Was ist so faszinierend am Regietheater ?

  • Na endlich versammelt sich wieder die Truppe :thumbup:


    Warum, werter Amfortas, erstaunt es mich keineswegs, dass Du meinen ironischen Vorschlag absolut unterstützst?;_)
    Wir können das Spiel auf anderer Ebene durchaus noch weiter treiben:
    Konsequenterweise sind wir ab so fort auch dafür, nicht mehr die Originaltexte von Dichtern, Philosophen und Religionsstiftern zu lesen. Viel spannender sind doch die Interpretationen durch Literaturkritiker, Exegten usw.. Konkret: Nicht mehr die Bibel, der Koran usw. interessiert, sondern die Deutung durch den (Literatur?)papst, den Talmud, die Imans usw.. Oder irre ich hier plötzlich??
    du hast mich missverstanden, denn ich bezog mich aufs Werk selbst und nicht auf Interpretationen/Kommentare von Werken, also auch nicht was z.B. der Komponist sonst noch mehr oder weniger Unwichtiges über seine Oper vom Stapel gelassen hat.
    Das Werk ists was in die Wagschale geworfen wurde, nicht was der Komponist damit wollte.


    . Viel spannender sind doch die Interpretationen durch Literaturkritiker, Exegten usw.
    Regie (egal ob „konventionell“ oder eher dem sog. „Regietheater“ verpflichtet) sollte sich also mit dem Werk selbst auseinander setzen und nicht mit dem was ein Komponist darüber denkt. Regie ist auch Interpretation des Werkes, Regie stellt sich der Aufgabe dem Besucher zu ermuntern neue und im besten Fall eigene Fragen an das Werk zu stellen oder befragt selbst das Werk .. usw..


    Bei der Oper erwarte ich weder Experimente auf "Kriegsschauplätzen"
    Eine Reihe bekannter Opern haben Krieg, Kriegsschauplätze, Bürgerkrieg, Folgen des Kriegs zum Thema: z.B. Othello, Parsifal, Lohengrin, Freischütz, Idomeneo, Iphigenie auf Tauris , Iphigénie en Aulide, Simone Boccanegra, Die Soldaten, Macht des Schicksals, Al gran sole, Die Walküre, Aida, Tosca ...
    Ich erwarte von der Regie (egal ob konventionell oder sog. "Regietheater" Experimente. z.B. Wieland wagner könnte als Prototyp für Experimente gelten..


    Ich gehe auch nicht aus Sensationslust in die Oper.
    Wäre Sensationslust per se eine „unwürdige“ Motivation für einen Opernbesuch ?


    Oder unterstellst du dem Publikum die das sog. „Regietheater“ besuchen, diese würden überwiegend aus Sensationslust hineingehen z.B. bloß um sich die kollektive Masturbationsszene vom Kosky-Rheingold reinzuziehn ?


    Durch diese modernen Inszenierungen, die mit dem eigentlichen Libretto nicht das Geringste zu tun haben, bin ich aus den Opernhäusern vertrieben worden. Und ich werde mir niemals so etwas anschauen bzw. anhören. Niemals!
    Wenn du nicht mehr die Opernhäuser besuchst, woher entnimmst du deine verlässlichen „Kenntnisse“ übers sog. „Regietheater“ ?


    Wir, die überwiegende Mehrheit,
    habt ihr bereits eine statistische Umfrage gestartet ?( es gibt doch irgend son Thread Regietheater pro kontra oder so ähnlich, aber mir ist kein Zahlenergebnis daraus bekant ...
    :hello:

  • die überwiegende Mehrheit, brauchen solchen Blödsinn nicht!


    Hallo, verehrter Amfortas
    In diesem speziellen Fall lege ich wert darauf vollständig zitiert zu werden. Was die von Dir angesprochene Statistik von Umfragen betrifft, so wird es die in der Realität natürlich nicht geben. Du weißt selbst, wie das mit Meinungsumfragen gehandhabt wird. Eine bestimmte Anzahl wird befragt und das Ergebnis hochgerechnet. Unabhängig davon, meinte ich aber die Mitglieder unseres Forums. Ich will hier keinen neuen Thread ins Leben rufen, aber wenn ich mir eine Umfrage bei unseren Mitgliedern vorstelle " Wer möchte die Traviata auf dem Mond oder einem Schiff sehen ", bin ich mir über das Ergebnis hier absolut sicher.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • ok, da hatte ich dich mißverstanden...


    ...eine Traviata auf einen Schiff könnte ich mir eher vorstellen als auf dem Mond...
    ...und wenn diese mit diesem Ambiente dann sinnvoll und dem werkgemäß gelänge, dann würde das Umfrageergebnis nicht so eindeutig ausfallen, wie zuvor angenommen...
    :hello:

  • "Kinder, schafft Neues!"
    (Richard Wagner, deutscher Kapellmeister, Librettist, Komponist, Architekt und Regisseur, 1813 - 1883)

  • Ein heißes Thema :yes:


    Wolfram: dieses Zitat bringt meine Regietheater-Vorliebe bestens auf den Punkt


    @mJoho: ich bin 30 Jahre alt und die Oper ist ja ein einziges großes Event, finde ich. Ein super schönes Event. Ich habe sowohl auf DVD als auch live hier in Wien viele traditionelle Inszenierungen gesehen. Die altehrwürdige Tosca aus dem Jahr 1955 ist grandios und die möchte ich nicht missen. Oder die Zeffirelli-Inszenierung der Boheme aus der Met. Auch wunderbar. Ich freue mich aber sehr und bin tief beeindruckt, wenn ich eine sehr moderne Inszenierung sehe. Da führe ich immer mein absolutes Lieblingsbeispiel an : Der Ring aus Kopenhagen, den ich auf DVD habe und der als absoluter Schocker für Traditionalisten gilt, den ich aber absolut genial finde. Mit was für tollen Einfällen Holten diesen Ring gestaltet und wie vor allem die Götterdämmerung als Gesellschafts- und Familiendrama inszeniert ist, das bewundere ich sehr.


