ernste und andere Musik

  • Zit. kurzstueckmeister: "Ich bin ja FÜR die Verwendung der Schubladen "E", "U", "Barock", "gut", "egal" etc"

    Der eine ist für "Schubladen", der andere hält sie für eine problematische Einrichtung. Mir stellen sich, wenn ich auf den Verlauf der Diskussion in diesem Thread zurückblicke, einige zentrale Fragen, auf die sich bislang niemand hier wirklich so intensiv und konkret eingelassen hat, dass ich den Beiträgen eine Antwort entnehmen könnte. Ich möchte diesen Fragenkomplex in Anknüpfung auf das obige Zitat einmal auf die bewusst naive und simpel formulierte Frage reduzieren:


    Was ist in den Schubladen denn eigentlich drin?


    Im Kern dreht sich dieser Thread ja doch in all seinen Beiträgen um das Thema "U-Musik" in ihrem Verhältnis zur "E-Musik". Wenn man einmal von dem ursprünglichen Frageansatz, der wegen seiner moralischen Komponente sich schnell als obsolet erwies, absieht, dann läuft für mich alles auf eine zentrale Frage hinaus:


    Was unterscheidet die sogenannte "Klassische Musik" denn eigentlich in ihrem Wesen so sehr von der "U-Musik" (im weitesten Sinne des Begriffs), dass man ihr einen gleichsam eigenen kategorialen Ort auf dem weiten Feld der Musik ganz allgemein zugewiesen hat?


    Im einzelnen aufgeschlüsselt und auf die Diskussion in diesem Thread zugespitzt lauten meine Fragen:


    - Was hat klassische Musik denn eigentlich an ganz Besonderem zu bieten, das man in all den vielen anderen Formen und Gattungen von Musik nicht finden kann?
    - Gibt es einen fundamental-qualitativen Unterschied zwischen klassischer und U-Musik? Wenn ja, worin besteht er?
    - Kann man diesbezüglich eine klare Abgrenzung vornehmen. Wenn ja, was sind die Kriterien?
    - Wenn verschiedentlich hier eine Kategorisierung mit dem Argument abgelehnt wurde, sie sei irrelevant, denn entscheidend sei doch allein der Aspekt "musikalische Qualität", dann stellt sich doch die Frage:
    - Was ist denn eigentlich "musikalische Qualität" im Falle von E-Musik und U-Musik? Ist das in beiden Fällen dasselbe oder gibt es diesbezüglich qualitative Unterschiede?
    - Wäre letzteres der Fall, dann wäre die Unterscheidung zwischen beiden Sachgruppen von Musik ja doch wohl berechtigt. Gäbe es den Unterschied nicht, - warum wendet man sich als Liebhaber von Musik denn dann nicht wahllos dieser und jener Form von Musik zu und rezipiert, was einem sozusagen vors Ohr kommt?


    Noch mehr Fragen dieser Art?
    Ich hätte sie, bin mir freilich der Tatsache bewusst, dass man sich möglicherweise unbeliebt macht, wenn man auf einer klaren, konkreten und sehr präzisen Antwort bestehen möchte.

  • Lieber Helmut Hofmann!
    In deinem Thread steht alles drin. Genau das sind die Fragen. Und ich stelle mit Ernüchterung fest, dass ich keine einzige wirklich beantworten kann. Bei manchen spüre ich wenigstens eine Antwort als Bauchgefühl, andere lassen mich wie den Ochs vorm Berg stehen.
    Jetzt bin ich mal gespannt, wie es weitergeht.
    Auf jeden Fall ein toller Beitrag.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass man die scharfsinnig gestellten Fragen in der gewünschten Schärfe und Präzision beantworten kann.


    Vielleicht wird man eine Definition für "klassische Musik" zustande bringen, die den größten Teil dessen, was wir gemeinhin darunter subsumieren, als "klassische Musik" qualifizert. Vermutlich wird diese Definition aber auch für einen Teil der U-Musik (Operette? Jazz?) gelten. Wird die Definition zu scharf, fallen vielleicht bereits Mozarts Tänze, Märsche und Serenaden heraus.


    Anders argumentiert:


    Gäbe es eine solche Definition, hätten wir sie vermutlich im Schulunterricht gelernt. Es sei denn, wir wären heute diesbzgl. schlauer als früher.


    :hello:

  • Lieber Klaus, Du bekennst: " Und ich stelle mit Ernüchterung fest, dass ich keine einzige wirklich beantworten kann."


    Das haben wir gemeinsam.


    Es ist aber leider so, dass die Frage, was nun klassische Musik als solche in ihrem Wesen ausmacht und worin sie sich von anderen Arten von Musik, der "Unterhaltungsmusik" zum Beispiel, unterscheidet, sich einem regelrecht aufdrängt, wenn man sich an diesem Thread hier diskursiv beteiligen möchte. Und deshalb - nur deshalb! - habe ich sie mal hier explizit gemacht.


    Es ist für mich tatsächlich eine Frage, auf die ich gar gern eine Antwort hätte. Man kann sich ja mal reflexiv auf sie einlassen, ohne dass man dabei eine definitiv endgültige Antwort reklamieren muss. Dass Schullehrer darauf keine Antwort wissen, heißt doch noch nicht, dass es sie vielleicht doch - wenigstens ansatzweise - geben kann.

