Die schönsten Balladen - ihre Dichter und Komponisten


  • In diesem Mitschnitt eines Liederabends in Hannover singt Hans Hotter ebenfalls das Hochzeitslied. Und es grenzt an ein Wunder, wie er seine große Stimme durch die sprachlichen Klippen dieser Ballade manövriert. Neben der Alinde eines der Highlights des Abends. Sehr empfehlenswert!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zur Feststellung von hart: " ...aber wenn nach einer Analyse nur noch aufgelöste Teile herumliegen, ist die ursprüngliche Schönheit mitunter nicht mehr erkennbar."


    Hier genau liegt die Gefahr einer exzessiv betriebenen Liedanalyse, - vor allem, wenn sie am lyrischen Text ansetzt und sich von diesem Ansatz nicht recht zu lösen vermag. Mir fällt eben gerade die Stelle aus Goethes Faust ein: "... fehlt leider nur das geistige Band...". Wenn man hier "geistig" durch "musikalisch" ersetzt, entfaltet das Fauszitat im Zusammenhang mit diesem Problem durchaus seine Aussagekraft.


    Zum Vorwurf der "Biederkeit": Er ist durchaus in dem negativen Sinn gemeint, den das Wort im Laufe seiner Entwicklung angenommen hat. Ich habe keinen wirklich hinreichenden Überblick über die Literatur zum Thema Loewe, aber so viel kann ich sagen: Ich kenne keine neuere, ernst zu nehmende Publikation über Carl Loewe, in der sich dieser Vorwurf findet.


    Zu der Frage von Alfred Schmidt: "Es stellt sich (mir) an dieser Stelle jedoch die Frage, ob Ginsberg die Texte nicht in einer Schallplatte gehört hat - und somit von ihnen beeinflusst war........ "


    Hier scheine ich mich missverständlich ausgedrückt zu haben: Ich habe mir angehört, wie Ernst Ginsberg die Ballade "Hochzeitlied" rezitiert, um zu hören, wie Goethes Sprache klingt, wenn sie ein exzellenter Schauspieler in all ihren klanglichen und rhythmischen Feinheiten zur Entfaltung kommen lässt.


    Der Hintergedanke dabei war: Ich wollte prüfen, ob an der hier getroffenen Feststellung etwas dran ist, Loewe füge der lyrischen Sprache noch etwas hinzu, was ihr selbst nicht innewohnt. Ich meinte danach, dass des nicht der Fall sei, sondern dass Loewe mit musikalischen Mitteln nur etwas erschließe, was in Goethes Sprache schon drinsteckt. Man kann das vermutlich aber nicht verallgemeinern, wie ich eben gerade bei der Analyse der Ballade "Der Nöck" festgestellt habe.

  • Sollte ich je den Balladen-Komponisten Loewe hier im Forum der Biederkeit bezichtigt haben, dann wäre das eine ziemlich törichte Äußerung gewesen. Loewe ist alles andere als ein biederer Komponist. Ich vermute, eine solche Einschätzung leitet sich von dem her, was aus meiner Sicht geradezu eine Tugend Loewes ist: Ich meine sein Bemühen um eine möglichst ausgeprägte Schlichtheit der melodischen Linie.


    „Schlichtheit“ meint hier nicht Simplizität oder gar Einfallslosigkeit. Loewes Balladen weisen einen melodischen Einfallsreichtum auf, der sich ohne weiteres mit Schubert messen kann. Nein, „Schlichtheit“ meint die grundsätzliche Orientierung des Komponisten an der Sanglichkeit der melodischen Linie. Auch darin erinnert mich Loewe an Schubert!


    Hart weist zu Recht auf folgendes hin (Zitat): „Loewe war ganz nahe bei seinem Publikum; er durfte kein "Langweiler" sein!“ Man weiß zum Beispiel, dass er auf Wunsch des Fürsten Radziwill in Berlin Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“ improvisiert hat.


    Hier zeigt sich im übrigen eine weitere Fähigkeit Loewes, die ihn in die Nähe Schuberts rückt: Die sorgfältige Wahrung des auf die Struktur des lyrischen Textes gerichteten deklamatorischen Prinzips. Seine Deklamation erinnert tatsächlich sehr oft an Schubert!


    Worin Loewe als Balladenkomponist unübertrefflich ist, das nannte ich seine Fähigkeit zu szenisch-imaginativem Denken. Er verfügt wie kein zweiter über die Gabe, sich in die einzelnen und Situationen eines Balladengeschehens hineinzuversetzen und das, was sich da ereignet oder was an dialogischem Geschehen dichterisch gestaltet wird, mit den Mittel der Musik abzubilden, auszuleuchten und zu deuten.


    Die Fülle der musikalischen Mittel, die er dabei einsetzt, reicht von Tonartenkontrasten und motivischer Variation bis hin zum Einsatz tonmalerischer Mittel im Klaviersatz. Nicht ohne Grund hatte ich auf die Ballade „Der Nöck“ verwiesen. Hier nämlich kann man den ganzen Reichtum an kompositorischen Mitteln, über die Loewe verfügt, und den Einfallsreichtum, wie er damit umgeht, ganz besonders gut beobachten.


    Ich hatte in diesem Zusammenhang auf die musikalische Gestaltung der zweiten Strophe verwiesen (willkürlich herausgegriffenes Beispiel):


    „O Nöck, was hilft das Singen dein?
    Du kannst ja doch nicht selig sein!
    Was soll dein Singen taugen?“
    Der Nöck erhebt die Augen,
    Sieht an die Kleinen
    Beginnt zu weinen …
    Und senkt sich in die Flut hinein.


