Romantische Violinkonzerte - das 19.Jahrhundert

  • Ich habe aus Neugier auch in dieses Konzert von Howard Blake hineingehört, weil ich wissen wollte was Toby unter "schöner Musik" versteht.


    Ich würde sagen, ich hatte weit schlimmeres erwartet, es klang zumindest "interessant" - nichts für mich aber durchaus für einige Forianer. Leider sind die Tonschnippsel von Amazon nicht gerade das was man als "HIFI" bezeichnen würde - jpc hat in dieser Hinsicht die Nase vorn......


    Letztlich muß gesagt werden, daß es sich hier mit Sicherheit um KEIN Violinkonzert des 19. Jahrhunderts handelt und somit Theos Erwartungshaltung eine andere war.


    Er führt ja nicht umsonst Max Bruch als Avatar in seinem Profil.
    Bruch jedoch war erzkonservativ und seine Werke werden heute als ein wenig akademisch und leicht süsslich bezeichnet - ist aber nur eine Frage des Standpunktes. Wer solche Musik mag, dem kann ein Konzert von Howard Blake nicht gefallen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Klar, ich bin mr bewusst, dass es deutlich "schlimmere" moderne Violinkonzerte gibt. Von dem Blake bekomme ich nicht mal sofort Kopfschmerzen; - wie geschrieben - frage ich mich nur "What's the point?"


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Er führt ja nicht umsonst Max Bruch als Avatar in seinem Profil.
    Bruch jedoch war erzkonservativ und seine Werke werden heute als ein wenig akademisch und leicht süsslich bezeichnet - ist aber nur eine Frage des Standpunktes. Wer solche Musik mag, dem kann ein Konzert von Howard Blake nicht gefallen....


    Stimmt. Und ich muss gestehen, dass mir Bruch's Auffassung bzgl. der modernen Musik (Schönberg, Wagner, Berg, ...) durchaus symphatisch ist. Seine Einstellung zu Brahms teile ich hingegen nicht unbedingt.


    Jedem Tiersche sing Pläsiersche, :)
    Theo

  • "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". Dieses Bonmot von Gorbatschow gilt auch in der Musikgeschichte. Christian Sinding ist sicher ein Komponist, auf den dies zutrifft. Die hier zum ersten Mal komplett eingespielten Violinkonzerte entstanden in der ersten und zweiten Dekade des 20. Jhdts, wissen aber nichts von der Entwicklung der Musik ab Mahler und Bruckner. Sie sind somit fest im 19. Jhdt verankert und vergleichbar mit denen von Bruch, Dvorak oder Joseph Joachim.
    Allerdings handelt es sich um außerordentlich klangschöne und melodienselige Werke, so dass es eigentlich unverständlich ist, dass sie erst jetzt "entdeckt" wurden. Sie müssen sich, was die kompositorische Qualität angeht, nicht vor denen der oben erwähnten Komponisten verstecken und sind z.B. denen des Herrn Paganini m. E. weit überlegen. Das wäre ideales Futter für einen Jascha Heifetz gewesen.
    Insofern dürfen wir ein weiteres Mal (wie schon unzählige Male zuvor) der Firma CPO dankbar sein, dass sie diese Schätze ans Tageslicht befördert hat. Dazu in Einspielungen, die was die geigerische Umsetzung durch den jungen Nachwuchsgeiger und die orchestrale Begleitung durch die NDR-Radiophilharmonie unter Frank Beermann angeht, vorbildlich sind.
    Dass JPC die Doppel-CD seit kurzem im unteren Preissegment führt, tut der Sache sicher keinen Abbruch. Allen Freunden wirklich romantischer Musik wärmstens empfohlen.

  • Ein hochinteressantes Violinkonzert des 19. Jahrhunderts, das man leider nicht allzu häufig im Konzertsaal hört, ist das 2. Violinkonzert d-moll op. 21, die "Symphonie espagnole" von EDOUARD LALO.


