Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 78 c-moll

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 78 c-moll


    4 Sätze:
    Vivace (c-moll, 3/4 Takt, 192 Takte)
    Adagio (Es-Dur, 3/4 Takt, 101 Takte)
    Menuetto: Allegretto (C-Dur, 3/4 Takt, 58 Takte)
    Finale. Presto (c-moll/C-Dur, 2/4 Takt, 241 Takte)


    Besetzung: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, Streicher.


    Entstanden 1782.



    Vivace
    Der Kopfsatz beginnt unmittelbar mit dem im unisono geführten markanten, von großen Intervallsprüngen gekennzeichneten und von Viertelpausen zerklüfteten Hauptthema in c-moll. Das ungleich melodischere - aber dennoch vorwärtsdrängende und keineswegs lyrische - zweite Thema steht in der (allerdings immer wieder eingetrübten) Paralleltonart Es-Dur, die den Rest der Exposition dominiert. In der Durchführung (ab T. 76) werden beide Themen verarbeitet, teilweise werden Abschnitte der beiden Themen unmittelbar miteinander konfrontiert, wodurch das musikalische Geschehen eine ungeheure Dichte erfährt und so eine überaus dramatische Atmosphäre evoziert wird. Die Reprise (ab T. 134) setzt nach einer Generalpause mit dem ersten Thema in seiner Grundgestalt ein, welches nun aber unmittelbar in eine weitere, fortspinnende Verarbeitung übergeleitet wird. Überhaupt habe ich den Eindruck, daß die Reprise eher den Charakter einer zweiten Durchführung hat.


    Adagio
    Der zweite Satz steht in Es-Dur und ist insgesamt eher entspannten Charakters. Zwischenzeitliche kurze Molleintrübungen (etwa T. 90-92) erinnern den Hörer von Ferne daran, daß wir uns gerade in einer Moll-Sinfonie befinden. Die thematische Arbeit besteht zuvorderst aus der variierenden Fortspinnung von Motivfragmenten des unmittelbar zu Beginn vorgestellten Themas – ist das eigentlich ein Variationssatz??? – »Dramatik« wird insbesondere durch abrupte Kontraste in der Dynamik und durch Sechzehntel-Tonrepititionen evoziert. Nach dem zwar nicht nachgerade vor äußerlicher Dramatik strotzenden, aber doch aufgrund von Innenspannung und kontrapunktischer Arbeit treibenden Kopfsatz wirkt das Adagio auf mich sehr relaxed.


    Menuetto: Allegretto
    Der dritte Satz ist ein kurz und knapp gehaltenes, überaus tänzerisches Menuet, das durch etwas markant gesetzte Pausen ein wenig zu befremden weiß. Das motorisch in – allerdings ironisch verholperten - Achtelbewegungen voranschreitende Trio wird von einer mit den 1. Violinen parallel geführten Solo-Oboe dominiert.


    Finale. Presto
    Beim Finale – dem einzigen Satz dieser Sinfonie in geradem Metrum – handelt es sich um ein Sonaten-Rondo mit Kehrauscharakter, das (ähnlich wie der Kopfsatz) zwischen moll und Dur changiert. Der Satz hebt an mit dem in c-moll stehenden Thema, doch bereits die erste Rondo-Passage steht in Dur. Da am Ende des Satzes das Thema nicht noch einmal wiederholt, sondern an die Rondo-Passage eine kurze, in C-Dur stehende Coda angeschlossen wird, trägt am Ende der Sinfonie das optimistische Dur einen leichten Sieg davon, der, wenn man mal über die vier Sätze zurückschaut, eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirklich gefährdet schien.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 78 c-moll


    Vivace
    Der Kopfsatz beginnt unmittelbar mit dem im unisono geführten markanten, von großen Intervallsprüngen gekennzeichneten und von Viertelpausen zerklüfteten Hauptthema in c-moll. Das ungleich melodischere - aber dennoch vorwärtsdrängende und keineswegs lyrische - zweite Thema steht in der (allerdings immer wieder eingetrübten) Paralleltonart Es-Dur, die den Rest der Exposition dominiert.


