Gustav Mahler: Sinfonie Nr 8 "Sinfonie der Tausend"

  • Die gezeigte Aufnahme von Jascha Horenstein dürfte mein Einstieg in dieses Werk gewesen sein. Es muss wohl ein schöner Zufall gewesen sein, denn das ist wirklich eine der herausragendsten Interpretationen. Historisches Glück auch, dass die BBC hier bereits 1959 in Stereo mitgeschnitten hat. Wer sich, wie ich, häufig darüber beklagt, dass die BBC bis etwa 1970 oft nur in schlecht klingendem Mono aufgenommen hat (ein Jammer, denkt man etwa an die ganzen Klemperer-Sachen, wo viele sehr mäßig erklingen), für den ist das umso erfreulicher. Natürlich gibt es der Live-Situation geschuldete Ungenauigkeiten im Orchesterspiel, die mir seinerzeit aber gar nicht so auffielen. Wie Barbirolli war Horenstein so ein Dirigent, dem der Ausdruck über die Perfektion ging. Seine späten Studioeinspielungen der 1. und 3. Symphonie von 1969 und 1970, ebenfalls mit dem London Symphony Orchestra, schätze ich ganz besonders. Diese Achte jedenfalls ist in vielfacher Hinsicht ein historisch ungemein wertvolles Tondokument und die erste Aufnahme des Werkes in Stereo, interessanterweise sogar vor den ersten echten Studioeinspielungen unter Abravanel (1963) und Bernstein (1966).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lange lag sie in der Box.



    Gibt es beim Werbepartner auch als Doppel-SACD



    Michael Tilson Thomas hat mit dem San Francisco Symphony Orchestra die 8. Sinfonie "Sinfonie der Tausend" zusammen mit dem Satz der 10. Sinfonie auf SACD herausgebracht.


    Erin Wall, Sopran, Elza van den Heever, Sopran, Laura Claycomb, Sopran, Katarina Karnzeus, Mezzo Sopran, Yvonne Naef, Mezzo Sopran, Anthony Dean Griffey, Tenor, Quinn Kelsey, Bariton, James Morris, Bassbariton


    San Francisco Symphony Chorus, Pacific Boychoir, San Francisco Girls Chorus

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Die Kubelik-Aufnahme, live aufgenommen am 24. Juni 1970, kam 2010 beim Label audite auf CD heraus.


    Erwähnt wurde sie in Beitrag 21, 47, 50 und 51.


    Martina Arroyo, Erna Spoorenberg, Julia Hamari, Edith Mathis, Donald Grobe, Dietrich Fischer-Dieskau, Norma Procter, Franz Crass,


    Chor des BR, Regensburger Domspatzen, Frauenchor des Münchener Motettenchores


    Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Rafael Kubelik

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo zusammen,

    vorneweg erst mal
    Ich mag die Gustav Mahler Sinfonien sehr gerne

    Vor allem, die erste, die zweite, die vierte, die sechste

    Aber, auch wenn ich mir damit evtl. hier jetzt "Feinde" mache :);)

    Mit dieser achten Sinfonie kann ich nichts anfangen.

    Habe mir bei youtube mehrere Versionen angehört. Das wird nix, leider

    Da wird mir einfach zu viel Gesungen.

    Ich habe nichts gegen manchmal Gesang in Sinfonien (Beethoven natürlich und auch Mahler zum Bsp.), aber das ist mir einfach too much.

    Wenn ich das Gesungene wenigstens verstehen könnte.


    Kann das einer nachvollziehen, oder steh ich hier alleine !

    Gruß

    Peter

  • Du unterscheidest halt sehr stark zwischen Instrumental- und Vokalmusik. Hörst du denn Opern?

    Feinde machst du dir sicher nicht, denn Geschmack ist verschieden. Vokalmusik in Sinfonien, Sinfoniekantaten also, werden seit Beethoven als letztes Steigerungsmittel reiner Instrumentalmusik verstanden. Mahler bezeichnet es im Entstehungsprozess der 2. z.B. als "Ei des Kolumbus", dass Gesang der Ausweg aus seiner konzeptionellen bzw. schöpferischen Sackgasse sei. Der Ausdruck wird eben konkreter, das Wort benennt etwas, was die Instrumentalmusik 'nur' andeutet. Es gibt großartige Beispiele in der Musikgeschichte, die du auch schon genannt hast: Beethoven 9, Mendelssohn 2, Mahler 2-4 & 8, Schostakowitsch 13 & 14 u.a. Mögen musst du das freilich nicht, aber du kannst es versuchen als Ausdruckssteigerung zu sehen.


    Die Kombination in Mahler 8, aus Veni creator Hymnus und Faust-Schlussszenen ist tatsächlich schon ziemlich eigen. Es gibt eine Deutung die mittels fünf Leitgedanken beide Teile zusammenbindet (nachzulesen u.a. bei Ulm). Im Hymnus erscheinen sie als religiöses Gebet, im Faust-Teil als Sinnbilder:

    a) Die Liebe ist weltstiftendes und Erlösungsprinzip

    b) Es gibt eine 'höhere Gnade' die nicht rational zu begründen ist

    c) Diese Gnade trifft in der Welt auf die Schwäche und Sündhaftigkeit des Menschen

    d) Diese Schwäche führt zu rastlosem Streben und Wunsch nach Erkenntnis

    e) Dieser Wunsch und die externe Gnade führen vereint zu seelischer Reinigung und Fortdauer der Existenz nach dem Tod.


    Das ist teilweise schlüssig, teilweise ein bisschen gewollt finde ich, aber es mag helfen einen inhaltlichen Zugang zu diesem riesigen und durchaus sperrigen Werk zu bekommen.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Hallo Tristan,

    danke für deine ausführliche Antwort.

    Ausdrucksteigerung. Ja, das verstehe ich und das höre ich mir auch gerne an.

    Etwa bei Mahlers 2. Sinfonie, die ich gerne höre. Und auch bei Beethovens Neunter lass ich es als Ausdrucksteigerung stehen.

    Mendelssohn kenn ich jetzt nicht so gut die Sinfonien mit Gesang. Müsste ich mal genau anhören. Mendelssohn habe ich bislang immer sehr vernachlässigt


    Bei Mahlers Achter ist mir einfach zu viel Gesungen


    Un Nein, ich bin kein allzu großer Fan von Opern.

    Ab und an ja. Der fliegende Holländer von Wagner gefällt mir ganz gut.

    Oder mal eine Verdi Oper.

    Viele alte Italienische Opern snd mir einfach auch zu übertrieben 'komisch, dramatisch affektiert ...' vom Gesang.

    Im Großen und Ganzen ziehe ich klassische Musik ohne Gesang vor.


    LG
    Peter

  • Bei Mahlers Achter ist mir einfach zu viel Gesungen


    Un Nein, ich bin kein allzu großer Fan von Opern.

    Dazu hatte Tristan2511 in Bezug auf Mahlers Zweite erwidert:


    Mahler bezeichnet es im Entstehungsprozess der 2. z.B. als "Ei des Kolumbus", dass Gesang der Ausweg aus seiner konzeptionellen bzw. schöpferischen Sackgasse sei. Der Ausdruck wird eben konkreter, das Wort benennt etwas, was die Instrumentalmusik 'nur' andeutet.

    Ob das so auch für die 8. Sinfonie gelten kann? Im zweiten Teil tue ich mich schwer mit der Frage, ob der musikalische Ausdruck des Werkes mit Goethes Worten wirklich konkreter wird. Ist es nicht viemehr so, dass die Musik verkündet, was das Wort "nur" andeutet? So hätten wir also den umgekehrten Fall. Man denke - um ein Beispiel zu nennen - an den überrirdische Auftritt des Doctor Marianus, der den gigantischen Schluss einleitet:


    Blicket auf zum Retterblick,

    Alle reuig Zarten,

    Euch zu seligem Geschick

    Dankend umzuarten.

    Werde jeder bessre Sinn

    Dir zum Dienst erbötig;

    Jungfrau, Mutter, Königin,

    Göttin, bleibe gnädig!


    Was er mitzuteilen hat, versteht sich nicht von selbst. Hingehen höre ich vor allem aus dem Orchester diese unglaubliche Erhebung. Goethes Verschlüsselungern sind nicht nicht wie Schillers Klarheit in dessen Oder an die Freude. In vielen Aufnahmen und Aufführungen ist nicht nur an dieser Stelle wenig zu verstehen. Die interpretatorische Umsetzung kommt an harte Grenzen, die schon der Sinfonie selbst innewohnen. Obwohl ich sie sehr schätze, halte ich sie letztlich für eine Zumutung. Ich kenne nur zwei Tenöre, die diese Verse mit der notwendigen wissenden Emphase gestalten können: Fritz Wunderlich und Werner Hollweg. René Kollo macht es auch ganz gut, mir aber etwas zu sportlich. Bei Wunderlich, der in einem Mitschnitt aus Wien unter Kubelik von 1960 singt, genügt die Klangqualität nicht, was sehr, sehr schade ist. Dennoch triumphiert sein Ausdruck über die dürre Technik.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ein Werk, mit dem ich mich oft schwer tue. Wenn es denn aber klingt wie Lennys Einspielung mit den Wiener Philharmonikern, dann zählt die 8. zu meinen Lieblinfssinfonien. Ich kann momentan gar nicht in Worte fassen, was mir an Bernsteins interpretiere so gefällt. Meistens klingt die 8. in ihrer monumentalen Erscheinung derb. Bernstein verleiht ihr Leichtigkeit und Tiefe weil er nicht nur an der Oberfläche kratzt und wie gewohnt auf Konventionen pfeift.


    Ich wünsche euch frohe Weihnachten!

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Zitat von BigBerlinBear

    Ganz wichtig: die 8. MUSS man live gehört haben, ........


    default_event_Vordergrundbild.jpg


    81bXm5IVMiL._AC_UY327_QL65_.jpg


    FRANKFURTER OPERNHAUS- UND MUSEUMSORCHESTERFIGURALCHOR DES HESSISCHEN RUNDFUNKSFRANKFURTER KANTOREIFRANKFURTER SINGAKADEMIELIMBURGER DOMSINGKNABENMICHAEL GIELEN LeitungHILDEGARD BEHRENS SopranMARGARET MARSHALL SopranHILDEGARD HEICHELE SopranORTRUN WENKEL AltAGNES BALTSA AltHERMANN WINKLER TenorRICHARD STILWELL BaritonSIMON ESTES Bass


    .........und noch schöner war es wenn man >mitgesungen< hat!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose