Meine « Barock-Performance »: LE SOLEIL LEVANT
Dieses Projekt hatte ich ja in der Kunstecke bereits vorgestellt, möchte dieser Sache jedoch einen eigenen Thread widmen, da diese Aktion so umfangreich und aufwendig war, dass ich das nicht zwischen meinen Karikaturen zusehen wünsche.
Hier noch mal in aller Kürze, worum es geht:
Mich interessiert ja bekanntermaßen das höfische Leben, besonders die höfische Gesellschaft von Versailles zur Zeit des Sonnenkönigs.
Das höfische Zeremoniell, dass sich vom öffentlichen Aufstehen bis hin zum abendlichen Zubettgehen erstreckt ist wohl einmalig in der Geschichte.
So habe ich seit über 10 Jahren an einer idealen Residenz gearbeitet, Pläne gezeichnet, Entwürfe gemacht, alle möglichen Schlösser besucht um die Raumdramaturgien zu studieren, die Art und Weise wie Gärten angelegt wurden.
Ich habe versucht die wirklichen barocken Ideale auszugraben, die Heute fast kaum noch zu erahnen sind.
Ich habe in jahrelanger Arbeit und privater Forschung, Versailles – so wie es ursprünglich einmal war, rekonstruieren können, wann, wo, welche Räume oder Anlagen zu finden waren.
Anhand von Augenzeugenberichten, Kupferstichen und Gemälden habe ich den Tagesablauf am Hof nachstellen können.
Ich konnte die verschiedenen Zeremonien teilweise nachempfinden und auch mit der Raumanordnung in Verbindung bringen.
Das Ziel meiner ganzen Mühen sollte sein, diese Form des Gesellschaftlichen Lebens wieder entstehen lassen, um diese Gesellschaft als Mittelpunkt, als Dreh- und Angelpunkt für die Kunst und das kulturelle Schaffen zu installieren.
Es gibt ja viele Schlösser, die Schauspieler engagieren oder dass die Führer historische Kostüme tragen.
Ich will einen weiten Schritt in eine andere Richtung tun – ich will einen idealen Palast errichten mit einem vollfunktionsfähigen Hof der sich nach einer strengen Etikette lebt – dies würde bedeuten dieses Kunstprojekt auf mein ganzes Leben auszudehnen, da ich diese Rolle nicht einfach abgeben kann, nur weil ich mal keine Lust mehr habe und weil ich der Auffassung bin, dass es außer mir niemand kann.
Das ganze soll als Bühne oder Forum für die barocke Kunst dienen. Die Menschen die diesen Ort besuchen, sollen wieder etwas zum Träumen haben, es soll zudem eine Art Reservat sein für Menschen die ähnliche Sehnsüchte wie ich haben – und die gibt es zu genüge.
Das Konzept der Performance:
(Die Bezeichnung "Performance" nehme ich nur unter Vorbehalt, denn ich weiß nicht, wie man es sonst bezeichnen soll.)
Ist es überhaupt möglich mit der höfischen Etikette des 17. Jahrhunderts zu leben ?
Ist es überhaupt zum aushalten diesen fast mechanischen Tagesablauf zu durchleben ?
Diese Performance soll ein Testlauf dafür werden, ob so etwas überhaupt machbar ist in unserer Zeit.
Der Raum in der Akademie war entsprechend skizzenhaft ausgestattet, doch enthielt er alles was für die wichtigsten Handlungen benötigt wurde.
Ein großes Paradebett, dass nur mit Papier verkleidet war, 2 große Tische, 12 Stühle, ein Thronsessel und der Altar, sowie diverse Kerzenleuchter die insgesamt 42 Kerzen aufnehmen konnten.
Alles so schlicht wie möglich gehalten, nur weiß und wenig schwarz - und doch entwickelte diese Einrichtung einen ganz eigenen Reiz.
Mich erinnerte diese Ausstattung an die eher schlichten Räume in einigen Schlössern in Frankreich oder England.
Ausschließlich die Hofgesellschaft war in prächtigen Kostümen zu sehen und bildete zum fast ganz weißen Raum einen starken Kontrast.
Natürlich sind die Kostüme nicht wirklich stilecht gewesen, dennoch hat das Staatstheater Kassel uns sehr schöne Kostüme überlassen.
Für die Unterstützung von Frau Schönwald und Frau Schenk aus dem Theaterfundus und Frau Hurler aus der Maske, bin ich unendlich dankbar.
Die ganze Zeit des Rundgang07 an der Kunsthochschule Kassel und einen Probetag durchlebten wir den vollkommen durchgeplanten Tagesablauf des Sonnenkönigs.
Insgesamt also fast 6 Tage lang.
Die Beteiligten, auch zugleich die Schönsten der Schönen der Akademie .... :beatnik:
(hier werden noch entsprechende Photos eingefügt... wie auch zu den anderen Themen, denn im Moment liegen nur Photos der Generalprobe [Messe und Ballett] vor)
Matthias Richter: Louis XIV Roi de France et Navarre
Anne Voorgang : Marquise de Montespan
Gülsen Ceylan : Duchesse de Chevreuse
Christina Leippold : Duchesse d’Orlèans
Yvonne Lauboeck : Marquise d’Effiat
Carina Sinemus : Marquise de Liancourt
Julia Kneise : Marquise de Lansac
und als tatkräftige Unterstützung mein Herr Bruder - Jan Richter: als Wache / Zeremonienmeister und Rausschmeißer.
(Leider war er am ersten Abend schon gezwungen die absolutistische Gewalt zu demonstrieren... aber wer nicht hören will der muss fühlen )
Der Tagesablauf sah wie folgt aus:
11:00 Uhr: Lever du Roi
Ursprünglich wurde der König um 8 :30 Uhr geweckt, doch da wir uns an die Öffnungszeiten der Ausstellung halten mussten, begannen wir eben später.
Die Damen des Hofes betraten unter Ankündigung ihrer Namen meinen Saal.
Ich wünschte ihnen allen einen guten Morgen.
Dann begannen sie mich zu waschen, allerdings im Stil des 17. Jahrhundert (Katzenwäsche)
Danach wurde ich gepudert und geschminkt.
Alles mit Publikum – so wie es damals üblich gewesen war.
Dann wurden meine Kleider hereingebracht.
Zuerst setzte man mir die Perücke auf, dann band man mir die Halsbinde um. Es folgten die Schuhe, ich erhob mich und ließ mir die Bänder um die Manschetten binden.
Weste und Justaucorps folgten.
Ich bedankte mich bei den Damen und verließ den Saal um zur Ratssitzung zu gehen.
Das ganze dauerte etwa eine halbe Stunde.
Wenn man nun bedenkt, dass man diese Zeremonie noch ausweiten und mit Audienzen verbinden kann, die medizinische Untersuchung noch zusätzlich folgte, sowie das Frühstück kann man leicht auf 1 ½ Stunden kommen.
11:30 Uhr war die Ratssitzung
diese fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Da ich keine Staatsgeschäfte zu tun hatte, nutzten wir die Zeit um Probleme oder Unklarheiten zu beseitigen.
12:00 Uhr: die königliche Messe:
Da es keinem Priester gestattet ist, eine Messe für eine Kunstaktion zu halten, egal wie ernst es genommen wird, habe ich mich entschlossen, die Messe ganz der Meditation zu widmen und sie rein musikalisch zu gestalten.
Der Zeremonienmeister holte uns, vom kleinen Raum in dem sich der Hof in den kurzen Pausen versammelte, ab.
Unter den Schlägen des „Marche a quattre Parties de Timbales“ von Philidor der durchs ganze Haus schallte, begab sich der Hof durch den langen Flur zum Saal. Die Orgel setzte ein.
Ich verwendete dafür stets Orgel-Transkriptionen von Lully (meist Ouvertüren etc.)
Wärmend die Orgel dröhnte ging ich zum Altar, nahm den Rosenkranz in die Hand und betete das Glaubensbekenntnis (auf Latein).
Das besondere war zudem noch, dass während der Messe der Hof abgewendet vom Altar platz nahm – also allein dem König zugewandt war.
So hielt ich es auch, denn in meiner Rolle war ich die Vertretung Gottes auf Erden als allerchristlichster König.
Ich Nahm auf meinem Thron platz, die erste kleine Motette erklang.
Dafür verwendete ich Kompositionen von Morin, Couperin, Dumont, Lully, Nivers oder Clérambault. Ich hatte für jeden Tag eine neue Messe zusammengestellt.
Es folgte eine große Motette, während die großen Motetten erklangen hatte ich zu knien.
Das war für mich der anstrengenste Teil des Tages, denn diese Motetten dauerten gute 25 Minuten.
Am ersten Tag erklang Delalandes „Confitebor tibi Domine“
Am zweiten Tag Delalandes „Te Deum“
Am dritten Tag Du Monts „Magnificat“
Und am vierten und letzten Tag Lullys „Miserere“
Es folgte wieder eine kleine Motette.
Dann erklang die Orgel erneut – wieder mit einem Stück von Lully.
Dann hatte der Hof in Gebetshaltung zu knien, da nun das „Domine salvum fac Regem“ gesungen wurde:
„Herr errette unseren König“
Damit endete die Messe. Ich habe darauf geachtet dass die Musik wirklich in den königlichen Messen Verwendung fand und ich habe selbst diese sehr abgespeckte Andacht als äußerst erbaulich empfunden.
meine selbstgemachten Schuhe
Um 13:00 Uhr begannen die öffentlichen Audienzen.
Diese waren erstaunlich gut besucht und ich stand den Leuten die mich sprechen wollten eine Stunde zur Verfügung.
14:00 Uhr das königliche Dîner
jeden Tag um die gleiche Uhrzeit pflegte Louis XIV öffentlich zu Speisen, gewissermaßen als weitere Inszenierung. Der Hof war anwesend, sowie unzählige Zuschauer um den König beim Essen zu sehen.
Und so war es auch hier nicht anders.
Mit entsprechend Zeremoniell wurde das Essen aufgetragen, und ich aß unter Beobachtung und ausschließlich mit den Fingern – wie es damals üblich war. Messer und Löffel waren die einzigen gebräuchlichen Bestecke, die Gabel war an katholischen Höfen verpönt – als Abbild der Forke des Antichristen.
Der Zeremonienmeister kommentierte stets "der König ißt" und "der König trinkt" was er mit dem Schlagen seines Stabes ankündigte.
15:00 Uhr die königliche Promenade
normalerweise riefen nun erst mal die Staatsgeschäfte, doch diese konnte ich ja entfallen lassen. Und so nutzen wir die Zeit selbst den Rundgang07 zu besuchen.
In voller Montur mit Zeremonienmeister betraten wir die Ausstellungsräume und man muss es zugeben, allein durch unsere Anwesenheit schalteten wir alles was an Kunst zu sehen war mit einem Male aus.
Allein der Zeremonienmeister der laut mit seinem Stab auf den Boden schlug und rief:
„der König“
verursachte eine solche Irritation, dass selbst Führungen erst mal zum erliegen kamen.
17:30 Uhr Appartement
Nun begann der entspannte Teil des Tages, das Appartement, man vertrieb sich die Zeit bis zum Coucher mit Spiel, Tanz und gutem Essen und Wein.
Gegen 18:30 zündete man die vielen Kerzen an, das tauchte den Raum in ein magisches Licht und die Besucher meinten ein lebendiges Gemälde vor sich zu haben.
20:30 Uhr: das Coucher du Roi
Da um 21 Uhr das Haus seine Tore schloss musste der König recht zeitig ins Bett, also wiederholte sich die Zeremonie des Lever nur in umgekehrtere Reihenfolge.
Ich wurde also öffentlich entkleidet.
Zudem übergab ich jeden Abend den Leuchter einer anderen Hofdame, die ihn während der Zeremonie halten durfte.
Damit endete der Tag.
Bei allen Handlungen waren stets Zuschauer anwesend – und das nicht zu knapp.
Jetzt zu meinem Resümee:
Ja es ist möglich (für mich) so zu leben.
Es ist sehr anstrengend, aber nicht unangenehm, mir hat es sehr gefallen und ich habe mich sehr schnell an diese Lebensweise gewöhnt.
Ich hatte ehrlich gesagt keine allzu großen Probleme damit auf einmal so öffentlich zu sein.
Ich genoss es eigentlich in vollen Zügen und mich besteigt ein tiefes Bedauern wieder in die „Normalität“ zurück zukehren.
Die Besucher oder die übrigen Menschen die nicht Mitglieder des Hofes sind, hatten keine Bedeutung, sie waren zwar anwesend ich registrierte es auch, aber wirklich wahrgenommen hatte ich es irgendwann nicht mehr.
Es wurde sehr schnell zur Normalität, die mich aber nicht im geringsten einschränkte.
Erstaunlich fand ich die Wirkung auf die Besucher allgemein.
Viele waren sehr verwundert über diese Aktion, zumal sie sich ja über so lange Zeit erstreckte und eben den ganzen Tag mit einschloss.
Am Mittwoch wurde die Performance offiziell begonnen um 19:30 wurde ich in meinem Saal durch Simon empfangen, der seinen Huldigungsbrief vorlas:
Sire,
ich möchte Ihrer Majestät hiermit meine große Freude übermitteln, die auf der herrlichen Erwartung Ihrer Anwesenheit in dieser unserer bescheidenen Stadt Kassel, in diesen so ach schweren Zeiten beruht.
Ihr Vorhaben, Sire, uns einen Moment Ihrer kostbaren Zeit zu vergönnen, obgleich Ihr doch der Mühen genug zu tragen habt, bedingt durch jene schier zahllosen Wohltaten, welche Ihre Majestät stets der Welt schenken und geschenkt haben, bereitet uns einen Augenblick des ewig anhaltenden Glückes, welcher mich mit Stolz und Dankbarkeit erfüllt.
Lassen Sie mich Ihnen unsere unbändigen Bemühungen versichern, mit denen wir seit Wochen Ihrer Ankunft sehnsüchtig harrend, alles zu Ihrer Zufriedenheit herrichten. Ihrer Majestäten Glück und Wohlbehagen ist dabei all unser Sinnen leitendes Bestreben.
Es scheint, Sire, als verändere die frohe Kunde Ihrer Ankunft die hier sonst so tristen und elenden Gemüter Aller abrupt. Ob Feldarbeiter oder Verwaltungsbeamter, es konzentrieren sich all jene einzig auf Ihrer Majestäten Empfang, deren Leben nun erfüllt von erwartungsvoller Spannung, einem Segen gleicht, dank Ihrer Majestät.
Die Botschaft, Ihr werdet nach Eurem Besuche ein Büchlein unserem kleinen Städtchen hinterlassen, welches die große Ehre Ihrer Anwesenheit über viele Generationen wird anhalten lassen, bestärkt unsere Freude aufs Höchste. So ist es uns zuträglich, Ihrer Majestät nicht nur den vornehmsten Platz in unserem Herzen zu widmen, sondern uns an Ihren Früchten Ihres unermesslichen Geistes in unserer Heimat immer wieder laben zu dürfen.
Eure Majestät ist ein Vorbild für uns alle!! Kann ich nicht mit größtem Recht behaupten, alles was ich bin und alles was ich besitze, mein kleiner Ruhm, mein Hab und Gut, sind nur die Früchte Ihres Wohlwollens?
Was bleibt anderes übrig, Majestät, als alle göttliche Macht anzuflehen, sie möge die Dauer Ihres ruhmreichen Lebens der Dauer des Universums angleichen!
Diese Wünsche spreche ich jeden Tag aus,
als Ihre Majestät untertänigster und gehorsamster Diener, Simon Großpietsch
Dann wurde das Büffet aufgetragen, was ich den ganzen Vormittag mit meinem Bruder vorbereitete.
Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit dem Verlauf dieser Performance.
Vom Publikum kam nur positive Resonanz – das ist schon eine Leistung für sich.
Die schönsten Komplimente waren:
„Interessanteste und beste Aktion des Rundgangs“
„ein lebendiges Gemälde“
und besonders süß war ein kleines Mädchen an der Orangerie das laut rief:
„Seht ihr, es gibt doch noch Könige die leben!“
Wir haben es uns auch nicht nehmen lassen, am Samstag und am Sonntag an der Karlswiese direkt an der Orangerie zu promenieren.
Dort steht ja auch die Documenta-Halle.
Dies brachte in der Zeit unserer Anwesenheit die Documenta zum erliegen – und auch dass muss man erst mal schaffen.
So was wäre sicher auch mit Clownskostümen möglich gewesen, aber ich denke durch unser Auftreten und wegen der Verbindung zu dem Ort fesselten wir die Besucher einfach.
Ich hatte immer Angst im Rampenlicht zu stehen, aber hier wurde ich auf einmal zur Zentralen Person, von mehren hundert Leuten photographiert und begafft und es machte mir nicht das geringste aus.
Aber es gab auch negative Erfahrungen.
Vor allem in der Zeit der Vorbereitung:
Viele der Leute die zuerst mitmachen wollten, waren unzuverlässig und sprangen ab, was die ganze Aktion fast zum scheitern gebracht hätte.
Besonders ärgerlich war die Sache mit den Musikstudenten.
Zuerst hatte es noch geheißen man hätte viel zu viele Interessierte und wegen Doppelbesetzungen müsste man bereits Leute ablehnen.
Letzten Endes war nicht ein einziger Musikstudent in ganz Kassel dazu bereit, ach halt – doch ein Cellist hatte sich bei mir gemeldet.
Mit der großartigen Hilfe von Holger Grintz konnte ich dann doch noch 6 MusikerInnen aus den Musikschule gewinnen.
Und ich meine sie haben ziemlich gut gespielt – mir hat es außerordentlich gefallen, da sie die Stücke nicht einfach herunterspielten, sondern wirklich mit Hingabe spielten und wirklich ein gutes Gefühl für diese Art Musik entwickelten.
Was ich für die Musik alles unternommen habe kann man in diesem Thread nachlesen, denn ich habe mir das Vergnügen gegönnt, nur Weltpremieren aufführen zu lassen.
Mein Professor wollte unbedingt, dass die Rundgangskommission die Generalprobe des Balletts sieht.
Er meinte ich solle unbedingt die Chance auf den Rundgangspreis erhalten.
Am Montag den 2. Juli waren wir zum ersten Mal den ganzen Tag in voller Montur und probten die diversen Zeremonien.
Dann gegen 15:00 Uhr fand aber noch eine „Cross-Korrektur“ statt – eine ganze Klasse geht in die Räume der anderen und spricht dort über die Arbeiten. Das ganze dauerte über 3 Stunden und es war brütend heiß.
Gegen 18:00 Uhr kamen die Musiker und auch die Kommission.
Jetzt musste alles fix gehen, damit die Damen und Herren etwas sehen konnten.
Der Rundgangspräsident meinte die Gruppe würde etwa 15 Minuten bleiben.
Ich meinte, das wäre prima, da es in etwas so lange auch dauert.
Nach drei Minuten meinte aber Prof. XYZ „Das reicht wir gehen jetzt“
Das sagte er auch in einer solchen Lautstärke, dass es alle mitbekamen, vor allem plärte er den Musikern in ihr Spiel....
Dieser Prof. XYZ hat zudem noch einen Hals auf meinen Prof. da dieser im Moment sehr viele Leute anzieht und in unserer Klasse gerade ziemlich gute Arbeiten entstehen.
Aber da er nur eine Gastprofessur hat verzeiht man ihm den Erfolg nicht.
Allein der Katalog war schon ein Sache für sich.
Jede Klasse sollte 4 Seiten bekommen, 2 Seiten für die Klasse im allgemeinen, und dann 2 Seiten für 2 besondere künstlerische Positionen.
Ich war einer davon – habe mir den Katalog aber nicht gekauft – 30 Euro sind mir dann doch zuviel.
Prof. XYZ hat für seine Klasse jedoch 60 Seiten veranschlagt.... was eine Menge Ärger nach sich zog, da er die Richtlinien des Katalogteams nicht annehmen wollte.
Da es jedes Jahr auch diverse Rundgangspreise gibt, ist man natürlich gespannt wer ausgezeichnet werden wird. Denn die Preise werden von der Kommission verteilt.
Zufälligerweise gingen die meisten Preise an die Klasse von dem bewussten Prof. XYZ
Was einen ziemlichen Unmut auslöste, da z.B. eine andere Klasse gar nicht von der Kommission besucht wurde, da der Prof. XYZ den dortigen Prof. ebenfalls nicht leiden kann.
Zudem hat vor kurzem noch jemand geplappert und die wahren Machenschaften hinter dieser Kommission „verraten“, aber damit erzählte er nichts neues sondern bestätigte nur die allgemeinen Vermutungen.
Es geht allein darum eine bestimmte Klasse, eben die besagte zu profilieren und bestimmte Studenten damit zu fördern (was aber schon lange vor dem Rundgang feststeht).
Leider läuft es im Kunstmarkt ähnlich und ich denke nicht, dass ich da mitspielen möchte.
Ich bin an einen Punkt angelangt, an dem ich mir ernsthaft Gedanken mache, etwas anderes zu machen, da ich es nun am eigenen Leib erfahren musste, dass nicht Qualität, sondern allein Beziehungen ausschlaggebend sind.
Und ehrlich – dafür sind mir meine Sachen zu schade, da behalte ich das lieber alles für mich.
Natürlich bin enttäuscht und sauer, weil es hierbei einzig um die Profilierung der Professoren geht.
Hätte ich gewusst wie das abläuft, dann hätte ich mir einen Besuch der Kommission verbeten, denn dieser Herr hat mit seiner Äußerung alle Beteiligten tief beleidigt und sich selbst auch damit als ignoranten und äußerst unhöflichen Menschen geoutet.
Die Musiker waren teilweise ziemlich verwirrt, und meine Damen ebenfalls.
Aber ich besann mich darauf, dass ich es nicht für diese Leute tue sondern für mich, meinen kleinen Hof und auch für meinen Professor. Ich hatte nur kurzzeitig das Gefühl, dass ich alle enttäuscht habe – aber das Publikum hat mit einem solchen Zuspruch reagiert, dass ich mir um die Meinung dieser „Intellektuellen“ wahrlich keine Sorgen mehr machen muss.
Diese Leute gab es zu allen Zeiten, sie haben es vor 300 Jahren nicht verstanden – wieso sollten sie das Heute auf einmal können ?
Jedenfalls kann ich aus der Performance, wenn man es denn so nennen will, eine Menge für mich herausziehen.
Ich bin keinesfalls „kuriert“ aber einiges sehe ich jetzt doch etwas anders.
Ich glaube aber es ist äußerst lohnend weiter in dieser Richtung zu arbeiten und das große Ziel anzustreben.
Eine Sonderveranstaltung die mir sehr am Herzen lag war das schon angesprochene
„Ballet Royal“
Ulli hatte ja auf meinen Wunsch hin, alte Partituren die ich hier in der Murhardschen Bibliothek gefunden hatte, revidiert und spielbar gemacht.
Und ich wollte unbedingt ein kleines höfisches Ballett haben, da das Ballett eben auch fester Bestandteil des höfischen Lebens gewesen ist.
Ich hatte ja schon etwas Erfahrung mit dem Barocktanz, besorgte mir aber dennoch mehrere Choreographien von du Feuillet und Pecour.
Ich reduzierte etwas die immens große Schwierigkeit der Tänze, da wir ja alle keine Profitänzer waren.
Über mehrere Wochen probierten wir das Menuett – die damaligen Tanzmeister meinten man benötigte mindestens 2 Monate um es zu beherrschen. Das ist auch nicht anzuzweifeln.
Dann kamen noch weitere Tänze hinzu, die aber recht einfach waren.
Für die Aufführung hatte ich sechs MusikerInnen:
2 Violinen, eine Oboe, eine Flöte, Fagott und Cello.
Ich hatte eine ungefähre Vorstellung wie das klingen könnte und hatte auch speziell nach dieser Besetzung gesucht – und es war eine richtige Entscheidung.
Gut das Balletto a 5 hätte mit Pauken und Trompeten noch besser gewirkt – aber es war so auch ganz wundervoll.
Das Divertissement war wie folgt aufgebaut:
Die Türen wurden geöffnet, der Hof hatte bereits Platz genommen – das Publikum musste stehen – denn das höfische Zeremoniell lässt es nicht zu, dass man sich in Gegenwart des Monarchen setzte.
Ich wies die Musiker an zu beginnen.
Es erklang das „Balletto a 5“ das als kleines Konzert, als Eröffnung gegeben wurde.
Vom Stil erinnerte es an die festlichen Balletti von Schmelzer, allerdings würde ich diesem Balletto fast noch mehr Qualität zusprechen.
Dann folgte die Suite du Ballett.
Nach der Ouverture folgten diverse Tänze.
Aufgrund der Satzbezeichnungen und der wirklich verblüffend gut gemachten Musik bin ich fast dazu geneigt diese Komposition Lully anzuhängen, und wenn er es nicht war, dann kommt nur Cambefort noch in Frage. Denn solche Ballette durfte nicht irgendwer verfassen.
Und dass diese tolle Suite nicht von einem No-Name Epigonen stammen kann, liegt für mich auf der Hand.
Außerdem stammt die Suite aus den Jahren vor 1660 – da die Ouvertüre noch keinen fugierten zweiten Teil besitzt.
Es folgte das „Entrée des deux Satyres“
Das von Madame de la Palatine (Christina) und Madame de Liancourt (Carina) getanzt wurde.
Der Tanz entspricht einer Courante und so habe ich auch die Choreographie gestaltet.
Als Zwischenmusik erklang die Gigue (die eigentlich als Schlusssatz der Suite fungierte)
Der zweite Tanz „Entrée des quattre Saisons“ wurde von Madame de Montespan (Anne) und Madame de Chevreuse (Gülsen) getanzt.
Ich entwickelte eine art „Ur-Menuett“ für die beiden Damen, das passte unheimlich gut zur Musik.
Es folgte der dritte Tanz, das „Entrée de Phaeton“ dies sollte dann von allen vier Damen getanzt werden.
Es war wieder in Form einer Courante komponiert und so wiederholte ich einfach die erste Choreographie, richtet sie aber für vier Personen ein.
Nach jedem Tanz bedankte ich mich bei meinen Damen und spendete ihnen Beifall, das Publikum schloss sich dem an.
Dann stand ich auf und ging zu meinen Damen.
Simon rezitierte einen Text den ich aus einem Ballett von Lully und Benserade herausgeschrieben hatte, Frau Prof. Panhans Bühler hat den Text der im altem Französisch verfasst war, ins Deutsche übersetzt:
Für Seine Majestät, den Repräsentanten der Sonne
Sonne, deren Ruhm den Hof begleitet,
den stets man mich hat tragen sehen mit meinem erborgten Glanz,
wenn Euer Glanz geringer war.
Kaum kann die Kunst dies Thema so beschreiben, wie man sollte,
so hoch seid Ihr aufgestiegen,
dass Lob und Weihrauch Euch nicht mehr erreichen können.
Über das Haupt der Könige mit hoher Miene schreitet Ihr,
und vormals war für Eure Strahlen Erwartung nicht so fest,
und nicht so tief;
Jedoch seh’ Heut ich mit solchem Feuer sie entzünden sich,
dass man es nicht beschreiben kann und kaum auch aushalten
Ihre Kraft ganz ohne Atempause
Es folgten die Entrées I-III
Während die Musik erklang, zogen mich meine Damen langsam aus – auf offener Bühne.
Das sorgte natürlich für Erstaunen und bestimmt auch für Erheiterung, weil man so etwas eben nicht erwartete.
Dann bekam ich mein Sonnenkostüm angelegt.
Zuletzt setzte man mir die Krone mit den Sonnenstrahlen auf.
Simon ließ erneut seine laute, klare und schöne Stimme erklingen.
Jetzt zu einem Text das für das Ballett d’Apollon von 1621 geschrieben wurde, ebenfalls wieder von Frau Prof. Panhans Bühler bearbeitet:
Welche Schönheit, Oh Ihr Sterblichen
Oh Ihr Sterblichen welche Schönheit.
Sollte man eher Altäre errichten als jene, die wir sehen können ?
Sogar die Sonne muss vor seinem Reiz verbergen ihre Strahlen.
Sein schöner Name , der von „lieben“ kommt,
muss Euch nicht entflammen.
Mit einem Feuer, das aufseufzen lässt,
könnt Ihr das Herz entzücken eines Schönen, der zu bewundern ist ?
Darauf sprach ich ebenfalls einen kurzen Text:
Dieser stammte wieder von Benserade und wurde von Louis XIV 1653 beim Ballet de la Nuit vorgetragen, bevor er zu tanzen begann:
Nun lenke ich allein den Sonnenwagen.
Eine göttliche Hand hat mir die Zügel übergeben.
Eine erhabene Göttin tritt ein für meine Rechte.
Ich bin der erhabenste Stern unter den Königen.
Das „Entrée de Neptun“ erklang und ich begann meinen Solo Tanz, der vielmehr eine Abfolge von eleganten Bewegungen und Posen war. Aber ich denke dass das Hofballett so wohl gewesen sein muss, mehr „Action“ ließ auch das Kostüm nicht zu, außerdem bin ich der Auffassung, dass es hierbei ausschließlich um Erhabenheit gehen muss.
Das Entrée de Neptun war außerdem das erste Stück, dass ich von Ulli aus der Suite geschickt bekam und als ich es zum ersten Male im MIDI Sound hörte kamen mir die Tränen und ich hörte es fast bis zu erbrechen – mir war damals schon klar – dieser Tanz gehört mir!
Nach dem Entrée de Neptun gab es noch ein ähnliches Entrée das ich einfach „Les Tritons“ taufte und ebenfalls tanzte.
Dann folgten die beiden letzten Tänze:
„Les sept Planetes“ und das „Grand Ballett“
meine Damen tanzten um mich herum wie die Planeten um die Sonne.
Die Choreographie war recht kompliziert, da sie alle ihre Positionen wechselten.
Damit endete das Ballet de Cour.
Zum Schluss tanzten wir alle gemeinsam das „Menuett Royal“ das Ulli für mich komponierte.
Mit diesem Ballett beendete ich auch offiziell die Performance und verließ den Raum in Begleitung meiner Damen.
Veronika die mich noch bei der Generalprobe kritisiert hatte, meine Bewegungen hätten zuwenig Eleganz und Kraft gehabt, küsste mir nun die Hände – mit anderen Worten ich war überzeugend.
Denn niemand kritisiert so ehrlich wie sie.
Für mich gab es noch eine Menge persönlicher Parallelen mit dieser Form des Lebens, gewissermaßen habe ich darinnen eine Metapher meines eigenen Lebens erkannt.
Aber darüber muss ich noch nachdenken, da wird sich wohl auch erst in den nächsten Wochen etwas ergeben. Denn es gibt so viele Aspekte dieser Erfahrung, dass ich jetzt, so kurz nach dieser Aktion noch nicht alles begreifen kann.
Natürlich haben wir auch eine Menge Spaß nebenbei gehabt, aber erst einmal muss ich das ganze Photo und Filmmaterial auswerten, ich veröffentliche dann auch noch weitere Bilder.