Giuseppe Verdi: Don Carlos

  • Lieber Pfuetz,
    nicht nur mir.
    Von den hiesigen Hôrern hat es immerhin Peter und Gioachino auch gefallen und den nicht taminolesenden Publikumsmassen offensichtlich ebenso.
    Leider klappen bei mir die Smilies derzeit nicht.....
    F.Q.

  • Gioachino: Ja, klar, den habe ich vergessen, viel mir auch ein, als ich gerade weg war. Sorry! :hello:


    Bei Peter bin ich mir nicht so ganz sicher... Musikalisch hat es ihm wohl gefallen, wie er zu der Inszenierung steht, ist mir noch nicht so ganz klar... ?(



    Liebe Grüße,


    Matthias

  • Matthias hat ein Grundproblem nochmal benannt - nur durch Zuschauen wird man über "Don Carlo" in Frankfurt nichts erfahren, was man nicht schon wusste - und das bei einer Inszenierung, die vom Zuschauer nicht allzuviel einfordert.


    Ich bin sicher, dass z. B. Fairy Queen auch dann auf ihre Kosten gekommen wäre, wenn die Inszenierung mehr an sinnfälliger Bühnenaktion geboten hätte.


    Von der Inszenierung von Philipp Himmelmann in Berlin (jene, die Rosenkavalier erwähnt) kenne ich nur Fotos - aber es ist in der Tat allein schon beklemmend, diese aufgehängten Menschen nur zu sehen. Das ist eine Möglichkeit, Kulinarik beim Hinschauen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Man soll Verdi in solchen Momenten nicht unterschätzen - Kritik an der Kirche, Kritik an Krieg und Folter waren ihm wichtig.


    Gut, auch gioachino hat die Aufführung gefallen, aber er hat auch sehr deutlich gemacht, dass ihm so eine konventionelle Inszenierung entgegenkommt. Von "Demut" ist da die Rede gewesen, die Regisseure dem Stück und der Musik entgegenbringen sollen. Dieser Begriff der "Demut" erscheint mir im vorliegenden Zusammenhang gänzlich falsch zu sein, das gehört da nicht hin. Eher schon der von Peter angesprochene "Respekt" - aber da habe ich mich gleich dabei erwischt, dass es mehr als eine Inszenierung gab, die mir gerade wegen einer gewissen Respektlosigkeit (oder vielleicht doch eher Frechheit?) sehr gut gefallen hat...


    Ebenfalls hängengeblieben ist mir der Versuch, durch vermeintliche "Expertenmeinung" den Kritiker zu massregeln. Ich bin froh, dass hier jede/r recht ungezwungen seine Meinung beitragen kann, die immer auch vor einem gewissen Hintergrund geäussert wird, egal, ob vom interessierten Laien oder vom Semi- oder Vollprofi, ohne erstmal eine Literaturliste vorlegen zu müssen, was er oder sie denn wo schon veröffentlicht hat, bevor man oder frau hier mitreden darf.


    Und zu guter letzt ein Zitat von Fairy Queen:


    Zitat

    Von den hiesigen Hôrern hat es immerhin Peter und Gioachino auch gefallen und den nicht taminolesenden Publikumsmassen offensichtlich ebenso.


    Aber liebe Titania, wir wollen doch hier nicht wirklich dem Massengeschmack eines Publikums dass Wort reden - wir wollen uns doch kritisch und auf einem vernünftigem Gesprächsniveau austauschen über etwas, was uns über einen gewissen Zeitraum hinweg zu beschäftigen vermag :D


    LG


    :hello:

  • Lieber Alviano, ich enttäusche gerade Dich ja nur sehr ungern :untertauch:, aber ich muss offen zugeben, dass ich mcihmanchmal sehr gerne mit den nicht-taminolesenden Publikumsmassen identifiziere und ausser der guten Musik und einer geschmackvollen Ästheitik mal ncihts verlange, sondern mich einfach nur selbst fordern will.
    Du hast aber insoweit vollkommen Recht, als dass ich auch bei anderen Formen von Inszenierung sehr wohl auf meine Kosten komme, solange Musik und Sänger mich zufriedenstellen. Mitdenken in der Oper empfinde ich nciht als Zumutung, im Gegenteil, und die Berliner Inszeneirung die hier vorgestellt wurde, hat Rosenkavaleir mir bereits so gut beschrieben, dass ich sagen kann: DAS hätte mir ebenfalls sehr imponiert. So wie es ja auch die Konwitschny Version getan hat.
    Aber McVicar hat eben in Frankfurt meine nciht gering ausgeprägte ästhetizistische Ader getroffen Ich zitiere political vollkommen unkorrekt einen Satz von Oscar Wilde:
    "Man kommt ja recht gut ohne Philosophie zurecht, wenn man sich mit schönen Dingen umgibt"
    Und im Don Carlo an sich steckt für mich schon soviel an Philosophie, dass es mehr nciht bedurfte.


    Daher gönnt mir weiter meine Freude mit McVicar-(tut ihr ja, ich weiss! :D). Ich bin trotzdem bereit, auch sehr philiosophisch weiterhin über "unschönere" Inszeneirungen mit grossem Deutungsbedarf mitzudiskutieren und offen für alles, was mich nicht zu Tode langweilt. Wie gesagt, im letzteren Fall renne ich auch wutentbrannt oder frustriert aus dem Saal, egal ob Regietheater oder Staubi-Inszenierung.


    Und wenn ich mir erlauben darf, etwas zu Gioachino zu sagen: er ist zwar ein Vertreter der älteren Garde, aber wenn überhaupt, dann nur im allerbesten Sinne wert-konservativ. (und ganz sciher nciht strukturkonservativ oder nur nostalgiekonservativ wie so viele Staubis) Er ist sowohl offen, tolerant als auch intelligent genug, sich auf Neues einzulassen und ohne bornierte Vorurteile, die viele Sänger seiner Generation leider im Übermass haben. Und kann z.B. ein Land des Lächelns von Konwitschny als ernsthafte Reanimierung der Gattung Operette in heutiger Zeit verstehen.
    Lieber Gioachino, ich hoffe, Du verzeihst mir dieses Plädoyer! Ich habe einfach das Gefühl, dass man dich hier etwas falsch interpretiert hat. :yes:
    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von pfuetz
    ... und sagen mit Marcel Reich-Ranicki: "Der Vorhang zu und alle Fragen offen."Matthias


    Nur der guten Ordnung halber:


    "Den Vorhang zu und alle Fragen offen" entstammt dem Epilog aus Berthold Brechts Parabelstück "Der gute Mensch von Sezuan".
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Lieber Matthias,


    lass Dich nicht beirren, das mit Reich-Ranicki hat schon seine Richtigkeit und wurde z. B. von mir auch entsprechend verstanden...


    :hello:


    Und bevor wir jetzt endgültig zu Ein- oder Zweizeilern übergehen: ich habe gerade im Sendesaal vom HR jenen Telemann unter der Leitung von Reinhard Goebel gehört, der gestern schon Anlass für ein Treffen in Fulda war und bin dann müde - aber den einen oder anderen Satz zu Fairy werde ich wohl morgen noch einstellen...

  • @ Alviano : Welche Anmaßung ! Trotzdem : Vielen Dank für die Blumen, welche du Fairy Queen und mir, den Vertretern des " Massengeschmacks " überreichst. Zu diesen Massen gehört auch mein Sitznachbar, der allerdings nur Konzertpianist ist. Und sorry : Zu mehr als drei Zeilen reicht´s auch diesmal nicht.


    Ciao. Gioachino :no:

    MiniMiniDIFIDI

  • Liebe Fairy Queen,


    aber nicht doch, so leicht bin ich nicht zu enttäuschen - und schon gar nicht, wenn es um Geschmacksfragen geht, die sich einer Bewertung weitgehend entziehen.


    Wenn also jemand sagt, ihm oder ihr habe diese Aufführung des "Don Carlo" in Frankfurt gefallen, ganz persönlich, und dabei aber gleichzeitig erwähnt, dass man auch sehr wohl Lücken im Konzept erkennen kann (so in etwa hast Du das zu einem ganz frühen Zeitpunkt schon getan), dann kann ich das auch problemlos akzeptieren.


    Das hindert mich ja nicht daran, das problematische an dieser Form der Inszenierung zu äussern und zur Diskussion zu stellen.


    Im Bezug auf gioachino habe ich mich sehr vorsichtig geäussert und beziehe mich ausschliesslich auf das, was hier von ihm zu lesen ist - damit ist nicht verbunden, dass ich ihn für konservativ in einem negativen Sinne halte oder ausschliesse, dass es nicht auch Schnittmengen geben könnte, wo wir beide Gefallen an einer Inszenierung finden können (die "Entführung" in Frankfurt wäre so ein Fall, die fand auch ich insgesamt sehr ordentlich).


    Was mich aber, das sage ich auch ganz offen, nicht überzeugt: der Hang zu Verallgemeinerungen und dieses "xy ist auch meiner Meinung", gerne gepaart mit einer vermeintlichen Überlegenheit aufgrund eines "künstlerischen" Hintergrundes.


    Lieber gioachino,


    das mit dem "Massengeschmack" war nicht so richtig ernst gemeint - deshalb habe ich, bei mir kommt das nicht ganz so oft vor, ein Smiley gesetzt. Aber vielleicht erinnerst Du Dich: in Deinem ersten Statement zum Thema hast Du schon auf die massenhafte Nachfrage nach Karten für diesen "Carlo" hingewiesen und zumindest latent darauf angespielt, dass das, was vielen gefällt, auch gut sein muss. Dem würde ich nicht vorbehaltlos zustimmen wollen...


    Also: bitte nicht böse sein - so wollte ich wirklich nicht verstanden werden!


    :hello:

  • Zitat

    Original von Siegfried


    Nur der guten Ordnung halber:


    "Den Vorhang zu und alle Fragen offen" entstammt dem Epilog aus Berthold Brechts Parabelstück "Der gute Mensch von Sezuan".
    :hello:


    Danke! Wieder etwas gelernt. Und das es NICHT von MRR stammt, war mir klar, ich kannte nur den echten Ursprung nicht. Obwohl ich den wohl schon mal (vor 25-30 Jahren) gelesen habe. An z.B. Kleists "Zerbrochenen Krug" erinnere ich mich dagegen viel deutlicher (wohl auch, weil uns mein Vater in unserer Jugend mit Zitaten davon bedacht hat, und mir die Emil Jannings Verfilmung so gut gefallen hat, daß ich sie auch mehrfach gesehen habe) als an Dinge, die ich von Brecht gelesen und auf der Bühne gesehen habe...


    Aber, das wird nun wieder OT...


    Matthias

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  • Zitat

    Original von Alviano
    Matthias hat ein Grundproblem nochmal benannt - nur durch Zuschauen wird man über "Don Carlo" in Frankfurt nichts erfahren, was man nicht schon wusste - und das bei einer Inszenierung, die vom Zuschauer nicht allzuviel einfordert.