    Die Ansprache an den Nöck erfolgt in Form einer deklamierenden, in einfachen auf- und absteigenden Tonschritten verlaufenden melodischen Linie. Sie wird von einer Klavierbegleitung getragen, die fast signalartig das, was da gesagt wird, akzentuiert.


    Mit dem vierten Vers ändert sich der Grundton der Melodik: Auf einem Ton wird deklamiert, und die musikalische Phrase wird so in die Länge gezogen, dass der Hörer gebannt zu lauschen beginnt, was jetzt wohl geschehen wird. Eine ansteigende Sekunde in der melodischen Linie verstärkt diese Haltung.


    Danach fällt die melodische Linie ab, und zwar Vers für Vers. Das Klavier verfällt in Moll-Harmonien. Das Weinen des Nöcks wird musikalisch artikuliert. Mit einer großen, in Stufen fallenden melodischen Linie, die wiederum stark gedehnt ist, wird das Sich-in die Flut-Senken musikalisch sinnfällig gemacht.


    Man kann an der musikalischen Faktur dieser Ballade erkennen, mit welchem Reichtum an kompositorischen Mitteln Loewe eine Szene der Ballade musikalisch zu gestalten vermag. Es findet sich in ihr sowohl die sich eng an die dialogische Struktur des Textes anlehnende Deklamation („O Nöck was hilft das Singen dein?“ oder: „Komm wieder Nöck, du singst so schön“) als auch das von der italienischen Oper inspirierte Melos weit ausgreifender Kantabilität.


    Als Beispiel für den melodischen Reichtum, der sich im Balladenwerk Loewes findet, sei hier, am Beispiel des „Nöck“, auf die sich über sechs Takte regelrecht verströmenden Melismen in dem Vers „Er singt bis in die Sternennacht“ verwiesen.


    Wenn es um die Frage geht, ob und in welchem Umfang und in welcher Weise Loewe dem lyrischen Text „etwas hinzugefügt“ hat, dann ließe sich am Beispiel der Ballade „Der Nöck“ mit gutem Grund feststellen: Er hat es sehr wohl! Das szenisch-imaginative Potential dieses Komponisten kommt hier zu voller Entfaltung, etwa in der Szene:


    Da rauscht und braust der Wasserfall,
    Hoch fliegt hinauf die Nachtigall,
    Die Bäume heben mächtig
    Die Gipfel grün und prächtig.


    Man wird hier durch die Musik regelrecht in das szenische Geschehen hineingezogen!

  • Hier zeigt sich im übrigen eine weitere Fähigkeit Loewes, die ihn in die Nähe Schuberts rückt: Die sorgfältige Wahrung des auf die Struktur des lyrischen Textes gerichteten deklamatorischen Prinzips. Seine Deklamation erinnert tatsächlich sehr oft an Schubert!


    Zitat aus dem Buch Carl Loewes Goethe-Vertonungen von Hsiao-Yun Kung:


    In einem Brief an seine Frau berichtet er (Loewe) über seine Balladenabende, die er bei einem längeren Aufenthalt (im August) 1844 in Wien gab, dass die Wiener "bei meinen Sachen wie in einem Zauberkreis gebannt wären" und "Setzen mich über ihre besten Sänger, über ihren besten Schubert". Diese hohe Wertschätzung kam vermutlich aus seiner hinreißenden Vortragskunst.


    Dieses Eigenzeugnis klingt durchaus glaubhaft, schade, dass die damals noch keine DVDs hergestellt haben ...

  • Es ist schön, dass hart hier aus der kleinen Schrift von Hsiao-Yun Kung (Carl Loewes Goethe-Vertonungen, Tectum Verlag 2003) zitiert. Ich habe mich darüber gefreut und einen Augenblick lang erwogen, zu diesem Thema einen eigenen Thread einzurichten, denn hier geht es um Fragen, die den Liedfreund interessieren dürften.


    Loewe gehört ja eher der Schule Reichardts und Zelters an, und man geht davon aus, dass er in der Hauptzeit seines Lied- und Balladenschaffens Schuberts Namen gar nicht gekannt hat. Dennoch kann man, wie ich versuchte darzustellen, sowohl in der Melodik Loewes als auch in der Handhabung des deklamatorischen Prinzips eine gewisse Nähe zu Schubert erkennen. Auf der anderen Seite geht er im Umgang mit der Lyrik Goethes ganz eigene Wege. Die Ergebnisse sind diskutabel! Ich hatte mich an anderer Stelle, sehr zum Ärger harts, einmal kritisch über Loewes Goethe-Lieder geäußert, sehe dies heute aber etwas differenzierter.


    Die Idee mit dem Thread habe ich gleich wieder verworfen, - wie überhaupt alle Ideen bezüglich der Einrichtung von Threads zu interessanten Themen. Nach meinen jünsten Erfahrungen im Thread "Die Winterreise in liedanalytischer Betrachtung" glaube ich nicht mehr daran, dass hier im Forum eine ruhige, von sachbezogener Diskussion getragene und begleitete Erörterung eines Themas in Sachen Lied möglich ist. Hier fühlt sich anscheinend eher der streitsüchtige Rechthaber wohl. Mit Sachargumenten, die sich sogar noch ausdrücklich auf die musikwissenschaftliche Fachliteratur stützen, darf man dem nicht kommen. Jede Menge Ärger kann man sich da einhandeln.


    Sinnvoller ist es wahrscheinlich - und dem Konzept eines Internetforums eher angemessen -, sich am Prinzip des "Postens" zu orientieren. Mal in diesem, mal in jenem Thread zu "posten", was einem eben so gerade in den Sinn kommt, - das macht keine große Mühe, erfordert kein sorgfältiges, zeitaufwendiges Arbeiten an einer Sache, und vor allem erspart es einem Ärger.

  • Nach meinen jünsten Erfahrungen im Thread "Die Winterreise in liedanalytischer Betrachtung" glaube ich nicht mehr daran, dass hier im Forum eine ruhige, von sachbezogener Diskussion getragene und begleitete Erörterung eines Themas in Sachen Lied möglich ist. Hier fühlt sich anscheinend eher der streitsüchtige Rechthaber wohl. Mit Sachargumenten, die sich sogar noch ausdrücklich auf die musikwissenschaftliche Fachliteratur stützen, darf man dem nicht kommen. Jede Menge Ärger kann man sich da einhandeln.


    Lieber Helmut,


    ich habe heute in aller Ruhe die zweite Hälfte dieses Winterreise-threads noch einmal durchgelesen und finde, daß Du uns allen sehr unrecht tust.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Farinelli stellt fest:


    "...ich habe heute in aller Ruhe die zweite Hälfte dieses Winterreise-threads noch einmal durchgelesen und finde, daß Du uns allen sehr unrecht tust."


    Die starke Mäßigung, die aus dieser Reaktion auf meine durchaus scharfe Kritik spricht, beschämt mich. Ich bitte aber zu bedenken, dass diese Kritik sich ausdrücklich auf zurückliegende subjektive Erfahrungen in diesem Thread (und im übrigen auch im Parallelthread zur "Winterreise") bezieht. Das soll jetzt nicht mehr aufgewärmt werden. Aber verletzend waren diese Erfahrungen schon, und ich sah mich genötigt, aus diesem Grund diesen Thread zu verlassen.


    Meine Kritik bezog sich nicht auf das, was zur zweiten Hälfte der "Winterreise" im einzelnen bislang ausgeführt wurde. Derlei stünde mir noch nicht einmal ansatzweise zu! Diesbezüglich kann ich also eigentlich niemandem "unrecht getan" haben.

  • Eine wunderschöne Ballade ist für mich das "Loreleylied. Text von Heinrich Heine, vertont von Fr. Silcher.





    Ich weiß nicht was soll es bedeuten
    Daß ich so traurig bin;
    Ein Märchen aus alten Zeiten,
    Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

    Die Luft ist kühl und es dunkelt,
    Und ruhig fließt der Rhein;
    Der Gipfel des Berges funkelt
    Im Abendsonnenschein.


    Die schönste Jungfrau sitzet
    Dort oben wunderbar,
    Ihr goldenes Geschmeide blitzet,
    Sie kämmt ihr goldenes Haar.

    Sie kämmt es mit goldenem Kamme
    Und singt ein Lied dabey;
    Das hat eine wundersame,
    Gewaltige Melodei.


    Den Schiffer, im kleinen Schiffe,
    Ergreift es mit wildem Weh;
    Er schaut nicht die Felsenriffe,
    Er schaut nur hinauf in die Höh´.

    Ich glaube, die Wellen verschlingen
    Am Ende Schiffer und Kahn;
    Und das hat mit ihrem Singen
    Die Lore-Ley getan.



    Heinrich Heine, 1823









    Ich habe es von einigen hervorragenden Sängern gesungen. U. A. Franz Völker, Karl Schmidt-Walter und Heinrich Schlusnus.










    Heinrich, Heine: Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, Herausgegeben. vom Manfred Windfuhr, Bd. I/2: Buch der Lieder. Text, bearbeitet von Pierre Grappin, Hamburg 1975, S206-208)




    Geschichten und Bilder rund um die Loreley


    Loreley Online, Stand: 04-11-2003, Dipl. Ing. (FH) Rudolf Reckenthäler

    W.S.

  • Nach dem doch sehr bekannten Loreley-Lied, möchte ich als Kontrast ein Lied vorstellen, das relativ selten vorgetragen wird, mir sind nur Aufnahmen von Ivar Andresen, Josef Greindl und Dietrich Fischer-Dieskau bekannt.
    Wer das Lied anhören möchte - bei YouTube ist es zumindest in einer historischen Aufnahme verfügbar.
    Der Dichter Heinrich Fitzau hat offenbar in seinem Gedicht eine wahre Begebenheit geschildert und Carl Loewe hat diesen Text dann noch für seine Zwecke modifiziert. Bei dem besorgten Vater handelt es sich wohl um den "Alten Dessauer", dessen Beiname lautete:"alter Schnurrbart".


    Der alte, sieggewohnte Haudegen kommt als Bittsteller und ist ungewohnt unsicher ("doch mein´ ist nicht studieret, mit schönem Klang und Falle"). Bei diesem Lied kommt es sehr auf die Interpretation an; diese Geschichte muss nicht nur schön gesungen, sondern auch gut erzählt werden. Offenbar fühlte sich der Feldherr fast auf Augenhöhe mit Gott, sonst wären ihm diese Schlussworte wohl nicht entfahren ...


    Der selt´ne Beter


    Im Abendgolde glänzet zu Bärenburg das Schloss,
    da hällt ein alter Schnurrbart mit seinem Kriegertross.
    Der Feldherr steigt vom Rosse, tritt in sein Schloss hinein.
    Man sagt, er hätt' gezittert. Weiss nicht, wohl könnt' es sein.


    Im Sterben liegt die Tochter, die er geliebt vor Allen,
    sie kann mit bleichen Lippen kaum
    noch »mein Vater« lallen.
    Sichtbar beweget faßt er die todeswelke Hand,
    dann hat er still und schweigend zum Garten sich gewandt,


    am abgeschiednen Orte, da will er einsam beten,
    will mit gebeugten Knieen vor Gott, den Vater treten:
    »Du alter Feldherr droben, der größ're Heer führt,
    als ich in meinem Leben zusammen kommandiert,
    viel Schufte kommen vor dich mit feinem Rednerschwalle,
    doch mein' ist nicht studiert
    mit schönen Klang und Falle.


    Im Sturme von Torino, im Kesseldorfer Drange
    bin ich dir nicht gekommen, heut' ist mir gar zu bange;
    du aber, du verstehest, was Vaterschmerzen sind,
    komm' auch so bald nicht wieder!
    Lass mir mein liebes Kind.«


    Nun schreitet er zum Schlosse, vom Glauben aufgerichtet.
    Die Tochter ist verschieden, da steht er wie vernichtet!
    Man sagt, es sei ihm murmelnd noch dieses Wort entfahren:
    »wär' Gott zu mir gekommen, wär' nicht so hart verfahren.«

  • Das Gedicht von Ignaz Heinrich von Wessenberg ist ein sprachlich anspruchsloser lyrischer Text, der naive Frömmigkeit atmet. Sein Verfasser lebte von 1774 bis 1860 und war Generalvikar des Bistums Konstanz, der neben seinem kirchlichen Amt auch „poetisierte“. Die Grundaussage des Gedichts speist dich aus dem franziskanischen Verständnis von Natur als einer Schöpfung Gottes und der daraus sich ergebenden Brüderlichkeit aller Wesen. Ein wenig klingt auch die franziskanische Geringschätzung des Wortes durch, das zu einer Sperre vor der unmittelbaren Begegnung mit Gott in der Schöpfung zu werden vermag.


    Franziskus einst, der Heil´ge, saß
    Vor seiner Zell´ und Psalmen las.
    Der Abend durch die Wipfel glüht,
    Als durch der Dämmrung Stille
    Mit hellem Flügelschlag ihr Lied
    Ertönen lässt die Grille.


    Gott preist das Grillchen für den Tau,
    Der es erquickt auf grüner Au.
    Der Heil´ge schlägt den Psalter zu,
    Denn schöner wollt´s ihm scheinen,
    Ruf´ ihm das fromme Grillchen zu:
    „Wie groß ist Gott im Kleinen!“


    Es ist durchaus davon auszugehen, dass Loewe sich von dem naiven Grundton des lyrischen Textes, hinter dem freilich eine komplexe Theologie steckt, unmittelbar angesprochen fühlte, stellt er sich doch selbst in seiner postum veröffentlichten Autobiographie als einen Menschen dar, der sich bei allem Kunstverständnis doch eine urtümliche Form von Naivität bewahren konnte.


    Das Lied zeigt Loewes ganze Meisterschaft im kompositorischen Umgang mit Texten, die in ihrer Grundstruktur episch geprägt sind. Mit explizit lyrischen Texten hatte er zwar so seine Schwierigkeiten, wie man an seinen Liedern auf Goethe-Gedichte beobachten kann, aber den sprachlichen Balladen-Ton traf er wie kein zweiter.


    Hier kann man das an der Art und Weise erkennen, wie er, von den Erfordernissen einer musikalischen Strukturierung her denkend, sich souverän über die vorgefundene Textstruktur hinwegsetzt und gleichwohl deren dichterische Aussage voll erfasst. Er schafft in seinem Lied völlig neue Sinneinheiten, aber man empfindet die als uneingeschränkt textgemäß. Vielleicht, so denke ich, liegt darin die wahre Größe des Balladen-Komponisten Loewe.


    Da er zunächst eine Art epische Exposition schaffen muss, legt er auf die beiden ersten Verse eine Melodiezeile, die zwar in sich geschlossen ist, aber auf der Terz endet, so dass sie für die nächste Zeile offen bleibt. Das kurze Klaviervorspiel besteht aus einer einfachen melodischen Linie im Diskant mit stützenden Akkorden im Bass, und sie erinnert ein wenig an ein Orgelpräludium.


    Der Vers „Der Abend durch die Wipfel glüht“ steht an sich in einer syntaktischen Verbindung mit den folgenden Versen, Loewe löst ihn aber davon ab und macht daraus eine eigene musikalische Sinneinheit, die die musikalische Exposition des Liedes gleichsam abschließt. Danach folgt ein Klavierzwischenspiel, bei dem im Diskant eine trillernde musikalische Figur erklingt, die wohl den Gesang der Grille nachbilden soll.


    Mit dem Vers „Als durch der Dämmrung Stille…“ setzt eine neue melodische Linie ein, die bis zum Strophenende reicht und in einer Aufgipfelung mit eingelagerte Melismen über dem Wort „Grille“ endet. Daran schließt wieder das schon bekannte Zwischenspiel mir Grillen-Gesang-Anklängen an.


    Die melodische Linie, die auf den Versen der zweiten Strophe liegt, ist von einer für Loewe ganz typischen Sanglichkeit: Eine einfache, auf der Quinte ansetzende und in Sekundschritten fallende Linie, die erst einmal auf der Tonika endet, um sich dann von dort wieder, ebenfalls ein einfachen Tonschritten, auf den Schlussvers, die zentrale Aussage des Gedichts, hinzubewegen.


