würden endlich als irrelevant für die Musikgeschichte erkannt. Das fände ich eine gute Entwicklung!


    Klassik in der Form "ich nehme zum 5328. Mal alle Beethoven-Sonaten auf" oder "schnellste und lauteste Version der Chopin-Etüden" darf ruhig sterben!
    Klassik als Form der Musikausübung, die Wert legt auf außerordentliches Können, auf kompositorische Meisterschaft, auf tiefe Berührung des Zuhörers, auf Bewußtmachung der Tatsache, daß Musik etwas ist, was uns mit dem Göttlichen verbindet und uns "still" macht - diese Form sollte unbedingt weiterbestehen und als leuchtendes Vorbild dienen für alle weiteren Entwicklungen!


    LG,
    Hasenbein

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  • Hallo Hasenbein,


    Ich bin kein Rieufan. O nein !! :angry:
    Meine Mutter (91 Jahre alt) dagegen ist es. Für sie erleben alte Zeiten. Sie hat viele Jahre Klavier studiert, sowie Violine. Hat auch eine sehr gute "klassische" Erziehung bekommen.
    Wenn aber auch den Nebennachbarn (links und rechts) und den Nachbarn oben und unten seine Musik gefällt, dann muß die etwas haben, daß mich (und dich) offensichtlich entgeht. Sie hantieren offensichtlich einen anderen Maßstab über Kunst oder Kitsch als ich.
    Genau wie Popliebhaber es auch tun. Ich habe hier gelesen, daß Michael Jackson als ein musikalisches Genie beschrieben wurde. Das warum kann ich nicht verstehen und folgen. Es sei so.
    Könnte es nicht sein, daß genau wie bei MJ mir das Einschätzungsvermögen fehlt, es mir (und Dir) auch bei Rieu fehlt?
    Jahre habe ich in Indonesien gewohnt. Tagtäglich habe ich da eine Musik gehört, die mich graute. Dennoch wird sie von Hunderten Millionen von Menschen geliebt.


    Höchstens könnte man noch die Frage stellen, ob "nicht gute" Musik Menschen rühren kann. Und das bezweifle ich. Ohne es aber beweisen zu können.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Meine Mutter (91 Jahre alt) dagegen ist es. Für sie erleben alte Zeiten. Sie hat viele Jahre Klavier studiert, sowie Violine. Hat auch eine sehr gute "klassische" Erziehung bekommen.


    Ohne jetzt etwas gegen Deine Mutter, die bestimmt ein toller Mensch ist, sagen zu wollen: Ihre "klassische Erziehung" und ihr Studium kann nicht so gut gewesen sein, sonst würde sie auch mit 91 noch so viel Kunstempfinden haben, Rieu als Fake und Kitsch zu durchschauen.


    Aber wenn ich mir angucke, was für Popmusik viele Klassik-Musiker in ihrer Freizeit so hören, scheint im Klassikstudium zwar die Vermittlung von Fertigkeiten sehr gut zu sein, die wirkliche künstlerische Bildung und Geschmacksbildung aber zu kurz zu kommen! (Oder man gucke sich die arte-Dokumentation über Boris Berezovsky an, der an einer Stelle wirklich grauenhaft und geschmacklos und ohne jeden Klangsinn "Jazz" spielt...)


    LG,
    Hasenbein

  • Zitat

    Original von hasenbein
    Ohne jetzt etwas gegen Deine Mutter, die bestimmt ein toller Mensch ist, sagen zu wollen: Ihre "klassische Erziehung" und ihr Studium kann nicht so gut gewesen sein, sonst würde sie auch mit 91 noch so viel Kunstempfinden haben, Rieu als Fake und Kitsch zu durchschauen.


    Lieber Hasenbein,


    Ich weiß nicht, wie alt Du bist. Ist an sich auch nicht interessant.
    Manchmal höre sogar ich bei Rieu (notgezwungen Mithörer :motz: ) plötzlich auf. Denn dann bekomme auch ich nostalgische Gefühle. Ich höre dann Musik aus den 30. Jahre. Lange bevor ich geboren wurde. Ich bin aber damit aufgewachsen.
    Dann wird bei mir eine Saite für ein Moment angeschlagen. Und erinnere ich mich wieder die Zeiten meiner Kindheit. Dan sehe ich wieder, wie wir um Klavier standen. Und meine Mutter bzw meine Großmutter am Klavier, die "Schlager" von vor dem Kriege spielte.


    Was sagt Dir das Lied "Heimatland" (aus dem Film "Heimatland" von 1937; Musik Nico Dostal), oder das Französische Chanson "Chante, chante encore" durch Rina Ketty gesungen (etwa 1938 ). Als Rieu diese Melodien spielte, hörte ich sie mit zugeschnürter Kehle.
    Das wichtige ist nicht wie er sie spielt, sondern daß er sie spielt!


    LG, Paul


    PS Meine Mutter hat mindestens drei Czernybücher (Schule der Geläufigkeit, Schule der Fingerfertigkeit und Klavierschule (heißt das Ding so??)) durchpflügen müßen. Aus zwei Gründen weiß ich das: ich habe die Bücher selbst öfter gesehen und Czerny ist fast ein Trauma für sie. Sie findet seine Musik schrecklich. Ohne Gefühl, nur Technik. Ich denke, daß ihr musikalisches Studium doch besser gewesen ist, als Du vermutest.

  • Zitat

    Original von hasenbein


    Ohne jetzt etwas gegen Deine Mutter, die bestimmt ein toller Mensch ist, sagen zu wollen: Ihre "klassische Erziehung" und ihr Studium kann nicht so gut gewesen sein, sonst würde sie auch mit 91 noch so viel Kunstempfinden haben, Rieu als Fake und Kitsch zu durchschauen.


    Ich denke, man sollte nicht zu sehr verallgemeinern. Manche Meinungen, Geschmäcker, was auch immer, lassen sich rational nicht erfassen.


    Eine liebe, gute Freundin, 35 Jahre alt, vielseitig interessiert und gebildet, eröffnete mir vor einigen Jahren, daß ihr André Rieu mehr zusagt als "Original Strauß".


    Ich habe es mit einem Kopfschütteln bewenden lassen ;) . Bekanntlich ist das erlaubt, was gefällt, und so lange er keinen Schaden verursacht, soll sie mit ihrem Musikgeschmack glücklich werden/bleiben.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Erstens kann man jetzt genausogut noch Rock, Pop, Noise, etc. mit Hauptvertretern anführen (die in anderen Threads als "ernste Musik" eingestuft wurden, wie manche Jazzer auch).


    Zweitens hatte ich bislang den Eindruck, dass es in Chef-Etagen schick ist, Jazz zu mögen (und nicht Klassik).


    Drittens ist es nun mal etwas schwierig, als Klassikfreund davon abzugehen, vor allem die Komposition interessant zu finden, wodurch man im Jazz/Rock/Pop/Noise etc. erst mal mäßig begeistert ist. Warum das dann Ersatz für die Komponisten ernster Musik sein soll, will einem, sofern man in der Lage ist, deren Musik zu mögen, nicht eingehen.

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