Johann Christoph Friedrich Bach – das fünfte Rad am Wagen

  • Die Familie Bach war sehr produktiv – im fortpflanzungstechnischen und in Folge dessen im musikalischen Bereich. Wenn ein Komponist wirklich der Vergessenheit angehört, dann ist das


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    *21. Juni 1732 in Leipzig, +26. Januar 1795 in Bückeburg – weshalb er auch der Bückeburger Bach genannt wird.


    Auch Johann Christoph Friedrich ist ein Sohn Johann Sebastians, von dem wir eigentlich nur Johann Christian [[*05.09.1735 in Leipzig, +01.01.1782 in London, daher Londoner Bach], Carl Philipp Emanuel [*08.03.1714 in Weimar, +14.12.1788 in Hamburg] und beiläufig auch Wilhelm Friedemann [*22.11.1710 in Weimar, *01.07.1784 in Berlin] kennen.


    Während Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel aus erster Ehe Johann Sebastians mit Maria Barbara stammen, sind die Söhne Johann Christian und Johann Christoph Friedrich Bach Söhne aus zweiter Ehe mit Anna Magdalena geb. Wülcken.


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    Natürlich lernte er beim Vater. Auch wandte er sich zunächst dem Jurastudium zu, obligatorisch - zur Sicherheit. Sein Leben ist wenig aufregend: Bereits 1750 trat er als Hochgräflicher Schaumburg-Lippscher Cammer-Musicus in die Dienste des Grafen Wilhelm zu Bückeburg – dort blieb er bis zu seinem Tode. Natürlich wurde er 1758 oder 1759 zum Concert-Meister in Nachfolge von Angelo Colonna ernannt.


    Die Bückeburger Hofkapelle zählte damals zu den bedeutendsten fürstlichen deutschen Hofkapellen und war durch die Vorlieben des Brotgebers italienisch infiziert. Joh. Chr. Friedrich führte mit dieser Hofkapelle die Werke der berühmten Italo-Stilisten seiner Zeit wie Jommelli, Hasse, Scarlatti, Tartini, Pergolesi auf. Nicht immer fanden seine eigenen Schöpfungen die Billigung des Grafen. So führte er seine eigenen Werke lieber außerhalb Bückeburgs auf. Zeitweise gehörte Johann Gottfried Herder zu den am Hofe Verkehrenden. So blieb es nicht aus, dass Bach auch einige seiner Texte vertonte. Im Jahre 1778 unternahm Joh. Chr. Friedrich zusammen mit seinem damals 19jähirgen Sohn Wilhelm Friedrich Ernst eine Besuchsreise nach London zu seinem Bruder Johann Christian, unterwegs traf er noch den Bruder Ph. Emanuel in Hamburg. Bach lernte auf dieser Reise jede Menge Opern kennen, die er dann später zu Brückeburg aufführte, darunter Opern von Händel, erstaunlicher Weise Mozarts Entführung [1778 war Joh. Chr. Bach bis 1779 in Paris!, die Entführung von Mozart noch nicht komponiert!] und Glucks Iphigenie.


    63jährig starb dieser Bachsohn nach einem kurzen Krankenlager […] an hitzigem Brustfieber und wurde in Bückeburg beigesetzt.


    Ich persönlich kenne von ihm lediglich die 18 Variationen über Ah! Vous dirai-je, Maman! für Klavier [solo], die ich sehr reizend finde und auch als Ergänzung/Alternative zu jenen des Kollegen Mozart sehe. Sie sind sehr viel einfacher gehalten, dafür aber stilistisch viel abwechslungsreicher: Es gibt beispielsweise zwei Moll-Variationen, ein Siciliano, „Schwäbisch“, Tempo di Menuetto.


    Die Musik hat mich beglückt – daher dieser Thread.


    Gibt es Einspielungen mit Werken des vergessenen [?] Bachsohnes, die zu empfehlen sind?


    Cordialement
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Hallo Ulli!!!


    Ja es gibt eine CD_Box mit Musik der Bach-Söhne von Brilliant Classics:


    Habe in meinem Kanon-Teil Aufnahme 15 darüber geschrieben:
    Don Basilio: Unverzichtbare Klassikaufnahmen


    Diese Sinfonien sind ein traumhaft schönes Stück Musik, die ich nur jedem empfehlen kann, ob es die CD auch einzeln gibt, kann ich nicht sagen, wenn nicht die ganze Box kaufen!!! :D :D


    Weiters gibt es 1 Oratorium von ihm, die ich nur vom Hörensagen kenne:
    DIE KINDHEIT JESU
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    Seine Kantaten und Motetten sind ebenfalls auf CD eingespielt: Cassandra



    Beide CDs interessieren mich sehr: aber ich hab ja keine Kreditkarte, das heißt beide recht günstig bei jpc zu bekommen!!


    Hoffe ich konnte weiterhelfen!!!


    LG Joschi

  • Salut,


    Danke für die Hinweise! Das Oratorium "Die Kindheit Jesu" wurde 1773 auf einen Text von Herder komponiert. Bei den Interpreten [Max, Das Kleine Konzert, Rheinische Kantorei...] bereits auf der Vormerkliste...


    Liebe Grüße
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Leider hat ein beträchlicher Teil der Sinfonien des "Bückeburger Bachs" die Feuerstürme des 2. Weltkrieges nicht überlebt. so daß wir uns heute nur ein sehr unvollkommenes Bild von seinem diesbezüglichen Schaffen machen können. Seine besten, auf uns gekommenen Werke sind zweifellos seine Oratorien im "Stil der Empfindsamkeit", ich persönlich schätze seine Motette
    "Wachet auf, ruft uns die Stimme" ganz besonders, eines der wenigen gehaltvollen Werken dieses Genres aus einer Zeit, in der diese Form schon recht verflacht war.
    Insgesamt halte ich den Bückeburger für ein liebenswertes (und liebendwürdiges) Talent, das genau um seine Fähigkeiten und Grenzen wusste
    und es deshalb garnicht erst auf den Versuch ankommen liess, es mit den wahrhaft "Großen" seiner Epoche aufzunehmen !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Zitat

    und es deshalb garnicht erst auf den Versuch ankommen liess, es mit den wahrhaft "Großen" seiner Epoche aufzunehmen !


    Seine Symphonien gehören aber für mich zu den ganz großen dieser Zeit, neben Haydn nenne ich nur mehr Johann Christoph Friedrich Bach, denn seine Symphonien sind so genial einfach, dass man sie einfach lieben muss!!!


    LG Joschi

  • Hallo Joschi, das interessanteste der überlieferten sinfonischen Werke des Bückeburgers ist zweifellos die "große" 4sätzige B-Dur-Sinfonie, entstanden um 1790 ! Gemessen am Enstehungszeitraum muss man aber bedenken, daß Mozart sein sinfonisches Werk bereits abgeschlossen hatte, Haydn an den "Londoner Sinfonien" arbeitete, Beethoven seine ersten sinfonischen Skizzen verfasste, Josef Martin Kraus seine Sinfonien auch schon komponiert hatte.
    Von den für Form und Dialektik künftiger Sinfonien immens wichtiger Werke von Halbbruder Emanuel und Bruder Johann Chhristian einmal ganz abgesehn,
    waren Meister wie Michael Haydn am Werkeln. Diese alle zusammen haben quasi die "Grundlagen" der Sinfonik in dem Sinne geschaffen, was wir heute darunter verstehen. Der Stellenwert eines Komponisten errechnet sich nicht nach dem persönlichen Geschmack sondern aus einer Fülle an Faktoren, die berücksichtigt sein wollen. Ohne diese ist eine Einschätzung eines Komponisten
    garnicht möglich. LG BBB

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Seine besten, auf uns gekommenen Werke sind zweifellos seine Oratorien im "Stil der Empfindsamkeit", ich persönlich schätze seine Motette
    "Wachet auf, ruft uns die Stimme" ganz besonders, eines der wenigen gehaltvollen Werken dieses Genres aus einer Zeit, in der diese Form schon recht verflacht war.


    Ich habe jetzt Cassandra angehört, das formell an eine Kantate Marcellos angelehnt sein soll, deren Text Bach wiedervertont um ebenso wie sein Vorbild den Wechsel Rezitativ-Arie zugunsten eines besseren Eingehens auf den Text aufzugeben. Interessant ist, wie gut es ihm gelingt, mittels Motivarbeit keine Langeweile aufkommen zu lassen und die delikate Tonsprache, die mich an Schobert erinnert - zur Drastik des Textes (am Schluss werden ja alle gemeuchelt) nicht ganz passend, vielleicht liegt es aber nur an der extrem samtpfotenen Interpretation.
    :]

  • Da mich das Gefühl beschleicht, dass diese CDs bald nicht mehr verfügbar sein werden, hier noch einmal der Hinweis:



    Vom Hocker reissen kann seine Musik mich nicht - nicht so experimentierfreudig wie die seiner älteren Brüder, längst nicht so charmant wie die Johann Christians, dennoch eine der vielen Facetten des Komponierens in den wenigen Jahrzehnten, in denen die Musik nicht mehr barock, aber noch nicht eindeutig klassisch war.


