Zauberflöte in Hamburg

  • Habe kürzlich die Zauberflöte in der Hamburgischen Staatsoper besucht - mein bislang erster Besuch dieser Oper. Tamino ist dem Libretto nach ein hübscher junger Mann, um den sich die drei Damen förmlich reißen. Was mich nun ein wenig erstaunte, war, daß die Gestalt des Tamino in der Oper diesem Bild nicht so recht zu entsprechen schien. Der Sänger war eher eine - sagen wir: imposante Erscheinung, die meiner Meinung nach der Figur eines mächtigen Mannes besser entspräche als der eines holden Jünglings. Dazu hatte man als Kostüm für ihn eine Art Matrosenanzug mit kurzen Hosen, weißen Socken und weißen Schuhen gewählt, was dem Tamino eher das stereotype Aussehen eines Mallorca-Urlaubers verlieh. Bei den Kostümen der drei Damen dagegen fragte ich mich, ob man sich etwa von den Damen am Hamburger Kiez hatte inspirieren lassen. Auch die Schlange präsentierte ein wohlgeformtes, weibliches Hinterteil, das nur durch einen G-String bedeckt war. Kurzum, in der ersten halben Stunde hatte ich schon die Befürchtung, in einer Art ironisch-verfremdeten Opernaufführung gelandet zu sein. Es entwickelte sich aber doch irgendwie noch sehr positiv. Pamina war, passend zu ihrem Bräutigam, eher ein 'kräftiges' Mädchen in schwarzem Kleid und mit dickem, rotem Herz darauf. Papageno mit seinem charmanten österreichischen Akzent glänzte unter anderem auch durch sein lebendiges, fröhliches Schauspiel und seine kleinen tänzerischen Einlagen. Auch die Sklaven waren lustige Gesellen, die durch Hamburger Akzent und Sächseln Humor in die Oper hineinbrachten. Die Königin der Nacht hatte eine Stimme, die alle anderen in den Schatten stellte, und das, obwohl vorher angesagt wurde, daß sie erkältet war und man daher um Nachsicht bitte. Überhaupt war der Gesang einwandfrei und die großartigen Bühneneffekte (Licht, Rauch, Farben) waren m. E. eine tolle Ergänzung zum Musikgenuß.


    Die irritierende Kostümauswahl ist mir allerdings nach wie vor ein Rätsel. Ich weiß nicht, ob das einen Versuch darstellen soll, die Zauberflöte mal 'anders' dazustellen und etwas Abwechslung hineinzubringen? Oder wollte man hamburgisches Lokalkolorit mit hineinbringen? Mich würde mal interessieren, ob schon andere Teilnehmer ähnliche 'Überraschungen' erlebt haben.


    Hier ein paar Bilder, von denen das erste allerdings einen anderen Tamino darstellt:



    Die Besetzung am entsprechenden Abend ist hier nachlesbar:


    http://www.opus1classical.com/static/concert/31/2004-12-30/

  • Beate schrieb:


    Zitat

    Mich würde mal interessieren, ob schon andere Teilnehmer ähnliche 'Überraschungen' erlebt haben.


    Überraschungen ?


    Überraschungen sind das keine. Leider.


    Solche Inszenierungen (und Ausstattungen) sind heute mehr oder weniger der Normalfall. Mich kann das nicht mehr überraschen, weil ich nicht mehr in die Oper gehe seit man die Stücke so verfremdet.


    Die "normalen" Bühnebilder zur Zauberflöte, die man im Thread "Die Zauberflöte in Referenzaufnahmen" bewundern kann, wurden von mir mühsam zusammengesucht.


    Heutige Inszenierungen verlegen die "Zauberflöte" entweder in den Zirkus oder in ein "Badezimmer" (In Wien, wo man modernen Bühnenbildern jahrelang standhaft trotzte, schaut das Bühnenbild aus, wie ein weißgekacheltes Badezimmer).


    Wenn man dagegen seine Stimme erhebt, gilt man als verzopft, als "kultureller Kleingeist" und Schlimmeres.


