Was ist E und was ist U - sind die Beatles Vertreter der "Klassik"?

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    E will ja eigentlich etwas über den Hörer sagen und weniger über den Komponisten.


    Wenn man das so sieht, wird man allerdings schwerlich eine halbwegs objektive Sicht auf die Zuordnung zu den Bereichen haben können.


    (Mist, das mit dem Prokofieff hätte ich nie schreiben sollen ...)
    ;)


    Aber ich habe hier im Forum mal erfahren, dass E und U Erfindungen der Verwerter waren. Also nicht eine Dünkel-Allegorie.


    Allerdings habe ich Freund der Kleinmeister (den manchmal Deine herablassenden Bemerkungen diesen gegenüber wahrscheinlich ebenso stören, wie Dich mein U) noch nicht kundgetan, wo im Groß-/Kleinmeistergefüge (persönlicher Ausprägung) ich die mir bekannten U-Großmeister unterbringen würde (womit der Vorwurf des Dünkels etwas unbegründet ist) - ich weiß es auch noch nicht, beschäftige mich noch nicht so lange mit U (Jazz ist für mich U - ich versuche nur, den gängigen Gebrauch der Begriffe zu wahren, U ist kein Weltanschauungsausdruck für mich).

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Klar, Herr Lullist kennt sich mit früheren Epochen gut aus, JR mit Haydn und Joseph II mit Wagner. Aber wenn wir auf die Straße treten, den Fernseher einschalten, ins Plattengeschäft gehen, treffen wir zwangsläufig auf das 21. Jht. und damit auf unsere Zeit. Da wissen wir, was es alles an Musik gibt.


    Lieber Luis,


    Wie fremd es vielleicht klingt, ich behaupte kaum was zu wissen von Musik unserer Zeit. Wenn ich nur 1% mitbekomme von Musik durch Radio und TV gesendet, ist das m.E. schon zu hoch eingeschätzt.
    Die ersten Töne klingen, und sofort wird umgeschaltet. Außerdem, fast immer höre ich nur klassische Musik.
    Nur zwischen 23 und 24 Uhr könnte man mich infizieren, weil ich dann unbedingt ein Rundfunkprogramm hören will. Da wird aber immer "dezente" Musik gedreht. :D


    Zitat

    Aus früheren Epochen wissen wir alles nur aus 2., 3. 4. Hand. Und mit der Zeit wird vieles verklärt. Da war alles Gold und toll und voller Stil. Ein Idyll voller humanistisch geprägter Menschen, die nur das Gute und Schöne suchten.


    Wer behauptet das? Wenn ich aufschreibe, wieviel ziemlich bekannte damalige Musiker kümmerlich starben, würdest Du erstaunt sein.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Außerdem glaube ich Draugur nicht, dass er alles, was an seine Ohren kommt, gleich toll findet.


    Das ist auch nicht so. Wo habe ich das behauptet? ;)

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Aus früheren Epochen wissen wir alles nur aus 2., 3. 4. Hand. Und mit der Zeit wird vieles verklärt. Da war alles Gold und toll und voller Stil. Ein Idyll voller humanistisch geprägter Menschen, die nur das Gute und Schöne suchten.



    also ich kann zumindest von mir sprechen, und da trifft diese Unterstellung keinesfalls zu :D
    Ich beschäftige mich auch genug mit originalen Quellen und Sekundär Literatur.
    Manche halten mich für einen Verklärer des Absolutismus - nun ja, wenn sie sich mit meinen Arbeiten beschäftigen würden, dann wüssten sie, dass es das letzte ist, was ich tue.



    Zitat

    Naja, wenn es keine Großmeister und Kleinmeister gibt, dann sind ja offenbar alle gleich gut. Aber das ist eigentlich eine andere Diskussion.



    die mag es schon geben, aber ich werde mich weitesgehend zurückhalten, wenn es da um verbindliche Wertungen geht.


    Ich hab ein ganz subjektives Empfinden, wer für mich jetzt ein Großmeister ist und wer nicht.


    Ich würde ohne mit der Wimper zu zucken Bach als Kleinmeister bezeichnen - allein deshalb, weil ich weiß, dass sich dann hier manche aufregen :hahahaha:


    Aber es gibt bei mir zwei Komponisten die spezielle Titel haben.


