Hans Rott - Ein verkanntes Genie?

  • Mir ist das Stück eigentlich nicht so wichtig, dass ich zwei oder drei Aufnahmen kaufen und selber vergleichen will...

    Dann bleib doch bei Deiner alten Hyperion. Mit der habe ich das Stück auch kennen- und liebengelernt. Ich habe mir die Järvi dazu gekauft, habe dadurch aber jetzt auch keine neuen Welten entdeckt. ;)

  • Hallo,


    hier noch ein paar Eindrücke:


    Hans Rott (1858-1884)
    Symphonie E-Dur
    + Suite B-Dur für Orchester (Fragment)
    Symphonie-Orchester des Hessischen Rundfunks, Paavo Järvi
    RCA/Sony, DDD, 2011


    Es gibt mittlerweile durchaus eine ganze Reihe von Einspielungen dieser Sinfonie, so dass das Füllen einer Lücke kein Argument mehr für eine Aufnahme ist. Es handelt sich bei gezeigter CD um die aktuellste Produktion. Zum Vergleich besitze ich die Interpretation unter Dennis Russel Davies für CPO (und die ist - auch rückblickend - eigentlich so gelungen, dass es keinesfalls zwingend einer Alternative bedarf). Was machen - aus der Erinnerung heraus - Järvi und die Frankfurter nun anders? Meinem Eindruck nach spielen sie etwas packender und agiler, mit mehr Biss und Attacke, als auf dem Gegenstück aus Wien. Die Klangqualität ist sehr gut und neben dem günstigen Preis der RCA-CD mag für manche Hörer ebenfalls sprechen, dass Järvi und das HR-Sinfonieorchester die bisher wohl renommiertesten Interpreten sind, die sich dieses Werkes annehmen.
    Die ebenfalls enthaltene, fragmentarische Suite B-Dur ist aus meiner Sicht nur ein "Nebenargument" für einen Erwerb und hinterlässt bei mir keine bleibende Wirkung. Ohne diesen Füller wäre die Spieldauer wohl etwas zu kurz geraten (geboten werden rd. 59 Minuten Musik).


    "Gehetzt" - wie weiter oben zu lesen - schien mir die Deutung nicht zu sein. Vermutlich muss man hier tatsächlich mal den direkten Vergleich mir Dennis Russel Davies Deutung machen.


    Habe Papa Järvi mal mit dieser Sinfonie und dem WDR SO in Köln gehört. War ein sehr schönes Konzert!


    Viele Grüße
    Frank


  • Ich habe mir auf Empfehlung von Joseph II noch die hier gekauft und habe es nicht bereut. Wenn ich nur eine haben dürfte, wäre es derzeit diese.

  • Das liest man gerne, lieber lutgra. ;)


    Ich liebe die Symphonie auch sehr und habe in die meisten erhältlichen Aufnahmen, ob Einspielungen oder Mitschnitte, gehört. An Segerstams Referenzträchtigkeit konnte m. E. keine rütteln, auch wenn sie im Grunde alle mindestens "gut" waren. Die populärste Aufnahme ist sicher die von Paavo Järvi, dem man danken muss, sich als hochberühmter Dirigent des Werkes angenommen zu haben. Indes bin ich mit dem Ergebnis selbst nicht hundertprozentig zufrieden. Die Tontechnik hätte da mehr rausholen können. Besonders die Pauken gehen leider stellenweise ziemlich unter. Zudem fehlt Järvi m. M. n. in der hochdramatischen Coda des Finales ein wenig der lange Atem, den Segerstam hat.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • >>>>Als Rott im Juni 1880 seine Symphonie vollendet hatte, befiel ihn Todesahnung.

    "Alles gebe ich für einen Hund", schrieb er einem Freund; "ein Thier könnte mich glücklich machen.

    Einem Menschen kann ich jetzt mein Herz nicht anvertrauen."<<<<



    Die Symphonie ist mir etwas zu schnell, aber der Knüller ist die Lieder-Reise, ein Zyklus von fünf Klavierliedern ,der mit musikalischen Kommentaren, also: Prolog, Interludien und Epilog angereichert ist.

    Enjott Schneider hat die instrumentiert, und das hat er hervorragend Gemach dazu trägt auch der sehr gehaltvolle Bariton von Michael Volle bei


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Die Rott-Symphonie ist schon interessant zu hören - man merkt auch, wo sich Mahler bei ihr "bedient" hat als Reservoir für seine Symphonien. Ich habe die cpo-Aufnahme, die ich sehr gut finde.


    Schöne Grüße

    Holger

  • man merkt auch, wo sich Mahler bei ihr "bedient" hat als Reservoir für seine Symphonien.

    Zu Gustav Mahlers Ehre sei gesagt, daß er ja nie einen Zweifel daran gelassen hat, wer der Gründer des neuen Tys von Sinfonien, wie er ihn sich vorstellt, ist - nämlich Hans Rott. Interessant, daß ausser Mahler niemand mehr diesen Stil weiterführte....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe die Rott-Sinfonie 2018 in Berlin live erlebt. Sie gefällt mir gut und Mahler hat das zweifellos Anregungen her, im Falle des 2. Satzes seiner 1. Sinfonie vielleicht noch mehr, aber letztlich sollte man deshalb Rott auch nicht über- und Mahler unterschätzen. Zwischen jeder Mahler-Sinofnie und dieser (wirklich sehr gelungenen) Rott-Sinfonie ist schon noch ein Klassenunterschied zugunsten Mahlers erkennbar.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Der von mir so verehrte Gustav Mahler bezeichnete Rotts E-Dur Sinfonie als die erste Sinfonie der Moderne (ohne den exakten Wortlaut im Kopf zu haben). Als berühmtester Dirigent seiner Zeit hätte er dem armen und viel zu früh verstorbenen Hans Rott, seinen Kommilitonen, durchaus posthum zu mehr Ruhm verhelfen können, schließlich besaß Mahler die Partitur der Sinfonie. Stattdessen verwendete er das Werk wie einen Steinbruch für seine eigenen Werke und schmückte sich mit fremden Federn - wie erbärmlich.


    Im 1. Satz hören wir Mahlers Blumine aus der 1. Sinfonie. Einen Satz später ertönt das Finale aus Mahlers 3. Besonders gierig griff Mahler beim 3. Satz zu. Man findet Teile daraus in den 3. Sätzen seiner 2. und 5. Das Scherzo Thema entspricht dem Scherzo in Mahlers 1 und wäre das alles nicht genug, hört man im Finale auch noch das Rückert-Lied „Um Mitternacht“.

    Ich erlaube mir diesen Beitrag noch bei Hans Rott zu posten. Jedenfalls hör ich gerade wieder seine bestimmt nicht ganz ausgereifte 1., die mir doch sehr gut gefällt.

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“