    Immer wieder wird behauptet, Ausstattungen, die so seien, wie vorgeschriebn, seien kindisch oder kitschig, man brauche neue Ideen.


    Leider scheine diese Ideen aber keine Geistesblitze zu sein.


    Glücklicherweise habe ich die Zauberflöte in meiner Jugend noch mit Fritz Wunderlich als Tamino so sehen können , wie sie von Schikaneder gedacht war.....mit all dem Aufwand, den die Wiener Staatsoper damals zu bieten hatte...



    Freundliche Grüße aus Wien



    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallöchen,


    jetzt wird es für mich nicht ganz einfach,wollte eine Referenzaufnahme der Zauberflöte im Thread:
    Mozarts Zauberflöte in Referenzaufnahmen beschreiben, da sehe ich im Themenverzeichnis
    folgende zusätzliche Threads zur Zauberflöte:
    Die Zauberflöte - Ein Machwerk ?
    nun noch zusätzlich ein neuer Thread:
    Zauberflöte in Hamburg


    mir scheint, hier ist des Guten zuviel getan.... belasst es doch auf zwei Threads der Übersicht halber....
    Mein Beitrag aus dem Kieler Opernhaus zu Cosi fan tutte wurde von Dir Alfred wie folgt beantwortet:
    @Alfred
    Hallo Rekliov,


    Die Diskussion über Live-Opernaufführungen scheitert allein schon daran, daß die Teilnehmer über den gesamten deutschsprachigen Raum (und darüber hinaus) verstreut sind, somit also zuwenige Mitglieder bestimmte Einspielungen kennen dürften..........


    Bei CDs ist das naturgemäß anders


    Herzliche Grüße
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Hallo,


    Auch ich habe gesehen, daß es nun 3 Zauberflöten-Threads gibt.


    Normalerweise wird sowar tatsächlich von mit zusammengelegt.


    Aber in diesem Fall sehe ich keine Veranlassung, sind es doch 3 thematisch duch sehr unterschiedliche Ansätze:


    1) Vergleich von Tonaufzeichnungen


    2) Philosophische Betrachtungen zum Werk unter Berücksichtigung von historischen Gegebenheiten.


    3) Inszenierung und optische Aufbereitung.



    Das sind drei paar Schuhe, und das dürfen sie auch bleiben.


    Eventuell werde ich den Titel des Threads "Zauberflöte in Hamburg" noch ergänzen.



    Beste Grüße


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • @ Alfred


    Das müsste doch eigentlich ein eigener Thread werden - Inszenierungen und Co, Theaterästhetik und so weiter. Andererseits ist das Thema allüberall schon so oft diskutiert worden, dass ich eigentlich keine Lust mehr drauf habe :rolleyes:


    Naja, ok, es gäbe wichtigeres.....


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Sagitt meint:


    Ich sah diese Inscenierung am vorigen Samstag, mit anderen Sängern und einem anderen Dirigenten. Es schien mir so ein richtiger Abo-Samstag zu seuin, wenig inspierertes Dirigat, ein peinlich lauter Tamino, anhörbare Pamina und Königin der Nacht, munter drei Tölzer Sängerknaben,guter Sarastro.
    Die Inscenierung von Freyer- angeblich von 1982- dann wäre sie ja nicht taufrisch, lebt vor allem von den Bildern, das Stück wird kaum insceniert, und wenn dann eher die Papageno-Ebene.
    Würde man sich die Kartenpreise in DM vorstellen,könnte schon mal der Notarzt kommen !

  • Diese Inszenierung ist mittlerweile um oder über 20 Jahre alt! Ich habe sie 1988 gesehen und war begeistert! Sie zählt nach wie vor zu den beeindruckendsten Opernerlebnisse, die ich je hatte. Nun watr damals aber auch eine tolle Besetzung dabei: Kurt Streit als Tamino, Barbara Bonney als Pamina, Franz Grundheber als Sprecher und der hervorragende Urban Malmberg als Papageno. Letzterer hatte damals in Hamburg viel gesungen, war immer sehr gut, ist aber nie wirklich groß herausgekommen. Weiß jemand, was aus ihm geworden ist?