    Dieser Vers (Wie groß ist Gott im Kleinen“) weist einen fast sakralen Klang auf: Ruhige Tonschritte, zunächst eine fallende Quinte, danach eine fallende Sexte, und anschließend eine schrittweise ansteigende melodische Linie die zunächst zur Oktave reicht, dann aber sich bis zur darüberliegenden Terz steigert, wo sie mit dem Wort „Gott“ ihren Gipfelpunkt erreicht hat. Das nachfolgende Abfallen dieser Linie wirkt wie ein großes, auf den Lobpreis Gottes folgendes Ausatmen.


    Eine in ihrer musikalischen Faktur schlichte kleine Ballade ist das. Aber wie das so oft bei Loewe ist: Sie stellt ein musikalisches Gebilde da, das wie ein Körper ganz organisch aus dem sprachlichen Text erwachsen zu sein scheint. Ich höre sie überaus gerne!

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  • Ich bitte um Vergebung, wenn ich, der sich nur selten hier zu Worte meldet, auf lagen Zurückliegendes antwortet, und die neuesten Beitrage scheinbar ignoriert, aber es gibt eben Dinge die mir am Herzen liegen - auch wenn sie schon vor langer Zeit hier bespeochen wurden.


    Zitat

    Hier scheine ich mich missverständlich ausgedrückt zu haben: Ich habe mir angehört, wie Ernst Ginsberg die Ballade "Hochzeitlied" rezitiert, um zu hören, wie Goethes Sprache klingt, wenn sie ein exzellenter Schauspieler in all ihren klanglichen und rhythmischen Feinheiten zur Entfaltung kommen lässt.


    Das war mir schon klar. Was mein Statement hingegen ausdrücken sollte, war, daß ich glaube, daß ein Sprechschauspieler. der eine prägende Vertonung eines Gedichtes auch nur EINMAL gehört hat, von dieser Vertonung derart beeinflusst ist, daß er die Musik UNBEWUSST immer wieder in seine Sprachmelodie einfliessen lassen wird. Er hat quasi seine Unschuld verloren.
    Und damit ist der Vergleich "gesprochense Gedicht" versus Gesang schon kaum mehr möglich...(?)


    Zu Loewes Ruf als "biederer" Komponist - der hier pflichte ich bei - zu Unrecht besteht muß man sich die Frage stellen, wie es überhaupt dazu kam. Ich vermute, daß hier gewisse Interpretationen nicht ganz unschuldig waren, die ein wenig nach behaglicher "Gartenlaube" klangen. Man hörte die Balladen gern, weil sie so klangschön harmonisch angelegt sind. Neuere Interpretationen sind teilweise jedoch dergestalt, daß einem der kalte Schauer über den Rücken herunterrieselt....
    Und hier ist dann von "bieder" keine Rede mehr....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Nachtrag zu dem Beitrag von Alfred Schmidt möchte ich anmerken:


    Wie wenig der Begriff "Biederkeit" dem Balladenkomponisten Carl Loewe angemessen ist, das kann man erleben, wenn man die letzten beiden hier vorgestellten Balladen hintereinander hört:


    Im einen Fall, bei "Der selt´ne Beter", eine große szenisch-dramatische Gestaltungskraft, im anderen, bei "Der heilige Franziskus", großes lyrisches Einfühlungsvermögen.


    Und in beiden Fällen die kompositorische Kompetenz, dieses auch in überzeugender Weise musikalisch zum Ausdruck zu bringen.

  • Beim Lesen des Kommentars, den hart der Ballade "Der selt´ne Beter" vorangestellt hat, findet sich wie beiläufig die Feststellung: "Bei diesem Lied kommt es sehr auf die Interpretation an; "


    Das ist volkommen zutreffend, und es erklärt sich aus dieser schon erwähnten Fähigkeit Loewes, sich in szenische Situationen einzufühlen und sie in Musik umzusetzen. Als Beispiel verweise ich nur auf die Stelle: "Man sagt, er hätt gezittert. Weiß nicht, wohl könnt es sein".


    Diese Stelle ist von großartiger dramatischer Innenspannung. Und es bedarf wahrlich eines großen Interpreten, damit man die auch hört. Ich kenne das Lied gesungen von Fischer Dieskau (mit H. Höll), und da hört man von Anfang bis Ende gefesselt zu.

  • Wenn´s hier auch um die eigentliche Ballade geht, so sollte man die Sänger nicht darüber vergessen, vor allem nicht die guten. Ich vermisse da schmerzlich einen teuren Namen: Donald Bell. Leider besitze ich selbst nur eine einzige Platte (ja doch, Platte) mit ihm, aber die ist ein Juwel.
    Serenade heisst die und ist von 1961 (glaube ich jedenfalls).


    Der Titel: Donald Bell sings Schubert and Loewe, John Wustman, Pianist.


    Von Schubert dabei :
    Heliopolis, Ständchen, Im Frühling, An Schwager Kronos, Lied eines Schiffers an die Dioskuren, Aufenthalt, Der Atlas.


    Von Loewe:
    Herr Olof, Süsses Begräbnis, Der Nöck, Hochzeitslied.


    Sicher ist Dieskau einer der bedeutensten Liedinterpreten aller Zeiten und nach Meining vieler, eben DER Interpret und trotzdem, es gibt keinen Sänger des Nöck, der mich mehr berührt. Ob es am Ausdruck, an der Klangfarbe oder an der Begleitung liegt, ich weiss es nicht.
    Eines möchte ich jedoch hervorheben, die natürliche Frische und ungekünstelte Einfachheit des Vortrags. Bei Hans Hotter geht´s mir ebenso. Ist es möglicherweise eine Flucht vor der Perfektion?