  • Irgendwie denke ich, dass es irgendwie auf die Instrumentierung ankommt. Das ist zwar platt, aber m.E. nicht von der Hand zu weisen.
    Dann scheint mir der Aufführungsort eine Rolle zu spielen.
    Das schriftlich niedergelegte gehört wohl auch dazu.
    Wie ihr merkt, versuche ich es von einer anderen Seite als der eigentlichen Musik.
    Vielleicht auch noch, dass normalerweise nicht elektrisch verstärkt wird.
    Mal so als Anfang
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Man kann nicht alles so präzise haben, wie man es gerne hätte. Solche Pseudo-Genauigkeit führt zu keinen tieferen Verständnis. Mein Hinweis ging daher eher in eine andere Richtung. Weil ein unbedarfter Hörer Beatles weder mit Mozart (alte Klassik) noch mit Boulez (1960er/70er Avantgarde) verwechseln würde, sollte man das mal ganz naiv als Hinweis auf tatsächliche Unterschiede sehen. Die offenbar leicht hörbar sind, auch ohne "Wesensschau".


    Stop, kann jetzt jemand sagen, Boulez und Mozart klingen doch auch ganz unterschiedlich, warum gehören die beide zur Klassik, Pink Floyd aber nicht? (Alfred hat ja durchaus schon vertreten, dass viele "Klassik" des 20./21. Jhds. eigentlich keine Klassik sei.). Dem könnte man ausweichen, indem man sagt, dass es erstmal nur um Unterschiede zwischen U und E ginge, nicht darum, wie ähnlich E untereinander sein müsste. Das ist keine bloße Ausflucht, denn natürlich ist E-Musik nicht einheitlich, wäre ja auch seltsam, wenn sich über Jahrhunderte nichts änderte. Der historische Zusammenhang ist aber da und zeigt sich (von Ausnahmen wie elektronischer Musik abgesehen, da ließe er sich wohl im Prinzip auch nachweisen, die Faszination für Elektronik ergab sich ja zumindest teilweise aus der absoluten Kontrolle über alle musikal. Parameter <- Serialismus), nicht zuletzt darin, dass dieselben Instrumente bei Mozart und Boulez spielen, aber keine E-Gitarren, dass die Musiker, die Boulez spielen, "klassisch" ausgebildet sind usw. Diesen historischen Zusammenhang gibt es freilich auch zwischen E-Musik und Operette, daher ist letztere ein Grenzfall.
    Meiner Ansicht nach findet man auf diese Art eine ganze Reihe von Unterschieden, die historisch bedingt, manchmal vage usw. sind, aber die in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass in vielen Fällen der Hörer keineswegs in Zweifel ist, ob er es mit einem U- oder E-Stück zu tun.


    Der "tiefe" Unterschied muss m.E. über eine Unterscheidung von funktionaler und nichtfunktionaler Musik gesucht werden. Das ist aber komplex, weil es immer auch mit den Modi der Rezeption zusammenhängt und eine Musik beide Aspekte haben kann. Daher nur ein paar Andeutungen, wie ich mir das vorstelle. Vielleicht ist ursprünglich alle Musik funktional; sie diente einem Gemeinschaftserlebnis, gemeinsamem Arbeiten, Feiern oder Tanzen. Natürlich ist in diesem Sinne auch die geistliche Musik Bachs u.a. "funktional". Deswegen kann man nicht so einfach sagen, dass Kunstmusik die unfunktionale Musik ist. Ich würde daher behaupten, dass Musik, obwohl äußerlich funktional, einen L'art pour art Aspekt erhalten kann. Das geht wohl leichter bei geistlicher Musik, da die ein kontemplatives Element nahelegt, als bei Tanzmusik. Kunstmusik behält diesen kontemplativen Aspekt, löst sich aber von einem Ritus und dem religiösen Rahmen. Irgendwann im Mittelalter hat sich dieser Aspekt verselbständigt (Es gibt das sicher auch in außereuropäischen Traditionen, ich habe da keine Ahnung), was sich nicht zuletzt in differenzierter, nichtfunktionaler (also keine Tanz oder reine Repräsentationsmusik) *weltlicher* Musik zeigt. Musterbeispiel und Extremfall nichtfunktionaler Musik sind m.E. "absolute" Instrumentalstücke ohne Text, Thema und Programm. (Natürlich ist ein Kunstlied oder eine sinf. Dichtung auch nicht funktional i.S. eines Kirchenlieds, aber ich meine doch, dass dieser Aspekt besonders deutlich bei Instrumentalmusik herauskommt.)
    Ungeachtet der großen Menge funktionaler Musik bis weit ins 18. Jhd. geht die davon, die wir heute noch hören, nicht in ihrer Funktion auf. Bachs Kantaten werden kaum mehr im Rahmen eines Gottesdiensts aufgeführt, sondern als unfunktionale Musik (damit meine ich nicht, dass man die Texte ignorieren sollte, aber es gibt eben keine Predigt mehr zwischen zwei Teilen einer Kantate usw.)


    Was bringt das zur Unterscheidung von Populärmusik? Nun, die meiste Populärmusik ist funktional, Musik zum Tanz oder zur bloßen Zerstreuung (Klangtapete) und wird auch so verwendet. Und selbst die anspruchsvolle, die sich davon gelöst hat und als Musik um ihrer selbst willen gehört werden will, ist diesen Wurzeln oft noch viel stärker verpflichtet bzw. durch die Übernahme von Strukturen stärker in ihrer Ausdrucksfähigkeit begrenzt als klassische Musik.