    Kleinstmeister: Louis Spohr
    Anti-Komponist: Richard Strauss



    Ansonsten ist in meinem Leben diese Trennung zwischen E und U Musik nicht existent.
    Ich kann damit nichts anfangen. ?(

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Naja, wenn es keine Großmeister und Kleinmeister gibt, dann sind ja offenbar alle gleich gut.


    Es gibt m.E. in der Kunst eben kein objektives "Gut-sein" wie etwa im Sport, wo eindeutig der schnellere Läufer der "bessere" ist (was bekanntlich heute wegen Doping auch nicht mehr der Weisheit letzter Schluss ist...). Das "Gut-sein" kommt erst durch eine ertragreiche Rezeption zustande. Und da ist man schon auf der subjektiven Ebene: Was den einen über Stunden in Atem hält und in ihm unzählige Gedanken und Bilder vor seinem inneren Auge wachruft, lässt den anderen nur gähnen und auf die Uhr schauen.


    Was die E-/U-Sache angeht, bin ich da etwas empfindlich, weil ich nicht nur die beiden angeblichen "Richtungen"/"Gattungen"/?? rezipiere, sondern auch Künstler/Gruppen, die man, wollte man in diesem System bleiben, irgendwo im Grenzgebiet ansiedeln müsste. Z.B. die Band Gentle Giant, die in ihrem zweiten Album per Covertext ankündigt, die Konventionen der Rockmusik um den Preis der Unpopularität zu verlassen und einer eigenen künstlerischen Vision inkl. Multiinstrumentalität und individuellen Wegen in Melodik, Rhythmik und Harmonik zu folgen - was dann auch in beiden Hinsichten eingelöst wird, sowohl was die komplexen, teils unmöglich irgendwelchen Stilrichtungen zuzuordnenden Werke als auch was die weitgehende Unpopularität angeht. "Unterhaltungsmusik" im eigentlichen Wortsinn ist doch das ziemliche Gegenteil davon. Bei dem Begriff denke ich immer an ein Salonorchester, das eine sich unterhaltende Gesellschaft mit leicht dahinperlenden Klängen umspült. Auch Solokünstler oder Bands, die über eine verhältnismäßig einfach gestrickte Musik ihr Lebensgefühl oder aktuelle gesellschaftliche Bezüge transportieren, sind für mich keine "Unterhaltungsmusiker". Das Etikett würde ich höchstens jemandem aufklebt, dem es völlig egal ist, welche Musik er macht, solange der Rubel rollt.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    E-Musik soll uns helfen, uns vom Gschwerl da draußen abzugrenzen. E=Elite.


    Lieber Luis.Keuco, dass ist Unsinn, denn ich höre genau das, was ich hören will, weil ich es hören will, weil ich meine ganz speziellen Gründe dafür habe. Mich dadurch abgrenzen, profilieren, etablieren oder elitisieren zu wollen ist definitiv nicht dabei. Und ich glaube, ähnlich wird es sich auch bei den meisten Teilnehmern dieses Forums verhalten.


    Grundsätzlich ist mir die Unterscheidung zwischen U und E ja egal, weil mich U eigentlich überhaupt nicht interessiert, weil mir U nichts gibt, aber ich werde im täglichen Leben halt wesentlich öfter - um nicht zu sagen permanent - mit U konfrontiert, mit der Folgen dass ich mich notgedrungen auch etwas mit U befassen muss, und zwar so, wie sich ein Mediziner, ein Virologe mit einem Krankeheitserreger befasst. Wenn man schon kein Heilmittel dagegen hinbekommt, dann möchte man wenigstens verstehen, wie das Ding funktioniert und sich durch diesen Erkenntnisprozess die Situation erträglicher machen.


    Zitat

    E will ja eigentlich etwas über den Hörer sagen und weniger über den Komponisten.


    Was will es über den Hörer sagen?


    Doch nur, dass er musikalischen Geschmack hat.


    Zitat

    Das ist ein bisschen wie mit der Bild- resp. Kronen-Zeitung. Deren Leser sind für das Bildungsbürgertum gern Unterschicht. Blöderweise diktieren die Dreiwortsätze dieser Publikationen die Politik. Kann man natürlich sagen, Politiker seien ungebildet. Aber die subventionieren wiederum die Kultureinrichtungen des Landes.


    Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, in der das geistige Niveau der Gesamtheit aller Politiker dem geistigen Niveau der Gesamtheit ihrer Wähler entspricht. Repräsentativ!


    Lieber Luis.Keuco, ich habe den Eindruck, du möchtest die E-Musik unbedingt der Bourgeoisie zu ordnen und übersiehst dabei, dass Kunst grundsätzlich jedem gefallen kann und zwar klassenunabhängig.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

  • Kommt der Komponist aus der E-Ecke, ist alles, was er geschrieben hat E. Kommt er aus der U-Ecke, ist alles, was er geschrieben hat U, außer er ordnet es explizit dem E-Bereich zu. Malträtiert es Intellekt und Ohren auf derartige Art und Weise, dass es mit seinem sonstigen U-Schaffen nichts mehr zu tun hat, ist es E. Tut es das nicht, bleibt es U.


    Genauso verhält es sich mit dem E-Komponisten, der ein U-Werk schreibt. Das Ding muss wirklich U sein, um als solches auch anerkannt zu werden: Keine Ecken, keine Kanten, kein Ansatz für nennenswerte Interpretation.


    Das beschreibt jetzt - vielleicht etwas überspitzt - die Jetzt-Zeit.


    Was ist aber mit den ganzen alten Komponisten?


    Im Zuge der Französischen Revolution sind andere Gedanken in die Musik hineingekommen, die es zuvor in dieser Form nicht gegeben hat:
    Weder Bach noch Händel, weder Mozart noch Haydn besingen auch nur im Ansatz so etwas ähnliches, wie den Heldentod. Den ganzen Revolutionskomponisten und allen voran Beethoven oblag dies doch, mit der Folge, dass tradierte Formen neue Inhalte bekamen, denen sich dann auch die Tonsprache anpasste, mit der Folge, dass die rein unterhaltende Musik ebenfalls eine immer größer werdende Bedeutung bekam (Der Kongress tanzt!).
    Die dabei immer mehr der Brache verfallenden Alten (Mozart, Haydn aber auch Bach und Händel) wurden ob ihres künstlerischen Gehaltes von der sich herausbildenden E-Musik dann immer mehr adaptiert und zwar widerspruchslos, waren sie doch nicht mehr präsent, sondern lagen nur noch in Partitur vor.


    Zwischen Beethoven und Mozart lag weniger Zeit, als zwischen den Beatles und heute und zwischen Bach und Beethoven ziemlich genau so viel, wie zwischen dem Rock `n Roll und jetzt. Und trotzdem ist letzterer heute wesentlich präsenter, als Bach zur Zeit Beethovens.
    Warum?
    Weil es schon genügend erträgliche Tonaufnahmen davon gibt.


    Und genau das ist der springende Punkt, weswegen es keinerlei Notwendigkeit gibt, z.B. ein Stück von den Beatles einmal beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aufzuführen., denn warum soll ich mir eine Adaption antun, wenn ich für 10.- EUR das Original haben kann?


    In Folge eines gesellschaftlichen Konsenses welcher Form auch immer hat es eine Aufspaltung zwischen E- und U-Musik gegeben. Und wenn darin ein Problem liegt, dann doch nicht in der Aufspaltung, sondern darin, dass sich die E-Musik eigentlich in der Defensive befindet.
    Ob jetzt eine Umbewertung des ein oder anderen U-Titels in E-Musik daran was ändert?
    Ich glaube nicht, mehr noch, ich glaube der herkömmlichen E-Musik würde dadurch nur ein Bärendienst erwiesen.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Zitat

    Original von John Doe
    Was ist aber mit den ganzen alten Komponisten?


    Eben. Wenn die Trennung im 20. problematisch ist, gibt es sie ja vor dem 19. Jhd. gar nicht richtig. Daher mein Versuch in der Antwort auf KSM den Prozeß herauszustellen. Daß es keine einfachen pauschalen Antworten gibt und einige Grauzonen heißt noch lange nicht, daß die Unterscheidung völlig sinnlos ist und nicht in sehr vielen Fällen durchgeführt werden kann.
    (Wenn man alle schwierigen Unterscheidungen aufgeben wollte, wäre man schnell fertig...)
    Daß man nicht einfach "gut" und "schlecht" an die Stelle setzen kann, hat der KSM auch schon klar gemacht. Wir wollen doch von guter und schlechter E- bzw. U-Musik sprechen.
    Ich habe weiter oben einen Aspekt hervorgehoben, an dem man sich bei der Unterscheidung orientieren kann, nämlich die historische Herkunft. Dabei ist selbstverständich zugestanden, daß es Streitfälle und Grauzonen gibt. Aber die Herkunft macht z.B. verständlich, warum wir bei Strauß, Lehar u.ä. noch stutzen. Ganz klar ist "Die Lustige Witwe" verglichen mit einem etwa gleichzeitigen Musikdrama wie "Salome" Unterhaltung. Aber es sind mitunter dieselben Musiker wie in Salome, die stilistischen Mittel kommen aus derselben Tradition.


    Ein anderer Aspekt ist die Funktion. Er liegt aber ein wenig quer. Tanzmusik ist normalerweise keine ernste Musik, selbst wenn dort Tanzformen verwendet werden. Geistliche Musik mag man als Gebrauchsmusik sehen, aber sie ist eben nicht unterhaltend. Zwar hat auch die Kunstmusik ihre Wurzeln in Tanz- und Zeremonialmusik, aber sie hat sich eben weiter davon entfernt als die, die wir U-Musik nennen. Insofern könnte man "Art Rock" usw. als E-Musik ansprechen, weil das nicht mehr in der Weise zum Tanzen gedacht ist. Aber hier zögert man eben wegen der historischen Herkunft aus eindeutiger U-Musik.


    Zitat


    Im Zuge der Französischen Revolution sind andere Gedanken in die Musik hineingekommen, die es zuvor in dieser Form nicht gegeben hat:
    Weder Bach noch Händel, weder Mozart noch Haydn besingen auch nur im Ansatz so etwas ähnliches, wie den Heldentod.


    Das würde ich zwar bestreiten, denn man findet schon so etwas Ähnliches etwa in Händels Samson und Saul, ebenso in der Opera seria oder in Traueroden, aber es ist für die E-U-Diskussion m.E. ohnehin irrelevant.


    Zitat


    Den ganzen Revolutionskomponisten und allen voran Beethoven oblag dies doch, mit der Folge, dass tradierte Formen neue Inhalte bekamen, denen sich dann auch die Tonsprache anpasste, mit der Folge, dass die rein unterhaltende Musik ebenfalls eine immer größer werdende Bedeutung bekam (Der Kongress tanzt!).
    Die dabei immer mehr der Brache verfallenden Alten (Mozart, Haydn aber auch Bach und Händel) wurden ob ihres künstlerischen Gehaltes von der sich herausbildenden E-Musik dann immer mehr adaptiert und zwar widerspruchslos, waren sie doch nicht mehr präsent, sondern lagen nur noch in Partitur vor.


    Das "nur" war natürlich damals kein "nur". Und es ist so auch nicht richtig. Einige Oratorien Händels, einige Opern Mozarts und Glucks und auch Haydns späte Oratorien und auch ein paar Instrumentalwerke Haydns und Mozarts haben das Repertoire seit ihrer Enstehungszeit nie wirklich verlassen. Und ein Teil von Bachs Musik war Musikern ebenfalls beinahe durchgehend vertraut (nämlich die wichtigsten Klavier- und Lehrwerke), in Abschriften verbreitet und Anfang des 19. Jhds. auch gedruckt. (Beethoven erhielt gegen Ende seines Lebens eine der ersten gedruckten Händel-Ausgaben aus England zum Geschenk.)
    Mit ist aber nicht so ganz klar, welchen Einfluß das auf die E-U-Unterscheidung hat. Sicher ist die gesellschaftliche Entwicklung wichtig. Zunehmend hatten nicht Adel und Großbbürgertum (meist musikalisch gebildet, häufig Amateure, man muß sich immer klar machen, daß der Löwenanteil der Kammer- und Klaviermusik bis Anfang des 19. Jhd. in erster Linie zum Spielen, nicht zum Hören geschrieben wurde), sondern auch Kleinbürger Bedürfnis nach Musik. Das geht etwa parallel zur Abspaltung der U-Musik. Dazu kommt die Einrichtung des bürgerlichen Konzerts seit Ende des 18. Jhds., in dem die Musik die Hauptsache ist und im Mittelpunkt steht.



    Zitat


    Zwischen Beethoven und Mozart lag weniger Zeit, als zwischen den Beatles und heute und zwischen Bach und Beethoven ziemlich genau so viel, wie zwischen dem Rock `n Roll und jetzt. Und trotzdem ist letzterer heute wesentlich präsenter, als Bach zur Zeit Beethovens.
    Warum?
    Weil es schon genügend erträgliche Tonaufnahmen davon gibt.


    Die Möglichkeit der mühelosen technischen Reproduzierbarkeit hat sicher eine wichtige Rolle gespielt. Beinahe weltweit verbreitete Unterhaltungsmusik gab es wohl erst so richtig seit der Schallplatte, wenngleich schon im 19. Jhd. Modetänze sich schnell international ausbreiten konnten.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich kann mit der Unterscheidung U und E Musik nicht sonderlich viel anfangen. Vor allem die Gleichsetzung E Musik gleich Klassik taugt aus meiner Sicht überhaupt nicht.


    Beethovens Wellingtons Sieg ist wohl eher dem U als dem E zuzuordnen. Und auch Opern sind doch wohl eher Werke, die bezwecken, das Publikum zu unterhalten.


    Eher müsste man dann schon zwischen den anspruchsvollen Kompositionen, deren innere Schönheit, Reiz und Witz sich erst einem fortgeschrittenem Hörer oder beim Partiturstudium erschliesst und den leichter zugänglichen bzw. konsumierbaren Werken unterscheiden. Aber auch hier geht der Bruch mitten durch die Klassik. Und ähnlich ist es beim Jazz, der als Musiksparte ja auch ein weites Feld ist. In der Pop-Musik kenne ich mich nicht genügend aus, um Beispiele für E zu finden.


    Eigentlich hätte ich aber angenommen, dass wir Klassikfreunde dieses U/E-Spielchen längst hinter uns hätten und keine Worte darauf verlieren würden.


    Es grüßt einer, der Klassik zur Unterhaltung hört. Das Leben ist schon ernst genug.
    enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

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  • Insbesondere der letzte Satz sitzt!

    alle Menschen werden Brüder ...


  • Insbesondere der letzte Satz sitzt!


    Mal was ganz anderes hier OT, aber derzeitig kann ich das nur hier mitteilen: Warum verwehrt mir meine Sicherheitssoftware seit ca 3 Tagen den direkten Zugriff zu Tamino? Lediglich über direkt zum Thema springen via mail-Link komme ich noch rein. Ich verwende seit ca 4 Wochen Norton 360. Antworten bitte auf ingo.richter13509@freenet.de. Danke!

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Lese mal hier.


    Zitat

    Der Krieg mit dem Rechner ist noch immer nicht beendet. Ich weigere mich für ein so dummes Apparat zu beugen. Und das Ding folgt seine eigene Logik.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    ...Aber mein fragwürdiges Prokofieff-Beispiel ließe sich so argumentieren - naja, lassen wir die Filmmusik mal beiseite...


    Solange wir GENAU DAS TUN werden wir insbesondere das Meiste der aktuellen symphonischen Musik niemals richtig einordnen können. Das ist ja schon fast so wie Ei ohne Henne. ?(

    alle Menschen werden Brüder ...

  • In dem Fall aber doch eher Spiegelei...

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat


    Lieber Luis.Keuco, dass ist Unsinn, denn ich höre genau das, was ich hören will, weil ich es hören will, weil ich meine ganz speziellen Gründe dafür habe. Mich dadurch abgrenzen, profilieren, etablieren oder elitisieren zu wollen ist definitiv nicht dabei. Und ich glaube, ähnlich wird es sich auch bei den meisten Teilnehmern dieses Forums verhalten.


    Dann frage ich mich aber, wofür es die strikte Trennung E/U braucht?


    Ich höre doch zu Hause die Platten, die mir gefallen. Und das meist allein, da kann ich mich nur mit nacktem Oberkörper vor den Spiegel stellen und meinen Astralkörper bewundern und mir dazu eine Riesehirn vorstellen, weil ich ja so E bin.


    Die Einordnung in E und U ist ja schon deshalb schwierig, weil die Musik früherer Jahre ohnehin schnell unter E abgeheftet wird, entweder wegen des bekannten Koomponistennamens oder wegen der schieren Dauer der Vergangenheit. Dabei wurden, wie von JR bereits ausführlich dargestellt, mangels DJ viele Stücke schlicht zum Zeitvertreib der (höfischen) Gesellschaft geschrieben, damit die tanzen oder Musik hören konnten. Ob das je als E gemeint war, steht dahin, auch wenn es schön klingen mag. Gilt übrigens auch für die gerade im 19. Jht. sehr beliebten Märsche. Ist der Radetzky-Marsch E, weil er von Joh Strauss dÄ ist?


    Hat gestern jemand musica viva auf BRalpha gesehen?
    Es wurde das Stück 360 Cords von T Johnson aufgeführt. er erzählte von der Entstehung. Musik wird am Rechner erzeugt. Er berichtete vom mathematischen Aufbau etc. Das alles unterscheidet sich immer weniger von Elektromusik, nur die Wiedergabe mit Orchester ist etwas anderes als ein rein synthetischer Sound. Was ist daran jetzt mehr oder weniger E oder U als an elektronischer Unterhaltungsmusik, wenn man den theoretischen, den dogmatischen, den wissenschaftlichen Ansatz (Johnson entstammt dem New Yorker Minimalismus) weglässt?

    Zitat

    Es grüßt einer, der Klassik zur Unterhaltung hört.


    Das spielt doch wohl eine wesentliche Rolle bei der Sache.
    Anders wird es, wenn ich mich wissenschaftlich bzw theoretisch mit einem Stück auseinendersetze, die Partitur mitlese, das Stück auf seine Feinheiten durchleuchte. Doch da finde ich beim einen oder anderen Popsong vielleicht durchaus komplexere Ansätze als bei einem (Achtung, KSM :hello:) Schubert-Lied. Auch wenn mir das Schubert Lied persönlich besser gefällt.


    Ob man sich mit zeitgenössischer Musik oder Teilen hiervon, bis hin zum Klingelton, nicht beschäftigen möchte, ist jedem frei gestellt. Durch Negation des Vorhandenseins, am besten mit der Begründung einer Minderwertigkeit der derzeitigen Musikwelt, erreicht man jedoch genau diese E-U-Trennung, wobei die dann nicht bei Klassik und Jazz, sondern vielleicht bei Gershwin oder Bernstein verläuft und alles nachfolgende pauschal als modernen U-Firlefanz abtut.

  • Lieber Luis.Keuco,


    Zitat

    da kann ich mich nur mit nacktem Oberkörper vor den Spiegel stellen und meinen Astralkörper bewundern und mir dazu eine Riesehirn vorstellen, weil ich ja so E bin.


    Solange du nicht zufällig einmal in einem Konzert neben mir sitzt und bei der schönsten Stelle unverhofft mit diesem Teil-Striptease beginnst, kann ich nur sagen, jeder möge die Musik auf die ihm gelegenste Art und Weise hören. :hahahaha:
    Nichtsdestotrotz glaube ich aber dass du damit in doppelter Minderheit bist: Erstens werden die meisten E-Musik-Freunde beim Hören ihrer Musik angezogen im Sessel sitzen bleiben und zweitens ist es bei wirklich ernsthaftem Befassen mit dieser Musik gar nicht mehr möglich, dieselbige als Ego-Krücke herzunehmen. Sollte es dennoch bei dem ein oder anderen Klassikhörer der Fall sein, dann ist dieser wohl einem eklatanten Missverständnis erlegen.


    Zitat

    Dann frage ich mich aber, wofür es die strikte Trennung E/U braucht?


    Die ganze Musik ist in Kategoerien eingeteilt. Die Trennung zwischen U und E ist nur eine davon. Warum? Vielleicht wegen der besseren Übersichtlichkeit, aber auch, weil sie irgendwann im 19. Jhdt. auf Basis eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses entstanden ist und jetzt eben nicht nur der der Musikhörer diese Trennung akzeptiert, sondern eben auch bzw. ganz besonders sogar der Musikproduzent (Interpert, Komponist, Produzent). Letztendlich entscheidet doch der, wo er sein Werk angesiedelt wissen will.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Zitat

    Die Trennung zwischen U und E ist nur eine davon. Warum? Vielleicht wegen der besseren Übersichtlichkeit, aber auch, weil sie irgendwann im 19. Jhdt. auf Basis eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses entstanden ist und jetzt eben nicht nur der der Musikhörer diese Trennung akzeptiert, sondern eben auch bzw. ganz besonders sogar der Musikproduzent (Interpert, Komponist, Produzent). Letztendlich entscheidet doch der, wo er sein Werk angesiedelt wissen will.


    Das kann ich so nicht akzeptieren.
    1. Die Trennung im 19. Jht hat auch etwas mit der gesellschaftlichen entwicklung zu tun und damit, dass die Großbürger sich vom Kleinbürgertum trennen wollten. Oper, zunächst höfisches Vergnügen, später dann aber fürs ganze Volk, wurde aufgeschickt, das finanzschwächere Publikum hinausgedrängt. Und so ist es oft bis heute. Oder wer kann ca. 150-200€ für einen Parkettplatz in der Münchner Staatsoper aufbringen?
    Dazu kommt die Erhöhung der Kunst an sich. Das wurde ja schon in mehreren Threads diskutiert. Kunst sollte nun "verstanden" werden und das konnten die "kleinen Leute" natürlich nicht - jedenfalls aus Sicht der oberen Mittelschicht.


    2. Einem Produzenten geht es, bei aller Kunstliebhaberei, am Ende doch ums Geld. Kein Galerist stellt Künstler rein aus Goodwill aus. Das macht man mal aus Charity-Gründen, aber nicht regelmäßig. Und die Ausstellungen in vielen Museen bedienen immer mehr den Mainstream oder werden gesponsert, von privater oder öffentlicher Hand.


    3. Der Komponist macht erstmal Musik und ist vermutlich der letzte, der in eine Schublade gesteckt werden möchte. es will ja, dass seine Stücke einem möglichst breiten Publikum zugeführt werden und nicht bloß ein paar Kennern und Ja-Sagern.
    Das mehrfach zitierte Stockhausen-Projekt mit 4 Hubschraubern zielt ja zwangsläufig auf eine große Teilnehmerschaft ob seiner Konstruktion. Ob so ein größeres Publikum "erzwungen" werden soll oder billigend in Kauf genommen wird, sei dahin gestellt.


    Zitat

    ist es bei wirklich ernsthaftem Befassen mit dieser Musik gar nicht mehr möglich, dieselbige als Ego-Krücke herzunehmen. Sollte es dennoch bei dem ein oder anderen Klassikhörer der Fall sein, dann ist dieser wohl einem eklatanten Missverständnis erlegen.


    Da, denke ich, bist du in der Minderheit. Würden sich nur die "ernsthaften" Hörer mit Klassik beschäftigen, wäre es bald vorbei damit. E-Musik bezieht sich ja aber auf die Musik und nicht auf die E(rnsthaften)-Hörer.
    Und wenn du dir das Premierenpublikum eines der großen Sommerfestivals mal anschaust (zB im Klassik-Fachblatt Bunte), dann wirst du sehen, wie hoch der Prozentsatz der echten Klassikfans ist.

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    3. Der Komponist macht erstmal Musik und ist vermutlich der letzte, der in eine Schublade gesteckt werden möchte. es will ja, dass seine Stücke einem möglichst breiten Publikum zugeführt werden und nicht bloß ein paar Kennern und Ja-Sagern.


    Lieber Luis,


    Wenn ich meine Erinnerung trauen darf, war es so, daß im 18. und 19. Jhdt. Opern für Bläserensembles bearbeitet wurden. Und daß solche Bläsergruppen dann auf der Straße diese Musik ausführten und so Geld verdienten.
    Irgendwann schrieb Weber, daß der Austräger eines Metzgers seine Melodien pfiff.


    So wurden also die Opern bei jedem bekannt. Und diese Vermittlungsweise ist n.m.M. durch die Entwicklung der Technik verlassen worden.


    LG, Paul

  • Lieber Luis,


    du sagst:

    Zitat

    Die Trennung im 19. Jht hat auch etwas mit der gesellschaftlichen entwicklung zu tun und damit, dass die Großbürger sich vom Kleinbürgertum trennen wollten


    Nicht der Großbürger vom Kleinbürger, wenn dann schon der Bürger vom Proletarier, wobei aber das im Heute irrelevant ist, da die Trennung nun ja schon seit lämgerem vollzogen ist und sich zu einer kleinen historischen Struktur entwickelt hat.
    Gleichzeitig ist doch aber auch die ganze Musiklandschaft durch den technischen Fortschritt demokratisiert bzw. sozialisiert worden. D.h. ich brauche doch nicht mehr 200.- EUR für einen Parketplatz in der Münchner Oper ausgeben, ich kann mir diese Musik doch schon für 20.- EUR ins Haus liefern lassen und zwar unabhängig, ob ich nun Bürger bin oder Prolet.
    Und was die obere Mittelschicht nun dazu meint? Die hat doch die letzten 100 Jahre schon so viele Meinungen vertreten, die sich dann im Nachhinein alle als unhaltbar, bzw. falsch erwiesen haben. :D


    Zitat

    Der Komponist macht erstmal Musik und ist vermutlich der letzte, der in eine Schublade gesteckt werden möchte


    Musikalische Parzivale gibt es nicht! Jedem Komponisten ist die Trennung zwischen U und E bekannt, genau so wie ihm die dem jeweiligen Bereich zugeordneten charakteristischen Musikformen bekannt sind, genau so, wie er weiß, in welche Richtung er sich zur Veröffentlichung seines Werkes zu wenden hat.
    D.h. wenn er eine Oper komponiert, dann ist ihm doch absolut klar, dass das E-Musik ist und die Herren Bohlen und Siegel definitiv nicht die richtigen Leute sind, dieses Werk zur Aufführung zu bringen, genau so wie ihm klar ist, dass die Münchner Staatsoper die falsche Adresse zur Uraufführung einer Rock-Ballade oder eines volkstümlichen Stimmungsliedes ist.


    Zitat

    Würden sich nur die "ernsthaften" Hörer mit Klassik beschäftigen, wäre es bald vorbei damit.


    Eines meiner nächsten Großprojekte ist das sinfonische Werk von Allan Pettersson, eine Musik, die viel zu komplex ist, um auch nur in irgendeiner Form zum easy listening geeignet zu sein, was aber wiederum Voraussetzung zu einem Einsatz als Ego-Krücke wäre. D.h. man kann sich mit dieser Musik nur ernsthaft befassen oder gar nicht.
    Und mit Veraub, Petterson ist doch nicht der einzige, dessen Musik bewusst gehört werden will, weil sie sonst schlicht und einfach auf die Nerven geht. Bei Bruckner ist es doch ähnlich, bei Mahler auch und von der ganzen Kammermusik ganz zu schweigen!
    Daher sei zum Schluss die Frage an die MitdisputantInnen erlaubt, warum sie E-Musik hören. Zum Zwecke, sich von dem Gschwerl da draussen abzugrenzen und darüber zu erheben oder weil es einem schlicht und einfach gefällt oder weil man darin insbesonders bei Zeitgenössischem eine geistige Herausforderung sieht?


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

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  • Hallo miteinander,


    Guldas Cellokonzert, ein sehr grenzgängerisches Werk (absolut tonal versteht sich), liegt jetzt in einer neuen Einspielung vor:



    Wobei die Zusammenstellung Schumann, Tschaikowski, Gulda durch letzteren wirklich höchst bizarr ist. :D


    Viele Grüße
    John Doe

  • Hallo,
    interessante Frage, sie hat mich bewogen, in der Wikipedia mal nachzulesen.
    Und ich finde die Ausführung zum Thema "Ernster Musik" dort so gut, dass ich sie empfehlen möchte.
    Beste Grüsse
    Julius

    Julius