Otto Klemperer - Meine liebsten Aufnahmen

  • Vollkommen d'accord!

    Klemperer hat sich zwar sein Leben lang immer wieder für Bachs Musik eingesetzt, aber sie gehörte nicht zu seinem Kernrepertoire. Das lag doch weit eher bei den drei großen "B" sowie bei Mahler. Selbst Mozart und Haydn spielten in seinen Konzertprogrammen eine größere Rolle.

    Ja danke, dass deckt sich mit meinen Eindrücken.

    Und für mich ist die ultimative Klemperer Aufnahme immer noch Das Lied von der Erde mit Wunderlich und Ludwig!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Bei aller Verehrung für Klemperer, aber selbst konservative Musikfreunde würden, wenn es speziell um Bach-Dirigenten geht, kaum an Klemperer, sondern viel eher an Karl Richter oder Fritz Lehmann denken.


    LG Nemorino

    Ich schon. Aber ich bin, wie gesagt, kein Bach-Spezialist. Nur ein Liebhaber seiner zeitlosen Botschaft in Noten, die wohl das A und O der Musik sind.

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Dass er nur die Matthäus-Passion einspielte, ist freilich zeittypisch, da jene nach Johannes lange wohl als "zweite Wahl" galt (hier kann Tristan2511 vermutlich viel Substantielleres beitragen, wann die "Wende" kam, seit der man beide Werke eher auf Augenhöhe sieht).

    Tatsächlich ist dieses Primat der MP ja noch immer nicht ganz vorbei, wenngleich - wie du sagst Joseph - schon länger ziemlich abgeschwächt. Bis in die 90er hinein sind Aufführungszahlen etwa ein 1:4 (in Deutschland) und Einspielungen im Verhältnis 1:2. Dass Klemperer und Andere, die sich in den 60ern und vor der HIP-Welle (bzw. anfans noch parallel) mit Bach befassen, die JP zumindest nicht als Hauptprojekt ansehen ist in der Tat ganz typisch. Erst mit Rillings und Gardiners Einspielungen in den 90ern steigt die Reputation der JP wirklich. Gleichzeitig beginnt aber auch der johanneische Antijudaismus (wieder) mehr in die öffentlich Kritik zu rücken, was sich evtl. dezent auf die Zahlen auswirkt. Dass die JP das dramatischere und musikalisch ziemlich gleichwertige Werk ist, wird nach meiner Wahrnehmung auch erst seit den späten 90ern breiter anerkannt.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Klemperers Zugang war für meine Begriffe weitestgehend frei von seinerzeit populärer Romantisierung, wenngleich sie aus heutiger Sicht gleichwohl "vorgestrig" anmutet. Sein analytischer, teils sogar schroffer Ansatz, den er auch anderswo pflegte, ist für meine Begriffe auch bei seinem Bach hörbar.

    Das erklärt immerhin, warum Klemperers h-moll-Messe und die vier Orchestersuiten hoch im Kurs stehen, obwohl ich grundsätzlich mit den alten Aufnahmen dieses Repertoirs nur wenig zu tun haben mag. Wie gesagt: Klemperer und Ansermet sind da für mich Ausnahmen. Davon abgesehen erfährt meine Platten- und CD-Sammlung schon eine tiefgreifende Umstrukturierung in Richtung HIP. Insofern kann ich Freund Fiesco gut verstehen.

    Geht es jetzt um`s Recht haben mit einer ursprünglich falschen These, oder geht es um die Sache? Denn natürlich, wie ich mir denken kann bzw. was ja nur logisch ist, wird die Liste bei den von Dir genannten (vorsichtig, wie Du bist: nur drei) Komponisten weitaus länger sein.

    Es geht um die Einordnung, weniger um Lobpreisen eines Idols. Selbst ein erklärte Klemperer-Fan wie das ehemalige Mitglied s.bummer hat sich immer wieder kritisch zu einzelnen Aufnahmen geäußert. Letztlich darf man Klemperers seit einer Hirntumoroperation aus dem Jahr 1939 stark schwankende gesundheitliche und auch psychische Verfassung nicht außer Acht gelassen werden. Dass der Mann überhaupt noch so beeindruckend wirken konnte grenzt für mich an ein Wunder. Und was seinen Bach betrifft: da war sein Freund Jascha Horenstein schon HIPer unterwegs.

    aber selbst konservative Musikfreunde würden, wenn es speziell um Bach-Dirigenten geht, kaum an Klemperer, sondern viel eher an Karl Richter oder Fritz Lehmann denken.