    Weiter oben war von unterschiedlichen Modi, von Aufmerksamkeit beim Musikhören die Rede. Man kann diese Modi im Prinzip gegenüber jeder Musik einnehmen, d.h. man kann Klassik im Hintergrund, Pop aufmerksam hören. Die ganze theoretische Geschichte mit der Funktionslosigkeit soll nun jedoch zeigen, dass klassische Musik in der Regel implizit oder explizit im Hinblick darauf, um ihrer selbst willen, aufmerksam gehört zu werden, komponiert ist. Nicht zum Marschieren, Tanzen oder Gemeindegesang. Bei Populärmusik ist das, wenn überhaupt, nicht in diesem Maße der Fall, obwohl man sie natürlich auch so hören kann. (Ich vermute wie gesagt, dass selbst Musik aus der Populärtradition, die hauptsächlich gehört werden will, durch bestimmte Strukturen ihrer Tradition stärker eingeschränkt ist.) Daher bietet in der Regel Klassische Musik ein reicheres ästhetisches Erlebnis beim aufmerksamen Hören, weil sie eben genau zu diesem zweckfreien "Zweck" komponiert wurde.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ne, glaub ich nicht. Weil da schon zu viele Gegenbeispiele genannt wurden. Gentle giant machten keine Musik zum tanzen, ebensowenig Pink Floyd und unzählige andere. auch wären für mich die Straußwalzer sehr wohl Klassik, andererseits aber auch Tanzmusik. Die frühen Kraftwerk oder CAn. Alles Musik, die nur zum Zuhören gemacht wurde. Ne. Lass uns weiter probieren.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Guter Versuch! Jetzt spiele ich mal den Theophilischen "Geist, der stets verneint":

    Irgendwie denke ich, dass es irgendwie auf die Instrumentierung ankommt.


    Klavier und Gesang - ist das Kunstlied oder Chanson? Gitarre alleine - ist das Francesco Sor oder Brian May? Akkordeon alleine - ist das Astor Piazolla oder Volksmusik?


    Dann scheint mir der Aufführungsort eine Rolle zu spielen.


    Freilichtbühne - Scorpions oder Berliner Philharmoniker? Mittleres Opernhaus - Wagner oder West Side Story? Kirche - Gospelgottesdienst oder Matthäuspassion?


    Das schriftlich niedergelegte gehört wohl auch dazu.


    Trifft auf Verzierungen des Barock nicht zu. Aber auch nicht auf improvisierte Kadenzen in klassischen Konzerten oder improvisierte Ausführung des basso continuo am Tasteninstrument. Und wer würde dem Organisten mit Konzertexamen im Fach Improvisation ins Gesicht sagen wollen, dass das, was er tut, mit klassischer Musik nichts zu tun hätte? - Übrigens wird auch bei James Last, Max Greger e tutti quanti nach Noten gespielt - schriftlich niedergelegt.


    Vielleicht auch noch, dass normalerweise nicht elektrisch verstärkt wird.


    ... auch bei elektronischer Musik? (Ligeti, Stockhausen, Pousseur, Varèse, Eimert) New Orleans Jazz wurde in seiner originalen Form auch nicht elektronisch verstärkt - mangels Strom ... Auch Volksmusikensembles in den Alpen (Akkordeon, Klarinette, Hackbrett, Kontrabass usw.) spielen unplugged.


    :hello:

  • Man kann nicht alles so präzise haben, wie man es gerne hätte. Solche Pseudo-Genauigkeit führt zu keinen tieferen Verständnis.


    Sehr richtig!


    dass die Musiker, die Boulez spielen, "klassisch" ausgebildet sind usw.


    Ja. Das wird aber tautologisch: "Klassik" ist die Musik, die Musiker spielen, die "klassisch" ausgebildet sind. (Z. B. Keith Jarrett :D )


    Meiner Ansicht nach findet man auf diese Art eine ganze Reihe von Unterschieden, die historisch bedingt, manchmal vage usw. sind, aber die in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass in vielen Fällen der Hörer keineswegs in Zweifel ist, ob er es mit einem U- oder E-Stück zu tun.


    Meistens ja. Schwierig wird es bspw. mit Musik, de zur Entstehungszeit "U" war und heute unter "E" eingeordnet wird: Lautenlieder (Dowland?), Serenaden, Divertimenti.


    Die ganze theoretische Geschichte mit der Funktionslosigkeit soll nun jedoch zeigen, dass klassische Musik in der Regel implizit oder explizit im Hinblick darauf, um ihrer selbst willen, aufmerksam gehört zu werden, komponiert ist.


    Gilt für ganze Abschnitte der Operngeschichte nicht. War es nicht Wagner, der die Verdunklung des Zuschauerraumes einführte? Ein andächtig lauschendes Publikum war wohl nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit.


    :hello:

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  • Zit. Johannes Roehl: "Man kann nicht alles so präzise haben, wie man es gerne hätte. Solche Pseudo-Genauigkeit führt zu keinen tieferen Verständnis."


    Zit Wolfram: "Sehr richtig!"


