BWV 43: Gott fähret auf mit Jauchzen
Kantate zu Christi Himmelfahrt (Leipzig, 30. Mai 1726)
Lesungen:
Epistel: Apg. 1,1-11 (Prolog, letzte Verheißung, Himmelfahrt Jesu)
Evangelium: Mark. 16,14-20 (Missions- und Taufbefehl, Himmelfahrt)
Elf Sätze, Aufführungsdauer: ca. 25 Minuten
Textdichter: unbekannt
Choral: Johann Rist (1641)
Besetzung:
Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Trompete I-III, Pauken, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Chor SATB, Oboe I + II, Trompete I-III, Pauken, Streicher, Continuo
Gott fähret auf mit Jauchzen und der Herr mit heller Posaunen.
Lobsinget, lobsinget Gott! lobsinget, lobsinget unser’m Könige!
2. Recitativo Tenor, Continuo
Es will der Höchste sich ein Siegsgepräng’ bereiten,
Da die Gefängnisse er selbst gefangen führt.
Wer jauchzt ihm zu? Wer ist’s, der die Posaunen rührt?
Wer gehet ihm zur Seiten?
Ist es nicht Gottes Heer,
Das seines Namens Ehr’,
Heil, Preis, Reich, Kraft und Macht mit lauter Stimme singet
Und ihm nun ewiglich ein Halleluja bringet.
3. Aria Tenor, Violino I/II, Continuo
Ja tausendmal tausend begleiten den Wagen,
Dem König der Kön’ge lobsingend zu sagen,
Dass Erde und Himmel sich unter ihm schmiegt
Und was er bezwungen, nun gänzlich erliegt.
4. Recitativo Sopran, Continuo
Und der Herr, nachdem er mit ihnen geredet hatte,
ward er aufgehaben gen Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes.
5. Aria Sopran, Oboe I + II, Streicher, Continuo
Mein Jesus hat nunmehr
Das Heilandwerk vollendet
Und nimmt die Wiederkehr
Zu dem, der ihn gesendet.
Er schließt der Erde Lauf,
Ihr Himmel! öffnet euch und nehmt ihn wieder auf!
II. Teil
6. Recitativo Bass, Streicher, Continuo
Es kommt der Helden Held,
Des Satans Fürst und Schrecken,
Der selbst den Tod gefällt,
Getilgt der Sünden Flecken,
Zestreut der Feinde Hauf
Ihr Kräfte! eilt herbei und holt den Sieger auf.
7. Aria Bass, Tromba I (od. Violine solo), Continuo
Er ist’s, der ganz allein
Die Kelter hat getreten
Voll Schmerzen, Qual und Pein,
Verlor’ne zu erretten
Durch einen teuren Kauf.
Ihr Thronen! mühet euch und setzt ihm Kränze auf!
8. Recitativo Alt, Continuo
Der Vater hat ihm ja
Ein ewig Reich bestimmet;
Nun ist die Stunde nah’,
Da er die Krone nimmet
Vor tausend Ungemach.
Ich stehe hier am Weg und schau’ ihm freudig nach.
9. Aria Alt, Oboe I + II, Continuo
Ich sehe schon im Geist,
Wie er zu Gottes Rechten
Auf seine Feinde schmeißt,
Zu helfen seinen Knechten
Aus Jammer, Not und Schmach.
Ich stehe hier am Weg und schau’ ihm sehnlich nach.
10. Recitativo Sopran, Continuo
Er will mir neben sich
Die Wohnung zubereiten,
Damit ich ewiglich
Ihm stehe an der Seiten,
Befreit von Weh und Ach!
Ich stehe hier am Weg und ruf’ ihm dankbar nach.
11. Choral SATB, Oboe I + II, Trompete I-III, Pauken, Streicher, Continuo
Du Lebensfürst, Herr Jesu Christ,
Der du bist aufgenommen
Gen Himmel, da dein Vater ist
Und die Gemein’ der Frommen,
Wie soll ich deinen großen Sieg,
Den du durch einen schweren Krieg
Erworben hast, recht preisen
Und dir g’nug Ehr’ erweisen?
Zieh’ uns dir nach, so laufen wir,
Gib uns des Glaubens Flügel!
Hilf, dass wir fliehen weit von hier
Auf Israelis Hügel!