  • Ich möchte heute daran erinnern, dass Johann Christoph Fridrich Bach, der am 21. 6. 1732 in Leipzig geboren wurde, am 26. 1. 1795 in Bückburg starb.


    Heute begehen wir seinen 220. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Hallo,


    auf der CD sind 2 Werke von Johann Christoph Friedrich Bach enthalten.




    Track 12-14, Sinfonia d-Moll, Wfv 1/3


    Allegro – das Thema wird lfd. wiederholt, wobei sich nur die Harmonik ändert, Rhythmus, Tempo und Orchestrierung bleiben unverändert (bis auf das rit. am Schluss), was trotz der Kürze des Satzes wenig Abwechslung bringt.
    Andante amorosa – amorosa? – es hört sich mehr als getragenes Andante an - wenig musikalischer Ausdruck.
    Allegro assai – die Kürze des Satzes lässt keine Langeweile aufkommen; alle Sätze sind nur für Streicher incl. Bc-Cembalo.




    Track 15-17, Sinfonia Es-Dur, Wfv 1/10


    Allegro – Bläser sind dabei, sie beleben die Streichersätze und treten in lebhaften Austausch über das Thema; auch die Harmonik ist vielfältiger (Dur-Moll-Wechsel).
    Andante assai – assai in Verbindung mit Andante? Für mich ist es ein ganz normales Andante (ab dem 20. Jh. haben sich die Tempovorstellungen für ein Andante wohl geändert).
    Allegro assai – in diesem Satz höre ich Anklänge an die „Mannheimer Schule“ – kann der Komponist als einer der Mitstreiter (-läufer?) bezeichnet werden?




    Wer die CD nicht hat, für die/den nun die YouTube-Einspielungen.
    YT https://www.youtube.com/watch?v=wsYLupnsvdIWfv 1/3
    YT https://www.youtube.com/watch?v=3fzgseLx8UMWfv 1/10, das 2. Werk auf dieser Einspielung


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Was hab ich denn heute Nacht Wundervolles entdeckt?



    Konzert für Viola, Pianoforte und Orchester (1790)


    Reinhard Goebel, Viola
    Robert Hill, Fortepiano


    Musica Antiqua Köln
    Reinhard Goebe
    l



    Wenn das wirklich von 1790 stammen sollte, war der Kollege weiter hinterm Monde unterwegs ... aber was soll's - ich mag konsequente Leute, die sich keinen Stil aufdiktieren lassen.


    :saint:

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

    Einmal editiert, zuletzt von Ulli ()

  • Vielen Dank für den CD-Hinweis.

    Von dem "5. Rad am Wagen" gibt es nunmehr eine hörenswerte CD mit Clavierwerken:



  • Danke auch für den Hinweis.

    Ich persönlich kenne von ihm lediglich die 18 Variationen über Ah! Vous dirai-je, Maman! für Klavier [solo], die ich sehr reizend finde und auch als Ergänzung/Alternative zu jenen des Kollegen Mozart sehe. Sie sind sehr viel einfacher gehalten, dafür aber stilistisch viel abwechslungsreicher: Es gibt beispielsweise zwei Moll-Variationen, ein Siciliano, „Schwäbisch“, Tempo di Menuetto.

    Diese Variationen, ebenfalls auf der CD enthalten, sind nicht nur zur Mozart-Ergänzung sehr interessant!

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Hallo Ulli,

    nicht nur der Variationenvergleich JCFB - Mozart ist interessant, sondern auch die dort eingespielten Sonaten. Musterbeispiele:

    - BRA 13 D-Dur

    - BRA 14 A-Dur.

    Diese beiden Sonaten, 1789 in Rinteln gedruckt aus "Drey leichte Sonaten fürs Klavier oder Piano Forte" zeigen in aller Deutlichkeit die Probleme, vor denen die Komponisten in der 2. Hälfte des 18. Jhdts. standen: wie bringe ich den Kompositionsstil des "Nordens" und "Südens"zu einer Einheit zusammen, ohne ins Leere zu fallen und Notenkäufer zu vergrämen. JCFB geht hierfür wie folgt vor:

    - die 1. Sätze sind "süddeutsch"

    - die 2. Sätze sind tiefstes "norddeutsch", in Moll, empfindsam

    - die 3. Sätze, Rondos sind dann ein Kompromiss.

    Erfolg hatte JCFB offensichtlich nicht damit. Die Noten wurden selten gekauft. Sie gibt es auch heute noch nicht in Neudrucken. Sprosse hat von mir die Kopie des Originaldrucks bekommen.

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