Hallo allerseits,
nachdem heute die CD-Lieferung kam, habe ich mir als erstes Vol. 11 der Bach-Orgelwerke mit Gerhard Weinberger angehört:
Zunächst einmal: Das Booklet zur CD ist wirklich vorbildlich. Neben Fotos der verwendeten Orgel (Silbermann-Orgel in der Dorfkirche Ponitz/Sachsen) aus verschiedenen Perspektiven und Auflistung der Disposition sind auch die Registrierungen für die einzelnen Werke angegeben. Weinberger schreibt sehr informativ sowohl über die Geschichte der Orgel als auch über die eingespielten Werke, wobei er kritisch der Frage nachgeht, ob Silbermann-Orgeln wirklich immer die besten Instrumente für Bachs Orgelwerke sind.
Die Klangqualität der Aufnahme ist nach meinem Eindruck tadellos - eine gute Balance zwischen Orgel- und Raumklang. Die Orgel wirkt weder zu "analytisch" noch wird sie vom Hall verwaschen oder gar erdrückt. Der charakteristische Silbermann-Klang kommt gut beim Hörer an.
Instrument- und Werkauswahl passen gut zusammen: Die Manualiter-Choralvorspiele und die Duette aus dem dritten Teil der "Clavier-Übung" sind eher für eine kleinere Orgel geeignet.
Was mir an Weinbergers Interpretation auffällt, ist - neben der farbigen und abwechslungsreichen, aber niemals exotisch oder dem Werk nicht angemessen wirkenden Registrierung (einmal verwendet er sogar den Tremulanten!) - seine ungemein differenzierte Artikulation. Das leider oft übliche Organisten-Einheitslegato ist da nicht zu hören, stattdessen feinste Nuancierungen vom Legato über Non-Legato bis zum Staccato, wobei die Standard-Artikulation eher das Non-Legato ist. Damit macht er die Stücke lebendig und verschafft sich sozusagen Luft, um den Orgelsatz zu phrasieren und durchhörbar zu machen. In dieser ausgeprägten Art habe ich das bei Bach-Orgelwerken noch nicht gehört.
Bei der Fuge f-moll (BWV 534) beispielsweise wird das Thema üblicherweise im Legato gespielt; Weinberger spielt es konsequent im Non-Legato und setzt bereits die ersten drei langen Noten vor dem Septimsprung deutlichst voneinander ab. Trotz vergleichsweise kräftiger Registrierung bleibt dadurch der Fugensatz sehr gut durchhörbar. Gleiches gilt für das Allabreve BWV 589 - ich habe die einzelnen Stimmen dieses Stücks noch nie so deutlich gehört wie hier (das Allabreve ist sonst immer ein Kandidat für Plenum-Gedröhn). Allerdings erkauft er sich diese Durchhörbarkeit beim Allabreve mit einem nach meinem Empfinden viel zu langsamen Tempo - der Schwung ist weg, und es klingt schon fast wie "Bach zum Mitschreiben".
Bei den Choralvorspielen ist mir aufgefallen, dass er auch bei den beiden Fugen ("Aus tiefer Not" und "Jesus Christus, unser Heiland") non-legato spielt, wenn auch nicht so ausgeprägt. Insbesondere bei der letzten Fuge wirkt das doch etwas maniriert auf mich. Weil der Satz eher Vokalcharakter hat und vom Stil her für einen Barockkomponisten "altmodisch" wirkt (Weinberger verweist im Booklet zu Recht auf Frescobaldi), wäre hier das Legato wirklich einmal angebracht.
Bei der (Doppel-) Fuge F-dur BWV 540, die die CD beschliesst, hätte ich mir beim zweiten Thema eine andere (weniger kräftige) Registrierung gewünscht, um den Kontrast zwischen den beiden Themen besser herauszuarbeiten (erstes Thema chromatisch absteigend in langen Notenwerten, zweites Thema kurze Notenwerte und schon fast tänzerisch). Weinberger spielt aber die ganze Fuge in einer Registrierung (dem sogenannten "reinen vollen Spiel", einer Registerkombination, die laut Booklet auf Silbermann selbst zurückgeht).
Ich bin gespannt, was auf den anderen CDs geboten wird - mit Sicherheit keine Einheitskost, sondern Aufnahmen, die dazu anregen, die eigenen Hörgewohnheiten zu hinterfragen und sich mit den gespielten Werken ganz neu auseinanderzusetzen. Wenn gewünscht, werde ich Euch auf dem Laufenden halten...
Viele Grüsse von Fugato (der jetzt gleich die zweite CD hören wird :D)