    Kennt jemand noch andere Bell-Aufnahmen?

  • Nur ein kleiner Hinweis: Aus USA wird diese LP aktuell bei Amazon für 13,76 angeboten. Leider kann ich zu diesem Sänger auch nichts sagen, denn ich habe diesen Namen hier zum erstenmal gelesen. Aber was das Stück Der Nöck betrifft, möchte ich auf die Aufnahmen von Josef Greindl und Karl Ridderbusch hinweisen.

  • Bester Meister Hart,


    den Greindl-Nöck kenne ich leider nicht, wohl aber den des Ridderbusch, wenn Sie den mit Richard Trimborn meinen. Bin gerade am Vergleichen. Ja, Ridderbusch ist ein großartiger Sänger, aber gerade beim Nöck ziehe ich Bell vor.
    Bell singt nicht nur den Nöck, er ist der Nöck! Man glaubt ihm jedes Wort.
    Bei Ridderbusch mißfällt mir vor allem die etwas gehetzte Einleitung. Muss das so schnell gehen? Das Paar Wustman-Bell findet eben gerade ´mein´ Tempo. Aber auch vom Nuancenreichtum der Bell-Stimme bin ich mehr angetan.
    Aber kein böses Wort über Ridderbusch, beim Meeresleuchten (erinnert sogar etwas an den Nöck) hat er´s gar nicht mehr so eilig.


    Grüße aus Stockhol


    Hans

  • Zit. hami1799: "Bell singt nicht nur den Nöck, er ist der Nöck! Man glaubt ihm jedes Wort."


    Das verstehe ich jetzt nicht. Soll das ein Merkmal für eine gute, das heißt werkgerechte Interpretation dieser Ballade sein?


    "Der Nöck" lebt, wie jede Ballade, aus der epischen Distanz, die sie vom dichterischen Text her bezieht. Der Sänger begegnet dem "Nöck" aus der imaginativen Distanz zu diesem. Ein Interpret, der diese nicht wahrt und es nicht versteht, sich aus dieser Grundhaltung heraus in die unterschiedlichen epischen Situationen zu versetzen, kann eigentlich der Ballade sängerisch nicht gerecht werden.

  • Zitat


    Bell singt nicht nur den Nöck, er ist der Nöck! Man glaubt ihm jedes Wort.


    Lieber hami,
    leider habe ich diesen Herrn Bell noch nicht singen hören, aber ich glaube zu verstehen, was Du ausdrücken möchtest. Gerade der Nöck braucht "einen Sänger", damit das Ganze stimmt. Helmut Hofmann hat hier eine andere Sicht, aber das macht so ein Forum ja auch lebendig.


    Grundsätzlich sage ich hier in der Öffentlichkeit nichts Schlechtes über einen Sänger, sonst würde ich ein Vergleichshören anregen. Da ist ein bekannter Name, dessen Winterreise ich zum Beispiel hoch einschätze - sein Nöck ist ihm (aus meiner Sicht) "misslungen", es bereitet mir keine Freude zuzuhören, weil ich andere Interpretationen im Kopf habe. Aber darf man sich überhaupt daran freuen?

  • Hallo Rheingold,




    Bell ist 1934 in British Columbia, Kanada geboren.


    Sein Deutsch ist bemerkenswert, es ist ja leider nicht jedem gegeben, akzepabel in einer fremden Sprache zu singen zu können.


    Ein abschreckendes Beispiel dafür gab neulich Villazón, der es sich nicht nehmen ließ, in Anwesenheit der Netrebko die Arie ´Kuda, kuda wy udalilis´ auf russisch zu singen.


    Das war geradezu fürchterlich. Dass die Netrebko dabei ernst bleiben konnte, spricht für ihre schauspielerische Begabung.


    Hier die CBS-LP mit dem Titel ´Serenade´. Donald Bell sings Schubert and Loewe, John Wustman, Pianist.


    Jahr ? Vermutlich 1960-62. Zwei Nummern auf dem Umschlag: BRG72076 und ML5743. Weiß nicht, was soll es bedeuten.



    Von Schubert dabei :
    Heliopolis, Ständchen, Im Frühling, An Schwager Kronos, Lied eines Schiffers an die Dioskuren, Aufenthalt, Der Atlas.


    Von Loewe:
    Herr Olof, Süsses Begräbnis, Der Nöck, Hochzeitslied.




    Viele Grüße


    hami


  • Bell ist 1934 in British Columbia, Kanada geboren.


    Ich glaube, den kennt hier jeder. Schließlich hat er seit 1958 jedes Jahr in Bayreuth gesungen. Studiert hat er mehrere Jahre in Berlin (bei Weißenborn). Daher die deutschen Sprachkenntnisse. In der Sammlung meiner Beethoven-9-Sinfonien ist er auch vertreten:



    Donald Bell hat viele Jahre (ab 1964) an der Düsseldorfer Rheinoper gesungen, z.B. Don Giovanni, Conte Almaviva, Wolfram, Amfortas, Kurwenal, und Charles Gounod’s Méphistophélès.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Mag ja sein, dass diesen Donald Bell jeder kennt. Ich gehöre leider nicht dazu. Aber in diesem Thread geht es ja auch nicht um Sänger, sondern um Balladen. Und wenn überhaupt um Sänger, dann allenfalls um die Art und Weise, wie sie interpretierend der Ballade gerecht werden.