    Viel Spaß wünscht
    vitelozzo-tamare

  • Urban Malmberg singt noch: Im November 2006 ist er in Paris(Chatelet) zu sehen in "Faustus, the Last Night", im April/Mai 2007 in Lyon in "Eine florentinische Tragodie" und in "Luci mie traditrici". Man sieht: Er bewegt sich eher im Randbereich des Repertoires.


    Die Zauberflöten-Inszenierung kenne ich auch. So schlimm wie oben dargestellt, finde ich sie nicht. Aber es ist schon richtig, man sieht ihr das Alter an. Ich hatte mit der Besetzung übrigens ebenfalls Glück. Ich erinnere mich zwar an keinen einzigen Namen (ist ca. fünf Jahre her, müsste nachschauen), weiß aber noch genau, dass ich das Opernhaus in allerbester Laune verließ. Wie so oft bei Repertoire-Stücken: Manchmal hat man Glück, manchmal hat man Pech.


    Thomas

  • Der letzte Eintrag ist zwar schon lange her, aber die Premiere dieser Inszenierung ja auch. :D
    Ich saß damals in der Voraufführung und bevor Dohnanyi den Stab heben konnte, kamen die ersten Unmutsäußerungen. Darauf wandte er sich zum Publikum und sagte etwa: "Nun warten Sie's doch erstmal ab." Die Premierenbesetzung bot Moll als Sarastro, Rüdiger Wohlers (Hamburger Haustenor) als Tamino, Judith Blegen als Pamina und den köstlichen Mickael Melbye (Vornahme richtig geschrieben?) als Papageno und war ein Riesenerfolg. Die Inszenierung zählt immer noch zu den erfolgreichsten in Hamburg, auch wenn von der köstlichen Personenregie Freyers wohl kaum noch etwas übrig ist.


    Ich fand seine optischen Lösungen damals genial, die Zauberflöte als ein großes naives Volkstheater, aber immer auch wieder mit Tiefgang. Ob sie heute oich so wirkt, kann ich nicht sagen, ich habe sie sicherlich 10 Jahre nicht mehr gesehen, die Besetzungen waren mir einfach zu schlecht.


    :hello: Gustav

  • Rüdiger Wohlers (Jahrgang 1941) hatte zum erwähnten Zeitpunkt seine Sängerlaufbahn längst beendet. Er war in den 70/80er Jahren DER Mozarttenor in Stuttgart.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Zitat

    Original von Siegfried
    Rüdiger Wohlers (Jahrgang 1941) hatte zum erwähnten Zeitpunkt seine Sängerlaufbahn längst beendet. Er war in den 70/80er Jahren DER Mozarttenor in Stuttgart.


    :hello:


    Nee, nee. ;) Anfang der 80iger, als die Zauberflöte in Hamburg Premiere hatte, war er ja erst Mitte Vierzig. Ich erinnere mich an ihn als Tamino, Belmonte, Ferrando und an den Tenor in L'Ormindo (mindestens). Dass ich ihn zum Hamburger Haustenor gemacht habe, lag wohl daran ,dass sein Bruder zu der Zeit am Altonaer Theater in Hamburg Ensemblemitglied war. Da habe ich dann beide gleich zu Hanseaten gemacht.


    :hello: Gustav

  • Lieberr Gustav,


    was Rüdiger Wohlers betrifft, so habt ihr beide, Siegfried und Du, recht!


    Der gebürtige Hamburger war zwar seit 1974 an der Staatsoper von Stuttgart verpflichtet; durch Gastspielverträge war er den Staatsopern von Hamburg, München und Wien verbunden. Wobei seine Heimatstadt immer Priorität hatte!
    Heute lebt er in der Schweiz.


    Viele Grüße


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald, Danke für die zusätzlichen Infos.
    Ich staune immer wieder, du bist ja eine ganz schöne Bank!


    Schöne Weihnachten!


    :hello: Gustav

  • Meine Anmerkung bezog sich auf den Zeitraum Dez. 2004 / Jan. 2005, mit dem dieser Thread startet.


    Damals sang in HH der Tenor Martin Homrich die Partie des Tamino.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried