26.10.2012 (Staatsoper Hamburg) Giuseppe Verdi "Falstaff"

  • Falstaff : Roberto de Candia
    Alice Ford : Katja Pieweck
    Ford : Artur Rucinski
    Nannetta : Katerina Tretyakova
    Fenton : Dovlet Nurgeldiyev


    Philharmoniker Hamburg und Chor der Staatsoper Hamburg unter der musikalischen Leitung von Carlo Montanaro;
    Inszenierung und Bühnenbild Marco Arturo Marelli, Kostüme Dagmar Niefind-Marelli.


    (49.Vorstellung seit der Premiere am 15.06.1997)


    Wahrscheinlich läßt sich anhand von Aufführungsstatistiken belegen, das der Falstaff unter den populären Verdi-Opern die am wenigsten gespielte ist!? - Wenn es tatsächlich so ist, dürfte dies zum einen darin begründet sein, dass man zum Gelingen auf eine ausnehmend gute Ensemble-Leistung angewiesen ist und zum anderen, dass es sich (für den Ersthörer) um ein musikalisch erstaunlich komplexes und nachgerade un-verdisches Werk handelt. Es scheinen all die schönen und eingängigen Melodien und Arien, wie man sie aus dem Trovatore, dem Rigoletto, der Tarviata oder sogar dem Don carlos kennt, zu fehlen. Stattdessen finden sich in Giuseppe Verdis letzter, komischer Oper eher "sperrige" Dinge, wie ein Nonett oder eine (Schluss-)Fuge (in dessen musikalische "Falle" das Publikum auch prompt hineingetappt ist - doch dazu später).


    Glücklicherweise war an diesem Abend vor allem an der Leistung des Ensembles kaum etwas auszusetzen. Der für den erkrankten Andrzej Dobber eingesprungene Roberto de Candia verlieh der Titelpartie sowohl in ihrer komischen, als auch in ihrer tragischen Glaubwürdigkeit. Bei den Damen stach besonders Katja Pieweck mit leicht gebremster Dramatik hervor. Und auch D.Nurgeldiyevs Fenton konnte mich einmal mehr überzeugen. Etwas hart in der Stimme Mrs.Quickly gesungen von Larissa Diadkova, dafür umso zarter K.Tretyakova als Nanetta.


    Am Pult stand der Italiener Carlo Montanaro, welcher mich an der Staatsoper bereits mit einer Aida und einer Turandot erfreut hat. Für den Falstaff hätte ich mir allerdings manchmal (vor allem in 3ten Akt) etwas mehr "italienisches Feuer" gewünscht.


    Die Inszenierung Marco Arturo Marellis könnte insbesondere einigen Wienern hier bekannt sein: ist sie doch identisch mit dem Falstaff an der Wiener Staatsoper(Premiere 2003). Marelli beschränkt sich auf eine einfach gehaltene, quadratische Holzbühne, welche sich je nach Szene anhebt, um den Blick auf "die Unterwelt", d.h. Falstaffs ureigenstes Refugium, das Gasthaus zum Hosenband freizugeben. Am Schluss fällt erwartungsgemäß der rote Vorhang und der Titelheld hebt sozusagen außerhalb des (Welt-)Theaters zum "Tutto nel mondo è burla" an.


    Weniger erwartungsgemäß der verfrühte Schlussapplaus des anscheinend ob der "schweren Kost" erschlafften Abonnement-Publikums in der Generalpause vor Verdis/Falstaffs letztem "Tutti gabatti!". - Da fehlte wohl die Vorbereitung oder wenigstens der Ansatz eines musikalischen Verständnisses ...


    Falstaff im TMOO mit weiteren Links u.a. zum Tamino-Opernführer

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Milletre,
    Weikl hat den Falstaff in Kaiserslautern am PFalztheater inszeniert und ihn auch gesungen. Giibt es auch bei Amazon zu bestellen.


    Live from the Pfalztheater Kaiserslautern, 2010


    "Interpreten"
    Sir John Falstaff - Bernd Weikl
    Dr. Cajus - John Pickering
    Mrs. Alice Ford - Adelheid Fink
    Mrs. Meg Page - Wioletta Hebrowska
    Ford Carlos - Aguirre
    Nannetta - Arlette Meißner
    Fenton - Steffen Schantz
    Mrs. Quickly - Yanyu Guo
    Bardolfo - Marian Henze
    Pistola - Alexis Wagner


    "Musik"
    Orchestra and Chorus of the Pfalztheater Kaiserslautern
    Conductor: Uwe Sandner

  • Stattdessen finden sich in Giuseppe Verdis letzter, komischer Oper eher "sperrige" Dinge, wie ein Nonett oder eine (Schluss-)Fuge (in dessen musikalische "Falle" das Publikum auch prompt hineingetappt ist - doch dazu später).