    Als zweites Thema sehe ich diese etwas "wiegende" Melodie, nicht die vielleicht noch wichtigere Figur mit dem (Beethoven 5) 3-Achtel-Auftakt. Ist das auch Deine Ansicht? (ich habe leider keine Noten)


    Zitat


    Adagio
    Der zweite Satz steht in Es-Dur und ist insgesamt eher entspannten Charakters. Zwischenzeitliche kurze Molleintrübungen (etwa T. 90-92) erinnern den Hörer von Ferne daran, daß wir uns gerade in einer Moll-Sinfonie befinden. Die thematische Arbeit besteht zuvorderst aus der variierenden Fortspinnung von Motivfragmenten des unmittelbar zu Beginn vorgestellten Themas – ist das eigentlich ein Variationssatz??? – »Dramatik« wird insbesondere durch abrupte Kontraste in der Dynamik und durch Sechzehntel-Tonrepititionen evoziert. Nach dem zwar nicht nachgerade vor äußerlicher Dramatik strotzenden, aber doch aufgrund von Innenspannung und kontrapunktischer Arbeit treibenden Kopfsatz wirkt das Adagio auf mich sehr relaxed.


    m.E. kein Variationensatz. Hat er nicht grob die zweiteilige Gestalt, wobei beide Teile wiederholt werden? Ich wage nicht zu beurteilen, ob es ein rudimentärer Sonatensatz ist, vermute es aber.
    Ich finde ihn eigentlich relativ unentspannt, u.a. durch die streckenweise dominierenden, etwas hektischen Triolen.


    Eher empfinde ich das ziemlich rustikale Menuett als entspannten und humorigen Kontrast zum Kopfsatz. Die 'meckernden' Holzbläser gegen Ende des Menuett-Teils und das Trio sowieso.
    Das Finale ist zwar gut gemacht, enttäuscht mich aber insgesamt doch ein wenig. Trotz des etwas unwirschen Rondo-Themas ist von der Dramatik des Kopfsatzes nicht viel zu merken. Die zugegeben brillante Dur-Umdeutung wird schon im B-Teil "verschenkt" und der durchführende Teil nach dem zweiten Refrain kann das nicht mehr erschüttern.


    Jedenfalls finde ich insgesamt den Unterschied zwischen diesem Werk und der d-moll Nr. 80 frappierend. Letztere scheint mir das in jeder Hinsicht kühnere und ungewöhnlichere Werk, das vorliegende hier das beinahe schon "zu klassische". Der Kopfsatz ist beeindruckend und von der thematischen Arbeit sicher dichter als der "zerrissene" der d-moll, aber bei den anderen Sätzen halte ich Nr. 80 für deutlich spannender.
    Was aber nicht unbedingt an der Qualität dieser hier liegt, die ist natürlich auch sehr gut. Aber man entkommt eben schwer dem, was man von einer "Moll-Sinfonie" irgendwie erwartet...


    Ich besitze die Aufnahmen von Fischer und Goodman. Die sind beide jedenfalls ziemlich ordentlich. Goodman ist leichtfüßiger, Fischer etwas gewichtiger, etwas zu sehr im Finale und stellenweise beinahe derb im Menuett (was mir aber gut gefällt). Im Kopfsatz ziehe ich Fischer vor, da düsterer und "massiver" und weil Goodmans Cembalo stellenweise doch ziemlich nervt. Im Finale ist Fischer ein wenig zu wuchtig, da ist Goodman auch ca. 30 sec schneller. Goodman befolgt Wiederholungen der 2. Satzteile in den ersten beiden Sätzen, die bei Fischer weggelassen werden.
    Aber wer eine von den beiden hat, muß sich jedenfalls nicht unbedingt nach der anderen verrenken. Viele Alternativen wird es eh nicht geben (hauptsächlich Dorati und Naxos, Hogwood ist AFAIK nicht so weit gekommen)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Als zweites Thema sehe ich diese etwas "wiegende" Melodie, nicht die vielleicht noch wichtigere Figur mit dem (Beethoven 5) 3-Achtel-Auftakt. Ist das auch Deine Ansicht? (ich habe leider keine Noten)


    Ich hab eigentlich eher die Figur mit dem »Beethoven«-Motiv (ab T. 55) als 2. Thema angesehen. Es ist dann ja auch in der Durchführung deutlich präsenter als die »wiegende« Melodie.