    Darf ich Zweifel anmelden? Es geht nicht um "Pseudo-Genauigkeit", sondern um das Bemühen um eine präzise Bestimmung des Wesens klassischer Musik? Wieso soll es auf die Frage danach keine präzise Antwort geben? Wird hier allen Ernstes die Auffassung vertreten, dass es bei Fragen der Musikästhetik keine begrifflich-definitorische Präzision gebe?

  • Es geht nicht um "Pseudo-Genauigkeit", sondern um das Bemühen um eine präzise Bestimmung des Wesens klassischer Musik?


    Die Frage nach der präzisen Bestimmung des Wesens der klassischen Musik wurde in dieser Präzision in obiger Fragenliste nicht gestellt.


    Wieso soll es auf die Frage danach keine präzise Antwort geben?


    Das könnte daran liegen, dass das, was wir als "klassische Musik" verstehen, sehr vielgestaltig ist und in diesen vielfältigen Ausprägungen sehr viele verschiedene Wesenheiten eignet. Gelänge es, diese alle unter eine Definition zu zwingen, so könnte es sein, dass diese Definition auch vieles erfasst, was wir üblicherweise nicht zur klassischen Musik zählen.


    Wird hier allen Ernstes die Auffassung vertreten, dass es bei Fragen der Musikästhetik keine begrifflich-definitorische Präzision gebe?


    Das hat niemand behauptet. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir die Diskussion in derjenigen argumentativen Präzision führen würden, in der um diese Diskussion gebeten wurde. Wem wäre geholfen, wenn wir uns in Polemiken verlören?


    Dass ein theoretischer Background der Musikästethik vorliegt, ist ja klar ("denn Deine Sprache verrät Dich" - Mt 26, 73). Die Quelle ist mir noch nicht klar (Adorno? Nietzsche? Riemann? Dahlhaus?). Ich gehe mal optimistisch davon aus, dass hier keine pädagogischen Fallstricke gelegt werden, die auf eine Apotheose für den Löser der gestellten Fragen abzielen.


    :hello:

    3 Mal editiert, zuletzt von Wolfram ()

  • Zitat

    Was unterscheidet die sogenannte "Klassische Musik" denn eigentlich in ihrem Wesen so sehr von der "U-Musik" (im weitesten Sinne des Begriffs), dass man ihr einen gleichsam eigenen kategorialen Ort auf dem weiten Feld der Musik ganz allgemein zugewiesen hat?


    Musik drückt auch immer den Zeitgeist aus, sie ist direkt beeinflusst durch Moden, gesellschaftliche Klassen und bestehende Herschaftsformen. Sie soll Menschen gefallen, die in der Entstehungszeit der Musik leben. Komponist, Interpret und Hörer haben etwas gemeinsam, sie unterliegen den gleichen äußeren Einflüssen.


    Die Musik entsteht aus oder für bestimmte Gesellschaftsgruppen, sie richtet sich immer an eine Schicht, eine Hörergruppe aus der Gesellschaft. Sei sie von der Herrschaft ausgegrenzt oder eine herrschende Schicht, was wieder die Art der Musik beeinflusst.


    Die Klassik, wie wir sie verstehen, existiert nur noch in der Literatur durch die Noten, die aufgeschrieben wurden. Sie muss interpretiert werden, hier unterliegt sie wieder den äußeren Einflüssen der "Spielzeit".


    Es gibt sehr wohl U- Musik, besonders aus dem Rockbereich, die als Klassiker bezeichnet werden. Zu Recht. Sie haben eine besondere Qualität in der Komposition wie auch in der Interpretation und beeinflussen die Entstehung neuer Musik und haben somit etwas mit Beethoven z. B. gemeinsam.

  • Sie soll Menschen gefallen, die in der Entstehungszeit der Musik leben.


    Ich meine, Beethoven, Wagner und Mahler wären Beispiele für klassische Komponisten, die nicht immer mit der primären Absicht zu "gefallen" komponiert hätten. Mal abgesehen von Varèse oder Cage.


    :hello:

  • Zunächst einmal: Ich verfolge hier keine "polemischen Absichten". Ich habe ein Anliegen geäußert, von dem ich glaube, dass es ein durchaus berechtigtes ist und dass es darüber einiges zu sagen gibt.


    Es geht mir nicht darum, die Vielfalt der klassischen Musik in eine Definitiion zu zwingen. Vielmehr möchte ich einfach wissen, was klassische Musik - oder allgemein die "E-Musik" - in ihrem Wesen ist, so dass sie von der sog. "U-Musik" begrifflich abgegrenzt und unterschieden wird. Nicht die "Definition" im streng begrifflichen Sinne ist also mein Anliegen, sondern die Bestimmung der substantiellen und strukturellen Merkmale klassischer Musik, wie sie für diese konstutiv sind. Meine Reklamation von "Präzision" bezog sich auf die begriffliche Bestimmung und Eingrenzung dieses Wesenskerns.


    Was sage ich denn einem Menschen, der für den Schlager "Puppchen, du bist mein Augenstern" schwärmt und nicht verstehen kann, dass es, wie ich ihm im Gespräch erklärt habe, sich dabei nicht um große musikalische Kunst handelt, sondern um "Unterhaltungsmusik", während das zum Beispiel bei dem Schumann-Lied "Lieb Liebchen, leg´s Händchen aufs Herze mein" ganz anders ist? Verfolgt dieser Mensch, wenn er darauf beharrt, ich möge ihm doch mal den Wesensunterschied zwischen der von mir gehörten "schweren Musik" (wie er das nennt) und seiner "unterhaltungsmusik" erklären, nicht ein berechtigtes Anliegen? Bin ich ihm nicht eine Antwort schuldig?

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  • Was sage ich denn einem Menschen, der für den Schlager "Puppchen, du bist mein Augenstern" schwärmt und nicht verstehen kann, dass es, wie ich ihm im Gespräch erklärt habe, sich dabei nicht um große musikalische Kunst handelt, sondern um "Unterhaltungsmusik", während das zum Beispiel bei dem Schumann-Lied "Lieb Liebchen, leg´s Händchen aufs Herze mein" ganz anders ist? Verfolgt dieser Mensch, wenn er darauf beharrt, ich möge ihm doch mal den Wesensunterschied zwischen der von mir gehörten "schweren Musik" (wie er das nennt) und seiner "unterhaltungsmusik" erklären, nicht ein berechtigtes Anliegen? Bin ich ihm nicht eine Antwort schuldig?


    Lieber Helmut,


    in dieser Situation war ich, vor allem in meiner Jugend, schon sehr häufig. Die seltenen Erfolge meiner Missionsarbeit konnte ich nur dort verzeichnen, wo das Püppchen du bist mein Augenstern ohnehin kein Thema war.


    Traurig, aber wahr.
    Viele Grüße


    hami1799

  • Zunächst einmal: Ich verfolge hier keine "polemischen Absichten".


    Das hat auch niemand behauptet.


    Nicht die "Definition" im streng begrifflichen Sinne ist also mein Anliegen, sondern die Bestimmung der substantiellen und strukturellen Merkmale klassischer Musik, wie sie für diese konstutiv sind.


    Was ist denn der Unterschied zwischen einer "Definition klassischer Musik" und der "Bestimmung der substantiellen und strukturellen Merkmale klassischer Musik, wie sie für diese konstitutiv sind"? - Auch die oben gestellten Fragen gehen ja sehr stark in Richtung einer Definition - eine Definition würde diese Fragen jedenfalls beantworten:


    Was hat klassische Musik denn eigentlich an ganz Besonderem zu bieten, das man in all den vielen anderen Formen und Gattungen von Musik nicht finden kann?


    Kann man diesbezüglich eine klare Abgrenzung vornehmen. Wenn ja, was sind die Kriterien?


    Nun zur letzten Frage:

    Was sage ich denn einem Menschen, der für den Schlager "Puppchen, du bist mein Augenstern" schwärmt und nicht verstehen kann, dass es, wie ich ihm im Gespräch erklärt habe, sich dabei nicht um große musikalische Kunst handelt, sondern um "Unterhaltungsmusik", während das zum Beispiel bei dem Schumann-Lied "Lieb Liebchen, leg´s Händchen aufs Herze mein" ganz anders ist?


    Wenn jemand sagt, "Puppchen, du bist mein Augenstern" sei große Kunst, dann weiß ich nicht, was man ihm entgegenhalten könnte. Vielleicht müsste man dann erstmal eine Einigung darüber herstellen, was "große Kunst" denn sein soll.


    Vielleicht gibt es aber keine Einigung darüber, was "große Kunst" ist - genauso wenig, wie man sich darüber einigen wird, wer die "beste Ehefrau" ist. Es kann sein, dass wir beide mit der "besten Ehefrau" verheiratet sind und trotzdem kein Fall von Bigamie vorliegt.


    Die Regietheater-Diskussionen in diesem Forum machen ja nur mehr als deutlich, dass darüber, was Kunst ist und was nicht, erhebliche Differenzen bestehen können.


    Was sagen wir dem "Puppchen"-Verfechter, wenn er meint, dass dieses Lied allemal höhere Kunst sei als Cage's 4' 33" oder ein Bachscher Rätselkanon - was nun ganz klar klassische Musik ist (oder etwa nicht?)


    :hello:

  • Zit:" in dieser Situation war ich, vor allem in meiner Jugend, schon sehr häufig."


    Das, lieber hami1799, war auch das hinter meinem Anliegen stehende, tiefere Motiv bei mir selbst. Ich wollte es nur nicht anführen, weil ich die persönliche Dimension aus meinen Beiträgen hier im Forum möglichst herauszuhalten versuche. Diese Situation, die ich an dem fiktiven Beispiel von "Puppchen, du bist mein Augenstern" hier darstellte, ist mir im realen Leben mehrfach begegnet. Das "Anliegen", um das es dabei geht, empfindet man dann ganz unmittelbar in seiner großen Relevanz.


    Eben lese ich ín der Entgegnung von Wolfram auf meine letzten Beiträge: "Wenn jemand sagt, "Puppchen, du bist mein Augenstern" sei große Kunst, dann weiß ich nicht, was man ihm entgegenhalten könnte. Vielleicht müsste man dann erstmal eine Einigung darüber herstellen, was "große Kunst" denn sein soll."


    So ist es! Um diese Einigung über das, was "große musikalische Kunst" in ihrem Wesen ausmacht - und es zu einer solchen macht! - geht es mir ja doch!

  • Musik drückt auch immer den Zeitgeist aus

    Völlig richtig! Kürzer und treffender kann man das nicht sagen. Daraus resultierend ergibt sich logischerweise aber auch eine musikalische Weiterentwicklung.

