Felix Weingartner - Die Symphonien

  • Felix Weingartner (1863 - 1942)


    Die Symphonien


    Auf die Frage, warum er, der berühmte Dirigent, selbst Symphonien geschrieben habe und was er damit bezwecke, antwortete Weingartner: "Bezweckt habe ich gar nichts; geschrieben habe ich meine Symphonien, weil sie mir eingefallen sind."




    Felix Weingartner dirigiert das Sinfonieorchester Basel




    Symphonie Nr. 1 G-Dur op. 23 (1898 )


    01. Allegro moderato grazioso
    02. Allegretto alla marcia
    03. Vivace scherzoso
    04. Allegro vivo


    UA: 1899, Köln
    Dirigent: Franz Wüllner
    Dauer: ca. 34 Minuten
    Verlag: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden


    Orchester:


    3 Flöten (3. auch Piccolo)
    2 Oboen (2. auch Englischhorn)
    1 Klarinette in C
    2 Klarinetten in A
    2 Fagotte
    4 Hörner
    2 Trompeten
    3 Posaunen
    Pauke
    Harfe
    Streicher



    Die Erste Symphonie, vom Komponisten selbst als "Jugendsinfonie" bezeichnet, schrieb Weingartner im Jahre 1898. Die Sinfonie gefiel dem Publikum und wurde häufig gespielt. Mit diesem Werk wollte er bewusst einen neuen Weg beschreiten, einen anderen Weg als den, welchen sein Lehrer Franz Liszt genommen hat. Die erste Symphonie ist ein lyrisches Werk mit jugendlichem, übermütigem Charakter. Laut Weingartner klingt im Hauptthema des freundlichen, pastoralen ersten Satzes die Sonate G-Dur von Anton Rubinstein an. Diese Sonate hatten seine Mutter und ein Freund der Familie einst in Weingartners Kindheit gespielt und sie hatte bei dem Jungen einen solchen Eindruck hinterlassen, dass sie in ihm das Interesse für Musik geweckt hatte. Im zweiten Satz erklingt ein stolzes, von den Holzbläsern vorgetragenes Thema in Form eines Marsches. Eine vorwitzige Oboe eröffnet das Scherzo, das von einer melancholischen Klarinette im Trio unterbrochen wird. Der virtuose Schluss ist ein prächtiger Finalsatz mit einem volkstümlich-burschikosen Thema der in einem übermütigen Wirbel des ganzen Orchesters mündet.



    Sinfonieorchester Basel
    Marko Letonja
    CPO




    Symphonie Nr. 2 Es-Dur op. 29 (1900)


    01. Lento - Allegro mosso
    02. Allegro giocoso
    03. Adagio, ma non troppo
    04. Lento - Allegro risouto


    UA: 27.05.1900, Bremen
    Dirigent: Felix Weingartner
    Dauer: ca. 44 Minuten
    Verlag: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden


    Orchester:


    3 Flöten (3. auch Piccolo)
    3 Oboen
    3 Klarinetten in B
    3 Fagotte
    1 Kontrafagott
    4 Hörner
    3 Trompeten
    2 Tenorposaunen
    1 Bassposaune
    1 Tuba
    Pauke
    Harfe
    Streicher


    Formal traditionell ist die Zweite Symphonie in der „heroischen“ und gerade für die Blechbläser so dankbaren Tonart Es-Dur gehalten. Sie umfasst vier Sätze und beginnt mit einer geheimnisvollen langsamen Einleitung im Kopfsatz, der als spritziges „Allegro mosso“ anhebt. Das Material des Hauptsatzes entwickelt Weingartner aus der Einleitung. Ganz schulmäßig folgt einem schwungvollen ersten Thema ein sangliches, leicht melancholisches zweites der Holzbläser im Dreiertakt und in Terzen. Spektakulär in diesem Sonatenhauptsatz ist der Höhepunkt des Durchführungsteils mit seiner Temposteigerung die an Bruckner erinnert. Heiter und gelöst geht es weiter. Als „Allegro giocoso“ im Scherzo-Charakter kommt der übermütige zweite Satz in C-Dur daher. Der schwärmerische dritte in As-Dur ist mit „Adagio, ma non troppo, cantabile“ bezeichnet. Er ist von zwei Hauptthemen geprägt, einem von den Violinen vorgetragenen As-Dur-Gesang und einem damit blockhaft abwechselnden „Choral“ der Bläser im vierstimmigen Satz. Wie der erste Satz, so beginnt auch der vierte und letzte mit einer „Lento“-Einleitung. Und wie im ersten Satz, so dominiert auch hier ein schwungvoller aufsteigender Melodie-Gestus. Es dominieren sangliche, leichtfüßige Themen, darunter ein spielerisches Motiv in Terzen und Sexten, das den Fagotten und Hörnern auf den Leib geschneidert ist. Ein glanzvoller Höhepunkt beendet das herrliche Werk.



    Sinfonieorchester Basel
    Marko Letonja
    CPO




    Symphonie Nr. 3 E-Dur op. 49 (1909)


    01. Allegro con brio
    02. Allegro un poco moderato
    03. Adagio, ma non troppo
    04. Allegro moderato


    UA: 17.11.1910, Wien
    Dirigent: Felix Weingartner
    Dauer: ca. 65 Minuten
    Verlag: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden


    Orchester:


    4 kleine Flöten
    3 große Flöten
    2 Oboen
    1 Englischhorn
    1 Heckelphon
    1 Klarinette in D
    2 Klarinetten in A
    1 Bassklarinette
    3 Fagotte
    1 Kontrafagott
    6 Hörner
    3 Trompeten
    1 Basstrompete
    3 Posaunen
    1 Tuba
    Pauke
    Große Trommel
    Becken
    Triangel
    2 Harfen
    Orgel (ad libitum)
    Celesta
    Streicher



    Die Dritte Symphonie hebt sich deutlich von ihren Vorgängerinnen ab. Sie ist mit 65 Minuten nicht nur die längste aller Symphonien; mit ihrer gigantischen Besetzung sprengt sie auch den Rahmen alles bisher geforderten. Der erste Satz „Allegro con brio“ beginnt mit leisen Holzbläserfiguren, die von Harfenglissandi und den hohen Streichern gestützt werden. Eine anschließende Cellokantilene stellt das Thema vor, welches sich im gesamten Kopfsatz verselbständigen wird, hin zu jenem katastrophisch-misstönenden Wutausbruch im Mittelteil des Satzes, um diesen dann kultiviert zu beenden. Der zweite Satz „Allegro un poco moderato“ ist ein dämonischer Walzer; gleichfalls ein Tanz ums goldene Kalb. Die in sich kreisenden, auf der Stelle drehenden und stampfenden Figuren arbeiten sich über das melodische Trio, dessen Thema wir im vierten Satz wiederbegegnen werden, hin zum Schluss mit tiefem Blech und harten Streichern. Der nun folgende Hymnus im Bruckner-Stil breitet seine ganze Ausdruckskraft im dritten Satz „Adagio, ma non troppo“ aus. Kurz vor der ostinaten Prozession mit der Orgel ad libitum, das schwerste Geschütz, das der Komponist in dieser Partitur zu bieten hat, lugt Gustav Mahler durch das orchestrale Gebilde. Im Finale begegnen wir Motiven aus dem ersten und zweiten Satz. Nach einer kurzen Einleitung stellen die Kontrabässe ein düsteres Thema vor, das im weiteren Verlauf von einer lustigen Fuge abgelöst und zum beherrschenden Motiv des Satzes wird. Ein delikater Walzer – eine Huldigung an Wien – dem eine Melodie aus der bekannten Strauß-Operette „Die Fledermaus“ zugrunde liegt, beendet in würdevollem Gestus die großartige Symphonie.



    Sinfonieorchester Basel
    Marko Letonja
    CPO




    Symphonie Nr. 4 F-Dur op. 61 (1916)


    01. Allegro un poco moderato
    02. Andante con moto
    03. Comodo, grazioso
    04. Poco lento - Allegro giocoso


    UA: 1916, Köln
    Dirigent: Hermann Abendroth
    Dauer: ca. 31 Minuten
    Verlag: Universal Edition, Wien


    Orchester:


    2 Flöten
    2 Oboen
    2 Klarinetten
    3 Fagotte (3. auch Kontrafagott)
    4 Hörner
    2 Trompeten
    3 Posaunen
    Pauke
    Harfe
    Streicher



    Kein Wunder, dass die Vierte Symphonie das wurde was sie ist. „Hätte ich sie zu taufen“, erklärt Weingartner, „so würde ich sie die ‚Bukolische’ nennen, denn landschaftliche Eindrücke südlichen Charakters waren die Anregung ihres Entstehens.“ Nicht nur ob der Tonart F-Dur erinnert sie an Beethovens „Pastorale“, doch verbindet sie deren Heiterkeit mit Brahmsschem Ernst. Dass Weingartner sich 1916 mit seiner dritten Frau am Tegernsee eingemietet hatte, erinnert zusätzlich an Brahms, dessen Zweite Symphonie ja am Wörthersee entstand. Schon im ersten Satz spürt man, dass sich Weingartner gründlich mit Brahms befasst hat. Dazu gibt es vor allem im „Andante con moto“ Anlehnungen an Robert Schumann – wenn auch im „altväterlichen“ Tempo - während im anschließenden „Comodo, grazioso“ eine Oboe ihr Mahlerisches Thema vorstellt. Eine Horngruppe eröffnet den ganz von pastoralen Klängen durchzogenen vierten Satz der sich im Finale ein tänzerisches Freudenthema gönnt und das Werk frisch und munter ausklingen lässt. Die Reminiszenzenjäger werden auch hier wieder auf ihre Kosten kommen.



    Sinfonieorchester Basel
    Marko Letonja
    CPO




    Symphonie Nr. 5 c-moll op. 71 (1924)


    01. Allegro agitato
    02. Allegro scherzando ma poco moderato
    03. Andante solenne
    04. Fuge di due te mi


    UA: 1924, Edinburgh
    Dirigent: Felix Weingartner
    Dauer: ca. 43 Minuten
    Verlag: Universal Edition, Wien


    Orchester: (Leider lag mir die Partitur nicht zur Ansicht vor)


    Mit der Fünften Symphonie realisiert der für seine Beethoven-Interpretationen berühmt gewordene Dirigent, Weingartner „zufällig“ den langjährigen Plan einer c-moll-Symphonie. Die Komposition entstand in einer für ihn persönlich zerrissenen Zeit zu Beginn der zwanziger Jahre zum Geburtstag der vierten Ehefrau Betty Roxo. Nach einer kurzen Aufforderung durch zwei Akkorde, abwechselnd von den Bläsern und Streicher gespielt, setzt sich eine melancholische Melodie in Bewegung, die das ganze Material des ersten Satzes enthält. Aufgelockert wird diese Stimmung durch einen an Verdi erinnernden Walzer, der im weiteren Verlauf aber schnell zum ursprünglichen Thema zurückfindet und nun von den Blechbläsern aufgegriffen wird. Der Versuch, das Thema euphorisch anklingen zu lassen, wird gnadenlos vom Orchester vereitelt. Der zweite Satz „Allegro scherzando ma poco moderato“ kommt mit seinem rhythmischen Thema in den tiefen Streichern ziemlich spukhaft daher und steigert sich zu einem wahren Geistertanz, der nur durch ein Zitat aus dem Adagio der Achten Symphonie von Anton Bruckner im Trio unterbrochen wird. Ohne Bruckner wäre auch das „Andante solenne“ undenkbar gewesen, und ausgerechnet Weingartner, der immer wieder Bruckners symphonische Welten kritisierte, präsentiert an dieser Stelle einen feierlichen, an Bruckner gemahnenden dritten Satz. Für das Finale griff Weingartner auf Material zurück, das er schon im Jahre 1906 zu komponieren begonnen hatte. „Eine große Doppelfuge“, erklärte Weingartner später, „[…] entwuchs jetzt so natürlich dem Organismus dieser neuen Symphonie, dass ich sie vollendete und damit das Werk abschloss.“ Diese Fuge – ein komplexer Sonatenfugensatz – besiegelte den Uraufführungserfolg der fünften Symphonie, die Felix Weingartner im Herbst 1924 selbst in Edinburgh aus der Taufe hob und tags darauf in Glasgow wiederholte.




    Sinfonieorchester Basel
    Marko Letonja
    CPO




    Symphonie Nr. 6 h-moll op. 74


    Bisher noch unveröffentlicht.


    Symphonie Nr. 7 C-Dur op. 87 "Choral"


    Bisher noch unveröffentlicht.




    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Dem werten Davidoff kommt das grosse Verdienst zu, auf das bedeutende sinfonische Werk Felix Weingartners (1863-1942) hinzuweisen. Dank sei ihm dafür.
    Ich möchte diesen Thread nicht einschlafen lassen, und beschäftige mich in diesen Tagen mit den sinfonischen Wein-Gärten des grossen Dirigenten.


    IMO ist Felix Weingartner auf dieselbe Stufe zu stellen wie ein Alexander Zemlinsky, Franz Schmidt, Richard Strauss oder Karl Weigl. Einige Sätze haben sogar durchaus brucknersche oder mahlersche Potenz.


    Auch die (auf den cpo-Einspielungen des Sinfonie Orchesters Basel mit Marko Letonja) den Sinfonien beigesellten Sinfonischen Dichtungen haben Qualitäten, die denen eines Richard Strauss in Nichts nachstehen.


    So ist etwa die meditative Tonmalerei „Das Gefilde der Seligen“ (gekoppelt mit Weingartners 2. Sinfonie) durchaus ein Mitnehmsel auf meine einsame Insel. Ich verehre solch musikalisches Zeithaben und –verschenken. Das ist einfach schöne Musik, zu der sich träumen lässt. (Kein Werbespot für...)
    Weingartners 20-minütiger Klangteppich ist mit hellerem Garn gewoben als das dunkel-melancholische Gewebe von Rachmaninows „Toteninsel“, auch sie eine musikalische Exegese von Böcklins gleichnamigem Gemälde.


    Zur idyllischen ersten Sinfonie, zur rhapsodischen Zweiten und zur pastoralen Vierten werde ich mich vielleicht später noch äussern. Weingartners Klangaesthetik ist zugänglicher und eingänglicher als diejenige von Mahler, mit Sicherheit auch epigonaler. Aber die Werke sind durchwegs musikantisch erfunden und langweilen nie.


    Heute ein paar Gedanken zur Dritten op.49, in E-Dur:
    Der womanizer Felix Weingartner, eben frisch verliebt in Lucille Michel, seine zukünftige dritte Ehefrau, komponiert 1909 euphorisch sein opus magnum.
    Als Werkbeschreibung geniesse man die köstliche und sehr ausführliche Analyse des trefflichen Eckhardt van der Hoogen im Booklet zur cpo-CD: wie meistens, ein Beispiel vorbildlicher Informations- präsentation. Von mir nur ein paar Impressionen:


    Der erste Satz eröffnet mit grosser zuversichtlicher Emphase, kulminierend in unisono-Gebärden der Streicher, als wollte Weingatner mit expresssionistischem Strich gleichsam die Kontur seiner neuen Flamme nachzeichnen. Anklänge an Debussys „La Mer“ fallen ins Ohr und klimaktische Dissonanzen irritieren. Aber das ist grosse Musik, die sich allerdings erst nach und nach erschliesst.


    Der zweite Satz ist ein stringentes, ohrwurmiges Scherzo, kurzweilig, eingänglich, aus einem Guss, jedem mahlerschen oder brucknerschen Schnell-Satz ebenbürtig.


    Zentrum der Sinfonie ist ohne Zweifel das monumentale Adagio, das ich zur schönsten Musik zähle, die ich kenne. Jede Beschreibung würde mir die wuchernde Fantasie beschneiden.


    Der 4. Satz ist ein Monstrum:
    Er beginnt als vielschichtiger Variationenprozess und endet als „Operette“...
    Man mag gewisse Wucherungen der Ideen monieren und bisweilen meldet sich bei mir musikalische Uebersättigung, vor allem dann beim etwas plumpen Operetten-Zitat, das den zweiten Teil von Felix Weinseliger`s viertem Liebesakt bewegt.


    Wenn die endorphingesättigten Gehirnwindungen halt lauter musikfremde Kurven generieren, kann die Kurve des Sinfonieabschlusses nur noch mit Hilfe des Herrn „Gabriel von Eisenstein“ genommen werden. Mit hemmungsloser Dreistigkeit, und mit vieldeutigem Augenzwinkern, lässt er seinen Liebeswahn in fledermäusige Sonarpeilungen mutieren.


    Ich empfinde diesen Schluss als aufgesetzt und alles andere als „würdevoll“, wie der werte Davidoff es fomuliert, aber eben: de gustibus...


    Alles in allem ist Weingartners Dritte aber eine grosse Sinfonie und für OperettenfreundInnen vielleicht gar ein Einstieg in die Idiomatik der der spätromantischen Sinfonik:D


    Die Interpretation durch Marko Letonja und das Sinfonie Orchester Basel erfüllt höchste Ansprüche und fordert Respekt.


    Von Walter,
    keinem Verächter von Wein aus ebensolchen Gärten (ausser sie werden von Fledermäusen unsicher gemacht...

  • BEi der Einsortierung neuer CDs, also solcher die ich nach dem Kauf noch nie gehört hatte fiel mir heute auch Weingartners erste Sinfonie in die Hände. Ich hatte das Abhören schon einige Male aufgeschoben, denn ehrlich gesagt, ich hatte nur aus Neugier gekauft, mit dem vagen Verdacht im Hinterkopf, daß, sobald diese Aufnahmen gestrichen seien, es kaum mehr je eine Möglichkeit geben würde sie je wieder zu bekommen.


    Heute habe ich mich nicht nur aufgerafft, sondern es war mir ein echtes Bedürfnis diese CD zu hören - vielleicht auch irgendwie im Hinterkopf Weingartners Sinfonien mit jenen von Mahler zu vergleichen. Weingartner ist nur 3 Jahre nach Mahler geboren, war ebenfalls ein berühnter Dirigent seiner Zeit, und folgte Gustav Mahler unmittelbar als Direktor der Wiener Hofoper nach, eine Position, die er nach 4 jahren aufgab.


    Ich entschloss mich also die CD zu hören - und einen Weingartner-Sinfonien-Thread zu starten. Zu meiner (zugegebenermaßen nicht allzugroßen) Überraschung gibt es schon einen. Die Resonanz hält sich ja bisher in Grenzen - Weingartner dürfte auch unter Klassik-Insidern nicht allzu beliebt sein.Das gilt leider auch für Konzertführer, die ihn gelegentlich als Dirigenten oder Arrangeur so nebenbei erwähnen, als Komponist aber völlig negieren.
    Ich habe nachgedacht, warum das wohl so sei.
    Um die Frag schlüssig zu beantworten müsste ich wohl einiges von Weingartner hören- aber das wird noch dauern.


    Die erste Sinfon macht jedenfalls einen guten Eindruck auf mich, und ich kann mir gut vorstellen, daß sie zu Zeiten ihres Entstehens beliebt war. Lyrik und Dramatik halten sich die Waage, es ist alles da, sogar fanfarenklänge, die ich jedoch keineswegs mit Bruckner vergleichen würde, sie sind weniger weihevoll.
    Wenn ich etwas zu beanstanden hätte, dann wäre es , daß hier viele Themen miteinander abwechseln und mir persönlich die klare Linie fehlt. Aber das ist ein Phänomen der Entstehungszeit, kein Manko des Komponisten Weingartner an sich. Die Stimmung schwankt dauernd.
    Idyllische Stimmenungen wechseln mit Temperamentausbrüchen.


    Lyrisch, klangschön und verhalten beginnt dann der erste Satz,. Ich vermeine einen Vogelruf zu vernehmen, der im Laufe des Satzes immer wieder auftaucht. gegen Ende des Satzes wird dann das Tempo angezoge, fanfarenartige Klänge mischen sich in das Thema. Anschliessend wieder zurückgleiten zum Anfangsthema mit seinem Vogleruf. Die Sinfonie ist wunderbar orchestriert, anscheinend eine Spezialität Weingartners.


    Der zweite Satz beginnt mit einem markanten marschartigen Bläserthema, welches im wesentlichen beibehalten In der zweiten hälfte des Satzes dann wieder Fanfaren, vorerst verhalten, dann eindringlicher und triumphierender, dann allmählich verklingend und nochmals auftrumpfend.


    Besonders fröhlich und temperamentvoll beginnt der 3. Satz, keck aber niemals aufdringlich, feingezeichnet, filigran, dennoch der vermutlich prägnanteste Satz dieser Sinfonie. entfernt an Mendelssohns Scherzi erinnernd - und doch völlig anders


    Von extrovertierter Wesensart erscheint mir der Finalsatz zu sein, mal laut und polternd, mal verhalten pulsierend, jedoch immer vol lvon LebensfreudeUnd genau in dieser Stimmung endet das Werk.
    ___________________


    Es erscheint mir bemerkenswert, daß der oben angeführte Kritikpunkt der fehlenden klaren Linie immer mehr in den Hintergrund gerät, desto öfter man die Sinfonie hört.


    Was gibt es also zu beanstanden. Im Prinzip sehr wenig.
    Vielleicht ist es aber so, daß Weingartner weniger progressiv war als Mahler, weniger festlich als Bruckner ? Vielleicht aber hat er auch einfach nur Pech gehabt.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es bleibt noch zu erwähnen, dass inzwischen auch die Sinfonie Nr. 6 op. 74 h-Moll (La Tragica) von CPO veröffentlicht wurde, wie alle übrigen Aufnahmen auf SACD. Und alle mit informativem, lesenswertem Booklet. Dürfen wir auf die Siebte noch hoffen?





    Ich nutzte heute den verregneten Vormittag, um mir die ersten beiden Sinfonien im SACD-Stereo-Klang anzuhören.


    Wie ich erst später feststellte, hatte ich die Sinfonie Nr. 1 schon vor 14 Monaten mal gehört, allerdings auf meiner Pianocraft in der Küche, und dort hat mir die Musik damals beim ersten Hören deutlich besser gefallen. Heute gab es nur 5,4 Euphoriepunkte statt seinerzeit 6,4. Irgendwie zündete es heute nicht, trotz einer ganzen Reihe schöner Stellen. -- Oder war ich heute nur wieder mal zu mäkelig?


    Sinfonie Nr. 2 hörte ich heute zum ersten Mal. Nicht schlecht, aber zumindest bei den ersten beiden Sätzen fühlte ich mich permanent an Bruckner erinnert. Da ich Bruckners Sinfonien prinzipiell mag, sollte das theoretisch kein Nachteil sein, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das im "Original" nicht nur vertrauter klang, sondern auch in sich stimmiger komponiert ist. Zudem störte mich insbesondere im 1. Satz die Vielzahl der lauten Stellen. Mit 5,7 Euphoriepunkten noch knapp ein gutes Ergebnis.