    Zitat

    m.E. kein Variationensatz. Hat er nicht grob die zweiteilige Gestalt, wobei beide Teile wiederholt werden? Ich wage nicht zu beurteilen, ob es ein rudimentärer Sonatensatz ist, vermute es aber.
    Ich finde ihn eigentlich relativ unentspannt, u.a. durch die streckenweise dominierenden, etwas hektischen Triolen.


    Ja, das stimmt schon - ist zweiteilig und beide Teile werden wiederholt. Ich war gestern beim mehrfachen Hören aber zunehmend durcheinander, weil das Verarbeitungsmuster mir - je häufiger ich das hörte - irgendwie vorwiegend variierend zu sein schien.


    Zur Frage entspannt/unentspannt: das stimmt schon, daß da diese Triolenschläge immer mal wieder dazwischen fahren, aber en gros macht der Satz auf mich tatsächlich eher einen wenig gespannten Eindruck.



    Zitat

    Das Finale ist zwar gut gemacht, enttäuscht mich aber insgesamt doch ein wenig. Trotz des etwas unwirschen Rondo-Themas ist von der Dramatik des Kopfsatzes nicht viel zu merken. Die zugegeben brillante Dur-Umdeutung wird schon im B-Teil "verschenkt" und der durchführende Teil nach dem zweiten Refrain kann das nicht mehr erschüttern.


    Empfinde ich ganz genauso. Auch was Deine vergleichende Einschätzung zur 80. anbetrifft, die IMO eindeutig das Werk mit dem stärkeren Memoryeffekt ist. Allein der Kopfsatz der 78. hat nachhaltige Wirkung, die Mittelsätze sind eher durchschnittlich, das Finale ganz deutlich unter den Haydnschen (Ausdrucks-)Möglichkeiten.


    Was die Aufnahmen anbetrifft: ich habe ebenfalls Goodman und Fischer und bin mit beiden zufrieden. Goodman hat, wie immer, etwas mehr Pfeffer und Esprit - allerdings nervt mich hier (zum ersten mal) das Cembalo ganz ordentlich.


    Man kann mit beiden zufrieden sein, braucht aber nur eine der beiden Einspielungen.


    Viele Grüße,
    Medard

  • 78 ist - wenn ich das recht überblicke - mit Ausnahme des experimentellen Sonderfalls der Nr. 45 die einzige Sinfonie Haydns, bei der Kopfsatz UND Finale in Moll stehen, das Finale aber in Dur endet. Dabei finde ich den so gar nicht durchbruchartigen, sondern spielerisch leichten Übergang zu Dur im Finale gar nicht reizlos. Es gibt sicher komplexere und/oder abwechslungsreichere Sinfoniefinali bei Haydn, aber unter dem "Normal-Niveau" scheint mir dieses keineswegs zu sein.


    Mit den Mittelsätzen kann ich aber auch nicht soviel anfangen, vor allem das Adagio ist melodisch nicht sonderlich ergiebig und zieht sich etwas (Fischer wiederholt gottseidank den zweiten Teil nicht).


    Den Kopfsatz finde ich aber äußerst bemerkenswert! Bekanntermaßen beginnen alle drei c-moll-Sinfonien Haydns (52, 78, 95) mit einem ähnlichen Gestus. 78 entwickelt aber wesentlich mehr thematischen Gestaltenreichtum als ihr Londoner Pedant: es gibt mindestens drei, wenn nicht sogar vier Motivblöcke innerhalb des Hauptthemenkomplexes (bei 95 nur zwei), dazu kommt das Legato-Überleitungsmotiv zum "pochenden" Es-dur-Seitenthema und noch das Schlussgruppenthema. Besonders bemerkenswert scheint es mir, dass die Pianissimo-"Antwort" auf das schroffe Hauptthema nie wieder aufgegriffen wird (außer natürlich bei der Wiederholung der Exposition). Wie das Seitenthema in der Durchführung und Reprise zum Kontrapunkt des Hauptthemas wird, wie die Reprise zwar nicht "versteckt" beginnt wie später in 95, aber doch (wie schon von Medard gesagt) unmittelbar zu einer zweiten Durchführung unter Auslassung von zwei Motivblöcken der Exposition mutiert - das alles ist nicht so exzessiv wie in mancher Sturm-und-Drang-Sinfonie, aber doch "dicht" und originell.