    August Wenzinger und den auf Platten leider nur sporadisch anzutreffenden Fritz Rieger nicht zu vergessen. Einfallen würde mir aus dieser Generation noch Karl Münchinger, der sich mit seinen Stuttgartern sehr um das Barock-Repertoire verdien gemacht hat, vor allem um Bach. Von dem früh verstorbenen Lehmann gibt's eine hohe Messe, die mir ganz und gar nicht gefällt. Das liegt nicht nur am Orchester sondern dem viel zu großen, unbeweglichen Chor und den Opernstimmen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Es geht um die Einordnung, weniger um Lobpreisen eines Idols.

    Also darf ich "meinen" Klemperer bei Bach nun nicht mehr mögen, weil ich ihn fachlich nicht genügend einordne?

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Also darf ich "meinen" Klemperer bei Bach nun nicht mehr mögen, weil ich ihn fachlich nicht genügend einordne?

    Doch, selbstverständlich. Du musst nur Gegenwind aushalten. Das mag zuweilen schwer fallen, wenn es um das eigene Idol geht.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Klemperers Bach ist für mich und alle Kollegen der Bachforschung die ich kenne einfach nicht sehr relevant!

    Nachvollziehbar, Zeiten ändern sich, die Wissenschaft schreitet weiter und liefert beglückendste Ergebnisse bei der Aufführung der Musik des Barock und früher ab. Deswegen eine kleine Seitenfrage: welche Rolle spielt heute Albert Schweitzer, sowohl als Musikwissenschaftler als auch als Organist, in der Bachforschung? Ließe sich allerdings ggf. auch ein eigener Thread zu aufmachen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Du musst nur Gegenwind aushalten.

    Danke lieber Thomas. Den halte ich aus! Es geht nicht um Idole. Es geht um Ansichten über eine Werkdeutung. Und da bin ich, was Klemperer und Bach angeht, durchaus nicht alleine. Siehe mein Hinweis vom Nachmittag auf den großen Maler Richard Ziegler (im Gegensatz zu mir Bach-Kenner), um nur einen zu nennen.

    Gruß "vom" Bernd

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • welche Rolle spielt heute Albert Schweitzer, sowohl als Musikwissenschaftler als auch als Organist, in der Bachforschung?

    ...moooment! Erst bin ich dran mit der Antwort auf meine Frage an Tristan wg. Harnoncourt!!!

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • August Wenzinger und den auf Platten leider nur sporadisch anzutreffenden Fritz Rieger nicht zu vergessen. Einfallen würde mir aus dieser Generation noch Karl Münchinger, der sich mit seinen Stuttgartern sehr um das Barock-Repertoire verdien gemacht hat, vor allem um Bach.

    August Wenzinger und Karl Münchinger, die hatte ich eben nicht auf dem Schirm. Natürlich gehören sie in eine Reihe mit Karl Richter! Gut, daß Du sie in Erinnerung bringst. Münchinger und sein Stuttgarter Kammerorchester galten bis in die 1960er Jahre - neben Karl Richter - als richtigweisend, was die bis dahin stark vernachlässigte Barockmusik betrifft. Fritz Rieger, der in München wirkte, ist leider auf Platten völlig unterrepräsentiert.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Tatsächlich ist dieses Primat der MP ja noch immer nicht ganz vorbei, wenngleich - wie du sagst Joseph - schon länger ziemlich abgeschwächt. Bis in die 90er hinein sind Aufführungszahlen etwa ein 1:4 (in Deutschland) und Einspielungen im Verhältnis 1:2. Dass Klemperer und Andere, die sich in den 60ern und vor der HIP-Welle (bzw. anfans noch parallel) mit Bach befassen, die JP zumindest nicht als Hauptprojekt ansehen ist in der Tat ganz typisch. Erst mit Rillings und Gardiners Einspielungen in den 90ern steigt die Reputation der JP wirklich. Gleichzeitig beginnt aber auch der johanneische Antijudaismus (wieder) mehr in die öffentlich Kritik zu rücken, was sich evtl. dezent auf die Zahlen auswirkt. Dass die JP das dramatischere und musikalisch ziemlich gleichwertige Werk ist, wird nach meiner Wahrnehmung auch erst seit den späten 90ern breiter anerkannt.

    Danke für diese kundigen Ergänzungen, die meine tendenzielle Vermutung stützen. Ich war von Anfang an eher ein Anhänger der Bach'schen Johannes-Passion und bin es bis heute geblieben. Ihre Dramatik sprach mich als Jugendlichen unmittelbarer an als die kontemplativere große Schwester. Den Johannes fand ich als Figur auch immer interessanter als den Matthäus, aber das nur am Rande. Gerne hätte ich gesehen, was Klemperer daraus macht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wieso denn "Meine Güte"?

    ...moooment! Erst bin ich dran mit der Antwort auf meine Frage an Tristan wg. Harnoncourt!!!

    Hallo Bernd,


    Deine Verehrung für Klemperer, die ich teile, in allen Ehren, aber allmählich nervst Du. Wir sind hier in einem Forum und nicht in einer Schulklasse!


    Ich habe Dir vor einigen Tagen einen guten Rat geben wollen, den hast Du als schlechten bezeichnet. Deshalb lasse ich das - aber die

    Axt im Walde

    ist mir auch schon in den Sinn gekommen!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Deine Verehrung für Klemperer, die ich teile, in allen Ehren, aber allmählich nervst Du. Wir sind hier in einem Forum und nicht in einer Schulklasse!

    Lieber nemorino!


    Das mit dem "moooment" war ein Spaß, frei nach Loriot.


    Andere Meinungen und das Vertreten von Standpunkten nerven?


    Aber danke "Herr Lehrer"!


    LG Bernd

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Andere Meinungen und das Vertreten von Standpunkten nerven?

    Keineswegs, es kommt nur darauf an, wie man sie vorbringt.


    Setzen!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Keineswegs, es kommt nur darauf an, wie man sie vorbringt.


    Setzen!

    Jawohl. Ich sitze!:) Natürlich kommt es darauf an, wie man Meinungen vorbringt. Aber ich möchte unbequem sein und natürlich kann es passieren, dass ich dann nerve. Wobei ich jederzeit selbstkritisch sage, wenn ich über das Ziel hinausschieße. Habe das hier im Forum mehrfach getan. Übrigens hatte ich Deinen Rat befolgt und das besagte Thema nicht mehr angesprochen. Darf ich also wieder aufstehen?

    LG Bernd

    PS. Das Menschliche und darüber mit Dir sprechen/schreiben zu können, hatte ich bei Dir verortet, weil wir uns auch über Dein Paulinchen und mein Pünktchen ausgetauscht hatten. Aber ich denke, ein andermal wird es auch wieder menschlicher sein, gelle?:thumbup:

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Aber ich möchte unbequem sein

    Also ich habe keine Lust auf Leute, die vorsätzlich nerven. Warum also „unbequem“? Warum nicht bereichernd?

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Also ich habe keine Lust auf Leute, die vorsätzlich nerven. Warum also „unbequem“? Warum nicht bereichernd?

    Guten morgen lieber hasiewicz. Unbequem sein ist nicht gleich nervend. Aber ich verspreche Besserung, um künftig mehr zu bereichern statt zu nerven, was ich nicht - wie Du sagst - "vorsätzlich" getan habe

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Nachvollziehbar, Zeiten ändern sich, die Wissenschaft schreitet weiter und liefert beglückendste Ergebnisse bei der Aufführung der Musik des Barock und früher ab. Deswegen eine kleine Seitenfrage: welche Rolle spielt heute Albert Schweitzer, sowohl als Musikwissenschaftler als auch als Organist, in der Bachforschung? Ließe sich allerdings ggf. auch ein eigener Thread zu aufmachen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Um nicht in OT-Verdacht zu geraten, habe ich zu dieser interessanten Frage hier etwas geschrieben, lieber Thomas.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • "Klemperer ohne Schlecken"

    "Die Musik ist nicht dazu da, daß sie wie ein Eiscreme geschluckt wird. Nichts gegen Eiscreme, und nichts gegen ein Steak, aber das sind ganz andere Dinge. Schon das scheußliche Wort `Kunstgenuss´ ist wohl Klemperer auch ein Abscheu gewesen. Deshalb ist Klemperer mit keinem Dirigenten, den ich kenne, vergleichbar gewesen. Ein seltsames Paradox, er ist selbst gar kein so logischer Typ. Aber sobald er dirigiert, ist das enorm. Unemotional zugleich, aber ohne Triebhaftigkeit, ohne Düsternis, und vor allen Dingen ohne Schlecken, ohne Konsumschlecken."


    Ernst Bloch , ca. 1972, zitiert im Abschnitt "Zeitzeugen über Otto Klemperer" von Eva Weissweiler, freie Schriftstellerin und Filmautorin, Köln, in ihrem Buch "Otto Klemperer - Ein deutsch-jüdisches Künstlerleben" von 2010.


    Die Stimmen der Zeitzeugen Klemperers faszinieren mich immer wieder. Wenn ich bei der Lektüre seine Haffner-Interpretation höre, muss ich an alles andere als an Eiscreme denken. Auch Mozart-Perücken und Lackschuhe kommen mir dabei nicht in den Sinn. "Ach spiel´ mir noch einmal das Menuetto" - da ist nichts süß und bloß melodisch, da "stampft" es im typischen Klemperer-Rhythmus. Einfach nur herrlich!


    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Bei aller Verehrung: Dieses sehr bemerkenswerte Bloch-Zitat erweckt bei mir doch recht ambivalente Gefühle. Die Tendenz zur Lustfeindlichkeit, die daraus zu sprechen scheint, ist doch ziemlich unangenehm. Durch Hinzugabe eines gut gehäuften Löffels Dialektik ließe sich das ändern, meine ich. Aber vielleicht ist das Zitat auch ungeschickt aus dem Zusammenhang gelöst, und der Widerspruch dazu ist weggefallen. Ich finde jedenfalls, Kunst soll neben allem anderen, was sie vielleicht sonst noch soll, zunächst einmal Spaß machen. Da bin ich zu 100% Brechtianer. Und ich glaube auch nicht, dass sehr viele Leute ins Theater oder ins Konzert gehen, weil es anstrengend ist. Viele haben vermutlich nichts gegen die Anstrengung, aber sie wollen auch etwas dafür kriegen.

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  • Klemperers Bach ist für mich und alle Kollegen der Bachforschung die ich kenne einfach nicht sehr relevant!

    Er wollte auch glaube ich keinen Beitrag zur Forschung leisten sondern Kunst schaffen. Ich bezweifle, dass deren Qualität davon abhängt, ob sie auf dem jeweiligen Stand der Forschung ist.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Dieses sehr bemerkenswerte Bloch-Zitat erweckt bei mir doch recht ambivalente Gefühle.

    Hallo Werner! Könnte Dir alternativ aus dem gleichen Mund und Buch noch das anbieten:


    "Ich hörte jetzt im Radio Dich in `Tod und Verklärung´. Wunderbar, mit nie bisher gehörten Stimmen, mit dem Paradox einer sich steigernden Ruhe am Ende, bis zum dreimaligen Vorhalt. Strauss erlangte das Unwahrscheinlichste: Tiefe. Danke, ich drücke Deine Hand. Möchte die Verklärung unser werden. Dein Ernst"


    Ernst Bloch an Otto Klemperer, 26.November 1967


    Aber das wird Deinen Spaß an der Kunst vielleicht auch nicht vergrößern. Es zeigt indes, wie sehr Bloch seinen Freund Klemperer schätzte und mochte.

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Klemperers Bach ist schon ein Kuriosum, selbst seinerzeit. Völlig schnörkellos und - auch wenn so häufig bemüht, hier für meine Begriffe zutreffend - wie in Stein gemeißelt. Neulich habe ich mir die vier Orchestersuiten in den späten Einspielungen von 1969 gegönnt. Die monumentale Wucht, die er besonders in den beiden Ouvertüren zu BWV 1068 und BWV 1069 bringt, ist in dieser Gewichtigkeit atemberaubend. Die früheren Monoaufnahmen davon sind noch nicht ganz so ausgefeilt und klanglich problematisch.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mit Verlaub: Das ist nun wirklich lustfeindlich. Zweifellos hat das Größe und künstlerische Konsequenz, zweifellos ist es ein großer Künstler, der das gestaltet, aber das Ergebnis hat etwas Freudloses. Vermutlich ist das Absicht. Diese Absicht ist kraftvoll verwirklicht. Und da der Künstler darf, was er kann, gibt es nichts dagegen zu sagen. (Dass ich das nicht hören möchte, ist ja kein Einwand, der für andere als mich selbst von Bedeutung ist.)

  • Mit Verlaub: Das ist nun wirklich lustfeindlich. Zweifellos hat das Größe und künstlerische Konsequenz, zweifellos ist es ein großer Künstler, der das gestaltet, aber das Ergebnis hat etwas Freudloses. Vermutlich ist das Absicht. Diese Absicht ist kraftvoll verwirklicht. Und da der Künstler darf, was er kann, gibt es nichts dagegen zu sagen. (Dass ich das nicht hören möchte, ist ja kein Einwand, der für andere als mich selbst von Bedeutung ist.)

    Dem würde ich gar nicht prinzipiell widersprechen wollen. Ich würde es asketisch nennen. Es erinnert mich an eine fast gegenreformatorische Strenge, die mit barocker Lebensfreude gewiss wenig zu tun hat. Klemperer konvertierte 1919 zum Katholizismus und blieb bis 1967 praktizierender Katholik. Nun entstand diese Einspielung zwei Jahre danach, als er zum jüdischen Glauben zurückgekehrt war. Andererseits ist diese unnahbare Kühle schon in der früheren Einspielung von 1954 angelegt, die allerdings noch anderthalb Minuten flotter daherkommt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich würde es asketisch nennen. Es erinnert mich an eine fast gegenreformatorische Strenge, die mit barocker Lebensfreude gewiss wenig zu tun hat.

    Von barocker Lebensfreude spürt man bei Klemperers Bach, gerade bei den von Dir, lieber Joseph II, aufgezeigten Beispielen wirklich nichts. Und das macht auch nach meiner Meinung das Besondere der Interpretation bei den Orchestersuiten aus. Asketisch, wie Du sagst, und dennoch unglaublich klar strukturiert und deshalb so überzeugend. Ob die "Freudlosigkeit" dabei Absicht ist, da bin ich mir nicht sicher. Gerade auch Bloch sprach ja von der "Tiefe" der Aufnahmen seines Freundes Klemperer. Aber da ging es bei den von mir genannten Zitaten nicht um Bach, sondern um Mozart und Strauss. An anderer Stelle aber habe ich gelesen, dass Bloch auch die O.K.-Konzerte mit Bach sehr schätzte.

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Er wollte auch glaube ich keinen Beitrag zur Forschung leisten sondern Kunst schaffen. Ich bezweifle, dass deren Qualität davon abhängt, ob sie auf dem jeweiligen Stand der Forschung ist.

    Ist doch schön für ihn, mögen alle die glauben Klemperers Bach wäre große Kunst glücklich damit werden. Daa meine ich völlig vorwurfsfrei, ich schreibe niemandem vor HIP zu hören und mir gefällt Klemperers Art Barockmusik zu spielen im Gegensatz überhaupt nicht.

    Kunst hängt insofern doch mit der Forschung zusammen, indem man sich historisch verortet und Bach nicht wie Bruckner klingen lässt. Das hat für mich schon was mit Qualität des Kunstschaffens zu tun!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Brandenburg 3, 1960 London: natürlich in Klemperers eigener Art - "Freudlos" oder "asketisch"? Da werden sich die Geister scheiden.


    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Ich bin der Meinung, dass Klemperers Musik ganz und gar nicht freudlos, trocken und asketisch ist. Zumindest wirkt sie so nicht auf mich, selbst wenn er das intendiert haben sollte. Ich finde hingegen eine fein dosierte Poesie, einen Sinn für Schönheit, der zwar das Süßliche und die Sentimentalität meidet, dennoch einen sehr lyrischen, ja manchmal sogar schwelgenden Ton anschlägt. Daran ändern auch die markanten, mitunter fast schroffen Akzente nichts, die er ebenfalls zu setzen weiß.

    Übrigens bei damals bedeutenden Bach -Interpreten fällt mir noch Karl Ristenpart ein, den zumindest Schallplatten-Freunde noch kennen dürften.

  • Kunst hängt insofern doch mit der Forschung zusammen, indem man sich historisch verortet und Bach nicht wie Bruckner klingen lässt. Das hat für mich schon was mit Qualität des Kunstschaffens zu tun!

    Wer Bach spielt, muss sich aber nicht zwangsläufig in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts "historisch verorten" sondern kann das z.B. auch in der Gegenwart tun (wie das z.B. Glenn Gould getan hat). Ich wüsste nicht, warum das etwas über die "Qualität des Kunstschaffens" aussagen sollte.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
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