    Insgesamt werde ich wohl noch ein gutes Weilchen brauchen, bis ich mich für diese beiden Sinfonien mehr erwärmen kann. Aber geht es nur mir so? Mich wundert schon ein wenig die geringe Resonnanz in diesem Thread zu Weingartners Sinfonien.


    Gruß enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

  • Enkidu schrieb in Bezug auf Weingartners Sinfonien Nr 1 und 2


    Zitat

    Insgesamt werde ich wohl noch ein gutes Weilchen brauchen, bis ich mich für diese beiden Sinfonien mehr erwärmen kann. Aber geht es nur mir so? Mich wundert schon ein wenig die geringe Resonanz in diesem Thread zu Weingartners Sinfonien.


    Also MICH wundert sie nicht.
    Vermutlich haben nur wenige Mitglieder den Schritt gewagt, eine Aufnahme anzuschaffen. Weingartner, als Dirigent einst hochberühmt ist als Komponist doch vielen eher unbekannt. Er scheint weniger progressiv zu sein als Mahler, zudem ein wenig sperrig. Zudem erscheint mir der Wiedererkennungswert seiner Werke eher gering- ein nicht zu unterschätzender Faktor. Der Wiedererkennungswert wird ja subjektiv verbessert, wenn man ein Werk des öfteren hört, aber gerades diese Chance wird Weingartners Sinfonien nicht allzuoft zugestanden werden.


    Weingartner wär theoretisch auch für die Anhänger der Moderne interessant, aber eben nur theoretisch, denn es gibt mit Sicherheit progressivere Komponisten als gerade ihn.


    Wenn er im Harenberg Konzertführer nicht mit einem eigenen Artikel vertreten ist, dann spricht das eher gegen den Konzertführer als gegen ihn. Vielleicht ist aber seine mangelnde Präsenz in beschreibender Literatur auch darauf zurückzuführen, daß man ja etliche Jahre gar keine Aufnahmen von inm gekommen konnte.


    Zitat

    Die Reminiszenzenjäger werden auch hier wieder auf ihre Kosten kommen

    .



    ICh wäre mir da nicht so sicher - denn jene die gerne in Reminiszenzen schwelgen, denen wird Weingartners Musik vermutlich zu sperrig sein.


    Immerhin - Weingartners Sinfonien liegen auf CD vor - und jeder der sie hören will kann das tun. Zumindest derzeit nioch. Denn die Aufnahmen werden derzeit bereits um 7.99 Euro abverkauft...


    Wer zu spät kommt -den bestraft das Leben, ähh Label....


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred


    ________________________________________
    Geschrieben von Alfred_Schmidt am 10.09.2010 um 11:16:



    Ich verdanke es diesem Thread, daß ich mich entschloss, meinen zwei in meinem Besitz befindlichen Weingartner-Sinfonien eine dritte hinzuzufügen.






    (Sinfonie Nr 6 = Tracks 2-5)


    Und zwar handelt es sich um die schon weiter oben erwähnt Sechste,
    Ich hatte nach Lesen dieses Threads ein wenig gegoogelt und konnte dabe einige Details über die Sinfonie in Erfahrung bringen, Informationen die mich fast elektrisierten.
    Weingartner hat diese Sechste nämlich im Jahre 1928 zum einhundertsten Todestag von Franz Schubert geschrieben.
    An sich hatte er vielleicht vorgehabt sich am Preisausschreiben der amerikanischen Columbia zu beteiligen, welche aufforderte, einen sinfonischen Satz zu schreiben, der Schuberts "Unvollendete" komplettieren könnte. Ausdrücklich erlaubt war die Verwendung von Notenmaterial des Scherzo, welches Schubert ja als Klavierentwurf hinterlassen hatte (nur 2 Seiten waren orchestriert)


    Da Weingartner jedoch in die Jury berufen wurde konnte er sich naturgemäß an dem mit 10.000.-- Dollar dotierten (eine horrende Summe zu dieser Zeit) Wettbewerb nicht beteiligen.


    Statt dessen schreib er ausser Konkurrenz eine Sinfonie, welche Bezug zum Thema Franz Schubert hatte. Der erste Satz iist eigentlich ein Kondukt, vermutlich jener von Schubert.


    Der zweite Satz verwendet eindeutig schubertsche Themen, nämlich den nicht zu Ende komponierten 3. Satz zu Schuberts Unvollendeter
    zu hören in Brian Newboults Rekonstruktion auf dieser Cd als 3. Satz der "Unvollendeten. Newbould setz als 4. Satz die Zwischenaktmusik von Schuberts "Rosamunde" ein, eine Kombination die mich nicht überzeugt - aber das ist ja nicht das Thema



    Weingartner instrumentiert hervorragend und fügt den zweiten Satz nahtlos in den Rest der Sinfonie, die sehr geschlossen dasteht.


    Der Verfasser des cpo-booklet Neidhard von den Haagen schreibt völlig richtig:
    Zitat:
    "Warum diese gelungene Sinfonie nicht vom ersten Augenblick die Musikwelt eroberte, un warum Weingartner nicht wenigstens mit den Wiener Philharmonikern, die am Sonntag, dem 3. Dezember 1933 vormittags präzise halb 12 im grossen Musikvereinssal das 2. Abonnementkonzert, der Spielzeit 1933/34 mit diesem Werke eröffneten, einen dauerhaft tosenden Beifall auslösen konnte, ist unbegreiflich."



    Möge unsere Beitrag hier im Forum - und natürlich das Engagement der Fa .cpo, die die Aufnahme produziert hat, dazu beitragen, daß der tosende Aplaus dennoch - wenn auch verspätet - einsetzen möge....