    LALO, der von 1823 - 1892 lebte, komponierte vor allem Instrumentalmusik, die sich aber in Frankreich erst ab etwa 1870 zunehmender Beliebtheit erfreute, so daß LALO erst relativ spät einem breiteren Publikum bekannt wurde. Er stammte aus einer alten spanischen Soldatenfamilie, und ging 1839 gegen den Willen seines Vaters nach Paris, um Violine und Komposition zu studieren.
    Ab Ende 1840 begann mit dem Komponieren, vor allem von Kammermusik. 1855 war er Mitbegründer des ARMINGAUD-QUARTETTS, in dem er anfangs Viola, später die zweite Geige spielte. 1859 gründete er sein eigenes Streichquartett. Mit seinen Kompositionen hatte er zunächst wenig Erfolg. Als sich ab etwa 1871 die SOCIÉTÉ NATIONALE DE MUSIQUE zunehmend für die Erneuerung der französischen Musik einsetzte, um der dominierenden deutsche Musiktradition nicht allein das Feld zu überlassen, wurden auch LALO's Werke zunehmend aufgeführt. Kein geringerer als PABLO DE SARASATE war es, der 1874 und 1875 LALO's ersten beiden Violinkonzerte in Parisuraufführte.


    LALO's Kompositionen zeichnen sich durch eine klare Gliederung, eine ausdrucksstarke Melodik und oft sehr prägnante Rhythmen und folkloristische Melodien aus. Er schrieb 3 Sinfonien, (2 davon vernichtete er), Konzerte, Orchestersuiten, Kammermuisk und einige Lieder. Sein mit Abstand populärstes Werk ist sein 2. Violinkonzert, eben seine sogenannte "Symphonie espagnole", bestehend aus 5 Sätzen. Dieses Konzert hat LALO von Anfang an dem großen Geigenvirtuosen seiner Zeit PABLO DE SARASATTE gewidmet. Bereits im Titel wird auf den spanischen Kontext hingewiesen, der sogleich im Kopfsatz von der Solovioline unterstrichen wird, und der vor allem auch im sehr lyrischen Andante deutlich zum Tragen kommt. Das Abschluß-Rondo verlangt dann geigerisch dem Solisten nochmals alles ab.


    Dieses Werk gibt es in einer fast unübertrefflichen Interpretation und CBS-Aufnahme durch ISAAC STERN und dem ähnlich temperamentvoll gesinnten und aufspielenden EUGENE ORMANDY mit seinem vortrefflichen PHILADELPHIA ORCHESTRA.
    STERN's
    kraftvolles, lebendiges, expresssives und wie immer höchst virtuoses Spiel wird den verschiedenen Stimmungen dieses Werkes in jeder Phase gerecht. Sein gerühmtes Stilgefühl und sein warmer Ton ordnen sich auch hier dieser sehr individuellen Komposition uneitel im Einvernehmen mit ORMANDY unter. ISAAC STERN war sicher ein Ausnahmekünstler, dessen Weltkarriere sechs Jahrzehnte währte, und der in seinen besten Zeiten bis zu 100 Konzerte jährlich spielte. Zu seinen bekanntesten Schülern zählen YO-YO MA und ITZHAK PERLMAN. Übrigens ist STERN die Rettung der CARNEGIE HALL zu verdanken, die 1960 abgerissen werden sollte.


    Diese von mir propagierte Aufnahme des LALO-Konzertes enthält übrigens auch noch BRUCH's Violinkonzert, das auf dem gleichen hohen Niveau und nicht weniger überzeugend dargeboten wird. Unter den zahllosen Einspielungen des BRUCH-Konzertes zählt diese Aufnahme mit ISAAC STERN/EUGENE ORMANDY neben der ebenfalls großartigen Interpretation durch HERMAN KREBBERS und dem EUROPA-ORCHESTER unter HEIN JORDANS zu den von mir klar präferierten Einspielungen, wobei KREBBERS/JORDANS in allen 3 Sätzen etwas langsamere Tempi wählen.


    Viele Grüße
    wok

  • Diesen Geiger schätze ich auch außerordentlich und kann als Ergänzung seine Einspielung des Violinkonzerts von Brahms empfehlen.



    Dies ist allerdings eine Monoaufnahme aus den frühen 50ern. Er hat das Konzert auch mit Ormandy in Stereo eingespielt, aber mir gefällt die frühe Aufnahme noch etwas besser.