    Und ich wünsche mir, daß wir diesen Aspekt vielleicht auch noch mal von den Mitstreitern F.Q., Gioachino und pbrixius (bei dem ich mir immer noch nicht sicher bin, ob es ihm nun gefallen hat oder nicht... ;-) ) beleuchtet sehen, denn darauf ist F.Q. (wieso eigentlich Titania? Ist das wirklich Dein Vorname?) in Ihrer Antwort an Alviano noch nicht wirklich eingegangen.


    Wie seht Ihr das also, wenn Ihr mal Euer "Vorwissen" über Don Carlos "wegdenkt"? Ist dann die Inszenierung von McVicar eine, die einem im Verständnis weiterhilft? Oder Einem Neues zur Menschheitsgeschichte, und den Beziehungen zwischen Menschen in "Zwangssituationen" erklärt?


    Bitte auch diese Nachfrage nicht böse sehen, ich will Euch Eure Freude und Euren Genuß nicht abstreiten, ich verstehe ihn ja sogar, wie man an meinem Input damals zur Benvenuto Cellini Inszenierung nachlesen kann... ;-) Auch, wenn mich da Rideamus nicht verstanden hatte... ;-)


    Also: Ich würde gerne noch etwas mehr von Euch über diesen Aspekt vernehmen... ;-)


    Liebe Grüße,


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    Und ich wünsche mir, daß wir diesen Aspekt vielleicht auch noch mal von den Mitstreitern F.Q., Gioachino und pbrixius (bei dem ich mir immer noch nicht sicher bin, ob es ihm nun gefallen hat oder nicht... ;-) ) beleuchtet sehen, denn darauf ist F.Q. (wieso eigentlich Titania? Ist das wirklich Dein Vorname?) in Ihrer Antwort an Alviano noch nicht wirklich eingegangen.


    Naja, ganz so ist es ja nicht. Peter hat sehr diplomatisch durchblicken lassen, dass er mit der Inszenierung auch nicht zufrieden ist:


    Zitat

    Meine Kritik an dieser Aufführung richtete sich vor allem an den für mich deutlichen Lücken in der Personenregie. Natürlich fand Personenregie statt, aber doch - für mich - in ungenügendem Ausmaß. Lerma hat sowieso nicht viel zu singen, dass er aber - wenn er nun mal darf - sofort Arme und Beine spreizt, ist für mich ein Beispiel darstellerischer Armut. Ich will es bei diesem Beispiel belassen, es gab genügend viele dieser Kategorie.


    Auch Fairy Queen räumt Lücken ein:


    Zitat

    Gewiss nicht, weil es sich sich um eine mir neue Interpretation des Don Carlos handelte


    Einen Satz weiter unten spricht sie sogar von einer "Nicht-Interpretation".


    Nur gioachino hat tatsächlich keine der aufgeworfenen Fragen beantwortet, was auch ich schade finde. Stattdessen wurden die Gesprächspartner als "Nur-Konsumenten" klassifiziert, denen es an hinreichender Hör- und Seherfahrung mangele... das spricht aber, denke ich, für sich.


    "Titania" ist sozusagen der "bürgerliche" Name der Feenkönigin, jener lebensfrohen Gattin des Königs Oberon, bekannt durch Stücke von Shakespeare bis Britten.

  • Lieber Pfuetz, Leute die mich direkt fragen, bekommen auch eine direkte Antwort; Voilà, je suis Titania...... weil ich hier charmanterweise so genannnt werde und das durchaus nciht zu meinem Missvergnügen! Ich liebe meinen Nick täglich mehr , weil er mir unerwarteterweise so reizende Kosenamen beschert hat. Von Fee bis Queenie ist alles dabei.
    In Wirklichkeit heisse ich ganz einfach nur Maria Renate Francesca :]
    Nun zum Don Carlos:
    Wenn ich den Inhalt vorher NICHT gekannt hätte, wäre ich erst recht froh gewesen, als ersten Schritt eine SOLCHE Inszenierung zu sehen. Eben eine , die nciht dezidiert in eine Richtung interpretiert, sondern zu allererst ZEIGT und die Musik mit schönen Bildern auf die Bühne bringt.
    Wenn man beim allerersten Eindruck einer Oper gleich mit einer Mega-Interpretation à la Konwitschny konfrontiert wird, hat man lange nicht so viel Raum wie hier bei McVicar. Beim Land des Lächelns war ich auch froh, vorher etwas relativ Neutrales gesehen zu haben und nicht gleich diese wenngleich serh gute Interpretation.
    Ich habe, wie Alviano klar erkannt hat :hello:, deutlich meine Meinung zu der Inszenierung kundgetan und sehe das, was sie nciht leistet, ganz klar. Aber das war für mcih in dem Moment kein Nachteil, im Gegenteil. Ich weiss nciht, wie ich dir das anders begreiflich machen soll, ohne mich zu wiederholen. ?( Eine schön und angemessen illustrierte Oper, die ansonsten, insbesondere musiklalisch für sich selbst sprechen konnte und für deren eigene Auslegung mir der Regisseur die richtigen Freiräume geöffnet hat. Das empfand ich als Genuss. Es ist aber für mch keinesfalls die einzig Rcihtige und beste Art mit dieser Oper umzugehen, ich kann mir da eine ganze Menge vorstellen! Nur eines nicht: schlechtes Musizieren !


    Fairy Queen :angel:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Pfuetz, Leute die mich direkt fragen, bekommen auch eine direkte Antwort; Voilà, je suis Titania...... weil ich hier charmanterweise so genannnt werde und das durchaus nciht zu meinem Missvergnügen! Ich liebe meinen Nick täglich mehr , weil er mir unerwarteterweise so reizende Kosenamen beschert hat. Von Fee bis Queenie ist alles dabei.
    In Wirklichkeit heisse ich ganz einfach nur Maria Renate Francesca :]


    Liebe Fee,


    da bin ich ja beruhigt... (was den Namen betrifft, ich habe mir schon sonstwas gedacht, aber, nachdem Alviano es so lieb schon erklärt hatte, und nun nach Deiner netten Antwort... ;-)


    Zurück zum Don Carlo...


    Zitat


    Nun zum Don Carlos:
    Wenn ich den Inhalt vorher NICHT gekannt hätte, wäre ich erst recht froh gewesen, als ersten Schritt eine SOLCHE Inszenierung zu sehen. Eben eine , die nciht dezidiert in eine Richtung interpretiert, sondern zu allererst ZEIGT und die Musik mit schönen Bildern auf die Bühne bringt.


    Da sind wir wohl dann anders "gestrickt"... Mir wäre es eben "zuwenig", oder einfach nur "zu langweilig". Auch, wenn ich es weder vorher gesehen oder gehört oder gelesen hätte. Das mag aber evtl. auch damit zusammenhängen, daß ich viel mehr mit Kino aufgewachsen bin (als ich 15-18 war, kam ich auf über 100, manchmal auf über 200 Kinobesuche pro Jahr!), und daher ist der visuell "interessante" Aspekt für mich sehr wichtig.


    Zitat


    Wenn man beim allerersten Eindruck einer Oper gleich mit einer Mega-Interpretation à la Konwitschny konfrontiert wird, hat man lange nicht so viel Raum wie hier bei McVicar.


    Konwitschny als Mega-Interpretation? OK, er hat wohl Dinge auf die Bühne gebracht, die so nicht im Libretto stehen (was ich aber nicht beurteilen kann, ich habe es nicht gelesen), aber, Mega? Mega hat für mich den Aspekt von "pompös", und den finde ich nicht bei Konwitschny. Ich finde den "reduziert" (Bühnenbild), und "intelligent" (Personen, wie die Eboli in der Inquisitor <-> Philip Szene hinzufügen oder Personenregie, z.B. in der selben Szene, wie Philip über die Bühne geht, an welchen Stellen er wohingewandt was singt). Mega hat für mich einen etwas negativen Touch... ;-) Und daher fand ich gerade den Konwitschny auch als Erstkontakt extrem anregend. Da kommt auch was rüber, wenn man den Ton AUSSCHALTET (ganz im Gegensatz zu vielen Soap-Operas im Fernsehen, die sind ja auch nur noch mit Ton gerade so zu ertragen (falls überhaupt!), denn Schauspiel kommt da nur noch ganz selten vor!). Und weil das so ist, (oder, weil es eben bei McVicar NICHT so ist, der geht ohne Ton eben nicht, da wird ohne Ton nicht klar, wer mit wem was für ein Verhältnis hat, und wo die Probleme sind) und weil ich mit den Filmen von Buster Keaton und Charles Chaplin und Sergej Eisenstein groß geworden bin (und so alt bin ich ja nun immer noch nicht!), ist eben auch die Bildersprache für mich wichtig.


    Zitat


    Beim Land des Lächelns war ich auch froh, vorher etwas relativ Neutrales gesehen zu haben und nicht gleich diese wenngleich serh gute Interpretation.
    Ich habe, wie Alviano klar erkannt hat :hello:, deutlich meine Meinung zu der Inszenierung kundgetan und sehe das, was sie nciht leistet, ganz klar. Aber das war für mcih in dem Moment kein Nachteil, im Gegenteil. Ich weiss nciht, wie ich dir das anders begreiflich machen soll, ohne mich zu wiederholen. ?(


    Mir ist es klar, ich wollte es nur noch mal von Dir hören, wie Du an diese Dinge (Erst-Rezeption) rangehst, und was Dir dabei wichtig ist, und Deine Erklärung macht es mir schon klar. Ich gehe eben anders an eine Opernaufführung heran...


    Zitat


    Eine schön und angemessen illustrierte Oper, die ansonsten, insbesondere musiklalisch für sich selbst sprechen konnte und für deren eigene Auslegung mir der Regisseur die richtigen Freiräume geöffnet hat.


    Das brauche ich beim Lesen, oder nur beim Hören. Bei der Aufführung im Opernhaus will ich mehr...


    Zitat


    Das empfand ich als Genuss.


    Das verstehe ich voll und ganz. Das ist bei mir beim Fliegen (nicht selbst aktiv) (der Blick von oben auf die Erde, die "unendliche Weite", die "Verletzlichkeit" und die "Einzigartigkeit" geben mir da dann auch "ohne Hören und Schmecken und Riechen und Fühlen" einen Genuß. Oder beim Skifahren... Oder beim Kameltrekking durch die Gobi oder beim Wandern in der Mongolei... (da war ich bisher nur einmal, KLASSE!)


    Zitat


    Es ist aber für mch keinesfalls die einzig Rcihtige und beste Art mit dieser Oper umzugehen, ich kann mir da eine ganze Menge vorstellen! Nur eines nicht: schlechtes Musizieren !


    Fairy Queen :angel:


    Vollkommen d'accord (was das Musizieren betrifft und die Vielfältigkeiten). Leider war in unserer Aufführung das Musizieren nicht auf höchstem Niveau...


    Danke für Deine ausführliche Antwort!


    LG,


    Matthias

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  • Lieber Matthias, ich bin auch ein totaler Kino-Freak und kann mich in Bildern komplett verlieren. Aber in der Oper kommt zuallererst die Musik für mich und ausserdem kam ich im Gegensatz zu dir optisch durchaus auf meine Kosten. Allein die herrlichen Kostüme hätten mich hinreichend ästhetisch zufriedengestellt.... typisch Frau, die sich von solchem Tand korrumpieren lässt..... ....... :D
    Allerdings hast du Recht: wenn man nur die Bilder gesehen hätte und nciht die Musik pus Text gehört(wozu Oper m.E. jedoch NICHT gedacht ist) hätte man bei MCVicar deutlich weniger verstanden als etw bei Konwitschny.
    Was ich mit MEGA gemeint habe, muss ich wohl erklären, denn es war eindeutig nciht das, was du unter MEGA verstehst. :no: Ich meinte damit MEGA im intellektuellen Sinne und nciht, was die Ausstattung angeht.Eine Interpretation die den Zuhörer sofort an die Hand nimmt und in eine ganz klare Richtung bewegt und hier konkret z.B. einen Posa auf die Bühne bringt, den ich so nicht sehen konnte und wollte und von dem ich keinesfalls sciher bin, dass er im Verdi oder Schiller-Sinne so gemeint war.
    Ich halte solche Mega-Interpretationen zwar für absolut legitim und ,wenn sie ein stringentes, konsequentes Konzept haben wie bei Konwitschny ,auch für künstlerisch wertvoll, aber als Erstkontakt(und auch zwischendurch immer mal wieder ;)) will ich grössere Zurückhaltung der Regie, eine neutralere Illustration des Librettos und damit mehr Möglichkeiten zum eigenen Kopfkino.
    Nun wiederhole ich mich aber und bin sowieso sicher, dass wir uns verstanden haben. :yes: :hello:
    Ich hoffe, es gibt noch öfter so erfreulich tolerante und friedliche Diskussionen über kontrovers betrachtete Inszenierungen hier im Forum!
    Mich würde z.B. die eben erlebte Figaro Aufführung von Kosky an der KOB als Thema interessieren und da ich gerade auch endlich die aus Salzburg von Guth unter Harnoncourt mit Netrebko angesehen habe, auch diese!


    Fairy Queen


    P.S. deine abenteuerlichen Reisen klingen ja fast nach Karl May 8o

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Mich würde z.B. die eben erlebte Figaro Aufführung von Kosky an der KOB als Thema interessieren
    Fairy Queen


    Liebe Fairy,


    da müßtest Du wahrscheinlich einen neuen Thread eröffnen, denn ich weiß nicht, ob es den schon gibt. Hab ihn nicht gefunden. Würde mich aber sehr interessieren, denn ich war von der Inszenierung usw. hin und weg. Hatte aber auch eine Gräfin zum :jubel:


    Liebe Grüße aus dem verschneiten Bayernland
    Ingrid

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Nun wiederhole ich mich aber und bin sowieso sicher, dass wir uns verstanden haben. :yes::hello:


    Und deswegen sage ich nur: Stimmt! Wir haben uns verstanden!

    Zitat


    Ich hoffe, es gibt noch öfter so erfreulich tolerante und friedliche Diskussionen über kontrovers betrachtete Inszenierungen hier im Forum!


    Ich auch, auch wenn ich z.Z. mal wieder etwas weniger Zeit habe, hier zu partizipieren.

    Zitat


    P.S. deine abenteuerlichen Reisen klingen ja fast nach Karl May 8o


    That's a completely different topic, and OT... ;-) Mali, Madagaskar, Mongolei, Chile, Peru, Namibia, Marokko, dienstlich USA und Kanada... ;-) Aber nicht immer mit Kamel oder in Wüsten... ;-)


    LG,


    Matthias

  • Nachdem in Frankfurt zur Saisoneröffnung „Don Carlo“ in der 5-aktigen Version über die Bühne ging, folgte jetzt Hannover mit der 4-aktigen Fassung – gemeinsam ist beiden die italienische Sprache, ansonsten unterscheidet beide Produktionen mehr, als die Frage der Anzahl der Aufzüge.


    Das Einheitsbühnenbild zeigt ein modernes, karges graues Regierungsgebäude, links führt eine leicht gewundene Treppe nach oben, rechts sieht man kleines Vestibül mit einem Umlauf über der Szene, nach vorne wird dieser Raum mit einer Art Gitter abgetrennt, vor dem eine rechteckige Plexiglasabdeckung zu sehen ist, die ein unterirdisches Krematorium verbirgt.


    Zu Beginn sitzt vorne rechts ein Mönch, der einstmals Kaiser Karl V. war und liebkost seine Krone. Links sieht man Elisabetta in einem flammendroten Kleid, im Gesicht Unsicherheit und Angst. Im Hintergrund ihr Ehemann, Filippo II., der seine Frau betrachtet. Eboli, ganz in weiss (wie alle anderen Hofdamen auch, in Phantasiekostümen, die spanisches nur als Zitat integrieren) mit schwarzen Schuhen und Strümpfen, wird Elisabeth dieses rote Kleid aus- und ein strenges, schwarzes Kleid, sowie eine schwarze Halskrause anziehen: Elisabeth wird zu einer Gefangenen. Ihr Ehemann, mit einer kühl-sadistischen Ausstrahlung, führt die Gattin hinaus.


    Allgegenwärtig ist in dieser Inszenierung die Inquisition – man erlebt eine Gesellschaft, in der jeder beobacht, bespitzelt wird, wer negativ auffällt, wird eliminiert. Immer wieder sieht man graue Gestalten mit Dreieckskapuzen, die Menschen unter stilisierte Kreuz zwingen, das Kreuz wird hier auch oft als Schwert verwendet, die Formen sind sich da erschreckend ähnlich.


    Aber auch die anderen Personen der Handlung beobachten und belauern sich, jeder misstraut jedem und scheint doch auf der Suche nach etwas Menschlichkeit und Vertrauen zu sein.


    Die Männer des Stücks tragen Kostüme, die der Entstehungszeit des Schauspiels angenähert sind: es verwundert also nicht, wenn Posa in Kostüm und Maske wie Friedrich Schiller höchstselbst aussieht.


    Elisabetta wirkt wie ein Fremdkörper in dieser Welt von Unterdrückung und Gewalt – und das ist sie ja auch tatsächlich. Immer wieder wird sie es sein, die versucht, sich den Menschen zuzuwenden – und es sind die Menschen, die immer wieder Elisabetta um Hilfe anflehen – und die von ihrem Ehemann daran gehindert wird.


    Der erste, der sich ihr so nähert, ist Carlo, was die Königin zusammenbrechen lässt. Carlo unterwirft sich im gleichen Moment Filippo II.: wie bei einer Priesterweihe legt er sich mit abgespreizten Armen dem König vor die Füsse.


    Es sind diese Bilder, die die Inszenierung bestimmen: sehr genau werden die Seelenzustände der handelnden Personen ausgelotet, jeder Blick, jede Geste stimmt.


    Während des Liedes vom Schleier sind Filippo und Lerma anwesend – das Lied wird von einer verschüchterten Frauengruppe zur Unterhaltung des Königs gesungen, Lerma dirigiert und ermuntert die Damen zu tänzerischen Bewegungen. Eboli wird auf den Schoss des Königs gezwungen., diese Szene hat nichts leichtes und nichts heiteres und fügt sich somit bestens in das Regiekonzept ein.


    Die komplizierte Beziehung zwischen Posa und dem König wird durch eine starke Körperlichkeit begreifbar gemacht: da gibt es Zärtlichkeit und Gewalt, oftmals ändert sich das eine in der selben Bewegung in das andere: so z. B., wenn Filippo dem Posa an die Gurgel geht, um ihm dann doch nur das Haar aus dem Gesicht zu streichen.


    Sehr glaubwürdig hier die Szene, in der Carlo die Eboli für die Königin hält: im schwarzen Kleid Elisabettas und mit der Maske vor dem Gesicht ist die Verwechslung durchaus denkbar.


    Das Autodafé fällt vergleichsweise harmlos aus: die omnipotente Kirche knechtet das Volk, Elisabetta wird einmal mehr um Hilfe angefleht, die Hilfesuchende sofort von der Inqusition abgegriffen. Die flandrischen Deportierten werfen sich Filippo vor die Füsse, auf dem Boden bringen sie ihr Anliegen vor. Immer wieder rutschen sie nach vorne und der König weicht ihnen angewiedert aus. Als der König mit dem Schwert auf seinen Sohn losgeht, greift Posa ein und entwaffnet den Freund.


    Die Ketzerverbrennung findet unterirdisch statt: Rauch steigt auf und verkohlte Brandreste treiben nach oben.


    Während der bekannten Arie „Ella giammai m´amò“ ist nicht nur Eboli anwesend, auch Posa ist ein Mitwisser der Vorgänge.


    Der Grossinquisitor, mit kalten, blinden Augen und einem Blindenstock, der wieder in die Kreuz- oder Schwertform ausläuft, geht den König körperlich an, da duldet einer keinen Widerspruch und er benutzt gegebenenfalls Gewalt, um seine Interessen durchzusetzen.


    Am Ende wird der Mönch die Königskrone aufsetzen, man erkennt Karl V. – aber es ist zu spät, Carlo ist tot, zusammengebrochen unter den Kreuzen der Inquisition.


    Was Christof Nel, der Regisseur, an Innenspannung zwischen den Personen aufbaut, wie ausgefeilt seine Personenführung ist, das ist ausserordentlich stark. Es gibt nicht einen Moment, der nicht bis ins Detail und exakt ausinszeniert wäre.


    Nel selbst hat sich im Programmheft zur Problematik des Autodafé geäussert. Ihm schien diese Szene uninszenierbar. Nun, das ist sie nicht – aber: es gewiss schwierig, sie in diese Produktion sinnvoll einzubauen, die so sehr von den Beziehungen der Menschen untereinander handelt. Der gefundene Kompromiss ist achtbar: die Szene beschönigt nichts, aber sie bleibt doch vergleichsweise harmlos.


    Diese Inszenierung lebt ganz stark vom Ausdrucksvermögen der Sängerinnen und Sänger: darstellerisch ist Brigitte Hahn eine umwerfende Elisabetta, glaubwürdig in jeder Geste.


    Ebenfalls herausragend Albert Pesendorfer als Filippo II.: perfekt als perverser Machtmensch, glaubwürdig in den menschlichen Abgründen, beängstigend in den fast homoerotischen Szenen mit Posa.


    Aber auch die anderen Sängerinnen und Sänger leisten schauspielerisch achtbares, der Posa von Brian Davis etwas gebremst, die Eboli von Khatuna Mikaberidze sehr impulsiv.


    Musiziert wird sehr ordentlich: an einigen Punkten sogar enorm spannungsreich. Beispielsweise lässt GMD Wolfgang Bozic in der Szene Filippo-Inqusitore das Orchester losschlagen, als gelte es, den Weltuntergang musikalisch zu begleiten – eine dramatische Zuspitzung, bei der man froh ist, wenn der Kulminationspunkt erreicht ist. Aber auch beim Autodafé gibt es solche Momente. Demgegenüber kann man warme Streicherklänge und schöne Holzbläsersoli hören, das Grundtempo ist schnell, ohne gehetzt zu wirken, spannend von der ersten Minute an und die wohl beste Leistung, die man bisher in Hannover von Bozic hat hören können.


    Sängerisch etwas schwach der Carlo von Robert Chafin. Schon ab der Mittellage gerät die Stimme an Grenzen, kein Spitzenton wird sicher platziert, mancher nur mal eben so angetippt. Am besten gelingen Chafin noch die Duett-Passagen mit Posa und Elisabetta, da wirkt die Stimme dann belastbar und auch sicherer.


    Brigitte Hahn ist stimmlich schon eine etwas reife, zu Schärfen neigende Elisabetta, die gegen Ende kleinere Ermüdungserscheinungen hatte.


    Bemerkenswert der Filippo von Albert Pesendorfer – vielleicht keine sehr farbenreiche Stimme, die aber hier gut zur Geltung kommt und neben Kraft auch weichen Klang in der bekannten Arie bietet.


    Einen ausgeglichenen, gut ansprechenden Bariton bringt Brian Davis als Posa ein, im Ausdruck kommen sicher noch Abstufungen im Laufe der Aufführungsserie dazu.


    Vehement der Mezzosopran von Khatuna Mikaberidze: ein slawisch-harter Stimmklang, in der Höhe leicht gefährdet, überzeugt die Sängerin vor allem mit der hohen Emotionalität ihrer Gestaltung.


    Erwähnung finden soll noch der Inquistore von Stefan Kocán, erst kürzlich in Basel als Filippo II. zu hören. Kocáns Bass ist eher etwas eng, aber von jener knarzig-voluminösen Qualität, die man an Sängern wie Ghiaurov oder Christoff durchaus schätzen gelernt hat.


    Eine Charakterstudie besonderer Güte lieferte Edgar Schäfer als Lerma ab: ausgezeichnet in der Darstellung – bei leider mittlerweile kaum noch vorhandener Stimme.


    Im direkten Vergleich mit Frankfurt wird hier deutlich, wie langweilig und handwerklich miserabel die szenische Hinrichtung durch David McVicar in Frankfurt tatsächlich ist. Inszenatorisch hat Hannover mit Christof Nel die Nase weit vorne.


    Freundlicher, teilweise stürmischer Beifall für die musikalische Seite, hartnäckige Buhs für das Regieteam, gekontert mit deutlicher Zustimmung für die szenische Realisation.

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  • Hallo Alviano,
    ich finde es wirklich jammerschade, dass es von diesen interessanten Inszenierungen, die du uns dankenswerter Weise immer vorstellst, nie TV-Aufzeichnungen gibt. (Während es für das 99. Schirennen oder ein letztklassiges Unterligaspiel in Kikritzpatschen immer Geld und Ü-Wagen gibt :motz: :motz: :motz: :motz: ) So bleibt einem armen Menschen, der nicht so viel umherreisen kann, nur die bildliche Vorstellung ;(
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Alviano



    Zu Beginn sitzt vorne rechts ein Mönch, der einstmals Kaiser Karl V. war und liebkost seine Krone. Links sieht man Elisabetta in einem flammendroten Kleid, im Gesicht Unsicherheit und Angst. Im Hintergrund ihr Ehemann, Filippo II., der seine Frau betrachtet. Eboli, ganz in weiss (wie alle anderen Hofdamen auch, in Phantasiekostümen, die spanisches nur als Zitat integrieren) mit schwarzen Schuhen und Strümpfen, wird Elisabeth dieses rote Kleid aus- und ein strenges, schwarzes Kleid, sowie eine schwarze Halskrause anziehen: Elisabeth wird zu einer Gefangenen. Ihr Ehemann, mit einer kühl-sadistischen Ausstrahlung, führt die Gattin hinaus.


    Das "Umziehen" der Königin (oder ist es schon ein "Umerziehen"?) scheint ein beliebtes Bild bei den Regisseuren zu sein. Es findet sich auch in der Inszenierung von Luc Bondy am Theatre du Chatelet...


    LG
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    Das "Umziehen" der Königin (oder ist es schon ein "Umerziehen"?) scheint ein beliebtes Bild bei den Regisseuren zu sein. Es findet sich auch in der Inszenierung von Luc Bondy am Theatre du Chatelet...


    Es ist auch zwingend: Elisabetta wird ja tatsächlich aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen, aus politischen Gründen wird sie in eine Rolle gedrängt, die sie nicht haben will (die historische Elisabeth von Valois war zu diesem Zeitpunkt 14),an der Seite eines Mannes, den sie nicht liebt.


    In Hannover ist das eine kurze, aber sehr bezeichnende Szene: das flammende, leidenschaftliche Rot des Kleides der Elisabetta steht in klarem Kontrast zu den anderen Farben der Szene: die changieren zwischen weiss, schwarz und blassblaugrau - nur der Grossinquisitor wird unter dem weissen Gewand einen lilafarbenen Futterstoff erkennen lassen.


    Im strengen Schwarz wirkt Elisabetta schon verändert, aber die Halskrause scheint sie auch noch zusätzlich zu würgen.


    Dazu der Gesichtsausdruck: Angst, Schmerz, Unsicherheit - mit einem Blick sagt Elisabetta so unendlich viel. Und der Regisseur gibt damit innerhalb der ersten Minute ein hohes Niveau vor, das er den ganzen Abend über beibehalten wird - exzellent.


    Eine "Umerziehung", ja, gewiss - aber eine, die scheitert, scheitern muss: im letzten Akt sieht man eine gebrochene Frau, die die Situation, in die man sie gestellt hat, nicht ausgehalten hat.


    Liebe severina,


    nun, die gestrige Premiere aus Hannover gabs immerhin als Rundfunkübertragung. Aber ich fürchte, dass sich tatsächlich mehr Menschen für die von Dir beschriebenen Sportereignisse, als für eine Opernpremiere abseits der grossen Häuser interessieren werden.


