Alles anzeigenHallo,
dieser gesamte Sachverhalt fällt mir schon auf, seit ich Opernfan bin. Meines Erachtens gibt es für das Verschwinden der Deutschen Oper des 19. Jahrhunderts von den Spielplänen folgende Ursachen:
1.) Die ProtagonistInnen des heutigen "Regietheaters" in Deutschland stehen sehr wahrscheinlich alle politisch links. Man könnte ja gar für politisch rechts gehalten werden, wenn man so etwas auf den Spielplan setzen und inszenieren würde. Arbeitet man sich durch Deutschlands Blätterwald der Kulturteile, so gelten Weber, Lortzing und Humperdinck als Komponisten für Spießer, Hans Pfitzner als gefährlicher Nationalist und Nazi-Wegbereiter. Kreutzer, Cornelius und Goldmark sind schon total vergessen. Bereits Rudolf Schock beklagte sich in seiner Autobiographie, daß Lortzings Wildschütz nur noch als Posse inszeniert werde. Zur Erinnerung: Rudolf Schock mußte die Oper "Der Evangelimann" 1973, mit immerhin 58 Jahren, für die Wiener Volksoper dem Todesschlaf entreißen, sie war seit Jahrzehnten nicht aufgeführt worden. Ich habe die ketzerische Meinung, daß auch Richard Wagner nur noch soviel gegeben wird, weil er als "rechter" Komponist gilt, den man entnazifizieren muß.
2.) Natürlich gibt es auch ein Besetzungsproblem, denn wie soll ich es finden, daß bei der ersten neueren Gesamtaufnahme von Webers Oberon der Amerikaner Donald Grobe die Titelpartie, Placido Domingo den Hüon und Birgit Nilsson die Rezia singen mußten, also waren keine adäquaten SängerInnen deutscher Zunge vorhanden ? Genau wie übrigens bei der einzigen neueren Aufnahme von Euryanthe, bei der Nicolai Gedda, Jessye Norman und Tom Krause die Arbeit machen mußten. Doch es scheint Hoffnung zu geben: Die drei jüngeren Tenöre aus Deutschland, Endrik Wottrich, Jonas Kaufmann und Klaus Florian Vogt, treten in deutschen Opern des 19. Jahrhunderts auf und haben Gesamtaufnahmen hinterlassen, Der Cid; Der Vampir; Euryanthe; Oberon; Fierrabas; Die Königskinder, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Deutschen empfinden, bedingt durch das Dritte Reich, Desinteresse, Schuld und Scham gegenüber ihrer Kultur, was verständlich ist und sich erst langsam abbaut. Man hat Aversionen gegen die als national empfundene Opernkultur des 19. Jhs. mit ihren Sagen, Helden und Schlachten. Man berauscht sich lieber an einer italienischen Hofoper des 18. Jhs., in der ein Altist eine Kastratenpartie singt, denke ich.
3.) Aber um den Ball wieder zurück zu spielen: Die heutige Machtstellung italienischer Opern ist eine Schein-Riesenhaftigkeit, die nur durch massive Heranziehung von SängerInnen aus beiden Amerika und Osteuropa gehalten werden kann. Beim Singen italienischer Partien setzt sich, meines Erachtens, immer mehr ein Einheitsstil durch, der zur Verarmung führt. Vor einigen Jahren mußte die Scala einige SängerInnen-Stellen besetzen, es fanden sich aber keine geeigneten ItalienerInnen mehr !
Gruß,
Antalwin
Hallo und herzlich willkommen Antalwin,
stimme Dir in allem zu. Würde das aber auch noch für die der Tradition verpflichteten Opern geltend machen - Königskinder ist ja auch erst nach der Jahrhundertwende durchkomponiert worden. Anachronistisch sei dementsprechend noch d'Albert genannt, wenngleich der ja erfreulicherweise in letzter Zeit wieder häufiger gegeben wird. Natürlich auch immer mit dem Hinweis, dass "Tiefland" Hitlers Lieblingsoper gewesen sei. Schnarch.
Ich habe einen Opernführer von kurz nach Ausbruch des 1. Weltkrieges: Meine Güte, was da alles an deutschen Opern genannt wird!!!!! Da reizt mich vieles schon allein vom Handlungsgewebe.
LG,
Knuspi