Mein Gott! wenn fahr’ ich doch dahin,
Woselbst ich ewig fröhlich bin?
Wenn werd’ ich vor dir stehen,
Dein Angesicht zu sehen?
Diese Himmelfahrts-Kantate aus dem Jahr 1726 fällt durch ihre ungewöhnliche Textstruktur auf:
Die Sätze 5 - 10 sind ursprünglich ein 6-strophiges Gedicht gewesen (wie sich am identischen Reimschema und der Silbenzahl der einzelnen Zeilen dieser Sätze unschwer erkennen lässt).
Ergänzt wurde diese Dichtung durch einen Schlusschoral (gleich 2 Strophen davon, was auch ungewöhnlich ist) und die vorangestellten Sätze 1 - 4, von denen wiederum die Sätze 1 und 4 wörtliche Bibelzitate zum Inhalt haben, nämlich den 6. und 7. Vers des Psalms 47 (im Eingangschor) und einen Vers aus dem Evangeliumstext für den heutigen Feiertag (Markus, Kapitel 16 Vers 19) im Rezitativ Nr. 4.
Dieses Rezitativ wird interessanterweise nicht vom Tenor vorgetragen (in seiner traditionellen Funktion als "Evangelist", wie sie Bach ja auch in seinem Himmelfahrts-Oratorium berücksichtigt hat) sondern vom Sopran.
Alfred Dürr verweist hinsichtlich dieser ungewöhnlichen Form der hier besprochenen Kantate auf den Bachforscher William H. Scheide, der wiederum nachweisen konnte, dass Bach sich im Jahre 1726 im Rahmen mehrerer Aufführungen von Kantaten seines Vetters Johann Ludwig Bach (1677-1731), des sogenannten "Meininger Bachs", intensiv mit dessen Werken und den von ihm vertonten Texten auseinandersetzte.
Anscheinend hat nun der "Leipziger Bach" beschlossen, sich bei der Komposition einiger Kantaten, die zu dieser Zeit gerade entstanden, vom Stil und dem formellen Aufbau der Kantaten seines Vetters inspirieren zu lassen.
Die Bachs hatten ja seit jeher einen großen Familiensinn bewiesen (siehe z. B. die Sammlung des Alt-Bachischen Archivs!) und ich kann Johann Sebastian gut verstehen, wenn er nach mehreren Jahren intensiver Kantatenkomposition in Leipzig (dort war er ja nun seit 1723 tätig) nach neuen Anregungen und Inspirationen für neue Gestaltungsmöglichkeiten seiner Kantatenkompositionen suchte und sich dafür unter anderem eben auch bei seiner komponierenden Verwandtschaft umsah... :]
Die Instrumentierung dieser Himmelfahrts-Kantate entspricht mit ihrer festlichen Pauken- und Trompeten-Besetzung ganz den Erwartungen, die man als Hörer damals an eine Kantate stellte, die zu einem hohen Feiertag wie diesem aufgeführt wurde.
Der zweiteilige Aufbau der Kantate (mit "Schnitt" nach der Arie Nr. 5) dürfte durch die damals übliche gottesdienstliche Trennung in "Vor der Predigt" und "Nach der Predigt" bedingt worden sein.
Nach dem Eingangschor erhalten alle vier Solostimmen in der Reihenfolge Tenor, Sopran, Bass und Alt ein Rezitativ-Arien-Paar zugewiesen, von denen Bach jedes in anderer Form abwechslungsreich instrumentiert hat.
Die Arie Nr. 7 scheint für einen besonders virtuosen Trompeter geschrieben worden zu sein: Der Part ist offenbar so schwer zu spielen, dass Bach diesen bei einer späteren Wiederaufführung in Ermangelung eines fähigen Trompeters für Solo-Violine umschreiben musste
Vor dem 2-strophigen Schlusschoral darf der Solosopran noch ein weiteres Rezitativ vortragen - es enthält die letzte der 6 Gedichtstrophen.
Dieser Schlusschoral von Johann Rist scheint zu Himmelfahrt besonders beliebt gewesen zu sein - in seinem Himmelfahrts-Oratorium aus dem Jahr 1735 verwendet Bach eine weitere Strophe dieses Chorals (Satz 6).