Es ist seltsam: So richtig berührt hat mich Lauritz Melchior eigentlich sehr selten. Ich weiß nicht mal, woran es genau liegt. Stimmlich über jeden Zweifel erhaben, aber doch fehlt mir etwas. Die Stimme ist m. E. nicht eben "schön". Vielleicht fehlt mir die empfundene Anteilnahme? Bei seinem Antagonisten Max Lorenz kann man bestimmt viel mehr kritisieren, aber er erreicht mich einfach viel eher. Vielleicht gerade auch wegen seiner Freiheiten. Wenn Lorenz etwa Siegfrieds Tod singt, dann bekomme ich wirklich eine Gänsehaut. Er klingt wirklich wie einer, der gerade am Sterben ist. Melchiors Wälse-Rufe mögen die beeindruckendsten aller Zeiten sein. Allein, mich erreichen andere Rolleninterpreten eher.
Es sind fünf Jahre verstrichen hast, lieber Joseph, seit Du diesen Text geschrieben hast. Bist Du bei diesem Urteil, welches ich seinerzeit teilte, geblieben oder hast Du neue Erkenntnisse gewonnen? Heute hat uns Alfred an anderer Stelle diesen Sänger durch die Preiser-CD wieder in Erinnerung gebracht, und ich habe mir mal eben die (eine) Romerzählung angehört. Da dies via Spotify geschah, kann ich im Moment nicht mit dem Jahr der Aufnahme diesen. Es ist aber ohne Zweifel ein Dokument aus seiner Glanzzeit. Ich schätze die Kultur seines Singens. Er führt sehr vorbildlich vor, dass man Wagner nicht brüllen und stemmen muss. Er singt ihn mit Kantilenen. Er singt ihn so, dass man die Reserven mithört, die er nach oben hat. Er geht nicht an Grenzen. Schon gar nicht überschreitet er sie. Max Lorenz, den auch Alfred vergleichend wieder ins Spiel bringt, geht an seine Reserven, und er verausgabt sich so, dass die musikalische Linie auch verlassen wird. Das packt mich immer aufs neue. Er ist Dramatiker, Melchior ein Lyriker. Zumindest in meiner Wahrnehmung.
Gemessen an seiner Bedeutung hat sich das Interesse an den Lauritz Melchior gewidmeten Threads seit jeher deutlich in Grenzen gehalten. Dieses Forum gibt sich mitunter schon seltsam.