  • Hallo WOK,


    da erwähnst Du mit Lalo under Symphonie espagnole ein ganz herausragendes Beispiel für das 19.Jhd. Und auch die von Dir abgebildete Aufnahme mit Stern/Ormandy (SONY) ist auf CD mein Favorit. Ich hatte die CD auch im Lalo-Thread vor langer Zeit vorgestellt- aber dort ohne Resonanz - Lalo schien keinen zu interessieren. ;) Deshalb gebe ich Dir jetzt gerne eine Antwort auf deinen Beitrag um die Aufmerksamkeit für Lalo zu bekräftigen.
    :thumbsup: Das sind Werke des 19.Jhd, die mich wirklich begeistern.
    Ich kenne nur noch eine Aufnahme, die an diese feurige Glanzleistung heranreicht ... die wird keiner kennen - es ist die mit Igor Oistrach, Violine / Grosses RSO der UDSSR Moskau / David Oistrach (Eurodisc-LP) = einer der verbliebenen Edelsteine meiner heutzutage sehr stark reduzierten LP-Sammlung.


    Auch das Bruch VC 1 ist natürlich mit Stern / Ormandy (SONY) ganz grosse Klasse mit Vorbildcharakter für alle die das Konzert heute einspielen.




    PS: Ich habe gerde mal diesen Thread durchgeblättert, was bisher so an VC des 19.Jhd vorgestellt wurde ... und da bin ich jetzt mal ganz frech: 8-) Bis auf Brahms und Bruch ist das bisher vorgestellte gegenüber Lalo alles "kalter Kaffee". :pfeif::stumm:
    Ist eben meine Meinung dazu :P .

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    teleton: Auch das Bruch VC 1 ist natürlich mit Stern / Ormandy (SONY) ganz grosse Klasse mit Vorbildcharakter für alle die das Konzert heute einspielen.

    Hallo Wolfgang,


    Da lieben wir ja beide ein relativ selten gespieltes Werk, und wieder einmal sogar in der gleichen Besetzung!


    Es scheint, daß wir in punkto Interpreten oft die gleichen Vorstellungen bezüglich der Idealbesetzung für ein bestimmtes Werk haben.


    Mir fiel dies schon bei den beiden MENDELSSOHN-Konzerten für 2 Klaviere und Orchester mit den Solisten ARTHUR GOLD/ROBERT FIZDALE auf, dann unser Ideal-Interpret für BEETHOVEN's 4. Klavierkonzert, d. h. EMIL GILES, und nun auch LALO's Symphonie espagnole , wie auch BRUCH'S Violinkonzert, in der Besetzung ISAAC STERN/EUGENE ORMANDY!!! Das ist schon eine erstaunliche Übereinstimmung angesichts der vielen verschiedenen Einspielungen, die es von diesen Werken auf dem Markt gibt!


    Übrigens ist sicher auch die von Dir ebenfalls genannte Einspielung OISTRACH/OISTRACH für das LALO-Konzert eine sehr gute Alternative, doch meine ich, daß in der STERN/ORMANDY-Aufnahme das spanische Kolorit einfach optimal zum Tragen kommt.


    Viele Grüße aus Málaga!
    wok

  • "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". Dieses Bonmot von Gorbatschow gilt auch in der Musikgeschichte. Christian Sinding ist sicher ein Komponist, auf den dies zutrifft.

    Diese Ansicht, daß es nur eine Entwicklungslinie technischen Fortschritts geben kann, ist seit mehreren Jahren im Schaffen vieler Komponisten eindeutig widerlegt.
    Es geht mir nicht nur die Begriffe von Neoklassizismus oder eigentlich immer stattfindene Rückgriffe auf frühere Kompositionstechniken egal welcher Epoche, sondern vor allem um parallel stattfindende Entwicklungen, die es immer gegeben hat - der Kampf um die italienische Vorherrschaft in der Barockzeit oder die Frühromantik parallel zu Beethoven und vor allem die Brahms-Wagner Konflikte zeigen, daß es nicht eine richtige und eine andere falsche Auffassung gibt, sondern Strömungen der Mode, denen man folgen oder widerstehen kann.

    Mein populärstes Beispiel veralteter Romantik wären ja Strauss 4 letzte Lieder - aber warum sollte man sie als anachronistisch ablehnen, anstatt sich an diesem romantischen Werk zu erfreuen?

    Ich werde mich für eine Rehabilitierung der "Salonkomponisten" einsetzen, vor allem dort, wo sie mit diesem Begriff nur abgewertet wurden, um anderes daneben höher zu bewerten.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)