Cherubino ist meine Lieblingsfigur aus Mozarts Figaro, und um seine zweite Arie No. 12, "Voi che sapete", soll es hier gehen.
Was mir an dieser Arie an sich gefällt ist, dass sie durch ihre (vermeintliche) Schlichtheit, was Melodie und Koloraturen angehen, irgendwie liebenswürdig und "echt" erscheint, nicht geschnörkelt oder gekünstelt.
Zwei Beispiele für so eine Koloratur:
Ich habe keine Vorstellung von einem perfekten Cherubino, denn das Wort "perfekt" würde bedeuten, dass es nur EINE richtige Interpretationsweise gibt, neben der alle anderen verblassen. Dennoch habe ich ein paar Vorstellungen davon, wie er für mich persönlich besonders schön klingt. Er sollte eine junge, helle Stimme haben, allerdings nicht "mädchenhaft" und dünn, sondern mit einer ganz, ganz leichten dunkleren Färbung, eine "burschikose Färbung", wenn man so möchte. "Voi che sapete" hat zum Teil recht tiefe Töne, und die sollten ebenfalls noch schön klingen, immer noch jugendlich.
Vibrato sollte nach meinem Geschmack nur dezent und an passenden Stellen eingesetzt werden. Leopold Mozart empfiehlt den Nachwuchsgeigern in seiner Violinschule, das Vibrato als Verzierung am Schluss einer langen Note einzusetzen, und meint weiter, wenn man es zu oft verwendet, klingt es, als ob man Fieber habe. Und der Violinist Joseph Joachim, der das Brahms-Violinkonzert uraufführte, sagte 1904, dass "wenn ein Solist ständig mit Vibrato spiele, zeige er, dass er sein Instrument nicht beherrsche: ´Vibrato ist ein Ersatz für echtes Gefühl.´"
Zwar geht es hier um die Violine, aber beim Gesang sehe ich das im Prinzip gleich. Zum Vergleich: mein Lieblingshänsel setzt das Vibrato ebenfalls sparsam, dann aber umso wirkungsvoller ein, und das Resultat ist einfach herrlich!
Und natürlich sollte die Interpretation des Textes auch ausdrucksstark sein; WELCHER Ausdruck das ist, davon lasse ich mich aber gerne überraschen.
Leider habe ich diese Arie so gut wie nie wirklich überzeugend gehört. Das liegt sicher auch an meiner Erwartungshaltung und meiner Vorstellung, wie diese Figur klingen sollte. Es gibt aber solche Sängerinnen und solche Stimmen, es ist also keine unrealistische Erwartung!
Generell habe ich auch den Eindruck, dass aufsteigende Gesanglinien wie diese
zu häufig als unnötig starkes crescendo genommen werden, nach dem Motto "Die höchste Note muss am lautesten klingen", und auch sonst werden hohe Töne gerne „dramatisch“ dem Zuhörer entgegengeschleudert, als wäre das die einzige mögliche Ausdrucksform dieser Figur.
Ich möchte also in diesem Thread unterschiedliche Versionen besprechen, und bin natürlich auch gespannt auf andere Meinungen! (Zur Musik und dem jeweiligen Dirigat werde ich allerdings - aus hinlänglich bekannten Gründen - nichts sagen; es geht hier auch nur um den Gesang!)
Ich fange an mit:
Joyce DiDonato
Diese Interpretation gefällt mir schon mal nicht. Die Stimme klingt mir zu schwerfällig, und irgendwie gepresst. Die Koloraturen klingen unspektakulär, der Ausdruck geht mir ebenfalls ab; die ganze Arie klingt irgendwie gleich, egal was gesungen wird. Auch das Italienisch klingt nicht sehr überzeugend für mich, und auch das ist für mich ein wichtiger Punkt! Nein, das ist kein junger Bursche für mich.
LG,
Hosenrolle1