    Sie soll Menschen gefallen, die in der Entstehungszeit der Musik leben.

    Erstmal ja. Aber doch auch späterhin, so sie denn gut ist. Sonst würde uns ja in der heutigen Zeit Beethoven, Mozart, Verdi, Wagner und, und , und... nicht auch noch nach so vielen Zeitepochen und Jahren gefallen und uns eindringlich ansprechen und zu Herz, Sinn und Gemüt gehen.
    So auch die jüngste Vergangenheit betreffend. Bestes Beispiel, Joseph II., ein von mir sehr geschätztes Mitglied unseres Forums. Es setzt mich immer in freudiges Erstaunen, wenn er immer mal wieder schreibt, daß ihm vieles von der Musik der 60- er Jahre sehr gut gefällt. Ein Zeitraum, da war er noch gar nicht geboren.

    . Komponist, Interpret und Hörer haben etwas gemeinsam, sie unterliegen den gleichen äußeren Einflüssen.

    Möglich, daß ich hier Thomas falsch verstehe. Diese Gemeinsamkeit würde ja zwingend eine Zeitgleichheit voraussetzen und das kann ja eigentlich nicht sein (s. meine obige Bemerkung).
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • ich möchte noch einmal eine Lanze brechen für Helmuts anliegen. Denn auch Wolfram beschreibt ja seine Sprachlosigkeit. Vielleicht sollten wir einfach weiter nach Ausschlusskriterien suchen. Ich denke, dass wir mit negativen kriterien weiterkommen werden. Aber ich fand die ersten Ansätze gar nicht schlecht, - auch wenn sie alle so einigermaßen widerlegt wurden.
    Grüße aus der 3. Liga
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Zitat von »Thomas Sternberg« Musik drückt auch immer den Zeitgeist aus
    Völlig richtig! Kürzer und treffender kann man das nicht sagen. Daraus resultierend ergibt sich logischerweise aber auch eine musikalische Weiterentwicklung.


    Aber nein. Bach galt in seinen letzten Lebensjahren als veraltet, komponierte also gerade nicht nach dem Zeitgeist.


    :hello:


  • Ja. Das wird aber tautologisch: "Klassik" ist die Musik, die Musiker spielen, die "klassisch" ausgebildet sind. (Z. B. Keith Jarrett :D )


    Das habe ich so natürlich nicht gemeint. Es ging um einen einzelnen Aspekt der Kontinuität zwischen zB Mozart und Boulez. Nicht um eine hinreichende Bedingung für Klassik. Ich verstehe, wie gesagt, nicht ganz, warum man sich anscheinend dagegen wehrt, offensichtliche historische Kontinuitäten und "phänomenologische" Einordnungen, die ein naiver Hörer mit ziemlich großer Zuverlässigkeit korrekt treffen wird (er wird nämlich vom Hören eine Jazz-Platte Jarretts ziemlich sicher von einer unterscheiden können, auf der er Bach oder Händel spielt), zugunsten von möglichst abstrakten allgemeinen Kriterien, zurückzusetzen.


    Zitat


    Meistens ja. Schwierig wird es bspw. mit Musik, de zur Entstehungszeit "U" war und heute unter "E" eingeordnet wird: Lautenlieder (Dowland?), Serenaden, Divertimenti.


    Der moderne U-/E-Unterschied bildest sich erst am Beginn des 19. Jhds. heraus. Vieles, was über seinerzeitige angebliche "U-Musik" behauptet wird, hält genauerem Hinsehen nicht stand. So wird es etwa heute als wahrscheinlich angesehen, dass vorgebliche "Tafelmusiken" nicht als Begleitung, sondern zwischen den Gängen repräsentiver Tafeleien vorgetragen wurden. Aber gewiss müsste man sich hier Stücke genauer ansehen und überlegen, warum sie heute anders rezipiert werden (es ist im Grunde ähnlich wie bei Bach-Kantaten).


    Zitat


    Gilt für ganze Abschnitte der Operngeschichte nicht. War es nicht Wagner, der die Verdunklung des Zuschauerraumes einführte? Ein andächtig lauschendes Publikum war wohl nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit.


    Jetzt verwechselst Du historisch kontingente Rezeptionsbedingungen mit der Intention der Komponisten bzw. dem Potential der Musik. Gewiss ist theatralische Musik manchmal auch ein Grenzfall (daher "reine Instrumentalmusik als Idealfall). Es reicht ja, wenn ein signifikanter Teil des Publikums aufmerksam zuhört. Und das scheint mir angesichts der Tatsache, dass sich zB Streitigkeiten um die Ästhetik des Musiktheaters, das Verhältnis von Musik und Wort usw. beinahe durch die ganze Geschichte des Musiktheaters ziehen, durchaus gegeben. Denjenigen, die in der Oper essen oder flirten wollten, konnten solche Fragen egal sein. Es gab aber genügend, denen sie es nicht waren und denen unterstelle ich mal ausreichende Aufmerksamkeit. (Ich glaube überdies, dass die mangelnde Aufmerksamkeit des Publikums oft verzerrt dargestellt wird. Die Quellen, aus denen wir das haben, beschweren sich ja üblicherweise darüber, sehen es als Auswuchs und tadelnswert, nicht als Normal-, oder Idealfall. Es kommt uns eigen vor, dass Mozarts Zuhörer zwischen Sätzen oder mitunter gar während eines Satzes Beifall spendeten. Aber das spricht ja gerade für ein ziemlich aufmerksames Verfolgen der Musik, wenn ein besonders gelungene Wendung oder virtuose Passage usw. Bravos hervorrief. Schließlich kann man mit ziemlich hoher Sicherheit davon ausgehen, dass die musikalische Bildung des typischen Publikums jedenfalls im 18. Jhds. deutlich höher war als heute.)

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  • Dass diese merkwürdige Trennung anhand des Instrumentariums immer noch so gut funktioniert, finde ich bedauerlich. In der Tat ist es einfach, wenn aus dem experimentellen Jazz/Rock-Bereich stammende Musiker mit Erfahrung in Avantgarde-E-Musik in einem Konzert beides spielen würden, sofort zu erkennen, was nun ein E-Musik-Stück ist und was ein U-Musik-Stück - selbst bei "Stücken", die gar keine sind, also bei freien Improvisationen. Die können dann nämlich ebensogut eine freie Jazzimprovisation wie eine E-Geräusch-Installation improvisieren, aber sie würden beides nicht verwechseln.


    Es sind also die unterschiedlichen Genres in den Köpfen der Musiker durchaus vorhanden, egal, ob sie dann "E" und "U" als Bezeichnung mögen und egal vom Aufführungsort/Instrumentarium/Alkoholkonsum des Publikums etc. Verwechslungsgefahr besteht kaum.


    Klassische Beispiele für die improvisierten experimentellen Stücke wären das Album "Free Jazz: A Collective Improvisation" von Ornette Coleman (1961) und die Aufnahmen des Improvisationsensembles "Nuova Consonanza" derselben Zeit.

  • Wie lassen sich nun die Unterschiede zwischen den gerade geposteten Improvisationen beschreiben? Was ist am ersten Jazz-spezifisch und am zweiten Klassik-spezifisch? Bei dem Jazz-Beispiel steht die individuelle Gestaltung des Improvisierenden mit Rudimenten von Jazz-typischen Elementen im Vordergrund, wobei andere Eigenschaften des Jazz wie der relativ strenge "Basso continuo" oder ein durchgehender Rhythmus fortfallen, was den experimentellen Charakter ausmacht - ein besserer Jazz-Kenner wird mich korrigieren können, aber so weit daneben wird das jetzt nicht sein. Beim Klassik-Beispiel ist der strukturierende Gedanke dominierend, der vor allem in Form von Anti-Gesetzen in Erscheinung tritt.


    Die jeweils beschriebene Schwerpunktsetzung ist durchaus Strömungsinhärent, weshalb man auch als Hörer sofort weiß, dass Nr. 1 Jazz und Nr. 2 Klassik ist (ein wenig Bildung vorausgesetzt). Dass bei anderen (jeweils derselben Zeit entstammenden) Werken aus Jazz und Klassik andere Eigenschaften den Ausschlag verursachen können, ändert nichts an der leicht möglichen Zuordenbarkeit zu den Kategorien.


    Die Frage zu beantworten, welche Spätwerke Beethovens mehr frühromantischen als klassischen Charakter haben, scheint mir vergleichsweise komplizierter. Insofern habe ich für die glühend vorgetragenen "stürmt die Schubladen und befreut Euch"-Aufrufe des Thread trotz des fruchtbaren Bodens, auf den sie zu fallen scheinen, kein Verständnis.
    ;)

  • "......Puppchen, hab Dich zum Fressen gern...."

    Was sage ich denn einem Menschen, der für den Schlager "Puppchen, du bist mein Augenstern" schwärmt und nicht verstehen kann, dass es, wie ich ihm im Gespräch erklärt habe, sich dabei nicht um große musikalische Kunst handelt, sondern um "Unterhaltungsmusik", ......


    .....und hat sogar einen eigenen Thread im Tamiono-Klasikforum: Gilbert: "Die keusche Susanne" - eine Berliner Operette


    :baeh01:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Also:
    Ich habe eigentlich meist keine Schwierigkeit die Genre Klassik, Jazz, Rock, Pop, Folk und Schlager und und und voneinander hinreichend zu trennen.
    Das trifft auf mehr als 80% aller Fälle zu.
    Meist mache ich es an der Instrumentierung fest und daran, dass es gesetzte Noten sind, wenn es Klassisch sein, soll, es sei denn es sind Arrangements für Jazz etc.
    Für die anderen Musikarten gibt es ähnliche Kriterien, aber eben auch Ausnahmen.
    Dann aber wird es komplizierter. Wie soll man die Filmmusiken von Schostakowitsch oder Korngold einordnen, wie die Versuche von Paul McCartney mit seinem Requiem, wie Andrew Lloyd Webbers (His Masters Thief) Versuche, die Musicals, vormals Operetten, hinter sich zu lassen.


    Oder die Crossoverversuche von John Lord oder William Russo oder gar Rick Wakemann u.s.w.?
    Was eine "natürliche Zahl" ist kann man den "Peano Axiomen" entnehmen. Grenzwerte etc. sind klar definiert.