    Wolfgang: Du gehst aus einem anderen Grund als ich in die Oper. Du möchtest einen traditionellen Abend geniessen, aus unserem Alltag hinaus ins 19. jahrhundert oder vergangene Zeit reisen, mit Hilfe der Oper, Musik, Gesang.
    Ich möchte eine mir bekannte Oper neu erleben, bIn gespannt, was der Regisseur aus einer Handlung, das zb im 19. Jh spielt, gemacht hat, wie er es ins heute transportiert. Was er sonst noch aus dem Stoff macht. Von mir aus kann die Traviata am Schluss auch lebend mit Alfredo davonrennen, schliesslich singt sie ja davon. Fände ich genial :)
    Wir machen also eine entgegengesetzte Opern-Reise. Du vom heute ins gestern, ich vom gestern ins heute. Daher werden wir nie einer Meinung sein was das Regietheater angeht :D


    chrissy: Blödsinn gibts ja auch in den Libretti an sich. In der Boheme spielen die armen Studenten ja auch Klamauk, wenn sie so tun, als seien sie bei einem Königlichen Empfang und einer der Herren spielt ja sogar eine Dame, die zum Ta z aufgefordert wird. Das kann ja noch nicht mal ein Regisseur entblödinisieren :D
    Und ich finde prinzipiell nicht, dass alle modernen Inszenierungen Klamauk sind. Wenn man sich darauf einlässt, kann man virtuose Meisterleistungen der Regisseure entdecken. Konwitschny sei hier genannt, der den Lohengrin von A-Z in ein Klassenzimmer verlegt hat. Und wie er das gemacht hat, das ist absolute Meisterklasse. Stimmig, zum Teil auch komisch, lustig und dramatisch. Das einen Blödsinn zu nennen finde ich nicht richtig.

  • den Lohengrin von A-Z in ein Klassenzimmer verlegt... das ist absolute Meisterklasse.

    Hallo Louis
    Da kann ich nur sagen: " Wer´s halt braucht... ". Dein Geschmack und Deine Meinung sei Dir doch unbenommen. Für mich ist es zumindest interessant auch mal so eine Ansicht, wie von Dir, zu hören. Es wäre interessant zu hören, was die richtigen Wagnerianer hier im Forum dazu sagen, zu denen ich aber nicht gehöre.

    In der Boheme spielen die armen Studenten ja auch Klamauk, wenn sie so tun, als seien sie bei einem Königlichen Empfang und einer der Herren spielt ja sogar eine Dame, die zum Tanz aufgefordert wird.

    Hier möchte ich Dich fragen, hast Du im realen Leben noch nie ausgelassen rumgeblödelt und " die Sau rausgelassen "? Auch wenn das jetzt überheblich klingt, ist es wirklich nicht, aber gerade über die Boheme möchte ich mit Dir nicht diskutieren. Ich merke, hier bist Du mir ganz sicher noch nicht der richtige Diskutant. Und sei versichert, ich meine das nicht böse.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Weisst Du Louis, ich möchte gerne einen Beleg, wo Richard Wagner seinen Lohengrin mit "komischen" und gar "lustigen" Aspekten beabsichtigt hat. Für mich ist leider der Wille des schöpferischen Genies letzlich unantastbar. Aber da werden wir uns wohl nie finden.


    Und pardon, Du irrst Dich, wenn Du meinst, dass Du von gestern ins heute gehest, Du wanderst auf einen fernen Planet im Übermorgen, der mit dem jeweiligen Werk weniger zu tun hat, und vielmehr Deine eigenen Launen und Befindlichkeiten ins Zentrum stellt.


    Durchaus, "Kinder, schafft Neues", aber das meint nicht "schafft Eigenes, das mit meiner Auffassung nichts zu tun hat!" Sondern "nützt die heutigen technischen Möglichkeiten, um meine Ideen klarer darzustellen, als es mir zu meiner Zeit möglich war!" Jeder, der diesen Satz anders interpretiert, zeigt dass er Wagner nicht kennt oder im Grunde ablehnt (Für letzteres gibt es zugebenermassen akzeptable Gründe, aber dann sollte man sich von der Regie fernhalten.)


    MfG

  • Sondern "nützt die heutigen technischen Möglichkeiten, um meine Ideen klarer darzustellen, als es mir zu meiner Zeit möglich war!" Jeder, der diesen Satz anders interpretiert, zeigt dass er Wagner nicht kennt oder im Grunde ablehnt


    Lieber m.joho,


    das könnte man sehr anmaßend verstehen - wenn man es nämlich so liest, dass Du behauptest, dass Deine Lesart stimmt, und alle anderen, die eine andere Lesart vertreten, Wagner nicht kennen oder ablehnen.


    Hast Du das wirklich so gemeint?

  • Lieber Wolfram,


    Du magst mich als anmassend bezeichnen, aber bis heute warte ich vergebens auf den Beleg, dass dieses von Regietheater-Vertretern immer wieder aufgeführte Zitat in der Absicht geäussert wurde, dass es dabei um eine Neudeutung seiner Werke ging. Solange ich diesen Beleg nicht bekomme, bleibe ich bei meiner Deutung, lasse mich aber gerne belehren.


    MfG

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  • Ohne mich groß in diese end- und sinnlose Diskussion nochmal einschalten zu wollen: Ich stimmt m.joho zu. Wagners andere Aussagen widersprechen dieser Regietheater-freundlichen Auslegung dieses Zitats allzu sehr (ich erwähne nur seine genaue Vorstellung, wie der Drache im "Siegfried" auszusehen habe). Mit den neuesten technischen Möglichkeiten wäre Wagners eigene Vorstellung wohl umsetzbar.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also ist die Aufgabe klar: Es ist der Zusammenhang zu suchen, in dem Wagner "Kinder, schafft Neues!" gesagt hat. Um die Spekulationen um das Gemeinte zumindest einschränken zu können.

  • Nee, beim langweiligen Orchester nützen die besten Stimmen überhaupt nischt, umgekehrt aber kann etwa Begeisterndes daraus werden. ...


    Und selbstverständlich interessiert es keinen Opernbesucher, was der Komponist oder gar Librettist (erst recht nicht, wenn es sich dabei um dieselbe Person handelt), sich bei der Verfassung des Werks gedacht haben. Schliesslich ist das Genie des Regisseurs weit höher einzustufen!!!
    Einverstanden !. Denn was der Komponist/ Librettist sich dabei gedacht hat ist tatsächlich meistens ziemlich Wumpe, oft sind deren Äußerungen über ihre Erzeugnisse auch recht belanglos und uninteressant. Die Message, die Komplexität, die Schichten des Werkes sind das entscheidende


    Hallo, Amfortas!


    Da siehst du mal, wie unterschiedlich die Einstellung der Opernhörer sein kann! Für dich ist offensichtlich eine Oper eine Sinfonie mit begleitenden Stimmen, was dann zugegebenermaßen bei Belcanto-Opern ziemlich langweilig sein kann. Für mich ist aber Oper Gesang mit begleitendem Orchester, weshalb beispielsweise schlecht gesungener Wagner unerträglich für mich ist. Wer hat nun Recht? Ich denke, beide Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung.


    Zu deiner zweiten Behauptung: Du meinst doch nicht etwa allen Ernstes, dass sich Komponist und Librettist nicht über "Message, Komplexität und Schichten" des von ihnen verfassten Werkes im Klaren waren und dass es nur der "Genialität " Regisseurs zu verdanken ist, dass der ebenso ahnungslose Opernbesucher davon erfährt. Weil er aber zu blöd ist, um dem Reichtum an Einsichten des Regisseurs zu folgen, wird er in Einführungen vor den Vorstellungen oder via Programmheft darüber aufgeklärt. Will oder kann er es dann immer noch nicht begreifen, ist er eben ein doofer "Staubi" - entschuldige bitte, aber das erinnert doch zu sehr an "des Kaisers neue Kleider".


    Weiter unten bezweifelst du wieder mal die Behauptung, dass die Mehrheit der Opernbesucher das Regietheater ablehnt. Ob es wirklich die Mehrheit ist, weiß ich natürlich auch nicht, aber auch ich kenne viele Leute, die so denken wie ich. Ich habe ja an anderer Stelle schon mal vorgeschlagen, dass die Intendanten der Opernhäuser ihr Publikum dazu befragen. Warum tun sie es nicht - Angst vielleicht?


    Schließlich zu deiner Ansicht, dass ja viele der von den "Staubis" kritisierten Vorstellungen immer noch relativ gut besucht sind, drei "Lösungsvorschläge"


    1. Premieren: "Man" geht eben dahin, weil es schick ist, zu Premieren zu gehen


    2. Repertoirevorstellungen: Man hat die Rezension nicht gelesen
    Man hat sie gelesen, aber man hat ein Abo und möchte das Geld nicht verfallen lassen


    3. Man liebt das Werk so sehr, dass man das ganze bei geschlossenen Augen über sich ergehen lässt.


    Ach ja, und schliesslich gibt es ja noch Leute, denen das ganze gefällt. Es wäre aber wirklich interessant zu erfahren, wie hoch jeweils der Anteil der genannten Gruppen tatsächlich ist.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Eigentlich wollte ich mich in dieses Thema nicht mehr einschalten, denn bei jedem Plädoyer für das sogenannte "konventionelle" Theater (denn auch dieser Ausdruck trifft wohl nicht in vollem Umfang zu) ist man schon sicher, dass das gleich wieder von Amfortas in Einzelteile zerpfückt und mit neuen Platzpatronen beschossen wird. Nach ein paar Tagen Ruhe geht das Schießen jetzt wieder heftig los. Ich kann immer wieder nur feststellen, dass das sogenannte "Regietheater" von der Mehrheit der hier Diskutierenden - darunter auch jungen Leuten - abgelehnt wird. Und wenn ich mich in meinem großen Bekanntenkreis, in der es eine Reihe Opernliebhaber gibt, umschaue und umhöre, finde ich ebenfalls niemanden - auch nicht unter den Jüngeren - der die hier gemeinte Art von Inszenierungen nicht verabscheut. Wo also liegt wohl die Mehrheit??
    Den Liebhabern verunstalteter Inszenierungen - was ich darunter verstehe, habe ich ja in meinen Beiträgen durch Beispiele belegt, für die ich von den Befürwortern keine plausible Antwort erhalten habe - sei es unbenommen, sich solche Inszenierungen "reinzuziehen". Worum es hier doch geht, ist, dass eine Mehrheit, die Inszenierungen liebt und auch geniessen möchte, in denen man Zeit, Ort und Handlung des Originalwerks erkennt, auf ihr Recht pocht, dass diese im Verhältnis ihrer Anzahl zu der Anzahl derjenigen, die die entstellten Inszenierungen mögen, steht. Das aber ist heutzutage leider nicht der Fall. Die Befürworter des sogenannten "Regietheaters" aber, so habe ich nach allem den Eindruck, wollen das Feld ganz für sich allein und verdammen alles andere als in die "Mottenkiste" gehörig.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • "Kinder, schafft Neues!"
    (Richard Wagner, deutscher Kapellmeister, Librettist, Komponist, Architekt und Regisseur, 1813 - 1883)



    Wagner ist für mich nicht das Maß aller Dinge, aber wenn Regisseure das ernst nehmen würden, dann könnten wir aufatmen: Die Hohlform des verstaubten, sich ständig selbst repitierenden, zum Selbstzweck erstarrten Regietheaters würde dann endlich entsorgt werden. Neu ist der Krampf schon lange nicht mehr und er wird es auch nicht, wenn Intendanten ihren Regisseuren aufbürden: "Machen`s den Giovanni, wie sie wollen, nur nicht historisch - auch wenn`s das liaber woll`n."


    NEUES SCHAFFEN, das bedeutet für mich: endlich mal wieder zu Herzen gehendes Theater ohne die ewig gleichen political correctness-Botschaften à la Kölner "Entführung aus dem Serail", ohne die Vermittlung des "Wir müssen jetzt alle betroffen sein"-Gefühls à la "Rusalka" in München, ohne die Provokation eines Wiesbadener "Freischütz", ohne die Zerstörungswut eines Mainzer "Tiefpunktes, äh -landes" und ohne die Arroganz des Dresdner "Hänsel und Gretel"-Debakels. NEUES SCHAFFEN bedeutet für mich, sich auch mal wieder trauen, etwas schön zu machen, aus der Aufführungstradition heraus zu inszenieren, einfach die Geschichte zu erzählen, so wie sie im Libretto steht. Und amfortas, verschone mich jetzt bitte mit spitzfindigen Aufforderungen, zu erklären, was denn allgemeingültig "schön" sei. Wir wissen beide was gemeint ist.

  • Für mich (und nicht nur für mich) ist Oper eine Imagination in einem auratischen Raum, wo Empfindungen, Gefühle, Leidenschaften, Lachen und Tränen ihren Platz finden - soviel zur Einleitung.


    Wir Wiener lebten nach dem 2. Weltkrieg, was die Oper betrifft, auf einer Insel der Seligen. Denn auch wenn unser geliebtes Haus in Schutt und Asche lag - angeblich bombardierten die Amerikaner diese musikalische Heimstätte, weil sie die Oper für den Südbahnhof hielten -, das einzigartige und vielleicht europaweit bedeutendste Sängerensemble hat mit wenigen Ausnahmen diese Schreckenszeit heil überstanden. So konnte man bald darauf wieder erstklassige Oper, wenn auch in Ausweichquartieren, erleben.


    Das war aber nicht überall so. In Deutschland (West) gab es nach diesem Krieg etwa vierzig Opernhäuser, die auch alles daransetzten, ihre Pforten dem Publikum zu öffnen. So begrüßenswert dieses Vorhaben auch war, das Problem, hervorragende Sänger zu präsentieren, war in dieser Nachkriegszeit unübersehbar, und so litt die Qualität des Gebotenen über alle Maßen, was wiederum zu Einbrüchen in der Publikumsakzeptanz führte.


    Also mußte man dem Abhilfe schaffen, und man begann, verlorenes Publikum durch andere Sichtweisen quasi umzuerziehen, indem man den Schwerpunkt des Interesses von der Musik weg hin zur "revolutionären" Regie legte.


    Um diese Vorhaben realisieren zu können, bediente man sich vornehmlich intellektuell arbeitender bedeutender Regisseure aus dem Sprechtheater - das war die Geburt des "Regietheaters", dem etwa gleichzeitig auch die Opernhäuser in Deutschland-Ost folgten - wenn sie nicht gar als Vorreiter fungierten. Wen wundert es, wenn seitdem der Hauptakzent von der Musik weg auf "in die Tiefe gehende" aus Text und Handlung geschürfte Ideen und Erkenntnisse gelegt wurden und werden - zum Schaden der musikalischen Ausdruckssprache, die seitdem schmerzhaft in den Hintergrund geschoben wurde.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich stimmt m.joho zu. Wagners andere Aussagen widersprechen dieser Regietheater-freundlichen Auslegung dieses Zitats allzu sehr (ich erwähne nur seine genaue Vorstellung, wie der Drache im "Siegfried" auszusehen habe). Mit den neuesten technischen Möglichkeiten wäre Wagners eigene Vorstellung wohl umsetzbar.
    Tja, nur ist es dabei überhaupt nicht sicher, ob er unter neuen Bedingungen seine eigenen Vorstellung über Regie nicht im starkem Maße revidiert hätte !!! Aus dieser Perspektive heraus, wären dann Wagners „genaue“ Vorstellungen des Drachens sehr viel weniger relevant.


    Hallo, Amfortas!
    Da siehst du mal, wie unterschiedlich die Einstellung der Opernhörer sein kann! Für dich ist offensichtlich eine Oper eine Sinfonie mit begleitenden Stimmen, was dann zugegebenermaßen bei Belcanto-Opern ziemlich langweilig sein kann. Für mich ist aber Oper Gesang mit begleitendem Orchester, weshalb beispielsweise schlecht gesungener Wagner unerträglich für mich ist. Wer hat nun Recht? Ich denke, beide Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung.
    Wer hat Recht ? OK. Ich gebs ja zu, dass ich in vielen Fällen eher dem Orchester zugeneigt bin. Generell sind natürlich beide Teile wichtig. Aber bei Wagner ist das Gewebe des Orchestersatzes spätestens ab Rheingold so dicht und vielschichtig geknüpft, dass dieser zu mehr als zur bloßen Begleitung der Protagonisten tendiert. Zugegeben, bei bestimmten Opern ists nicht unwichtig, die Titelpartie möglichst gut bzw. akzeptabel zu besetzen: z.B. Wozzeck, Othello, Lohengrin, Falstaff, Tannhäuser, Aida, Palestrina, Simone Boccanegra, Erwartung ....aber z.B. beim Tristan, bzw. beim Ring, Moses und Aron, Soldaten, Intolleranza, Nozze, Meistersinger reicht mir „Hausmannskost“, wenn das Orchester gut ist...
    natürlich ists auch fetzig, wenn zusätzlich noch gute Solisten quasi das Sahnehäubchen bilden..


    Für dich ist offensichtlich eine Oper eine Sinfonie mit begleitenden Stimmen,
    Christoph Eschenbach hat mal den Parsifal in einem Radiointerview mit ähnlich schönen Worten beschrieben, was gut nachvollziehbar ist ...


    Zu deiner zweiten Behauptung: Du meinst doch nicht etwa allen Ernstes, dass sich Komponist und Librettist nicht über "Message, Komplexität und Schichten" des von ihnen verfassten Werkes im Klaren waren
    Doch dieser Überzeugung bin ich. Für diese Überzeugung sprechen schlichte Äußerungen der Künstlern über ihr Werk, die oft daran abgleiten. In uninteressanten, langweiligen Kunstwerken war bzw. versuchte der Schöpfer schlauer zu sein als sein Werk...


    und dass es nur der "Genialität " Regisseurs zu verdanken ist, dass der ebenso ahnungslose Opernbesucher davon erfährt.
    Ich habe nirgendwo von nur der Genialität der Regisseurs geschrieben...


