Heute findet an der Semperoper die deutsche Erstaufführung der im Jahre 2000 an der San Francisco Opera uraufgeführten amerikanischen Oper "Dead Man Walking" von Jake Heggie statt.
Diese Oper dürfte hierzulande noch ziemlich unbekannt sein. Das Libretto von Terrence McNally basiert auf dem Buch der Nonne Sister Helen Prejean, welches auch Vorlage für den gleichnamgen Kinofilm mit Susan Sarandon und Sean Penn war.
"Dead Man Walking" sagt man in den USA, wenn ein Todeskandidat zu seiner Hinrichtung geführt wird. In diesem Fall ist es der Vergewatiger und Mörder Joseph De Rocher, der von der Nonne Sister Helen Prejean geistlichen Beistand erhält. Diese will zuerst die Todesstafe abwenden. Als die Vollstreckung aber unabwendbar ist, versucht sie De Rocher zum Eingeständnis seiner Tat zu bringen. Dabei gerät sie selbst in den Zwiespalt zwischen ihrem Glauben und den Vorwürfen der Eltern der beiden Opfer.
Das OMM schreibt:
"Zwar zieht die Oper ihre Brisanz aus der hier erneut angestoßenen Diskussion über die Todesstrafe, aber gerade hier liegt ihr größtes Problem. Ein eindeutiges Statement gegen die Todesstrafe ist sie nicht und will es auch nicht sein. Wie der Film stellt sie die Brutalität des Mordes und den Zynismus der Exekution gegenüber, ohne eine eindeutige Stellungnahme beziehen zu wollen - ein Urteil ist letztendlich dem Betrachter überlassen. Die Oper verschiebt den Schwerpunkt stärker zu einer allgemeineren Betrachtung über Schuld und Verantwortung hin. Erst in der Bereitschaft zur Anerkenntnis persönlicher Schuld - und in der Fähigkeit, Schuld zu vergeben - gelangt der Mensch zur Freiheit, so könnte man stark verkürzt formulieren. Darum machen alle Charaktere, nicht nur der Verurteilte, in der Oper einen Lernprozess durch. Bedenklich schlägt aber an dieser Stelle die traditionelle Operndramaturgie, der McNally und Heggie sich unterworfen haben, durch: Durch die Schuldanerkenntnis und Bitte um Vergebung des Mörders erst im Angesicht der Hinrichtungsmaschinerie erscheint die Exekution selbst als reinigender Prozess von höherer Bedeutung, im weitesten Sinne vergleichbar etwa mit Brünnhildes Verbrennung am Schluss der Götterdämmerung - der Tod als Voraussetzung zur Erlösung, wie es in der Operngeschichte ja seit je beliebt war. Ungewollt liefert Dead Man Walking dadurch auch Argumente für die Todesstrafe. Trotz (oder gerade wegen) solcher Widersprüche nimmt das Werk in der neueren Operngeschichte eine sicherlich wichtige Position ein - als engagierter und in jedem Fall diskutabler Versuch, mit der scheinbar antiquierten Gattung „Oper“ auf Zeitfragen zu reagieren."
Die Uraufführung (mit Susan Graham, John Packard und Frederica von Stade) ist auf CD erhältlich.