• XXXV.




    Auf mein Kind ...



    Ich habe Deinen Atem gewaschen
    und Dein Lachen zur Ruhe gelegt


    Ich habe Dir Tauben erfunden,
    und mit der Sonne hab’ ich Verstecken gespielt


    Ich hab’ meine Augen geschenkt
    und Engel gefaltet aus Milch und Papier -
    selbst mein Schlaf blickte Dich an


    Doch meine Lippen sind nackt
    und ich bewahre nichts mehr -
    kein Spiegel gibt mir den Namen zurück


    Ich weiß, unsere Träume ziehen nach Norden
    und mein Mund löst die Pfänder nicht aus


    So spiel mit dem Schnee -
    wie gerne gäb’ ich den Korb
    voller Sterne hinzu


    Und nun geh’ und hab’ keine Angst:
    Denn niemand versteckt sich
    hinter Sonne und Mond

    Schlaf’ wohl, mein Sohn, -


    auf dem Rücken der Wolken reist es sich gut




    (c) 2007, Jörg Borse

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Ein tolles Mitternachtwerk. Hoffentlich nicht mit authentischen Hintergrund, tiefgründig und schön. Da hast es drauf. Mein Kompliment!
    Viele Grüße
    Padre

  • Lieber Jörg, ich verstehe eines an diesem wieder sehr schönen Gedciht nicht:
    auf was bezieht sich die Ansprache "mein Sohn"?
    Ich habe das Gedciht als Ansprache an eine verlorene oder sterbende oder gefährdete Liebe gelesen und evtl vollkommen falsch interpretiert, denn der Sohn hat mich dann komplett verwirrt......
    Wird da ein Kind oder der Dichter selbst angesprochen? ?(
    Im übrigen, Bezug nehmend auf Padre: ich wünsche jedem Menschen und erst Recht jedem Dichter, das Leben in aller Fülle mit Freud und Leid und Verlust und Schmerz und Seligkeit zu erfahren.


    Fairy Queen

  • Lieber Jörg,


    auch ich möchte mich den anderen anschliessen. Wieder einmal hast Du ein wunderschönes Gedicht geschrieben.


    Ich weiß, Du erklärst Deine Gedanken die Dich zu so schönen Worten inspirierten nicht gern. Dennoch hoffe ich Du gibst uns eine Antwort auf unsere Fragen.


    Wenn ich davon ausgehe, dass "Dein Sohn" Deine Gedanken sind, so wird für mich das Gedicht nicht nur wunderschön sondern auch sinn- und inhaltsvoll.


    Denn seine Gedanken auf den Rücken der Wolken reisen zu wissen, finde ich, ist eine schöne Metapher. Allerdings ist mir sehr wohl klar, dass ich mit meiner Interpretation Deiner Verse vollkommen daneben liegen kann. :hahahaha:



    LG


    Maggie

  • liebe petra, liebe fairy-queen, liebe maggie, lieber padre,


    ganz herzlichen dank für eure lieben worte. ich freue mich sehr, und es ist schön, daß ich euch mit meinen worten erreichen konnte! :yes:


    etwas später gehe ich gerne auch auf die fragen ein. zur zeit fehlt es ein wenig an muße.


    nur: liebe fairy-queen, ich glaube, daß padre seine sehr lieb gemeinte bemerkung wirklich nur darauf bezog, daß hoffentlich kein 'wirklicher' verlust vorläge, der anlaß zum gedicht gegeben haben könnte. das tut er zum großen glück nicht. ich habe deine bemerkung nämlich etwas 'kritisch' verstanden? falls ich mich irre, bitte ich um verzeihung.


    bis später und allen einen wunderbaren sonntag-nachmittag.


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Lieber Jörg,


    habe lange wieder auf ein Gedicht von dir gewartet und nun dieses wundervolle Gedicht. Du musst ein sehr tiefsinniger Mensch sein, der solche Gedanken hat und sie zu Papier bringen kann.


    Superschön


    Liebe Grüsse :hello:

  • Hallo,


    kannst Du Dein KV 35 [bitte] mal verfilmen [lassen]?


    :faint:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • liebe musika, auch dir danke ich von herzen für deine so lieben worte. ich freue mich wirklich sehr - auch darüber, daß du meine zeilen vermißt hast!
    tatsächlich mußte ich zwangsweise die letzten vier monate ziemlich verstummen, da mich ein projekt mit haut und haaren in beschlag genommen hatte und weder zeit für privates, für muse und muße war. doch seit weihnachten hat mich das leben (so langsam) wieder.


    ich grüße dich herzlich


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor


  • hallo, ulli, was darf ich diesen worten entnehmen? ?( :D


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Zitat

    Original von klingsor
    hallo, ulli, was darf ich diesen worten entnehmen? ?( :D


    Ich würde das gerne sehen... es ist unbeschreiblich schön.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • ach so ;) ich verstehe. :angel:


    aber noch viel wichtiger, lieber ulli: ich danke dir aus tiefstem herzensgrunde, wie es mein liebling eichendorff formulieren würde - und es ist ernst gemeint!
    ich bin beglückt, daß auch dir diese zeilen so gefallen. :yes: vielen dank.


    ja, und verfilmen - vielleicht als traum/vision?? ich bin ja ein sehr bildlicher mensch und stelle mir generell alles sofort wie eine filmsequenz, wie eine geschichte vor - interessant. daß dieses thema jetzt auch bei dir hervorkam.


    wichtiger ist mir aber immer der auditive eindruck. ich schreibe ja gedichte immer unter dem den eigentlichen gedanken, die immanente idee verstärkenden eindruck/einfluß von musik. dieses wurde es vor allem unter dem eindruck der erbarme-dich-arie - gesungen von kirchschlager und der restlichen bach-cd von ihr geschrieben. meine gedichte sehe ich deshalb immer auch als 'pseudo-kompositionen'. der musikalische rhythmus ist für mich deshalb ein ureigenes prinzip und unverzichtbar.


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • liebe fairy queen, lieber padre,


    ich denke, es war tatsächlich ein mißverständnis, das nun wohl wie das auslaufende jahr sein ende gefunden hat. :angel: das freut mich und zugleich wünsche ich euch beiden und allen paminas und taminos schon mal das allerbeste für das kommende. :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • so, liebe fairy queen und liebe maggie,


    hier nun - wegen des fragmentarischen charakters - einige 'ungeliebte' äußerungen :D zu meinen zeilen ... (und dennoch gerne für euch niedergelegt)


    ich versuche immer, ein gedicht auf mehreren inhatlichen ebenen anzusiedeln, mal ist es komplexer, mal 'einfacher'. tatsächlich deutet bereits der titel darauf hin, daß es sich in erster linie um ein 'kind' - wie später noch weiter ausgeführt wird - einen sohn handelt, dessen tod vom dichter oder dem 'lyrischen ich' (wie es so schön heißt) beklagt wird.


    ganz bewußt habe ich deshalb neben einem 'kinderspraclichen duktus' (mehrmals: ich habe ...) auch viele kinder/spiel-metaphern gebraucht, die sich dann mit den sterbe/begräbnismetaphern vermischen. (z.b. die waschung, das zur-ruhe-legen etc.). und natürlich kasnn man z.b. auch die idee des 'mit der sonne verstecken spielen' auf ganz vielfältige arten (hell und freundlich oder auch traurig, depressiver) interpretieren.


    natürlich schwingt in diesem 'kind aber auch noch anderes mit, was man als 'sein kind' bezeichnen kann: gedanken, gefühle, ein (lebens)werk etc. etc.
    der begriff 'sohn', der das 'kind' nun natürlich aus dem objektiveren gedankenkreis heraushebt und geschlechtlich fassen läßt, mag ein ganz klein wenig auch auf das geschlecht des dichter-vaters bezug nehmen, der eben männlich ist. so ist es auch etwas von ihm, das - über die biologische vater-kind-beziehung hinausgehend - stirbt.


    wichtiger war mir der schwebezustand der ersten zeilen, die dahingehend interpretiert werden können, daß sie noch 'mit' dem kind erlebt oder eben erst nach dem tode des kindes (zur erinnerung, zur bewältigung oder gar zur 'wiederbelebung') unternommen wurden.


    ich hoffe, ich konnte mich ein klein wenig verständlich machen. es ist imer sehr schwierig aus einem großen gedankenkreis etwas herauszureißen und schriftlich niederzulegen.


    herzliche grüße
    jörg

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Lieber Klingsor, nach dieser Erläuterung fällt es mir natürlich wie Schuppen von den Augen.
    Ich hatte auch offenbar den Titel irgendwie übersehen :untertauch:
    Ein Kindertotenlied, von dem man nur hoffen kann, dass sich auch wieder Komponist und Sänger dafür finden werden, denn die Sprach-Musik die Du dichtest, ist im Gesang zu Hause scheint mir.


    F.Q.

  • danke, liebe fairy queen,
    ja, das wünschte ich mir auch wieder: eine/n gute/n komponistin/en und eine/n gute/n sängerin/sänger, um das musikalisch immanente der zeilen auch nach 'außen' zu tragen.
    das wäre einfach wieder herrlich. schön, daß du das auch in meinen zeilen angelegt siehst.
    glg


    jörg


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • XXXVI.




    Leichtes



    Alles läßt zu früh
    wie frisch gefall’nes Gras –
    nichts scheint mehr leicht


    Kein Blick trägt mehr Wolken;
    selbst ein Mund
    wiegt zu viel


    Jetzt schließt man die Verse,
    und Federn
    schneiden Worte aufs Grab


    Alles wird schwer –
    nur ein Traum
    beschreibt noch die Luft




    (c) 2007, Jörg Borse

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Lieber Jörg,


    dank Deiner wunderbaren Gedichte :jubel: werde ich doch noch anfangen, mich mit Gedichtinterpretation zu befassen.


    Vielen Dank, dass Du uns teilhaben lässt!


    LG, Elisabeth

  • liebe elisabeth, ich danke dir sehr für deine worte. sie freuen mich herzlich!!
    und: gedichtinterpretationen lohnen immer :P ;)


    einen schönen (lyrischen) sonntag wünscht
    jörg

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • XXXVII.




    Nänie



    ... Auf einer Urne
    Worte Atem angerissen
    und zwei Linien traumgeführt
    dann Ton ein Griffel
    handverwittert
    und Staub und Seelen
    halbbemalt ...




    (c) 2007, Jörg Borse

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Lieber Jörg,


    du hast wieder einmal mit wenigen Worten und ganz eigenen Metaphern ein ganzes Stimmungsbild umrissen - ich finde es sehr ausdrucksstark.
    :jubel::jubel::jubel:


    Liebe Grüße
    Petra

  • liebe petra, ganz, ganz herzlichen dank für deine lobenden worte. das freut mich wirklich sehr! gerade dieses sehe ich als ganz besonderes 'stimmungs'gedicht.


    lg
    jörg

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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