    Weil er aber zu blöd ist, um dem Reichtum an Einsichten des Regisseurs zu folgen, wird er in Einführungen vor den Vorstellungen oder via Programmheft darüber aufgeklärt.
    Dieser Satz soll mal durch folgende Überlegung aufgefächert werden:
    Da bin ich erst mal auf deiner Seite: eine gelungene Regie muss erst mal sich aus sich selbst so weit deutlich werden, dass sie nämlich zum Verstehenwollen des Publikums motiviert, also ohne zusätzliche Erklärungen aus Programmheften.
    Aber eine gelungene Regiearbeit soll mich nicht nur dem Werk also der Oper, die gespielt wird „blöder“ machen, sondern auch gegenüber der Regiearbeit selbst. Dann ist sie spannend. Dabei sollte sie – andererseits - den Zugang, die Motivation zum Verstehenwollen gewähren, wie bereits betont.
    Eine Regiearbeit in der ich meine, „alles zu verstehen“ wird schnell langweilig. Sie motiviert nämlich dann nicht, sich intensiver mit dem Werk in Gestalt der Regie sich auseinanderzusetzen.
    Ganz grob gesagt: was ich verstehe, interessiert mich einen Scheiß.
    (Ungenau vergleichbar mit einem spannendem Krimi, in dem der Betrachter erst zum Schluss über den Mörders informiert wird).
    Denn, die Beschäftigung mit einem Kunstwerk ist der Tendenz nach ein unabgeschlossener Prozess..


    Will oder kann er es dann immer noch nicht begreifen, ist er eben ein doofer "Staubi" - entschuldige bitte, aber das erinnert doch zu sehr an "des Kaisers neue Kleider".
    Ich bin der Überzeugung, dass bedeutende Musikwerke so komplex, vielschichtig geraten sind, so dass der Hörer, Besucher immer wieder Neues darin entdeckt ..
    Es spricht also für das Kunstwerk, wenn es „schlauer“ ist als das Publikum. Ein weniger „schlaues“ Werk ist weniger interessant..
    Gute Regiearbeiten sollten – wie bereits betont - das Publikum animieren, musikalische Bezüge neu zu hören, überhaupt Neues im Werk zu entdecken ..etc... und ich wünsche mir von einer guten Regiearbeit, dass diese ebenso wie das Werk „schlauer“ gerät als z.B. meine begrenzte Auffassungsgabe, weil es nämlich zusätzlich Motivation gibt, sich diese Vorstellung erneut reinzuziehn, sich damit intensiver auseinanderzusetzen. Regie soll mir also weniger Gewohntes vermitteln... (siehe Wotanzitat zu Fricka)
    Erneut grob gesagt: wenn mich die Aufführung einer Oper „doof“ erscheinen lässt, weil vieles Gehörte/ Gewohnte fragwürdig wird und doch gleichzeitig mich motiviert, zu versuchen, diese "Doof"-Stufe zu übersteigen, dann bin ichs zufrieden. Das schließt Genuss bzw. sinnlich-süffige Lockung durch die Musik, Emotionen, Unterhaltung dabei überhaupt nicht aus.


    Weiter unten bezweifelst du wieder mal die Behauptung, dass die Mehrheit der Opernbesucher das Regietheater ablehnt. Ob es wirklich die Mehrheit ist, weiß ich natürlich auch nicht,
    Genau
    aber auch ich kenne viele Leute, die so denken wie ich.
    Natürlich, das würde ich überhaupt nicht ausschließen, aber ich kenne auch „Staubis“ die von einer Arbeit des sog. „Regietheaters“ angetan waren, während ich diese für sehr misslungen hielt und mir einiges da „konventioneller“ wünschte. Solche Erfahrung lässt die Sachverhalte (pro contra) doch komplizierter werden ..
    .. wie bereits betont, schlechte , misslungene Regiearbeiten gibt es im Bereich des sog. „Regietheaters“ und im sog. „konventionellen“ Bereich..
    ...und sog. „Staubis“ könnten auch versuchen sich anderen Perspektiven öffnen ..


    Ich habe ja an anderer Stelle schon mal vorgeschlagen, dass die Intendanten der Opernhäuser ihr Publikum dazu befragen. Warum tun sie es nicht - Angst vielleicht?
    Die Gründe dazu hatte ich bereits geschrieben.


    Schließlich zu deiner Ansicht, dass ja viele der von den "Staubis" kritisierten Vorstellungen immer noch relativ gut besucht sind, drei "Lösungsvorschläge"
    1. Premieren: "Man" geht eben dahin, weil es schick ist, zu Premieren zu gehen
    2. Repertoirevorstellungen: Man hat die Rezension nicht gelesen
    Man hat sie gelesen, aber man hat ein Abo und möchte das Geld nicht verfallen lassen
    3. Man liebt das Werk so sehr, dass man das ganze bei geschlossenen Augen über sich ergehen lässt.


    Für 1. spricht sicher vieles, weil Premieren (auch Neueinstudierungen) – nach meiner Erfahrung - oft eine ganz besondere Intensität der Aufführung gewährleisten...
    Zu 2. Siegfried und Walküre (beides Kosky), waren total ausverkauft, obwohl das Publikum spätestens nach der Rheingold-Premiere genau wussten, was sie dort erwartete.
    Zu 3. Schwer zu bestimmen, da der Saal abgedunkelt wird..


    Ach ja, und schliesslich gibt es ja noch Leute, denen das ganze gefällt. Es wäre aber wirklich interessant zu erfahren, wie hoch jeweils der Anteil der genannten Gruppen tatsächlich ist.
    Vielleicht wird irgend wann ein Marktforschungsinstitut damit beauftragt, eine verlässliche Studie darüber anzufertigen... aber ich stehe, wie bereits andernorts betont – dem Mehrheitsprinzip in der Welt der Kunst eher skeptisch gegenüber...
    Ein Beispiel zur Verdeutlichung. Wäre über die Falstaff-Premiere in Hannover zuvor eine Abstimmung erfolgt und ich hätte mit der Mehrheit für eine Regie gestimmt die ganz dem sog. „Regietheater“ zuzuweisen wäre, dann wäre mir eine gelungene Arbeit entgangen, die eher das Lager des sog. „konventionellen“ Theater anspricht ...



    Eigentlich wollte ich mich in dieses Thema nicht mehr einschalten, denn bei jedem Plädoyer für das sogenannte "konventionelle" Theater (denn auch dieser Ausdruck trifft wohl nicht in vollem Umfang zu)
    Das sei jetzt einigen Diskutanten vom Lager der „Gegner“ ins Stammbuch geschrieben:
    Von einem sinnvollen Plädoyer für das sog. „konventionelle“ Theater sollte mehr erwartet werden, als bloße Wiederholungen gewohnter Pauschalisierungen: entstellende Inszenierungen, Verunstaltungstheater .. etc... etc... etc...


    ist man schon sicher, dass das gleich wieder von Amfortas in Einzelteile zerpfückt und mit neuen Platzpatronen beschossen wird.
    Es bleibt zwar nicht alles unwidersprochen, aber weder zerpflücke, noch schieße ich ....


    Nach ein paar Tagen Ruhe geht das Schießen jetzt wieder heftig los.
    ......und Scharfschießen sei sowieso ganz ferne ....


    Ich kann immer wieder nur feststellen, dass das sogenannte "Regietheater" von der Mehrheit der hier Diskutierenden - darunter auch jungen Leuten - abgelehnt wird
    Die Mehrheit der in diesen Thread momentan Diskutierenden steht dem sog. „Regietheater“ generell ablehnend gegenüber, ist doch ok.; aber es gibt keine verlässliche Umfrage darüber, ob das die Mehrheit in Tamino bildet.


    Und wenn ich mich in meinem großen Bekanntenkreis, in der es eine Reihe Opernliebhaber gibt, umschaue und umhöre, finde ich ebenfalls niemanden - auch nicht unter den Jüngeren - der die hier gemeinte Art von Inszenierungen nicht verabscheut. Wo also liegt wohl die Mehrheit??
    Eben, wo liegt denn die Mehrheit ? Wenn überhaupt Mehrheit als Maß aller Dinge in der Kunst gelten soll, worüber noch andernorts zu diskutieren wäre...


    Den Liebhabern verunstalteter Inszenierungen - was ich darunter verstehe, habe ich ja in meinen Beiträgen durch Beispiele belegt, für die ich von den Befürwortern keine plausible Antwort erhalten habe - sei es unbenommen, sich solche Inszenierungen "reinzuziehen". Worum es hier doch geht, ist, dass eine Mehrheit, die Inszenierungen liebt und auch geniessen möchte, in denen man Zeit, Ort und Handlung des Originalwerks erkennt, auf ihr Recht pocht, dass diese im Verhältnis ihrer Anzahl zu der Anzahl derjenigen, die die entstellten Inszenierungen mögen, steht.
    Erst wurde in deinem Posting die Frage gestellt. Wo also liegt wohl die Mehrheit?? ohne eine plausible Antwort zu geben (die gibt’s nämlich gar nicht) und nun wird plötzlich unbewiesen unterstellt: dass eine Mehrheit, die Inszenierungen liebt und auch geniessen möchte, in denen man Zeit, Ort und Handlung des Originalwerks erkennt, auf ihr Recht pocht
    => das ist keine redliche Argumentation.


    Die Befürworter des sogenannten "Regietheaters" aber, so habe ich nach allem den Eindruck, wollen das Feld ganz für sich allein und verdammen alles andere als in die "Mottenkiste" gehörig.
    Mitleid darüber hält sich solange in ganz engen Grenzen, bis ein Beleg zu Gunsten der „Opferrolle“ der „armen“ „Staubis“ in Tamino auftaucht...


    Um diese Vorhaben realisieren zu können, bediente man sich vornehmlich intellektuell arbeitender bedeutender Regisseure aus dem Sprechtheater - das war die Geburt des "Regietheaters", dem etwa gleichzeitig auch die Opernhäuser in Deutschland-Ost folgten - wenn sie nicht gar als Vorreiter fungierten. Wen wundert es, wenn seitdem der Hauptakzent von der Musik weg auf "in die Tiefe gehende" aus Text und Handlung geschürfte Ideen und Erkenntnisse gelegt wurden und werden - zum Schaden der musikalischen Ausdruckssprache, die seitdem in den Hintergrund geschoben wurde.
    Nein, zu pauschal und kann durch zahlreiche Gegenbeispiele widerlegt werden.
    Der Name Felsenstein und Götz Friedrich stehen ein für die Musik als Basis ihrer Regiearbeiten. Beide kommen aus dem Musiktheater...
    z.B. Harry Kupfer-Fidelio-Inszenierung der KOB legte es besonders darauf an, durch Choreographie und Beleuchtung unscheinbare musikalische Zusammenhänge deutlich, neu erfahrbar werden zu lassen.

    Zitat

    Und amfortas, verschone mich jetzt bitte mit spitzfindigen Aufforderungen, zu erklären, was denn allgemeingültig "schön" sei. Wir wissen beide was gemeint ist.

    nee, das wissen wir beide nicht so genau, weil Schönheit oft proteushaft wechselnde Gestalt annimmt... und wennn du auf Allgemeinheit pochst, dann raune ich redlichen Rat, sich nach dem zu richten, was in der Unterhaltungsindustrie als Schönheit gilt.


    :hello:

  • Ach ja, und schliesslich gibt es ja noch Leute, denen das ganze gefällt. Es wäre aber wirklich interessant zu erfahren, wie hoch jeweils der Anteil der genannten Gruppen tatsächlich ist.
    Vielleicht wird irgend wann ein Marktforschungsinstitut damit beauftragt, eine verlässliche Studie darüber anzufertigen... aber ich stehe, wie bereits andernorts betont – dem Mehrheitsprinzip in der Welt der Kunst eher skeptisch gegenüber...
    Ein Beispiel zur Verdeutlichung. Wäre über die Falstaff-Premiere in Hannover zuvor eine Abstimmung erfolgt und ich hätte mit der Mehrheit für eine Regie gestimmt die ganz dem sog. „Regietheater“ zuzuweisen wäre, dann wäre mir eine gelungene Arbeit entgangen, die eher das Lager des sog. „konventionellen“ Theater anspricht ...


    Hallo, Amfortas!


    Es wäre natürlich blödsinnig und kontraproduktiv, das Publikum vor einer Premiere abstimmen zu lassen. Was ich meine ist, die Besucher nach jeder Vorstellung zu befragen, und das über einen längeren Zeitraum hinweg. Das wäre natürlich zugegebenermaßen etwas kostenintensiv wegen des hohen Papierverbrauchs, könnte sich aber möglicherweise später rentieren durch steigende Zuschauerzahlen, egal nach welcher Richtung das Ergebnis tendiert.



    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)


  • Also mußte man dem Abhilfe schaffen, und man begann, verlorenes Publikum durch andere Sichtweisen quasi umzuerziehen, indem man den Schwerpunkt des Interesses von der Musik weg hin zur "revolutionären" Regie legte.

    Das ging aber erst so richtig los ab der 68-er Revolution. Die Deutungen vorher fühlten sich immer noch dem Werk verpflichtet, reduzierten manchmal das äußere Erscheinungsbild, standen aber überwiegend noch in der Tradition der librettonahen Erzählweise. Ich weiß noch, wie die Pestwelle langsam vom Schauspiel in die Oper schwappte. Das fing so in den 80er Jahren an. Ab da ging es bergab mit dem Schönen, Wahren und Guten.

  • ja nach der Vorstellung wäre ein gangbare Weg.


    Nur es wird problematisch, wenn dann das Pubklikum nicht nur über die Regie, sondern auch über alle Beteiligten der Vorstellung abstimmen sollte, wo solte die Grnze gesetzt werden. ?


    Abgesehen davon dass sich aus wirtschaftlichen Gründen ein Opernhaus nicht generell gegen das Pubklikum richten kann (was, wenn man die Spielpläne sich anschaut, auch nicht geschieht, zu meinen Leidwesen, wie bereits angedeutet), auf der anderen Seite aber sollte und muss auch das Publikum gefordert werden, d.h. ich (der ich auch zum Publikum gehöre) möchte nicht ständig auf einer gleichen "ästhetischen Stufe" abgesfüttert werden..


    ...in beiden extremen sind Mißverständnisse/Fehlleistungen nicht auszuschließen...


    ... also ich bin grundsetzlich nicht dagegen sich nach dem Publikum zu richten, aber gleichzeitig gegen generelle Willfährigkeit gegenüber Pubklikumserwartungen und -wünschen... wie gesagt deshalb stehe ich Befragungen eher etwas reserviert gegenüber, ohne sie gänzlich außen vor lassen zu wollen...



    :hello:

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  • Zitat

    Die Deutungen vorher fühlten sich immer noch dem Werk verpflichtet, reduzierten manchmal das äußere Erscheinungsbild, standen aber überwiegend noch in der Tradition der librettonahen Erzählweise. Ich weiß noch, wie die Pestwelle langsam vom Schauspiel in die Oper schwappte. Das fing so in den 80er Jahren an. Ab da ging es bergab mit dem Schönen, Wahren und Guten.

    dass die frühere Regiearbeiten besonders librettonah waren, wurde bereits andernorts in Frage gestellt und mit abgestandenen Morgenmief verwechselt, was als Gutes, Wahres und Schönes bezeichnet wird...
    :hello:

  • Man brauchte nur über das Regieteam bzw. seine Umsetzung des Werks abstimmen zu lassen. Über die anderen Beteiligten kann das Publikum nach jeder Vorstellung per Applaus abstimmen. Beim Regieteam hat es ausschließlich nach der Premiere Gelegenheit dazu.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Erst wurde in deinem Posting die Frage gestellt. Wo also liegt wohl die Mehrheit?? ohne eine plausible Antwort zu geben (die gibt’s nämlich gar nicht) und nun wird plötzlich unbewiesen unterstellt: dass eine Mehrheit, die Inszenierungen liebt und auch geniessen möchte, in denen man Zeit, Ort und Handlung des Originalwerks erkennt, auf ihr Recht pocht

    Da hast du einmal wieder - wie schon häufiger in deinen Antworten - etwas falsch verstehen wollen. Ich schätze dich doch nicht so ein, dass du nicht erkennst, dass das eine rein rhetorische Frage war und ich diese gestellt habe, weil du immer wieder die Mehrheit derjenigen, die anders als du denken, bezweifelst, obwohl auch andere Teilnehmer aus ihren Bekanntenkreis dasselbe berichten. Damit du deine redliche Antwort bekommst: Nach allen Diskussionen erkenne ich (und das sollte damit auch ausgedrückt werden!!) eindeutig bei denen, die die verunstalteten Inszenierungen ablehnen.


    Gruß
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Man brauchte nur über das Regieteam bzw. seine Umsetzung des Werks abstimmen zu lassen. Über die anderen Beteiligten kann das Publikum nach jeder Vorstellung per Applaus abstimmen. Beim Regieteam hat es ausschließlich nach der Premiere Gelegenheit dazu.
    Dabei entsteht erneut ein gewichtiges Problem.
    Wenn ein Regiesseur eine gute Arbeit abliefert und durch Publikumsabstimmung einen Folgeauftrag erhält, ist noch lange nicht gewährleistet, das die Folgearbeit gelingt. Die Folgearbeit kann absoluter Schrott, bestenfalls Mittelmaß werden. Aber auch umgekehrt. Solche Fälle habe ich häufig erlebt...


    z.B. Lehmann, ein „konservativer“ Regiesseur machte einen guten Othello, aber sein Palestrina war völlig missraten. Bieitos Traviata war ein absoluter Reinfall bzw. Mist, während danach sein Don Giovanni und sein Wozzeck ganz vorzüglich gelangen... usw.. usw. ...


    Mir wärs dann doch praktikabler, zu versuchen beide „Lager“ (wenn es so etwas überhaupt gibt) mehr oder weniger zufrieden zustellen, also ohne Abstimmung...und wenn das Publikum „bunt“ gemischt ist/bleibt (also beide „Lager“), dann ists eher zum Vorteil der Lebendigkeit des Musiktheaters..


    ich wünsche mir z.B. die szenische Realisierung vom Tristan oder Moses und Aron eher in Richtung „konventionell“ , während mir z.B. beim Wozzeck, Butterfly oder Ring eher die Arbeiten näher sind die dem sog. „Regietheater“ zuzuschreiben wären.


    . aber es wären vielleicht in allen diesen genanten Werken Perspektiven möglich, die mir momentan nicht vorstellbar sind (egal ob mehr in Richtung „konventionell“ oder sog. „Regietheater“) und genau aus diesem Grunde möchte ich nicht abstimmen, auch wenn ich mich über manches ärgere und ärgern werde...


    .. bei der Boheme oder Carmen hat mich bisher noch keine szenische Realisierung ganz überzeugt (nicht mal Kusejs Carmen) ..
    :hello:

  • . bei der Boheme hat mich bisher noch keine szenische Realisierung ganz überzeugt

    Dann solltest Du Dir mal die DVD mit der Boheme aus San Francisco anschauen. Hier stimmt nach meinem Empfinden alles. Besser geht nicht.
    Gruß
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Mir wärs dann doch praktikabler, zu versuchen beide „Lager“ (wenn es so etwas überhaupt gibt) mehr oder weniger zufrieden zustellen, also ohne Abstimmung...und wenn das Publikum „bunt“ gemischt ist/bleibt (also beide „Lager“), dann ists eher zum Vorteil der Lebendigkeit des Musiktheaters..


    Hallo Amfortas,



    ich habe ja auch nicht gemeint, dass ein gut bewerteter Regisseur sogleich einen Folgeauftrag erhält, sondern es geht mir darum, eine allgemeine Tendenz beim Publikum feststellen zu lassen, weil ich der Meinung bin,dass die Freunde der konventionellen Opernregie derzeit doch arg zu kurz kommen. Ich möchte auch keineswegs nun wieder so weit gehen, das Regietheater ganz abzuschaffen - es hat seine Freunde wie dich zum Beispiel, und auch ich finde, keine Seite sollte der anderen ihre Sichtweise aufzwingen, nur finden viele "Staubis" wie ich, dass genau das augenblicklich der Fall ist. Vielleicht wäre auch schon viel gewonnen, wenn die Regisseure die zu inszenierenden Werke wieder ernster nähmen, nicht schlauer sein wollten als Komponist und Librettist und weniger ihr eigenes Ego pflegten. Jetzt wirst du mir wahrscheinlich gleich vorhalten, dass das eine unbewiesene Behauptung ist. Stimmt, aber man kann sich häufig des Eindrucks nicht erwehren, dass es nur darum geht:was hatten wir noch nicht, wie kann ich provozieren, um bekannt zu werden. Warum nicht mal im Stil von xyz, aber deren Fehler vermeidend? Ich denke da an einige Regisseure, die dir offenbar nicht so liegen.Ist Originalität um jeden Preis etwa ein schützenswertes Kulturgut?


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • wie bereits gesagt, schlecht ist diese Boheme nicht, aber ich wünsche mir doch noch ein Mehr in der szenischen Realisierung, die sich z.B. noch stärker vom Illustrativen entfernt... vielleicht gelingts in mittelfrister Zukuft mal einem Regiesseur(egal zu welchem "Lager" er tendiert)...
    :hello:

  • Zitat

    Vielleicht wäre auch schon viel gewonnen, wenn die Regisseure die zu inszenierenden Werke wieder ernster nähmen, nicht schlauer sein wollten als Komponist und Librettist und weniger ihr eigenes Ego pflegten. Jetzt wirst du mir wahrscheinlich gleich vorhalten, dass das eine unbewiesene Behauptung ist. Stimmt, aber man kann sich häufig des Eindrucks nicht erwehren, dass es nur darum geht:was hatten wir noch nicht, wie kann ich provozieren, um bekannt zu werden.

    die Vorbehalte treffen für misslungene Arbeiten zu (dies ja leider auch gibt), wenn man sich mit den sinnvollen Arbeiten intensiver auseinandersetzt, dann verflüchtigen sich viele Vorbehalte, das kann ich aus eignerer Erfahrung sagen...

    Zitat

    weil ich der Meinung bin,dass die Freunde der konventionellen Opernregie derzeit doch arg zu kurz kommen. Ich möchte auch keineswegs nun wieder so weit gehen, das Regietheater ganz abzuschaffen

    deshalb plädiere ich für eine "gute Mischung" . Ich bin auch gegen die Abschaffung der sog. "konventionellen" Regie, die ja im besten Fall nichts Statisches, Gleichbleibendes ist ...

    Zitat

    aber man kann sich häufig des Eindrucks nicht erwehren, dass es nur darum geht:was hatten wir noch nicht, wie kann ich provozieren, um bekannt zu werden.

    nochmal: gilt für die mißlungenen Arbeiten (über die ich mich auch ärgere), wobei ich nichts gegen gut gemachte Provokation habe, wenn sie unterhält und nicht banal wird oder sich abschleift..

    Zitat

    Ist Originalität um jeden Preis etwa ein schützenswertes Kulturgut?

    die lebendige Auseinandersetzung mit dem Werk (was es z.B. an musikalisch-dramaturgischen Momenten, Schichten neu zu entdecken, zu erfahren gibt) ist das zu schützende Kulturgut...


    :hello:

  • Na, dann gehen wir mal in die Einzelheiten. Irgendwann im vorigen Jahr wurde ja dieser merkwürdige "Baustellen-Lohengrin" aus München im Fernsehen übertragen.Ich gehe mal davon aus , dass du ihn gesehen hast. Ich kann mich natürlich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, aber ich glaube, bis zum Ende des zweiten Aktes habe ich durchgehalten. Frage:


    1. Hältst du das für eine gelungene Regiearbeit, und wenn ja, warum?


    2.Welche musikalisch-dramaturgischen Schichten wurden dabei neu entdeckt?


    Warum ich das ganze nicht bis zum Schluss gesehen habe, weiß ich nicht mehr. Entweder war ich zu müde oder zu blöd, um die Gedanken des Regisseurs nachzuvollziehen, wahrscheinlich beides. Zumindestens fand ich es nicht ordinär oder abstoßend, was ich ja zuvor manchen Regiearbeiten vorgeworfen habe. Trotzdem ließ es mich ratlos zurück. Und natürlich fand ich, dass vieles einfach nicht zum Text passte. Also kläre mich bitte mal auf! Danke!


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

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