    Deshalb möchte ich möchte noch einmal auf die Feststellung zurückkommen, zu der ich schon einmal Kommentar gegeben habe. Es ist diese Bemerkung von hami1799:
    „Bell singt nicht nur den Nöck, er ist der Nöck! Man glaubt ihm jedes Wort.“

    Hart meint dazu:
    "...ich glaube zu verstehen, was Du ausdrücken möchtest. Gerade der Nöck braucht "einen Sänger", damit das Ganze stimmt."


    Und das verstehe ich nun meinerseits wieder gar nicht. Bei August Kopischs „Der Nöck“ handelt es sich um eine Ballade, ein episches Werk also. Es wird eine Geschichte erzählt, aus der Perspektive eines Erzählers also berichtet von der Begegnung von Kindern mit einem mythischen Naturwesen. Die einzigen, die in dieser Ballade sprechen, sind eben diese „Kleinen“ („Komm wieder Nöck, du singst so schön…“). Der Nöck selbst singt nicht, es wird nur von der Wirkung seines Singens berichtet.


    Loewe hat – und das ist ja seine Stärke – diese Ballade in ihrem ganz eigenen balladesken Ton in ein Lied verwandelt. Die Musik greift die lyrischen Bilder auf, und sie reflektiert auch die wörtliche Rede der „Kleinen“. Sie reflektiert nicht das „Singen“ des Nöcks, sondern dessen Wirkung auf die Natur ringsum: „Der Wald erbebet, / Die Sonn` entschwebet … / Er singt bis in die Sternennacht!“


    Ein Sänger hat sich bei der Interpretation der Ballade in eben diese einzelnen episch-lyrischen und „dialogischen“ Szenen zu versetzen. In keinem Fall aber in den Nöck selbst, denn der äußert sich selbst ja gar nicht. Insofern macht er, wenn er als Sänger der Nöck "ist", interpretatorisch etwas falsch.

  • Der Nöck selbst singt nicht, es wird nur von der Wirkung seines Singens berichtet.


    Diesem Einwand kann man natürlich nichts entgegenhalten. Ich habe mich da auch nicht korrekt ausgedrückt.


    Die Ballade erzeugt in mir jedoch nicht nur die Bilder der Natur sondern auch die Illusion des singenden Nöck und der dazugehörigen seelischen Vorgänge.


    Ich weiß nun nicht, mit welchen stimmlichen Mitteln ein Sänger dieser Loewe-Ballade konkret die von Dir geforderte epische Distanz erreichen könnte.
    Wie würde sich denn diese Interpretation von der vorigen unterscheiden?
    Und wäre dieser Unterschied dann vom Hörer korrekt zu identifizieren?


    Das Wunderbare an Loewes Balladen ist jedenfalls, dass sie auch jene verzaubern können, denen die formalen Erfordernisse der Interpretation unbekannt sind.

  • Zunächst einmal: Der Feststellung "Das Wunderbare an Loewes Balladen ist jedenfalls, dass sie auch jene verzaubern können, denen die formalen Erfordernisse der Interpretation unbekannt sind." (Zit. hami 1799) ist uneingeschränkt zuzustimmen.


    Mit welchen stimmlichen Mitteln ein Sänger die einer Ballade eigene epische Distanz interpretatorisch umsetzen kann, das kann ein Laie natürlich nicht wissen. Unsereiner kann sich nur Gedanken darüber machen, die er aus der musikalischen Faktur herleitet. Grundsätzlich würde ich sagen: Der szenischen Vielfalt, wie sie für die Ballade typisch ist, müsste mit einer möglichst differenzierten Interpretation entsprochen werden. Aus einer einzigen Haltung heraus zu interpretieren - und das war ja mein Einwand - , würde dem musikalischen Werk nicht gerecht werden.


    Bei "Der Nöck" besteht diese "szenische Vielfalt" im Nebeneinander von erzählenden und schildernen Passagen und solchen, in denen wörtliche Rede enthalten ist. Am Anfang weist die melodische Linie zum Beispiel sehr viel Emphhase auf (hörbar bei dem Wort "Harfenschall"), dann aber, bei den letzten Versen der ersten Strophe, tritt eine gewisse Innigkeit in die Vokallinie, die ihre Dynamik zurücknehmen muss, zumal sie sogar eine lange - von Loewe durchaus "lieblich" gemeinte - Dehnung aufweist. Dem müsste in einer Interpretation Rechnung getragen werden. Und genauso sollte hörbar werden, dass in der nächsten Strophe Kinder den Nöck ansprechen. Das erfodert einen gänzlich anderen sängerischen "Ton".


    Wie gesagt: Das sind Gedanken eines Laien, mit denen er auf die Fragen des vorigen Beitrags zu anworten versucht.

  • Lieber Helmut,


    vielen Dank für Deine aufschlußreichen Erläuterungen.


    Ich werde als Nächstes mir alle meine Nöck-Interpreten mit den Gedanken an Deine Hinweise vornehmen.

  • Wenn ich Dir dazu einen Tipp geben darf, lieber hami:


    Die Interpretation von Dietrich-Fischer-Dieskau / Jörg Demus, die 1969 remastered auf CD erschienen ist. Und ich gebe auch eine Begründung. Dieses hochdifferenzierte Singen, von dem ich sprach, habe ich bei kenem anderen Interpreten bislang so gehört. Das "Komm wieder Nöck..." hat bei Fischer-Dieskau eine beschwörend-kindliche Anmut, - ganz dem Geist dieser Stelle gemäß!

  • Als absoluter Laie in Sachen Lied erlaube ich mir mal, meinen persönlichen Lieblings-Interpreten von Loewes Ballade vom "Nöck" zu nennen: Er heißt Ron Li-Paz.