    Bei diesem "Don Carlo" könnte ich mir vorstellen, dass er Dir entgegenkommt: zwingende, szenische Lösungen, tolle Personenregie, aber auch keine Überzeichnungen und Raum für die Sänger/innen, sich zu entfalten.

  • Ich muß mich nochmals nachdrücklich als Fan der alten Salzburger Karajan-Inszenierung outen.
    M.E. ist sie eine vorbildliche konservative Inszenierung. Bei ihr hat man wirklich das Gefühl des steifen spanischen Hofzeremoniells stets im Nacken, nichts wirkt überschwänglich, nichts zu gefühlvoll (was eben kein Nachteil ist, sondern sicherlich gewollt und historisch korrekt).
    Mal abgesehen davon, daß Furlanetto nicht der perfekte König ist, ist die Sänger-Rige bestens besetzt.
    Leider - so gebe auch ich zu - fällt aber gerade die Rolle des Katholischen Königs ins Gewicht, was den Gesamteindruck trübt. Furlanetto ist nicht der König Philipp II., so wie ich ihn mir vorstelle - er ist zu wenig einschüchternd, auch optisch. Gar kein Vergleich zu Boris Christoff, der auch äußerlich furchteinflößend daherkam.
    Dennoch: Ich würde diese Inszenierung jeder anderen vorziehen, denn der Gesamteindruck ist stimmig. Man meint tatsächlich, man befände sich in Spanien um 1560. So sind etwa die große Verherrlichungs-Szene des Königs und das Autodafé grandios umgesetzt worden.
    Wen der etwas schwächliche König von Furlanetto ärgert, den weise ich daraufhin, daß der wahre dunkle, finstere König ja im Orchestergraben stand (um es mit meiner Karajan-Biographie zu sagen). :D Vielleicht also durchaus gewollt von Herrn v. K., den König schwächer zu besetzen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    Das "Umziehen" der Königin (oder ist es schon ein "Umerziehen"?) scheint ein beliebtes Bild bei den Regisseuren zu sein. Es findet sich auch in der Inszenierung von Luc Bondy am Theatre du Chatelet...


    LG
    Rosenkavalier


    Auch bei Konwitschny!!!!! Noch im Fontainebleau-Akt,da, wo die Ehe mit dem Vater des Ersehnten angkündigt wird. Fand ich eine tolle Lösung.



    Lieber Alviano, das klingt sehr spannend!!! Von Don Carlos-Inszeneirungen kann ich gar nicht genug kriegen, das Thema hat soviele Facetten.Von den Sängern kenne ich leider keinen Einzigen.
    F.Q.


  • Dass ich die Karajan-Inszenierung ziemlich langweilig finde und die Videokassette nur wegen der grandiosen Eboli von Agnes Baltsa noch in Ehren halte, habe ich weiter oben schon ausgeführt, hier nur ein Wort zu Furlanetto:
    Wenn ich nicht irre, war er damals 34 Jahre alt, also in jeder Beziehung eine Fehlbesetzung. Ich glaube nicht, dass man in diesem Alter eine Rolle wie den Philipp wirklich ausloten, in allen seinen Dimensionen erfassen und auf der Bühne umsetzen kann, dazu braucht es eine längere "Reifezeit", sowohl als Sänger wie auch als Mensch.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen



    Lieber Alviano, das klingt sehr spannend!!! Von Don Carlos-Inszeneirungen kann ich gar nicht genug kriegen, das Thema hat soviele Facetten.Von den Sängern kenne ich leider keinen Einzigen.


    Liebe Fairy Queen,


    machen wir doch einen Tamino-Betriebsausflug nach Hannover. Vielleicht finden sich noch weitere Interessenten ...


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von severina
    Dass ich die Karajan-Inszenierung ziemlich langweilig finde und die Videokassette nur wegen der grandiosen Eboli von Agnes Baltsa noch in Ehren halte, habe ich weiter oben schon ausgeführt, hier nur ein Wort zu Furlanetto:
    Wenn ich nicht irre, war er damals 34 Jahre alt, also in jeder Beziehung eine Fehlbesetzung. Ich glaube nicht, dass man in diesem Alter eine Rolle wie den Philipp wirklich ausloten, in allen seinen Dimensionen erfassen und auf der Bühne umsetzen kann, dazu braucht es eine längere "Reifezeit", sowohl als Sänger wie auch als Mensch.
    lg Severina :hello:


    Liebe Severina,


    Deine Meinung sei Dir freilich belassen. ;)
    Ja, Furlanetto war damals noch sehr jung. Ich sah ihn 2006 an Wiener Staatsoper in derselben Rolle - er gefiel mir da bedeutend besser. Vielleicht hast Du die damalige Inszenierung auch gesehen (evtl. läuft sie noch?).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Felipe II.


    Liebe Severina,


    Deine Meinung sei Dir freilich belassen. ;)
    Ja, Furlanetto war damals noch sehr jung. Ich sah ihn 2006 an Wiener Staatsoper in derselben Rolle - er gefiel mir da bedeutend besser. Vielleicht hast Du die damalige Inszenierung auch gesehen (evtl. läuft sie noch?).


    Lieber Felipe,
    inzwischen mag ich Furlanetto sehr gerne, nach "meinem" Philipp Nicolai Ghiaurov ist er der für mich beste Interpret dieser Rolle. Er bringt jetzt ja auch die nötige Lebenserfahrung mit ;) und seine Stimme klingt auch deutlich reifer. Ja, diese Inszenierung läuft immer noch, aber ich ziehe (wie du dir denken kannst ;) ) unseren franz. "Don Carlos" in der Konwitschny-Regie vor. (Wir haben also einen "Don Carlo", den du gesehen hast, und einen "Don Carlos"!)
    lg Severina :hello:

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