    Hallo MSchenk,


    Verdis einzige komische Oper - es war sein Spätwerk - lässt vermuten, dass er in hohem Alter u. U. gemeint haben könnte, all zu viel Dramatik, Gefühlsaufruhr, Ausloten menschlicher Schicksale ist nicht der Weisheit letzter Schluß. Ich bin kein glühender Opernfreund, aber Falstaff gehört zu den wenigen Opern, die ich schätze. (Und beim "reverenza" habe ich einen Lachausbruch nur mühsam verhindert - es ist zu lustig, komisch im positiven Sinn, was die Damen da sängerisch und komödiantisch veranstaltet haben, als ich die Oper vor ??? Jahren sah und hörte.)


    LG
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich bin ("noch!") für jede Wissenserweiterung für mich dankbar - könntest Du diese Oper, die ich überhaupt nicht kenne, auch noch zeitlich in sein Opernschaffen einordnen - auch dafür danke.


    Gruß
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich bin ("noch!") für jede Wissenserweiterung für mich dankbar - könntest Du diese Oper, die ich überhaupt nicht kenne, auch noch zeitlich in sein Opernschaffen einordnen - auch dafür danke.


    Gruß
    zweiterbass


    Wenn ich kurz einspringen darf: Verdis erste Opera buffa Un giorno di regno (dt. König für einen Tag) (Wikipedia, zuletzt aufgerufen am 01.11.2012) hatte ihre Premiere 1840, also 53 Jahre (!) vor dem Falstaff. - Das Ganze war wohl eine ziemliche Katastrophe, was ebenfalls ein Grund dafür gewesen sein könnte, dass Verdi dieses "Genre" erst wieder in seiner letzten Oper betrachtete.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Wenn ich kurz einspringen darf:


    Hallo MSchenk,


    aber gerne und Dir und Harald - danke! - wieder ein klein wenig klüger.


    Die weitere Info von Dir, MSchenk, hat mein "angekratztes" Selbstbewußtsein wieder etwas "aufgemöbelt" - wer muß dieses Fiasko schon kennen? - wobei ich zugestandener Maßen auch kein glühender Opernfreund bin.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Wenn ich kurz einspringen darf: Verdis erste Opera buffa Un giorno di regno (dt. König für einen Tag) (Wikipedia, zuletzt aufgerufen am 01.11.2012) hatte ihre Premiere 1840, also 53 Jahre (!) vor dem Falstaff. - Das Ganze war wohl eine ziemliche Katastrophe, was ebenfalls ein Grund dafür gewesen sein könnte, dass Verdi dieses "Genre" erst wieder in seiner letzten Oper betrachtete.


    Sicher hat die "ziemliche Katastrophe" auch mit den Umständen zu tun. Als Verdi an dieser Oper arbeitete, starb seine erste Frau Margeritha Barezzi und sein Kind. Keine guten Grundlagen für eine komische Oper. Und ehrlich, mir sagen seine dramatischen Werke auch mehr zu.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Liebe Freunde,


    soweit mir bekannt, ist "Un Giorno di Regno (König für einen Tag) nicht die erste, sondern die zweite Oper Verdis. Seine erste ist "Oberto, Conte di San Bonifacio", die 1839 uraufgeführt wurde. Auch diese ist in unserem Opernführer zu finden (Verdi ist dort vollständig aufgeführt). Das heitere Genre lag Verdi wohl nicht so sehr, denn Un Giorno di Regno wurde 1840 bei seiner Uraufführung ein totaler Reinfall. Danach schwor Verdi, nie wieder zu komponieren bis - nach der Legende - ihm von Riccodi das Libretto zu "Nabucco" aufgedrängt wurde. Weiter der Legende folgend, soll er das Buch achtlos auf seinen Schreibtisch geworfen haben, wobei dieses aufschlug und ihm der Text "Va pensiero sul ali dorate" in die Augen fiel. Dieser Text hat ihn wieder aufgerichtet und daraus wurde einer der bekanntesten Melodien Verdis, der heute noch einer der größten Opernschlager ist.
    Nach Aida (1871) trat eine Ruhepause ein. Erst viele Jahre später hat er sich noch einmal zum Komponieren entschlossen und seinen Otello geschrieben, der 1887 uraufgeführt wurde. Sein Lebenswerk beendete Verdi dann mit Falstaff (1893), mit dem er nach all den tragischen Opern noch einmal ein heiteres Werk (sein zweites) schrieb, das ein Welterfolg wurde. So endet denn auch sein Werk mit "Tutto nel mondo è burla" (Alles im Leben ist Spaß).
    Ich besitze eine Gesamtaufnahme aus 1974 von "Un Giorno di Regno" auf CD (mit Fiorenza Cossotto, Jessye Norman, Josè Carreras und Ingvar Wixell) und kann aus meinem Empfinden nicht verstehen, warum diese Oper damals ein solcher Reinfall war. Es gibt inzwischen mehrere Aufnahmen auf CD und auch auf DVD/Blue Ray.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)