Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 90 C-Dur - Zu früh geklatscht...

  • Salut,


    wieder habe ich eine "alte Bekannte" wiedergetroffen: Haydns 90. Sinfonie. Es war ein kleines Aha-Erlebnis, diese Sinfonie wieder zu hören!


    Bereits in der langsamen Einleitung erklingt ganz unauffällig nebenbei [wie bei Haydn des öfteren, aber m. E. nicht derart unauffällig] bereits das 1. Thema des Hauptsatzes als Nebenfloskel: Es sind die 6 Achtel auf ein und demselben Ton. Dass dies keineswegs langweilig oder einfallslos ist, zeigt Haydn nicht nur in der Durchführung! Diese sechs Achtel sind zum Verrücktwerden! Zweiten und besonders dritten Satz finde ich eher durchschnittlich, dafür aber hält das Finale einmal mehr eine Publikumsblamage wie in der späteren N° 94 [da im 2. Satz *zuck*] parat: Der brausende Satz endet ziemlich plötzlich [meint man] - Haydn sieht eine Generalpause vor und ich selbst bin darauf mit einem "cooler Satz" hereingefallen, obschon ich das Werk zu kennen glaubte. Nach der Generalpause geht es dann etwas unheimlich weiter, in etwa so, wie Mozart es nach dem dreimaligen Akkord der Zauberflötenouvertüre gestaltete. Das Publikum wird garantiert in die Pause geklatscht haben und dann ganz schnell und errötend verstummt sein, als es leise weiterging...


    :D


    Ein grandioses Werk, das ich sehr liebe!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Das Hauptthema beginnt mit 6 Achteln auf einem Ton, es geht danach aber ein bißchen weiter; Haydn ist knapp und ökonomisch, aber nicht geizig. U.a. spendiert er ein ausführliches zweites Thema mit Soli für Oboe und Flöte. Die Binnensätze finde ich ebenfalls bemerkenswert. Der 2. bringt Variationen mit einem recht dramatischen kontrastierenden Thema und wieder einige Soli für die Holzbläser (er wurde beim Hören eben allerdings von den Variationen der folgenden, noch viel weniger bekannten Sinfonie Es-Dur Nr. 91 in den Schatten gestellt); auch das Trio des Menuetts ist ein Oboensolo.
    Eine Besonderheit der Sinfonie ist die Verwendung von eine Oktave höher spielenden Hörner (in C alto), was leider nicht in allen Aufnahmen angemessen zu hören ist, aber an einigen Stellen extrem effektvoll.


    Das Finale, da stimme ich allerdings zu, ist eines der mitreißendsten Stücke, die ich kenne. Die sicher nicht geringe kinetische Energie Haydnscher Finali erreicht hier einen Höhepunkt, erst nach dem Gag mit den mehrer Takten Generalpause wird es etwas verhaltener.


    Insgesamt ebenfalls eine meiner Favoriten und (vermutlich mangels dümmlichen Beinamens) ein sträflich wenig bekanntes Stück.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Sinfonie Nr. 90 C-Dur


    komponiert 1788, zu den näheren Umständen s. entsprechende Anm. zu Nr. 91 u. 92


    Besetzung: Flöte, je 2 Oboen, Fagotte, Hörner in C alto, Trp. Pk., Streicher


    Eine Besonderheit des Stücks sind die hohen Hörner in C, die zusätzlich zu Trompeten und Pauken eingesetzt werden sollen und in dieser Kombination einen außerordentlich glänzenden Effekt machen (wenn sie denn so gespielt werden, daß man sie auch hört...)



    1. Adagio - Allegro assai (3/4)


    Die Einleitung läßt nach den ersten Tutti-Akkorden das spätere Hauptthema bereits sehr deutlich in langsamem Tempo erkennen. Ein Verfahren, das in einigen der folgenden Sinfonien ebenfalls verwendet wird.


    Wie schon oben gesagt, beginnt das Hauptthema sehr schlicht mit 6 Achteln auf einem Ton (g); der weitere Themenverlauf und -abschluß ist nicht ganz so simpel, aber insgesamt handelt es sich um eine zwar prägnante, aber sehr einfache, beinahe floskelhafte Phrase. Das hindert zwar nicht die thematische Verarbeitung, aber in diesem Satz scheint Haydn, wie auch sonst manchmal, fast mehr an Kontrasten in Klangfarbe und Textur interessiert zu sein als an ausführlicher motivischer Arbeit.
    Nach einer Überleitung, die bereits ausführlich den Glanz der Blechbläser erstrahlen läßt, folgt das ausführliche Seitenthema zuerst in der Flöte, dann der Oboe, sehr sparsam begleitet, ein wirkungsvoller Kontrast.
    In der Schlußgruppe dominiert nach wilden 16telpassagen das Hauptthema. Bemerkenswert auch die überleitende abschließende Passage. Hier und auch an anderen Stellen mach Haydn davon Gebrauch, daß die pochenden Achtelrepitionen zunächst als "Hintergrund" verwendet werden können, um dann bei entsprechender Phrasierung unmerklich ins Thema zu gleiten.


    In der Durchführung beißen sich zunächst die Achtelwiederholungen und Drehmotive des Hauptthemas fest, anschließen erscheint das Seitenthema überraschend ausgedehnt, ein Motiv daraus wird ganz kurz verarbeitet, bevor wieder die Achtelrepetitionen in den Vordergrund treten. Zur Reprise wird mit einem auskomponierten ritardando (das gleichmäßige Pochen gerät ins Stocken) der Violinen übergeleitet.


    Die Reprise wird schon bald durch eine eigenartige Kette von Tutti-Akkorden gestört, dann hat sich das Hauptthema aber endlich durchgesetzt.
    Bei seinem wiederholten Auftreten erfährt das Seitenthema eine großartige Steigerung, von leuchtendem Hörner- und Trompetenklang grundiert. Kurz vor dem Ende, wenn man meint, daß jetzt nur noch ein lärmender Abschluß folgt, gibt es nochmal plötzlich eine witzige ganz zurückgenommene Variante des Hauptthemas (erinnert mich fast an Beethovens 8.)



    2. Andante (2/4; F-Dur/f-moll)


    Doppelvariationen mit eng verwandten Themen in Dur/Moll, was auch als eine Art Rondoform darstellbar wäre (vgl. 82,ii oder 103,ii)

    Thema A: vom gemütlich-schlendernden Typ in der bei Haydn nicht seltenen Instrumentation Geigen + Fagott.
    Mollvariante B: mit auffahrenden Gesten und Tutti-Einwürfen im ersten Teil, danach etwas nachdenklicher.
    Variation A': Flötensolo (nachdem die zunächst der Anfang unverändert auftrat, ein Anzeichen für den rondoartigen Charakter)
    Variation B': die inneren Kontraste werden zugespitzt: Im ersten Teil wird die Bewegung zu beinah zornigen Läufen gesteigert, im zweiten kommt es dann zu einem Verebben (damit hat die Mollversion 'ausgespielt')
    Variation A''/Coda: beginnt mit dem Thema im Violoncello solo, dazu ein Violinsolo mit Figurationen in Triolen, im zweiten Teil kommen dann auch die Holzbläser solistisch zu Wort, ein sehr klangsinnlicher, auch harmonisch frappierender Schlußabschnitt, wie man es von den Codas in langsamen Haydn-Sätzen beinahe schon gewohnt ist. (Vgl. etwa 84, 85, 91 und etliche der "Londoner")



    3. Menuett & Trio


    Ein relativ langer und gewichtiger Satz. Der Hauptteil beginnt festlich mit Blech und Pauken, aber es folgt im Kontrast dazu ein deutlich abgehobener durchführungsartiger Abschnitt, in dem die Streicher und Holzbläser dominieren, so daß die Reprise umso effektvoller eintreten kann.
    Das Trio wird dominiert von einem Oboensolo (so etwas hat den Parisern anscheinend besonders gefallen), das nur wenige Male kurz von Tuttis unterbrochen wird.



    4. Finale. Allegro assai 2/4


    Ulli hat oben schon eine der wesentlichen Pointen angesprochen, die lange Coda (mehr als ein Viertel des Satzes) nach einer langen Generalpause. Bis dahin verläuft der Satz sehr konzentriert und regulär: ein quasi monothematischer Sonatensatz mit einem markanten zweitaktigen Kopfmotiv und danach stellenweise perpetuum-mobile-artigen rasenden Sechzehntelläufen und (der (Tonart entsprechend) Fanfarenmotiven. Auf die recht ausgedehnte Durchführung folgt ein etwa auf die Hälfte verkürzte Reprise, die mit Fanfaren schließt, als sei es das gewesen. Dann geht es aber weiter, wie eine zweite Durchführung, zuerst beinah mit fragendem Gestus, dann verspielt, wenn das Kopfmotiv durch die Holzbläser wandert und schließlich nochmal richtig die Post ab. Gewiß eines der brillantesten Finali überhaupt, nicht nur von Haydn.


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    als Einspielung möchte ich folgende Empfehlen:



    Joseph Haydn [1732-1809]
    Sinfonie Nr. 90 C-Dur


    Orchestra of the Age of Enlightenment
    Sigiswald Kuijken


    Ich habe sie heute im Anschluß an die #91 [zu Ehren deren Threaderöffnung] nochmals gehört und bin noch immer begeistert!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Ein ganz wunderbares Werk, zählt zu meinen Haydn'schen Lieblingssinfonien.


    Beim ersten Satz, den ich insgesamt ungeheuer abwechslungsreich finde, hat es die Überleitung von der Einleitung zum Hauptsatz in sich (hier referiere ich mal wieder Herrn Finscher): Wie in der Oxford-Sinfonie endet das Adagio mit rezitativischen Phrasen auf der Doppeldominante - und die vier ersten Takte des Allegro kadenzieren dann über G zur C-dur-Tonika: man kann sie also sowohl als Ende der Einleitung wie als Hauptthema des Allegro lesen (als das sie im folgenden ja auch behandelt werden).


    Zweiter Satz: Die Doppelvariation ist eine Form, die ich eh sehr reizvoll finde. Schön, wie hier die beiden Mollabschnitte zu Ende geführt werden: beim erstenmal immer mehr mit Pausen durchsetzt, bis hin zum Pizzicato beinahe verstummend - beim zweitenmal zunächst ebenso, dann wird dem Ganzen aber noch ein melancholischer Abgesang zugestanden, bevor das Moll endgültig "ausgespielt" (JR) hat und ziemlich unvermittelt das Solocello die letzte Dur-Variation anstimmt.


    Das Finale ist ebenso mitreißend wie das der Oxford-Sinfonie, wenn auch ganz anders in Charakter und Machart. Der Pseudo-Schluss mit der viereinhalbtaktigen (!) Generalpause ist wirklich einer der genialsten und wirkungsvollsten "Witze", die ich von Haydn kenne: Ich habe die Sinfonie zweimal im Konzert gehört - beidemale hat der Dirigent es sich nicht nehmen lassen, an der Stelle die Arme runterzunehmen, worauf natürlich der Beifall losprasselte... :D Wie's dann irritiert weitergeht, ist auch toll.



    Ich habe jetzt Brüggen und den von Ulli so gelobten Kuijken gehört. Kuijken ist klar besser, wunderbar vom Orchesterklang, im Menuett nicht so gravitätisch wie Brüggen, der auch über die schöne Coda des langsamen Satzes einfach so hinwegspielt. Nur das Finale finde ich bei Kuijken eine Spur zu gezügelt. Die neue Berliner Rattle-Aufnahme (vor ein paar Wochen gehört) habe ich ebenfalls als sehr gelungen im Ohr. Von Rattle gibt es übrigens auch noch eine alte Aufnahme aus Birmingham, die mir seinerzeit gut gefallen hat. Habe ich jetzt aber nicht wieder hervorgekramt. Auch diesmal blieb die Fischer-Box ungeöffnet.



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Wie in der Oxford-Sinfonie endet das Adagio mit rezitativischen Phrasen auf der Doppeldominante -


    Diese Parallele, die ich sogar Ähnlichkeit nennen würde, ist mir beim heutigen Hören auch erstmals aufgefallen. Es hätte auch nahtlos der Hauptsatz der 92 anschließen können... ich war sogar leicht irritiert, da ich zuvor die 92 hörte.


    :hello:


    Ulli

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Ich habe vier Aufnahmen des Werks gehört. Eine allerdings schon vor einigen Jahren wieder verkauft: Brüggens war mir IIRC im Kopfsatz schlicht zu langsam, irgendwie war ich jedenfalls unzufrieden.

    Fischers kann man diesmal wirklich in der Box liegen lassen; während ich seine 89 und 91 recht ordentlich finde, ist hier nur wenig von der überschäumenden Energie zu finden, die das Werk auszeichnet.
    Während mir Rattles Neueinspielung mit den Berlinern nicht bekannt ist, habe ich das Stück vor ca. 13 Jahren mit seiner älteren Aufnahme kennengelernt. Die ist jedenfalls sehr ordentlich. Ein paar Seltsamkeiten sind zusätzlich angebrachte Verzierungen im Seitenthema in i (bei der Wdh.) und IIRC auch im Variationensatz. Die Hörner, Trompeten, Pauken könnten allerdings präsenter sein und hier ist mal ein Fall, wo ich finde, daß eine Wiederholung des zweiten Satzteils, nämlich im Finale, wenig Sinn hat. Der Gag geht einfach nur einmal.


    Da mir Kuijken in 82-87 zu brav und zahm war, habe ich seine weiteren Aufnahmen erstmal links liegen lassen...


    Unter den mir bekannten ist mein Favorit überraschenderweise mit einigem Abstand Dorati. Sehr energisch, beste Präsenz des Blechs von den gehörten (wenn das sicher auch noch a la Goodmans oder Harnoncourts Nr. 82 deutlich steigerbar wäre), insgesamt wirklich sehr gut. Etwas seltsam nur der m.E. etwas zu verhaltene erste Akkord der Einleitung; klingt fast wie ein aufnahmetechnischer Fehler, kann aber auch Absicht sein, um dann im dritten oder vierten Takt eine Steigerung zu haben.
    Und das Menuett ist ein wenig zu langsam (Rattle aber nur ein paar Sekunden schneller).
    Da nicht einzeln erhältlich, ist eine Empfehlung eher unpraktisch. Es sei denn jemand hat die Gesamtaufnahme ohnehin oder findet (wie ich vor ein paar Jahren) die Box mit 84-95 aus der ersten separaten CD-Veröffentlichung


    Zwielicht: Danke für den Hinweis auf die Überleitung von Einleitung zum Allegro. Ähnlich wie das von mir erwähnte Changieren der pochenden Achtel zwischen "Begleitung" und Thema, ist das eine Sache, die bis zu Beethovens 7. nachklingt.


    :hello:


    JR

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  • Während mir Rattles Neueinspielung mit den Berlinern nicht bekannt ist, habe ich das Stück vor ca. 13 Jahren mit seiner älteren Aufnahme kennengelernt. Die ist jedenfalls sehr ordentlich. Ein paar Seltsamkeiten sind zusätzlich angebrachte Verzierungen im Seitenthema in i (bei der Wdh.) und IIRC auch im Variationensatz. Die Hörner, Trompeten, Pauken könnten allerdings präsenter sein und hier ist mal ein Fall, wo ich finde, daß eine Wiederholung des zweiten Satzteils, nämlich im Finale, wenig Sinn hat. Der Gag geht einfach nur einmal.


    Hallo Johannes und Haydn-Freunde,


    die angebildete EMI-Doppel-CD mit den Rattle-Aufnahmen von 2007 habe ich mir eigendlich hauptsächlich wegen der Sinfonie Nr.92 gekauft (um eine "saftigere" Aufnahme davon zu haben, als Bernstein mit seiner gepfegt-philharmonischen Umsetzung auf DG !).
    Es fällt aber die dünnere Orchesterbesetzung bei Rattle auf, die bei Bernstein sinfonischer klingt. Der Sound des letzten Satzes der 92, der auch bei Bernstein Feuer hat, gefällt mit rein klanglich besser. Da sehe ich mich wiedereinmal als "Non-Hip-Fan" bestätigt.


    :thumbsup: Das Highligt dieser beiden EMI-CD´s ist aber die Sinfonie Nr.90 !
    Ich hatte diese EMI-Aufnahmen, wegen der amazon-Kritiken erst verworfen, weil von Klatschendem Publikum und geschnittenen Passagen, die Rede war. :!: In Wahrheit sieht das aber ganz anders aus !
    Rattle gestaltet das Stück erstmal sehr feurig und sehr durchsichtig frisch: 6:42 - 7:37 - 5:02 - 4.Satz 7:55 (mit 3 x Klatschen). An fehlenden Pauken-Sounds könnte ich als Pauken-Fan mich schonmal gar nicht beklagen. Die kommen jetzt (2007) fetzig mit schmackes. Auch die Orchesterbesetzung wirkt hier für mich nicht mehr so dünn, wie ich es noch eher mit negativen Vorzeichen bei der Sinfonie Nr.88 und 92 mit Rattle im Ohr habe. Selbst das Menuett wirkt zupackend und wird nicht verschleppt.


    Im letzten Satz wird auch der Gag 2 x wiederholt - und zwei Mal fallen die Zuhörer der Berliner PH auch darauf rein - das ist auch so bei diesen ganz exqusit klingenden Live-Aufnahmen aufgenommen (gilt für die ganze Doppel-CD) und fördert den Hörspass dieses Megajokes auch heute nach 200Jahren noch. Rattle lässt die vermeidlichen Schlüsse aber auch wirklich wie einen Abschluss spielen - da kann man gar nicht anders ...
    ;) Insofern kann ich Dir gar nicht zustimmen, dass der Gag nur einmal geht - er geht definitiv zwei Mal und das in dieser Aufnahme ganz hervorragend.
    *** Der letzte Satz ist dann in einem nachbearbeiteten Track (ohne das Klatschen und Lachen der Zuhörer) nochmal dabei: Den Schnitt, nach dem ersten Schluss (der keiner ist !) hört man, beim Zweiten schliesst dann der wirklich Finalschluss sauber an. Aber hier war ich selber reingefallen und dachte, dass die Spielzeitangabe auf der EMI-CD falsch ist (Das ist sie nebenbei aber trotzdem. Da hat der Haydn-Joke auch bei den Spielzeitmessungen noch nachgewirkt). Tatsächliche Dauer des 4.Satzes - 6:50 (ohne Applaus).


    :jubel: Es steht aber ausser Frage, dass ich diese Sinfonie zukünftig auf der CD nur noch in der Version mit den Applausen hören werde - das gehört einfach dazu --- :D Hörspass + Hörfreude pur !



    EMI, Live 2007 , DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine tolle Sinfonie mit hinreisenden Ecksätzen und ein schönes und dicht gearbeitetes Menuett. Besonders die Strettoverarbeitung des ersten Themas in der Durchführung des Kopfsatzes und die berauschende Durchführung des Finales, in der sechzehntel Noten der Streicher gegen Fanfaren von Blech und Pauken konkurrieren sind Höhepunkte die kaum ein anderer Komponist der Zeit erreicht hat. Diese Sinfonie würde ganz vorne mitspielen, wäre da nicht der langsame Satz.


    Das Moll-Thema und seine Variation funktionieren ganz gut und sind sicherlich der Höhepunkt dieses Satzes. Das gemächliche Dur-Thema ist nichts besonderes, das aber stört mich nicht, denn gewöhnlich schafft es Haydn aus nichts-sagenden Material großartige Musik machen. Hier tut er das aber nicht: Die erste Variation (Flöte begleitet von Violinen und sonst nichts) ist so ziemlich die langweiligste Musik die Haydn je geschrieben hat und muss als Schwachpunkt der gesamten Sinfonie gelten. Die zweite Variation (mit solo Cello) funktioniert zwar etwas besser, ist aber auch kein wirklicher Glücksmoment und man freut sich schon aufs Menuett. Klar, dass dieser Satz nicht mit dem Largo von Nr. 88 oder dem Adagio von Nr. 92 mithalten kann, aber auch den Vergleich zu den anderen Variationen der Zeit hält dieser Satz nicht stand. Der Variationssatz von Nr. 91 basiert auch auf ein eher neutrales Thema, das aber dort viel besser verarbeitet wird als hier. Trotzdem mag ich diese Sinfonie sehr.


    Eine Aufnahme die ich noch nennen möchte ist die mit Bruno Weil und Tafelmusik. Hier wird mit Feuer und Elan musiziert, mit gut hörbaren Blech und Pauken. Weil dirigiert übrigens auch eine sehr gute Nr. 88. Leider habe ich meine Schallplatten nicht mehr, weil ich mir gerne Dorati anhören würde. Ich hatte ihn bei diesen Werk nicht so herausragend in Erinnerung, aber es ist schon gute 40 Jahre her, als ich die Aufnahme letztens hörte. Vielleicht gibt es ihn auf YouTube oder Spotify.


    LG aus Wien.:hello:

  • Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Meinem Eindruck nach sind die Variationen in den Sätzen mit Dur/Moll-Abwechslung oft eher minimalistisch, weil der Kontrast ja schon durch die Mollvariante gegeben ist. Wie oben schon geschrieben haben sie oft einen rondoartigen Charakter.


    In so einem Gesamtkonzept ist absolut nichts an dem Flötensolo auszusetzen, Cello + Violinsolo sind sogar eher "aufwendig" für so einen Satz.

    Man schaue mal die 1. Variation im "Paukenschlag"-Satz oder das Violinsolo in 103 an, die sind auch sehr einfach gehalten.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

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  • Natürlich fehlt mir die Nr.90


    ich dachte ich hätte sie - aber in meiner Kuijken Box sind nur 3 CDS - und damit fehlen 88-92.

    Zwei würden mich interessieren. Die ältere Rattle Aufnahme ( aus der Serie habe ich eine CD - die ist gut ) Oder doch Weil ? Die neuere Rattle reizt mich auch - siehe Beitrag 8 von Teleton.


    o51ywIjJ97VL.jpg

  • Sodele,


    ich habe mich jetzt nach Studium im Forum für für die Rattle Aufnahme mit den BP entschieden und bestellt.

  • Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Meinem Eindruck nach sind die Variationen in den Sätzen mit Dur/Moll-Abwechslung oft eher minimalistisch, weil der Kontrast ja schon durch die Mollvariante gegeben ist. Wie oben schon geschrieben haben sie oft einen rondoartigen Charakter.


    In so einem Gesamtkonzept ist absolut nichts an dem Flötensolo auszusetzen, Cello + Violinsolo sind sogar eher "aufwendig" für so einen Satz.

    Man schaue mal die 1. Variation im "Paukenschlag"-Satz oder das Violinsolo in 103 an, die sind auch sehr einfach gehalten.

    Das mit den Dur-Moll Doppelvariationen und Solo Variationen ist mir bewußt. Mich stört nicht was Haydn hier macht, sondern wie er es macht. Die Flöten-Solo-Variation ist für mich persönlich zu einfach gestrickt und sicherlich kein Höhepunkt dieser Sinfonie. Aber ich möchte niemanden die Freude an dieser Musik nehmen, es handelt sich nur um meine Meinung.

    Genauso gut verstehe ich, dass einige den langsamen Satz der 52. Sinfonie nicht so gerne haben, obwohl ich ihn liebe.


    LG aus Wien.:hello:

  • Eine schöne, bisher noch nicht genannte Aufnahme der Nr. 90 ist hier dabei:


    Haydn: Symphony No. 89 in F Major, Hob.I:89 - 4. Finale: Vivace assai


    Karl Böhm und die Wiener Philharmoniker (Aufnahmen: 1973/75, Wien).


    Warum die DGG ihren langjährigen Hausdirigenten nur die Sinfonien Nr. 88 bis 92 (also die fünf Werke zwischen den "Pariser" und den "Londoner" Sinfonien) aufnehmen ließ, ist mir nicht bekannt. Es sind jedenfalls wertvolle, gut klingende Produktionen.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Ich hatte diese Aufnahmen auf Schallplatte. Böhm dirigierte eine sehr überzeugende 88, seine 92 war aber etwas lahm. Die Sinfonia Concertante hab ich als ganz ordentlich in Erinnerung, die 90 war (glaube ich) auch ganz OK.

    Die Böhm Aufnahme von Haydn schlechthin bleibt für mich Die Jahreszeiten, das ist aber ein anderes Thema…


    LG aus Wien.:hello:

  • Die Böhm Aufnahme von Haydn schlechthin bleibt für mich Die Jahreszeiten

    Lieber MusicFan9976,


    dem stimme ich uneingeschränkt zu. Doch auch die wenigen Sinfonie-Aufnahmen Böhms sind nicht zu verachten. Ich besitze allerdings daraus nur diese drei:


    Sinfonien 88,89,92 Böhm Wp  und Joseph Haydn: - Bild 1 von 1


    Auch mir sagt die Nr. 88 davon am meisten zu.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber MusicFan99776,


    aus dem Stegreif kann ich Deine Frage nicht beantworten. Die CD steht seit vielen Jahren bei mir, aber ich habe meist die Nr. 88 daraus gehört. Die Oxford-Sinfonie kommt bei mir seltener in den Player (und wenn, meist mit Klemperer), aber ich werde in Kürze Böhms "Oxford" anhören und dann berichten.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Die #90 ist auch immer wieder ein Wunder. Erst jetzt realisiere ich, daß der Finalsatz mit nur einem Thema auskommt, das dann quasi kontrapunktisch verarbeitet wird: anstelle eines 2. Themas wird eine Gegenstimme eingeführt, später wird der charakteristische Marsch-Rythmus untergemixt. Packende Sechzehntel-Streicher-Unisoni schlagen eine Brücke zum Kopfsatz. Insgesamt ist der Satz dem Finale der #82 („L'Ours“) recht nahe (90: T. 20 vs. 82: T. 19).




    Die Sinfonie hat trotz der Überraschung im Finale keinen Werkbeinamen erhalten. Wegen des meißelnden Motivs im Kopfsatz stünde ihr „Der Specht“ - oder, um im üblichen französischen Jargon zu bleiben: „Le pivert“ - ugs. „Le pic“ - recht gut.


    Woody Woodpecker lässt grüßen :hello:

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

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  • Insgesamt ist der Satz dem Finale der #82 („L'Ours“) recht nahe (90: T. 20 vs. 82: T. 19).

    C-Dur Sinfonien mit einem besonders kontrapunktischen Finali scheinen damals en Vogue gewesen zu sein. Das berühmteste Beispiel dafür ist sicherlich die Jupiter.


    LG aus Wien.:hello:

  • C-Dur Sinfonien mit einem besonders kontrapunktischen Finali scheinen damals en Vogue gewesen zu sein. Das berühmteste Beispiel dafür ist sicherlich die Jupiter.

    Die Stelle, die ich zitierte ist aber nicht kontrapunktisch, sondern eine identische Tonabfolge (die - zugegeben - eher Allgemeingut ist, aber durch Tonart, Takt, Tempo dem Bären extrem nahe steht).

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
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  • Ich meinte die Finali insgesamt, ich hätte das dazu schreiben sollen. Auffällig ist, dass beide sehr kontrapunktisch sind , sowie das Finale von KV 551.


    LG aus Wien.:hello:

  • Angespornt durch die neuerliche Diskussion der Sinfonie 90, habe ich sie mir mal wieder angehört. Ein tolles Stück, bis auf die Flötenvariation im 2. Satz (ist mir ein wenig zu schlicht). Besonders fesselnd finde ich die Übergangsmusik nach dem Hauptthema im Kopfsatz, die rhythmisch sehr prägnant und mitreißend ist. Haydn bringt sie dann am Ende der Exposition wieder und auch am Ende der Reprise. Um so auffälliger ist es dann, dass sie am Beginn der Reprise gänzlich fehlt. Die Energie in dem Satz ist meisterhaft, ähnlich wie die im Kopfsatz vom Bär. Überhaupt scheint es viele Parallelen zwischen den beiden Werken zu geben: In Beiden steht der Kopfsatz in 3/4 Takt, beide haben einen Doppelvariationssatz in 2/4 in F-Dur alternierend mit F-Moll, beide haben sehr getragene und aristokratische Menuette und, wie oben schon erwähnt, schließen beide mit einem sehr kontrapunktischen Finale ab.


    Meine Lieblingsaufnahme des Werks ist zur Zeit die mit Bruno Weil und Tafelmusik. Toll und feurig musiziert und Gott sei Dank die zweiten Wiederholungen weggelassen. Die Aufnahme mit Antonini und dem Baseler Kammerorchester interessiert mich sehr und bei Gelegenheit werde ich mir den Link von Ulli reinziehen:hail:. Dorati habe ich auch als ganz ordentlich (damals auf Schallplatte) in Erinnerung.


    LG aus Wien

  • Toll und feurig musiziert und Gott sei Dank die zweiten Wiederholungen weggelassen.

    Im Finalsatz ergibt die Wiederholung des 2. Teils wegen des GP-Effekts in der Tat wenig Sinn.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
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