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo miteinander,


    Weingartners 6. habe ich mir Anfang dieses Jahres im Rahmen meiner Schubert-Erkundungen zugelegt und kann mich nur der Meinung Alfreds anschließen, dass es sich dabei um eine wunderbare Sinfonie handelt, die definitiv mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung verdient hätte.
    Gleichzeitig möchte ich aber nochauf eine andere Aufnahme aufmerksam machen, die ebenfalls bei CPO erschienen ist:


    Weingartners Violinkonzert und seine Orchestrierung von Schuberts E-Dur Sinfonie:



    Das Violinkonzert kommt derart frisch und fröhlich und voller Wärme daher, wie man es bei einem Werk Ende des 19., Anfang des 20. Jhdt. gar nicht mehr erwartet. Dabei verfällt nicht in einen sentimentalen Retrostil, sondern ist kompositirisch durchaus auf der Höhe seiner Zeit.


    Die E-Dur Sinfonie kann in dieser Fassung natürlich nicht als echter Schubert durchgehen. Ich persönlich würde sie als weitere gelungene Weingartner-Sinfonie auf Basis Schubertscher Skizzen betrachten, gleichsam als Vorläufer Berios Rendering auf Basis von Schuberts 10. Sie ist auf jeden Fall hörenswert und wer die Newbould-Fassung kennt, wird sich immer wieder wundern, wie elegant hier Schuberts und Weingartners Musik miteinander verschmelzen, bzw. auseinander hervorgehen.


    In der Geisteshaltung ähnlich dem Violinkonzert ist auch Weingartners 4. Sinfonie, die er im Falle einer Namensgebung seine "bukolische" genannt hätte. Mit ihrem frühlingshaften Charakter ist sie gleichsam die Antwort auf Haydns Winter in einer anderen Zeit in einer anderen Welt und steht mindestens auf gleichem Niveau wie Schumanns Frühlingssinfonie.



    Die Sturm-Overtüre mit zugehöriger Suite ist ebenfalls sehr hörenswert. Auch sie braucht den Vergleichmit dem anderen großen Shakespear-Vertoner Mendelsohn-Bartholdy nicht zu scheuen, wobei Weingartner meines Erachtens auf selbigen sogar Bezug nimmt, ohne ihn jedoch nachzumachen oder zu kopieren.


    Warum wenigstens diese Werke Weingartners so im Schatten stehen? Vielleicht weil sie für ihre Zeit schon zu "schön" waren.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Anlässlich des 150. Geburtstages von Felix Weingartner möchte ich diesen Thread wiederbeleben. Es gibt schon zu mehreren Sinfonien Stellungnahmen von Mitgliedern und Ex-Mitgliedern – ein wenig bunt zusammengewürfelt zwar – aber immerhin.
    Um diesen Thread voranzubringen habe ich mir vor einigen Tagen alle mir nach fehlenden Aufnahmen der cpo Weingartner-Serie bestellt – Heute sind sie eingetroffen. Hier werden die Sinfonien und sinfonischen Dichtungen besprochen, Ein separater Thread wird den Streichquartetten gewidmet sein,


    Ich finde schon den eher eigenwilligen stockenden Beginn der Sinfonie Nr 2 sehr beeindruckend. Es ist, als wolle die Flamme jeden Augenblick verlöschen. Ptlötzlich dann aber das Erwachen, das allerdings nur von kurzer Dauer ist, aber bald immer eindringlicher und aggressiver wiederkehrt. Ein paar Hornrufe, welche flüchtig an Bruckner oder Wagner erinnern bringen dann den endgültigen Durchbruch. Der Satz pendelt ab nun von versonnenen bis klangschönen , von melancholisch verträumten bis hin zu agressiv drohenden und triumphierenden Stellen
    Klanggewaltig und dunkel – aber dennoch freudig bewegt, beginnt der 2. Satz, Weingartner zieht hier alle Register, demonstriert sein kompositorisches Können und auch das des Orchestrierens. Das Orchester ist völlig außer Rand und Band – Weingartner ist hier völlig authentisch An keiner Stelle dieses Abschnitts habe ich mich versucht gefühlt, mit Bruckner, Mahler, R,Strauß oder sonst wem zu vergleichen.
    Der Dritte Satz mit seinem Quasi Violinsolo und seiner Süße ist ein optimaler Kontrast zum bisher gehörten und fügt sich paradoxerweise dennoch in das Gesamtbild des Werkes ein. Der ab dem 2 Drittel des Satzes ertönende Bläserchoral mit unterlegten Pauken gehört wohl zu den eindruckvollsten Stellen dieser Sinfonie,


    Desto länger ich dieses Werk höre, desto mehr begeistert es sich, wie Weingartner aus einem leisten Beginn ohne Bruch nahtlos eine feierliche Stimmung zaubert, die dann in eine fröhlich tanzende Melodie mündet, die ihrerseits zwischen ein wenig penetrant und seht zurückhaltend pendelt, das ist Genuss pur. Das auftrumpfende Finale hat praktisch den Jubel des Publikums und tosenden Schlußapplaus mit einkomponiert....


    Leider hat sich scheinbar die Voraussage eines Musikkritikers:
    Sind die bei cpo noch ausstehenden Sinfonien Nr. 3, 5,6 und 7 von ähnlichem Niveau, wird am Ende die (Wieder-) Entdeckung eines deutschen Sinfonikers ersten Ranges gefeiert werden
    nicht im prophezeihten Umfang erfüllt – Aber vielleicht kommt das noch, wenn unser Thread die Leute anregt sich diese Sinfonie mal anzuhören…


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 2234

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Also, Felix Weingartner war mir bis jetzt überhaupt kein Begriff. Durch diesen Thread angeregt, besorgte ich mir bei unserem Sponsor folgende CD und habe sie mir gleich angehört:



    Ich habe mir bewusst die 3. Sinfonie ausgesucht, wegen der hiesigen ausführlichen Beschreibung war ich schon in gewisser Erwartung auf das, was nun kommt. Es ist ein Koloss, sowohl von der Besetzung her als auch in der Dauer von 65 Minuten. Im umfangreichen Beiheft schreibt Eckhardt van der Hoogen: "ein Werk, ... das sich in seiner ganzen Tiefe erst allmählich erschließt und - nach mindestens zehn Anhörungen wage ich das Urteil, für das mich tadeln soll, wer da will - die Attribute 'bedeutend' oder 'groß' uneingeschränkt verdient hat".
    Der 1. Satz mit einer ungeheuren Themenvielfalt, recht beziehungslos, doch schon einmal hörenswert. Danach das Scherzo, alles andere als beschwingt, etwas lässt Bruckner grüßen, es ist eher brutal und auch teilweise trivial. Der dritte Satz wird im Beiheft mit Mahlers 9. Sinfonie verglichen, da höre ich aber doch lieber das Original. Wirkungsvoll sicher die Orgeleinlage, eigentlich ad libitum, aber dennoch für mich nicht verzichtbar. Und das Finale, da geht es völlig durcheinander mit Beziehungen zum ersten und zweiten Satz, dann gipfelnd in Johann Straußscher Walzerseligkeit, was soll man davon halten? Dieser Schluss lässt einen etwas ratlos. Insgesamt ein mehr lautes als leises Werk. In meinem Ullstein-Musiklexikon ist über Weingartner zu lesen: "Seine Kompositionen sind typische Kapellmeistermusik und blieben daher ohne dauernde Wirkung". Dazu soll erwähnt werden, Weingartner wurde 1908 Nachfolger von Gustav Mahler als Dirigent der Wiener Staatsoper, ein Amt, das er bald wieder aufgab, die Leitung der Konzerte aber behielt.
    Mein Fazit nach der ersten Anhörung (weitere werden sicher folgen), wirkungslos ist dieses Werk nicht. Ich werde es sicher niemals im Konzertsaal erleben, der musikalische Gehalt rechtfertigt vielleicht nicht den hohen Besetzungsaufwand (u.a. Altoboe, Basstrompete und Heckelphon, was kaum einer in Deutschland spielt). Aber es wird so vieles gespielt, besonders an neuartiger "Musik", dann könnte man durchaus auch mal diesen Weingartner bringen.


    Nach diesem Werk werde ich mir nach und nach auch weitere Aufnahmen zulegen.


    Viele Grüße


    :hello:
    timmiju

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Felix Weingartners dritte Sinfonie (1909), Opus 49 ist in der Tat ein monumentales Werk, nicht zu vergleichen mit ihren beiden von mir hier kurz vorgestellten Vorgängerinnen. Immerhin liegt die Komposition der zweiten Sinfonie schon 9 Jahre zurück, jene der ersten bereits 10.
    Ich hatte nicht vor sie so schnell zu hören, aber da Timmiju sie hier dankenswerterweise bespricht, habe ich sie mir gestern doch vorgenommen,
    man kann dann recht gut sehen wo unsere Empfindungen Gemeinsamkeiten aufweisen, wo sie sich ergänzen und wo widersprechen.


    Beim ersten mal kam sie mir in der Tat stellenweise ein wenig zähflüssig vor, ein Eindruck, der trügt, sich aber eingestellt hatte, weil die Architektur des Werkes doch ein wenig komplex scheint. Es ist interessant wie unterschiedlich wir doch hören- In all den Klangmassen hatte ich beim 2. Satz sogar kurzfristig den Eindruck ein an Verdi erinnerndes Thema zu hören, (ab 3:49) Dieses Thema wird im gesamten 2. Satz mehrfach wiederholt, arg vergröbert und immer angriffslustiger werdend – indes niemals seine Wirkung (auf mich) verfehlend.
    Ich würde den dritten Satz nicht mit Bruckner vergleichen, er ist allerdings weihevoll und introvertiert zugleich, stellenweise bemerkenswert melodiös und verträumt, mit einem Hauch an Melancholie(z.B. b ab 6:18) – aber auch hier entwickelt sich bei Fortschreiten des Satzes eine monumentale Klangwolke.
    Der Finalsatz indes ist eine Mischung aus Richard Strauß, Hector Berlioz und weiteren Komponisten. Sogar ein Wiener Walzer wird angedeutet. Eine Collage- aber gut gemacht und teilweise recht effektvoll.
    Hier ist man gut beraten, wenn man die Analyse hintenan stellt und das Werk auf sich wirken lässt....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



    Siehe auch:
    WEINGARTNER Felix - Streichquartette

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zwischenspiel:
    Zur Einstimmung auf die 4. Sinfonie - sie wurde weiter oben schon von Joe Doe kurz erwähnt - habe ich mit Teile der 3. erneut angehört.
    Das von mir erwähnte (sehr kurze - aber markante) Thema aus dem 2. Satz, welches mich an Verdi erinnert stammt aus "La Traviata" Ich habe lange gebraucht - aber endlich hat es gefunkt...
    Warum Weingartners Werk in Vergessenheit geriet - darüber gibt es verschiedene Ansichten.
    Ich würde sagen, er gerite ebenso in Vergessenheit wie Hans Rott und Gustav Mahler, nur das letzterer eine kleine Gruppe von Anhängern unter den Dirigenten hatte, die sein Werk immer wieder in Erinnerung rief - bis der "große Durchbruch" geschafft war.


    Bei Felix Weingartner dauerte es länger, bis man sich wieder seiner entsann - bzw ist der Prozess noch im Laufen - und wir vom Tamino- Klassikforum bemühen uns - unser Scherflein beizutragen. All das wäre in des nicht möglich ohne die lobenswerten Aktivitäten von cpo.


    Wikipedia schreibt dazu:


    Zitat

    Musikliebhaber wurden auf sein Werk wieder aufmerksam, als das Klassik-Plattenlabel cpo zwischen 2005 und 2010 viele Erstaufnahmen herausbrachte, darunter seine sieben Sinfonien mit dem Sinfonieorchester Basel, das Violinkonzert und drei Streichquartette.


    Der endgültige Durchbruch wird aber erst möglich sein, wenn es Live-Aufführungen mit erstklassigen Orchestern gibt - und ich sehe nicht ein, warum etwas, das vor ca 80-100 Jahren realisierbar war, es heute nicht mehr sein sollte....


    Auch Einträge in Konzertführern wären hier notwendig - dazu aber mehr in einem eigenen Thread...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Weingartners Sinfonie Nr 4 in F-dur op 61 entstand 1916 in der Schweiz.
    Sie ist ein freundliches klangschönes Werk, und sollte auch Liebhaber von „klassischen Sinfonien“ begeistern.


    Dunkel getönt, aber nicht von Düsterkeit, sondern von innerer Ruhe beherrscht beginnt der erste Satz, der alsbald durch ein strahlendes Thema aufgelockert, bzw unterbrochen wird. Indes bleibt nach Verstummen dieses Ausbruchs die Ruhe weiter gewahrt – bis zum nächsten feurigen Teil.
    Der zweite Satz (Andante con moto) ist für ein Werk des 20. Jahrhunderts geradezu verboten idyllisch und klangschön., ähnliches lässt sich auch vom dritten Satz (Comodo, grazioso) sagen.
    Mit Hörnerklang beginnt das Finale (Poco lento – Allegro diocoso). Hier ist Weingartner geradezu klassisch, Reminiszenzen an Beethovens Pastorale sind geradezu überdeutlich zu hören, wenngleich hier nichts „zitiert“ wird. Beeindruckend der fanfarenartige Bläserteil in der Mitte des Satzes – der dann wieder von freudigen Bläserstellen abgelöst wird die dann nach eine kürzeren Phase der relativen Ruhe noch einmal laut aufjubeln und so die Sinfonie beenden, die Weingartner nach eigener Aussage, hätte er sie benennen müssen , „die Bukolische“ genannt hätte.
    Ein MUSS für jeden Klassikfreund !!

    mit freundlichen Grüßen
    Alfred Schmidt
    Tamino Klassikforum Wien

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auch hier seit fast sieben Jahren Schweigen. Es scheint so, als wenn der Einsatz von cpo für das Schaffen von Felix Weingartner keine nachhaltige Wirkung gezeitigt hat. Die Sammler haben vermutlich die Box mit den sieben Symphonien ein-, zweimal gehört und dann ins Regal gestellt. Ich befürchte, dass es vielen "Entdeckungen" von cpo so geht. Aber immerhin, man kann - wenn man will - diese Musik jetzt hören und dazu in sehr guter Qualität.


    So bleibt hier nachzutragen:


    Felix Weingartner

    Symphonie Nr. 7

    für Solisten, Chor, Orgel und Orchester

    Maya Boog sop, Franziska Gottwald alt, Rolf Romei ten, Christopher Bolduc bar

    Babette Mondry org

    Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn,

    Radio-Sinfonieorchester Basel,

    Marko Letonja



    Seit 1936 lebte Weingartner aus naheliegenden Gründen in der Schweiz, wo er schon vorher für einige Jahre das Basler Sinfonieorchester geleitet hatte. Somit war es ihm auch möglich, die Ende der 30er Jahre komponierte Symphonie im Januar 1942 mit Erfolg aufführen zu lassen, was vermutlich im "Tausendjährigen Reich" nicht mehr möglich gewesen wäre. Vier Monate später verstarb der Komponist.


    Das Werk sticht offenkundig schon auf Grund der Besetzung aus den sieben Symphonien hervor: es ist die einzige Vokalsymphonie des Komponisten und neben der dritten seine längste. Der Aufbau ist aber eher ungewöhnlich.


    Der Kopfsatz Andante pesante ist der kürzeste. Er beginnt vielversprechend mit einer von den Streicher ausgeführten markanten Pendelfigur über die effektvoll Blechbläserfanfaren gelegt werden, um dann nach zwei Minuten in eine Reger'sche Fuge zu münden. Damit macht er mir keine Freude. Der Satz ist aber wie gesagt der kürzeste und endet interessanter. Es folgt ein Andante sostenuto, das ein Bariton-Solo, ein Alt-Solo und Chor aufbietet mit Friedrich Hebbels "Zwei Wanderer" als Text. Abgelöst wird es wieder von einem kürzeren rein instrumentalen Scherzosatz - Allegro appasionato, sehr hörenswert. Mit 30 min der umfangreichste ist dann der Schlußsatz, der alles aufbietet, was an Besetzung da ist. Ungewöhnlich auch hier der Beginn: ein 3-minütiges Sopransolo zu reiner Orgelbegleitung gefolgt von einer 8-minütigen tristanartigen Orchestereinlage bevor dann das komplette Solistenquartett, Orgel und volles Orchester den Höhepunkt herbeiführen. Als Textvorlagen dienen hier ein Gedicht der 5. Ehegattin des Komponisten Carmen Studer (die den 68-jährigen Komponisten mit 24 geheiratet hatte!) sowie Hölderlins Hymne an die Liebe.


    Wenn man bei dem Aufgebot auf dem Papier unwillkürlich an Mahlers 2. oder 8. denkt, wird man diesbezüglich aber enttäuscht. Was Chor und Solisten bieten, klingt eher nach Schumann'schen Chorwerken und in den letzten 5 min schlicht und einfach nach Beethoven 9.


    Ich befürchte, trotz vieler hörenswerter Einzelheiten kann das Ganze dann doch nicht im Vergleich zu den großen Chorsymphonien des 19. und 20. Jahrhunderts bestehen.