    Der Begriff Klassik und daher das Fremdgehen von der Klassik hängt viel von dem ab, was einer selbst unter dem Begriff versteht, etwas Ahnung vorausgesetzt.
    Insofern gehe ich damit eben auch sehr locker um. Es betrifft ja nicht etwas Existenzielles.
    Wenn ich aber im Kulturausschuss der Stadt Kiel säße und Geld zu bewilligen hätte, dann, ja dann müßte ich die Kohle in diverse Schubladen stecken, in denen vorher Kulturschaffende Platz genommen haben. Dann wird es unangenehm.


    Gruß aus Kiel

  • Wenn ich bei s.bummer lese:
    (Zit.)"Ich habe eigentlich meist keine Schwierigkeit die Genre Klassik, Jazz, Rock, Pop, Folk und Schlager und und und voneinander hinreichend zu trennen. Das trifft auf mehr als 80% aller Fälle zu. Meist mache ich es an der Instrumentierung fest und daran, ..."
    ...so freut mich das zwar für ihn, jedoch scheint mir in dieser Feststellung keine Antwort auf die (von mir aufgeworfene) zentrale Frage zu liegen. Nach welchen Kriterien wird denn "getrennt"? Die Instrumentierung ist dafür kein hinreichendes Kriterium. Viele Formen der sog. "Unterhaltungsmusik" unterscheiden sich in der Instrumentierung nicht grundsätzlich von der klassischen oder "E-Musik".

  • Helmut!
    Meinen weiteren Zeilen hättest Du entnehmen sollen, dass ich es für quasi unmöglich halte, trennscharf zu definieren, was klassische Musik von anderer unterscheidet, so wie es für Definitionen üblich ist. Wir sind eben nicht in der Mathematik bei Peano oder (um mal anzugeben, ja ich bin Mathematiker und Physiker!) bei der Definition eines "Banach Raumes".


    Wenn Du für dich eine Bestapproximation hinbekommen hast, Glückwunsch! Doch hält sie über längere Zeit und zunehmendem Wissen stand?
    Daher auch meine Bemerkungen zu Grenzbereichen bei McCartney und Schostakowitsch.


    Allerdings vielleicht gibt es so etwas wie "Common Sense", was klassische Musik sein soll. Nur, was nützt das und wer sind die "Common?"


    Ich erinnere daher an Franz Kafka:

    Zitat

    »Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, daß es schon viel später war, als ich geglaubt hatte, ich mußte mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: »Von mir willst du den Weg erfahren?« »Ja«, sagte ich, »da ich ihn selbst nicht finden kann.« »Gibs auf, gibs auf«, sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.


    Gruß aus Kiel

  • Kein Grund für ein "Tschuldigung", lieber s.bummer. Du nimmst - wie das leider so oft hier im Forum geschieht - etwas persönlich, was so gar nicht gemeint war. Ich wollte anhand eines Eingehens auf Deinen Beitrag nur auf die Problematik der Frage aufmerksam machen, die mich hier umtreibt. Umtreibt deshalb, weil der Thread sie für mich aufgeworfen hat.


    Es ist die - wahrscheinlich von den großen Tamino-Experten als "naiv" eingestufte - Frage nach den konstitutiven Merkmalen der Musik, die hier als "klassische" bezeichnet und in dem damit einhergehenden inhaltlich-substantiellen Kontext sogar in den Titel des ganzen Forums aufgenommen wurde.


    Nun dachte ich, - in meiner Naivität: Stell dir - und damit auch den anderen Taminoanern hier - doch mal die schlichte Frage: Was definiert eigentlich klassische Musik substantiell und strukturell als solche in der Weise, dass sie begrifflich von allen anderen Formen von Musik - also zum Beispiel U-Musik im weitesten Sinne - zu unterscheiden ist.


    Hierbei, und das deute ich jetzt schon mal an, liegt eines der speziellen Probleme in der inhaltlichen Definition der verwendeten Begriffe. "Klassische Musik" ist im Grunde ein höchst unscharfer Begriff, weil er auf den Begriff "Klassik" rekurriert, der kultur-, musik-, kunst-, und literaturgeschichtlich auf eine bestimmte historische Epoche eingegrenzt ist. Ich würde aus diesem Grund für die Verwendung des Begriffs-Kürzels "E-Musik" im Sinne von "künstlerisch relevante Musik" plädieren. Denn darin, in dieser kompositorisch-künstlerischen Relevanz, scheint mir der zentrale Ansatzpunkt für das zu liegen, worum es mir in meiner Fragestellung geht.


    Übrigens: Dein Rekurs auf Franz Kafka erfreut einen Menschen wie mich (wenn ich mir diese persönliche Bemerkung erlauben darf).

  • Lieber Helmut: Mit "Tschuldigung" meine ich doch nur: Tut mir leid, aber ich muss Dir widersprechen. Mehr nicht.
    Eine persönlichen Angriff kann ich selbst beim besten Missverstehen (hahaha) nicht entdecken.
    Es war eher höflich von mir gemeint. (Und das von mir!)


    Ich fürchte allerdings:

    Zitat

    Ich würde aus diesem Grund für die Verwendung des Begriffs-Kürzels "E-Musik" im Sinne von "künstlerisch relevante Musik" plädieren.

    das damit das Problem nur verlagert wird. Denn ist das Requiem von McCartney relevant? Für alle, oder nur für seine Fans?
    Da sollte man schon Herrn Professor Schlotterdeich dazu holen, oder?


    Gruß aus Kiel

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