    Ron Li-Paz stammt aus Haifa/Israel. Er ist kein eigentlicher Opernsänger - obwohl er das kann - sondern "Cantor" - also ein Synagogen-Sänger. Wie schon sein Vater Michael Li-Paz.
    Gehört habe ich den "Nöck" vor vielen Jahren auf einer "direct-to-disc-Platte". Eine Platte, die einen schon beim ersten Abspielen "vom Stuhl haut" - allein schon von der Klangtechnik!


    Leider habe ich das seither nie wieder gehört - ist wohl auch nie auf CD erschienen - aber hat einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Dieses hochdifferenzierte Singen, von dem ich sprach, habe ich bei kenem anderen Interpreten bislang so gehört. Das "Komm wieder Nöck..." hat bei Fischer-Dieskau eine beschwörend-kindliche Anmut, - ganz dem Geist dieser Stelle gemäß!


    Das war ja schon immer meine Auffassung! Text - Komposition - Interpretation (in der Regel Singstimme und Klavier) sind für die Gesamtqualität eines Kunstliedes von Bedeutung.


    Aber auch vor Dietrich Fischer-Dieskau wurden schon Loewe-Balladen gesungen, im Beitrag Nr.45 habe ich bereits auf den ausgezeichneten Liedinterpreten Josef Greindl hingewiesen und möchte dazu ergänzend noch auf eine Aufnahme mit Wilhelm Strienz aufmerksam machen (Raucheisen-Edition 9+10)

  • Die Interpretation ist wichtig! Gewiss ist sie das. Aber woran misst sich deren Qualität? Doch wohl an dem, was in den Noten steht!


    Wenn man auf diesen oder jenen Sänger hinweist, betont, dass er in Sachen Loewe ein bedeutender Interpret sei, dann wäre es schön, zu erfahren, woran man denn nun die Bedeutung dieses Interpreten erkenen kann. Mal abgesehen von den ganz persönlichen Vorlieben für diese oder jene Stimme.


    Ich möchte konkret werden. Es geht um den Aspekt "Differenzierung" bei der Interpretation. Im Falle von "Der Nöck" ist das ein ganz besonders wichtiger Aspekt, - aber nicht nur bei dieser Ballade, sondern bei vielen Balladen von Loewe.


    Jetzt also konkret: In der zweiten Strophe wird der Nöck angesprochen "O Nöck, was hilft das Singen dein? ..." Danach kommt die Stelle: "Der Nöck erhebt die Augen,/ieht an die Kleinen / Beginnt zu weinen..." Der Sänger muss auf diesen epischen Perspektivwechsel, den Loewe kompositorisch großartig aufgegriffen hat, reagieren.


    Ich habe mir alle mir verfügbaren Interpretationen in bezug auf diese exemplarische Stelle einmal angehört. Auch Josef Greindl und Wilhelm Strienz (mit Verlaub: indiskutabel!) waren darunter. Niemand ist diesem Perspektivwechsel sängerisch so gerecht geworden wie Dietrich Fischer-Dieskau.

  • Dem Gesagten ist nicht zu widersprechen! Aber über "meinen" Greindl (alte Jugendliebe) lass ich nichts kommen und gebe zu bedenken, dass Lieder vor Dietrich Fischer-Dieskau grundsätzlich anders gesungen wurden; in einem anderen Thread hat man dazu einiges geschrieben.

  • Gewiss, gewiss! Jeder hier hat so "seinen Greindl" oder "seinen Fischer-Dieskau". Und dass zwischen beiden - was den Liedgesang anbelangt - interpretatorische Welten liegen, - was wiederum nicht wertend gemeint ist - wurde auch hier im Forum schon sehr oft gesagt.

    Es geht hier in diesem Thread ja auch gar nicht um die Interpreten der Balladen, sondern um diese selbst, - und ihre Dichter und Komponisten. Die letzten Beiträge wichen von der thematischen Vorgabe des Threads ja dadurch ab, dass auf eine bestimmte Interpretation des "Nöck" durch einen bestimmten Bassbariton verwiesen wurde.


    Gleichwohl würde ich nicht sagen, dass die Diskussion, die sich um diesen Beitrag (von hami1799) rankte, wirklich "abwegig" war. Ganz im Gegenteil! Sie rückte nämlich eine Eigenart dieses Komponisten Loewe ins Bewusstsein: Die Tatsache, dass er - wie kaum ein anderer Balladenkomponist - die Eigenart einer Ballade, dass sie nämlich epische, lyrische und dramatische Elemente aufweist, in voll angemessener Weise in Musik zu setzen vermochte.


    Wenn es in einer Ballade dramatisch wird, wird es das auch in Loewes Musik. Wenn es lyrisch wird, nimmt seine Musik einen lyrischen Ton an, - zu hören im "Nöck" an den Stellen, wo die Wirkung seines Gesanges auf die Natur von Kopisch geschildert wird. Und wenn es "episch" wird, also ganz einfach nur erzählt wird, dann nimmt Loewes melodische Linie der Singstimme einen fast nüchternen Ton an, - in vielen Balladen zu vernehmen, so zum Beispiel in "Archibald Douglas".


    Und wirklich faszinierend "lieblich" kann er auch noch werden. So zum Beispiel auf eindrucksvolle Weise in "Süßes Begräbnis". Wobei ich mir bei diesem Lied nicht so ganz sicher bin, ob er da vielleicht nicht schon der süßen Lieblichkeit ein wenig zu viel getan hat. Hören tue ich´s freilich immer wieder gerne!

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