    Mozart hat ja wohl die Sinfonien 76-78 gekannt und das Kopfmotiv von 78 in seinem c-moll-Klavierkonzert KV 491 rezipiert. Das behauptet zumindest Charles Rosen - und ich finde die Ähnlichkeit durchaus schlagend. Über KV 491 wäre das Motiv (natürlich immer verändert) dann in Beethovens op. 37 gelandet - eine bemerkenswerte Karriere.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    78 ist - wenn ich das recht überblicke - mit Ausnahme des experimentellen Sonderfalls der Nr. 45 die einzige Sinfonie Haydns, bei der Kopfsatz UND Finale in Moll stehen, das Finale aber in Dur endet. Dabei finde ich den so gar nicht durchbruchartigen, sondern spielerisch leichten Übergang zu Dur im Finale gar nicht reizlos.


    Ich finde den sogar sehr reizvoll! Aber er wird doch schon im ersten Wechsel vom Rondo-Refrain zum B-Teil "verschenkt". Das halte ich für vergleichsweise ungeschickt, denn bei der Wiederkehr hat man das alles ja schonmal gehört und die Erweiterung in der Coda fügt dem kaum noch etwas hinzu. Und der etwas stürmischere C-Teil ist einfach nicht markant genug, um das einmal etablierte Dur wirklich zu erschüttern.



    Zitat


    Mit den Mittelsätzen kann ich aber auch nicht soviel anfangen, vor allem das Adagio ist melodisch nicht sonderlich ergiebig und zieht sich etwas (Fischer wiederholt gottseidank den zweiten Teil nicht).


    Mir gefallen beide Mittelsätze recht gut. Denen würde ich eher "Normalniveau" zubilligen als dem Finale.


    Zitat


    Medard gesagt) unmittelbar zu einer zweiten Durchführung unter Auslassung von zwei Motivblöcken der Exposition mutiert - das alles ist nicht so exzessiv wie in mancher Sturm-und-Drang-Sinfonie, aber doch "dicht" und originell.


    Ja, der Kopfsatz ist schon sehr gut, halte den für dichter und schlüssiger als die meisten der "Sturm&Drang"


    Zitat


    Mozart hat ja wohl die Sinfonien 76-78 gekannt und das Kopfmotiv von 78 in seinem c-moll-Klavierkonzert KV 491 rezipiert. Das behauptet zumindest Charles Rosen - und ich finde die Ähnlichkeit durchaus schlagend. Über KV 491 wäre das Motiv (natürlich immer verändert) dann in Beethovens op. 37 gelandet - eine bemerkenswerte Karriere.


    Wobei bei Beethoven das Motiv, nicht uncharakteristisch, die wohl einfachste Form erhält (und einen neuen Abschluß, der dann eine wichtige Rolle spielt)...


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Mozart hat ja wohl die Sinfonien 76-78 gekannt und das Kopfmotiv von 78 in seinem c-moll-Klavierkonzert KV 491 rezipiert. Das behauptet zumindest Charles Rosen - und ich finde die Ähnlichkeit durchaus schlagend. Über KV 491 wäre das Motiv (natürlich immer verändert) dann in Beethovens op. 37 gelandet - eine bemerkenswerte Karriere.


    Meines Wissens hat Mozart das Thema von KV 491, 1 bei Dittersdorf entliehen. Ich habe allerdings im Augenblick keine besonders gute Idee, woher diese Information stammt und wie diese zu präzisieren wäre.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Meines Wissens hat Mozart das Thema von KV 491, 1 bei Dittersdorf entliehen. Ich habe allerdings im Augenblick keine besonders gute Idee, woher diese Information stammt und wie diese zu präzisieren wäre.


    Das fände ich sehr überraschend. Vermutlich kenne ich die falschen Sachen, aber ich hätte Dittersdorf nicht mal so ein Thema zugetraut, geschweige denn, was damit anzufangen.
    Mozarts Thema ist ohnehin deutlich länger und majestätischer, aber die Ähnlichkeit mit dem Haydns ist schon recht eindeutig.


    :hello:


    JR

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  • Naja, das Thema der Zauberflöten-Ouvertüre würde man auch nicht unbedingt bei einem Clementi suchen [wollen]. Ich muß mal schauen, ob ich mit meiner Wünschelroute die Quelle wieder ausfindig machen kann... irgendetwas war da...


    ?( :yes:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zu Dittersdorf kann ich nix sagen. Aber was die Hauptthemen von Haydns Nr. 78 und Mozarts KV 491 (neben der Grundtonart, der einleitenden kleinen Terz c-es und den Pausen) verbindet, ist die aufsteigende verminderte Septime, die dann - nach unten sequenziert - nochmal wiederholt wird. Das ist schon ziemlich signifikant.


    Johannes hat schon drauf hingewiesen und ich fand's beim Nachgucken auch ganz interessant: Das Hauptthema von Beethovens drittem Klavierkonzert (erster Satz) ist gegenüber Haydn und insb. Mozart viel schlichter - schon Mozarts c-es-as-Themenkopf wird zu einem einfachen c-moll-Dreiklang reduziert und die verminderte Septime gibt's auch nicht mehr. Da kommt's wirklich darauf an, was Beethoven dann damit anstellt...


    Unabhängig davon noch einmal speziell zum Haydn-Thema: es setzt sich aus einer kleinen Terz, einer verminderten Quarte und einer verminderten Septime zusammen (c-es-h-as). Walter Lessing weist darauf hin, dass diese Intervallfolge im Barock eine Chiffre der Trauer und des Schmerzes gewesen sei, und nennt als Beispiele das Crucifixus aus einer (nicht weiter spezifizierten) Zelenka-Messe sowie Passagen aus Bachs WTK (a-moll-Fuge des zweiten Teils) und Händels Messias, in denen die Tonfolge in Umkehrung erscheint.



    Viele Grüße


    Bernd


  • Nachdem soviel Musiktheoretisches gesagt wurde kann ich mir glücklicherweise eine Beschreibung ersparen. Die Sinfonie war - ebenso wie Nr 76 und Nr 77 - für eine geplante Londonreise komponiert worden die letzlich nie zustandekam. Die Londoner waren enttäuscht, wollten sie doch den "Shakespeare der Musik", joseph Haydn für sich Reklamieren, wie sie es einst mit Händel gemacht haben:

    Der folgende Text beindet sich im Booklet zur abgebildeten CD, ist aber im englischen Original im "Gazetteer" und im "New Daily Advertiser" veröffentlicht worden:

    Zitat

    "Dieser wunderbare Mann, den man den Shakespeare der Musik nennt, und den Triumpf des Zeitalters ist dazu verdammt, am Hofe eines jämmerlichen deutschen Fürsten zu residieren, der sowohl unfähig ist ihn zu würdigen, als auch der Ehere unwert.......Wäre es nicht eine Leistung, die einer Pilgerfahrt gleichkäme, wenn ihn einige tatkräftige junge Männer vpon seinem Schicksal erlösen und nach Großbritannien verpflanzen würden, dem Lanf, für das seine Musik wie geschaffen erscheint?"

    Na ja...:stumm:


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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  • Der folgende Text beindet sich im Booklet zur abgebildeten CD, ist aber im englischen Original im "Gazetteer" und im "New Daily Advertiser" veröffentlicht worden:

    Na ja...:stumm:

    Nun .... England schickte sich zu dieser Zeit an Weltmacht zu werden, hatte Besitzungen auf dem gesamten Globus, der Union Jack flatterte schon auf allen Kontinenten und über allen Weltmeeren. Aus dieser Sicht war London das Epizentrum der Entwicklung der Welt. Da schrumpfte ein Fürst Esterhazy, mochte dieser auch noch so reich sein, in seinem abgelegenen Winkel irgendwo hinter Wien - also quasi schon halb in der Türkei - irgendwie auf Zwergenniveau. Die englische Hybris, die aus den zitierten Zeilen spricht, ist beachtlich. Danach gehörte ein Genie wie Haydn ins geniale London ...


    Grüße

    Garaguly

  • Ganz aus der Luft gegriffen ist die Selbsteinschätzung Londons zu Haydns Lebzeiten ja nicht. Zwischen 1700 und 1750 überholte es Konstantinopel als größte Stadt Europas (und sollte es für gut 200 Jahre bleiben) und war als bedeutendes musikalisches Zentrum im 18. Jahrhundert mit Anziehungskraft für ausländische Komponisten gewiss nicht zu unterschätzen. Man denke nur an Händel und Johann Christian Bach oder auch an Muzio Clementi.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões