Wer war denn eigentlich dieser Franz Schubert?

  • Wenngleich man Schuberts Opern heute als "erfolglos" einstuft, so wurden sie dennoch immer wieder an großen Häusern gespielt - wenn auch meist nur kurz....


    Es wurde aber keine Schubert-Oper zu seinen Lebzeiten aufgeführt. Lediglich Die Zwillingsbrüder und Die Zauberharfe konnte er erleben (das sind einfache Singspiele).


    Und das mit dem "immer wieder" stimmt auch nicht. Das gilt bestenfalls für die letzten vierzig Jahre.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zit: "Es wurde aber keine Schubert-Oper zu seinen Lebzeiten aufgeführt. Lediglich Die Zwillingsbrüder und Die Zauberharfe konnte er erleben (das sind einfache Singspiele)."


    So ist es!


    Es handelt sich um Auftragswerke: Eine Posse ("Die Zwillingsbrüder", D 647, komponiert 1818/19) und ein Melodram ("Die Zauberharfe, D 644). "Alfonso und Estrella", "Die Verschworenen" und "Fierrabras" wurden vom Kärtnertortheater nicht zur Aufführung angenommen, - eine für Schubert höchst deprimierende Erfahrung, die ihn als Opernkomponisten resignieren ließ.


    Das Thema "Oper" ist bei Schubert ohnehin eine heikle Angelegenheit. Mir kommt er dabei ein wenig wie eine tragische Figur vor. Sein großer Ehrgeiz war, sich diesbezüglich als Komponist einen Namen zu machen. Und immerhin: Elf vollendete Bühnenwerke hinterließ er, neben sieben unvollendeten. Und doch: Er hatte keinen Erfolg damit.


    Dabei betrieb er die Sache mit wahrer Leidenschaft und sammelte jede Menge Bühnenerfahrung. Aber eben nur als Hörer und Zuschauer. Hüttenbrenner berichtet, dass er sehr häufig Theater besuchte und "gute Schauspiele ihn ebenso interessierten wie gute Opern". Aber wirklich hinreichende, nämlich die Praxis der Inszenierung betreffende Erfahrungen waren das nicht. Hinzu kam wohl auch, dass er mit den Textbüchern nicht so sehr viel Glück hatte.


    Vielleicht, so scheint mir, ist Schubert bei seinem Unterfangen in Sachen Oper letzten Endes daran gescheitert, dass er als Komponist im Kern seines Wesens ein Lyriker war, - kein Dramatiker. Zwar wurde ihm damals in der Kritik bescheinigt, dass er "ins Gebiet des Dramatischen ganz bes. zu inklinieren" scheine. Aber eine solche Feststellung scheint mir höchst aufschlussreich und verräterisch.


    Schuberts "Dramatik" wirkt - jedenfalls in meinen Ohren - auf eine etwas wunderliche Weise aufgesetzt. Vielleicht bin ich diesbezüglich ja befangen, weil ich um und um Schuberts Lieder im Ohr habe und nicht glauben mag, dass einer, der so etwas komponiert, wirklich zu einem Werk für die Bühne mit ihrem theatralischen Aktionismus taugt.


    Aber vielleicht irre ich mich ja. Obwohl, - in diesem Irrtum würde ich mich Schubert tiefinnerlich verwandt fühlen.

  • Bevor es zu den Fragen geht, die wirklich schwierig werden, soll auf die nächste – noch einfache! - in Alfred Schmidts Fragenkatalog kurz eingegangen werden:


    Zit: „Welche Rolle spielte der Hofopernsänger Johann Michael Vogel in Schuberts Leben ?“

    Die Biographie des 1768 in Ennsdorf geborenen und 1840 in Wien gestorbenen Johann Michael Vogl soll hier ausgeblendet bleiben. Die Fakten hierzu kann man überall nachlesen. Es geht hier nur um die Bedeutung, die er für die Entwicklung Schuberts als Komponist und für die Publikation von dessen Liedern hatte. Und die ist in der Tat sehr groß!


    Diese Bedeutung beschränkt sich nicht darauf, dass Vogl – wie aus der Sepiazeichnung von Schwind ersichtlich – sängerischer Mittelpunkt der sog. „Schubertiaden“ war, dort unzählige Schubertlieder sang und damit allererst bekanntmachte. Er hatte als hochgebildeter Künstler auch starken Einfluss auf Schuberts kompositorisches Schaffen. Schubert nannte ihn wegen seiner umfassenden Bildung und seiner großen Liebe für das Altertum „der griechische Vogel“.


    Die Kontaktaufnahme zwischen beiden ist wohl von Schubert ausgegangen. Dieser hatte Vogl mehrfach als Sänger auf der Bühne erlebt (z.B. in Glucks „Ipigenie“), und Schober soll dann 1817 die Bekanntschaft mit ihm vermittelt haben.


    Vogl war sehr rasch von Schuberts Liedern begeistert. Nach seiner Pensionierung als Sänger an der Hofoper 1822 soll er bekannt haben, dass er „gar nichts anderes als Schubertsche Lieder mehr singen mochte“. Schubert verkehrte häufig in Vogls Wohnung, und dieser nahm ihn auch auf seinen Reisen mit und stellte Kontakte zu musikalisch interessierten Kreisen her. Auch das ein für Schuberts kompositorische Entwicklung ganz wesentlicher Faktor.


    Nach den Tagebuchaufzeichnungen des Johann Vesque von Püttlingen (zu dessen Liedern gibt es im Liedforum einen Thread!), der Schubert häufig bei seinen Besuchen bei Vogl begleitete, soll Vogl ganz besonderen Wert auf eine in der Artikulation deutliche Deklamation der Lieder Schuberts gelegt haben. Es heißt dort weiter: „Er trug viele Schubertsche Lieder hinreißend, tiefergreifend, wenn auch (besonders später) mit unverkennbarer Affektation und Selbstgefälligkeit vor.“


    Vogl sang wohl die Lieder Schuberts nicht so, wie wir das von heutigen Interpreten kennen. Er neigte dazu, sie mit allerlei gesanglichen Verzierungen auszuschmücken. Von Schubert ist zwar das Bekenntnis überliefert, dass „die Art und Weise, wie Vogl singt und ich accompagniere, wie wir in einem solchen Augenblicke Eins zu sein scheinen … etwas ganz Neues“ sei. Aber die Tatsache, dass Vogl sich häufiger einen anderen Begleiter am Klavier heranzog, lässt darauf schließen, dass Schubert von seinem sängerischen Manierismus nicht so ganz angetan war. Dennoch schätzte er Vogl aber über die Maßen, und das mit Recht. Er widmete ihm zum Beispiel sein Liederheft op. 6.

  • Zitat

    Ich kannte hauptsächlich das Bild eines Künstlers, der fast immer pleite war, es nie wirklich zu etwas gebracht hat. Der sich für seine Kunst aufgeopfert hat undkeinerlei wirtschaftlichen Interessen damit verbunden hätte. Nun habe ich irgendwo gelesen (tolle Quellenangabe, ich weiß), dass es ganz anders gewesen sei, dass er ein ganz gutes Auskommen gehabt haben soll, manchmal rauschende Feste gegeben habe und selber ein wenig am Mythos des armen KÜnstlers gewebt habe.
    Bin mal gespannt, was die Koryphäen darüber zu sagen haben. Ich persönlich muss da auf mein untenstehendes Motto verweisen.

    Lieber Klaus,
    eine Koryphäe wie Dietrich Fischer-Dieskau gibt in seinem Buch „Auf den Spuren der Schubert-Lieder“ (erschienen 1976) an einigen Stellen auch Einblicke in die wirtschaftlichen Verhältnisse von Franz Schubert.
    In seinem Beitrag 29 weist Alfred auf gelegentliche Streitigkeiten zwischen Verleger und Komponisten hin – hier ein konkretes Beispiel:


    Schubert befand sich in finanzieller Notlage als er (am 10. April 1823) einen Brief an den Verleger Cappi schrieb und sämtliche Manuskripte zurückforderte.


    Unter der Überschrift POST MORTEM findet sich diese Darstellung:


    „Das Vermögen besteht nach Angabe des leiblichen Herrn Vaters und leiblichen Bruders blos in folgendem:


    3 tuchene Fräcke, 3 Gehröcke, 10 Beinkleider, 9 Gilets - 37 fl.
    1 Hut, 5 Paar Schuhe, 2 Paar Stiefel - 2 fl.
    4 Hemden, 9 Hals- und Sacktücheln, 13 Paar Fußsocken, 1 Leintuch, 2 Bettziechen - 8 fl.
    1 Matratze, 1 Polster, 1 Decke - 6 fl.


    Außer einigen alten Musikalien, geschätzt auf 10 fl. befindet sich vom Erblasser nichts vorhanden“


    Und nach Schuberts Tod waren „die erheblichen Schulden, die nach allen Seiten zu begleichen waren“, wie man bei Fischer-Dieskau nachlesen kann.

  • Es ist vielleicht noch ein Nachtrag in Sachen Johann Michael Vogl zu machen, der, was sein Verhältnis zu Schubert betrifft, von Bedeutung ist.


    Vogl war, von seinen Erfahrungen her, die er bei der Interpretation der Schubertlieder machte, der Meinung, dass "nichts den Mangel einer brauchbaren Singschule so offen gezeigt habe als Schuberts Lieder".


    Also entwickelte er die Idee, eine Singschule zu gründen. Es wurde leider nichts daraus. Krankheit hinderte ihn daran, dieses Konzept umzusetzen.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Mein lieber Hart!
    Bei den Schulden fallen mir dann aber Leute ein wie Michael Jackson, der ja nun tatsächlch erhebliche Schulden hatte, was aber vor allem daraus resultierte, dass er auf sehr großem Fuße lebte. Insofern ist diese Aufzählung gar nicht so aufschlussreich. Ich stelle mir nämlich einen Menschen vor, der, sobald Geld reinkam, sofort loslegte und dieses Geld unter die Leute brachte.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Zit: " Insofern ist diese Aufzählung gar nicht so aufschlussreich. "


    So ist es!
    Denn es geht im Falle dieses Franz Schubert ja im Grunde im etwas ganz anderes. Er war der erste bedeutende Komponist, der ganz und gar von dem lebte, was er an seinen Kompositionen verdiente. Hierüber lohnt es sich nachzudenken. Nicht über die Frage, über wieviel Geld er verfügte!

  • Frage Klaus 2:


    "war dies bei Beethoven nicht auch schon so? "


    Nein, eben nicht!


    Sowohl Mozart wie auch Beethoven waren auf Konzerttätigkeit und das Unterrichten angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Beethoven bezog zudem eine - durchaus beachtliche! - Jahresrente, die ihm eine Gruppe von Gönnern, vorwiegend aus dem Adel, eingerichtet hatte.

  • Das Bild zeigt einige deutliche kompositionelle Merkmale


    Im Zentrum des Bildes befinden sich weder der posierende Vogl noch der im Profil halb verdeckte Schubert, sondern der Flügel, und dies so sehr, daß die Form des Instruments nicht allein die Sitzreihen bestimmt, etwa die Gruppe der in die Beuge des Flügelkastens geschmiegten vier Damen zur Rechten, sondern die geschwungene Kontur gleichsam die Zuhörerschaft insgesamt zusammenfaßt.


    Dem korrespondiert, daß sich die Anteilnahme der Zuhörer in allen Mienen auf eine je individuelle, jedoch zusammengehörige Weise ausdrückt. Menzel hat im Flötenkonzert zu Sanssouci diese einfältige Stilistik persifliert - es gibt dort durchaus gelangweilte Blicke zum Plafond, die die Grenzen der königlichen Harmonisierung andeuten.


    Schwinds große Kunst aber zeigt die Wirkung der Musik zugleich in der Körperhaltung, und zwar zumal bei den besonders pittoresken Zuhörerinnen.


    Es war üblich, daß man bei dergleichen Salondarbietungen den Damen Sitzplätze vorbehielt, während die Herren überwiegend standen. Zudem wird Schubert im engsten Bereich der Klaviatur von den intimeren Freunden umringt, Vogl und anderen. - Es fällt nun auf, daß, wenn man etwa von dem gedachten Modell des konventionellen Frontalporträts der Fürstin Esterházy ausgeht, deren ungefähre Haltung sich allein auf die junge Frau gleich zur Rechten überträgt, aber schon mit leichten Modifikationen wie der zart geneigten Schulter, dem gesenkten Haupt usw. Bemerkenswerter Weise vermeidet Schwind für die Personen die Frontalsicht und zeigt alle aus einer dezentrierten, aus der Mitte grückten Position, um die Entrückung als Wirkung der Musik auszudrücken.


    Naturgemäß stehen die Herren im Hintergrund und figurieren bloß durch eine zurückhaltende Miene und Kopfhaltung, der selten eine Geste hinzugefügt wird. Ganz anders die Damen: In malerisch hingegossener Positur, die Biedermeier-Toiletten effektvoll drapiert, das Haar kunstvoll frisert, geben sie alle Anzeichen des Innehalts, des lächelnden Lauschens, der verlorenen oder selbstvergessen spielenden Hand. Zudem gibt die auch körperliche Hinneigung der Damen zueinander einen Eindruck liebender Verschwisterung.


    Schwinds Kunstgriffe sind also sehr zahlreich, in seinem Medium die tönende Macht der Musik ins Bild zu bannen. - Die anekdotische Zwanglosigkeit, mit der links im Hintergrund neugierig Hinzudrängende die Portiere füllen, Vogls extravagante Positionierung und Haltung im Kreis der Zuhörerinnen, Schuberts bildmotivische Bagatellisierung sind auch insofern bedeutsam: Die Musik weist über den Anlaß und Augenblick hinaus. Menzels auch an Schwind geschultes Auge wird solche aus Augenblickshaltungen komponierte Gruppenbildnisse zur Vollendung führen. Aber ihnen wird das einende Zentrum, das romantische Medium der Seelenverständigung abhanden gekommen sein.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Farinellis Erwähnung von Menzels Konzert, welches vielleicht einen eigenen Thread verdient (?) ermutigt mich, eine weitere Darstellung einer Schubertiade hier einzustellen. Sie wird - im Gegensatz zur ersten, welche ja von einem Schubert-Zeitgenossen und Freund - wenn auch idealisierend aus der Erinnerung - gezeichnet war, uns weniger über Schubert und die Schubertiaden aussagen, als über das Schubertbild des späten 19. Jahrhunderts. Das Gemälde stammt aus dem Jahre 1897

    und stammt von Julius Schmid.
    Hier entsteht - in meinen Augen - bei aller oberflächlichen Ähnlichkeit - ein völlig anderer Eindruck. Der mit zig Kerzen bestückte Kristalluste ist ein wichtiger Bestandteil der Komposition. Schubert - wenngleich nicht völlig im Zentrum des Bildes, ist dennoch der Mittelpunkt um den sich alles zu drehen scheint - das Gemälde wertet ihn gewissermaßen auf. Inwieweit die weiteren Personen als historische Personen identifizierbar wären entzieht sich mangels mir zugängiger Quellen meinem Wissen. Das Gemälde befindet sich derzeit im Besitz des Wiener Männergesangsvereins.



    Noch eine Anmerkung zu Schuberts "Armut" - "verifiziert" durch den Nachlass.
    Nur heute wird jegliches Ersparte eines Verstorbenen bei der Steuer angegeben, damit, der
    Staat auch wohlwollen darauf zugreifen kann - zu Schuberts Zeiten hat man vielleicht das eine oder andere
    verheimlicht ??? :stumm:


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zit. Alfred Schmidt: "Das Gemälde stammt aus dem Jahre 1897"

    Und es ist als solches ganz ohne Frage ein Dokument seiner Zeit, - eben des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts. Hier wird Schubert schon in eine Rolle "hineinstilisisiert", die er bei den wirklichen "Schubertiaden" nicht gespielt hat.

  • Als „Tonsetzer“ wurde Schubert in Johann Pezzls „Beschreibung von Wien“ (Ausgabe 1826) erwähnt. Das historisch Bedeutsame an dieser Existenz als „Tonsetzer“ konnte freilich damals noch nicht gesehen werden:
    Die Tatsache nämlich, dass Schubert der erste bedeutende europäische Komponist war, der den Schritt in die berufliche Existenz eines nur von dem Verkauf seiner Kompositionen an Musikverleger lebenden Menschen wagte. Beethoven etwa war anfänglich noch auf Einkünfte aus Konzertauftritten und Musikunterricht angewiesen, bevor er seit 1809 von einer Art Rente leben konnte.


    Schuberts Einkünfte aus seiner Anstelllung beim Grafen Esterházy sind sozusagen nur eine Episode in diesem Leben als freischaffender Komponist. Seine Bewerbungen um eine Stelle als Hoforganist (1825) und Vize-Hofkapellmeister (1826) werden von seinen Biographen ebenfalls nicht als Gegenbeweis für die Entscheidung zu diesem Lebenskonzept gewertet: Sie waren wohl nicht so ganz ernst gemeint. Und hinter der Bewerbung um das Amt eines Musikdirektors in Laibach dürfte wohl das Interesse an Therese Grob gestanden haben.


    Alles in allem Also:
    Schuberts Aufgabe seiner Lehrertätigkeit und der Auszug aus dem Elternhaus sind biographisch als eine bewusste Entscheidung für das Leben eines freischaffenden Komponisten zu werten.
    Eine Entscheidung, die wir in ihrer Kühnheit heute gar nicht recht zu ermessen vermögen!


    Was hat Schubert dazu motiviert?
    Eine große Rolle dürfte dabei der Erfolg gespielt haben, den er mit der Aufführung seiner F-Dur-Messe (D 105) im Herbst 1814 in Lichtental hatte. Sie wurde danach mit noch größerem Echo beim Publikum in der Pfarrkirche Sankt Augustin wiederholt (25.9.1814). Man kann sich gut vorstellen, dass eine solche Erfahrung Schubert in seinem Bewusstsein gestärkt und beflügelt hat, dass das Komponieren sein Beruf, nein eigentlich seine „Berufung“ sei.


    Joseph Hüttenbrenner berichtet jedenfalls, Schubert habe ihm gegenüber geäußert:
    „Mich soll der Staat erhalten. (…) Ich bin für nichts als das Komponieren auf die Welt gekommen.“
    Und es liegt ganz in der Logik dieses Selbstverständnisses, dass dieser Schubert am 17. Juni 1816 voller Stolz in seinem Tagebuch vermerkte:
    „An diesem Tag componierte ich das erste Mal für Geld“.
    Es handelte sich dabei um eine Prometheus-Kantate, deren Manuskript verlorengegangen ist. An „Geld“ bekam er dafür stattliche hundert Gulden.


    Es ist für die Schubert-Biographen keine Frage, dass die große Resonanz, die Schubert mit seinen Kompositionen in seinem Freundeskreis fand, eine wesentliche Rolle bei seiner Entscheidung für das – wirtschaftlich höchst riskante! – Leben eines freischaffenden Komponisten gespielt hat. Man könnte in diesem Zusammenhang, mit einem Begriff aus der modernen Soziologie, von einem „sozialen Netzwerk“ sprechen, das personal motivierende und ökonomisch grundlegende Wirkung entfaltete.


    Der sog. „Schubertkreis“ ist also – historisch betrachtet – mehr als eine episodische Randerscheinung in der Biographie des Komponisten Schubert.

  • Die letzten beiden Fragen in Alfred Schmidts Fragenkatalog lauten:
    Zit:
    „Warum hinterließ Schubert so viele unvollendete Werke ?
    „Wie war Schuberts Charakter ?“

    Und damit beginnt´s wirklich schwierig zu werden. An die letzte Frage mag man sich schon gleich gar nicht wagen. Aber auch die davor hat es in sich.


    Warum hat Schubert so viele unvollendete Werke hinterlassen?
    Ich weiß es nicht.
    Waren es denn so viele, - viele im Vergleich mit anderen bedeutenden Komponisten des neunzehnten Jahrhunderts?
    Vielleicht ist ja das Bild der „Unvollendeten“ Sinfonie in h-Moll, die mitten im dritten Satz abbricht, zum Stigma des Komponisten Schubert geworden?
    Schubert – Ist das das von musikalischen Einfällen gleichsam überflutete Genie, das der Fülle dessen, was da über ihn kommt, nicht Herr wird und vieles einfach liegen lässt, um sich dem nächten Einfall zu widmen?


    Dieses Bild ist falsch. Die Schubert-Forschung hat es inzwischen gründlich widerlegt. Zurück geht es auf Äußerungen Johann Michael Vogls, Karoline Pichlers und des Sängers Baron Schönstein. Letzterer meinte, dass Schubert „eine Art musikalischer Clairvoyant gewesen“ sei. Karoline Pichler war überzeugt, dass er „das Schöne, das Ergreifende seiner Kompositionen fast unbewußt“ hervorgebracht habe. Und Vogl sieht in Schubert einen Typus von Komponisten, der „in einem Zustand des Clairvoyance oder Somnambulismus zur Welt kommt, ohne alle Willkür des Tonsetzers, sondern wie er muß: durch höhere Gewalt un Eingebung.“


    Die Schubert-Biographen haben dieses Schubert-Bild längst als Ausgeburt des Topos vom romantischen Künstler entlarvt. Man orientierte sich dabei an der angeblichen Äußerung des Hoforganisten Ruzicka: „Der hat´s vom lieben Herrgott gelernt“.


    Einig ist man sich darin, dass Schubert kompositorisch zwar sehr schnell, aber zugleich sehr gründlich und zeitmäßig geregelt arbeitete. Anselm Hüttenbrenner berichtete 1854:
    „Als Schubert und Mayrhofer …beisammen wohnten, setzte sich ersterer täglich um sechs Uhr morgens ans Schreibpult und komponierte in einem Zug fort bis ein Uhr nachmittags. Dabei wurden einige Pfeifchen geschmaucht … Nachmittags komponierte Schubert nie…“


    Die Niederschriften Schuberts wurden inzwischen gründlich analysiert. Die Schubert-Forschung unterscheidet zwischen „Entwürfen“, „erste Niederschrift“, „Partiturentwurf“, „Particell-Entwurf“ und „Reinschrift“. Aus all dem kann man aber keine schlüssige Erklärung dafür herleiten, die eine Antwort auf Alfred Schmidts Frage zuließe.


    Ein Beispiel.
    Für die Tatsache, dass die Werke „Lazarus“ (D 689), Quartettsatz D 703 und die „Unvollendete“ D 759 kompositorische Fragmente geblieben sind, gibt es – inzwischen gut erforscht – ganz unterschiedliche und zum Teil recht banale Gründe.


    Auf einen Nenner, der etwas mit dem Wesen des Komponisten Schubert zu tun haben könnte, lassen sie sich schwerlich bringen.

  • Ich weiss nicht - natürlich muß es reine Spekulation bleiben - aber vielleicht konnte Schubert einige Probleme, die ihm lösenswert schienen - (noch) nicht lösen - und er steckte die Entwürfe - in die Schublade - wo sie dann jahrelang ungelöst herumlagen. Wir haben hier das Beispiel mit der "Unvollendeten", von der geren gesagt wird - sie wäre mit ihren zwei Sätzen an sich "vollendet" - alles weiter wäre "störend". Was hier ein wenig an die Fabel vom Fuchs mit den Trauben erinnert, könnte einen tieferen Inhalt haben. Wir sehen, daß alle Komplettierungsversuche (vom 3. Satz gab es ja sogar schon Entwürfe von Schubert, die Wirkung des Werkes "verbösern" Vielleich hat sich Schubert hier eine Aufgabe gestellt, die einfach nicht lösbar war, eine "Impossibel Mission" (?)
    Auf jeden Fall muß er bei sich einige "kompositorische Schwächen" gesehen - oder vermutet haben, denn er nahm noch 1828 bei Simon Sechter Unterricht in Sachen Kontrapunkt.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zunächst einmal beruhigt mich sehr, dass Alfred Schmidt seinen Beitrag mit „Ich weiß nicht“ einleitet. Ich "weiß" nämlich auch nicht, wie man die Tatsache, dass Schubert unvollendete Werke hinterlassen hat, schlüssig erklären kann.


    Ich meine freilich, dass man falsch liegt, wenn man diese Tatsache auf den angeblich „somnambul-clairvoyanten“ Kompositionsstil Schuberts zurückführt. Denn diesen gab es nicht, wie ich oben darzustellen versuchte.


    Es sind in vielen Fällen ganz äußerliche Gründe, die Schubert – vermutlich, denn wir wissen es nicht ganz genau! – zum Abbruch einer Komposition bewogen haben. So ist es zum Beispiel beim Streichquartett in c-Moll (D 703) wahrscheinlich die Tatsache, dass die Möglichkeit, das Werk in der „Gesellschaft der Musikfreunde“ aufzuführen, entfiel, als Georg Hellmesberger, der Leiter des Quartetts, Assistent von Joseph Böhm am Wiener Konservatorium wurde. Ein ganz banaler Grund also!


    Ja, und die „Unvollendete“ betreffend:
    Da gibt es ja die tollsten Spekulationen als Erklärungsversuche. Nichts davon ist beweisbar, weil Schubert diesbezüglich keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen hat. Auch da könnte ein ganz banaler Anlass die Ursache dafür gewesen sein, dass Schubert die Komposition abbrach. Er bekam nämlich zu dieser Zeit einen Auftrag zur Komposition der „Wandererfantasie“ (D 760). Und zwar von Emanuel Carl Edler von Liebenberg de Zsittin. Das war eine finanziell lukrative Sache, die Schubert zudem die Möglichkeit bot, als Komponist von Klaviermusik an die Öffentlichkeit zu treten. Er unterbrach die Arbeit an der h-Moll-Sinfonie und nahm sie später nicht mehr auf.
    Warum? Vielleicht hatte er schon wieder neue Pläne. Wir wissen es nicht.


    Und da ist noch etwas. Alfred Schmidt meint:
    „Auf jeden Fall muß er bei sich einige "kompositorische Schwächen" gesehen - oder vermutet haben, denn er nahm noch 1828 bei Simon Sechter Unterricht in Sachen Kontrapunkt.....“

    Ich glaube nicht, dass man das Bewusstsein Schuberts, da und dort kompositorisch noch etwas lernen zu können, als Erklärung dafür heranziehen kann, dass er Kompositionen abbrach. Er hatte – schon in seiner Konviktszeit durch Salieri - und danach durch Wenzel Ruzicka eine professionelle musikalische Ausbildung genossen, die er danach durch gründliche eigene Studien fortsetzte. Es gibt keine schriftlichen Quellen, aus denen hervorginge, dass er sich für einen nicht hinreichend gebildeten Musiker hielt. Im Gegenteil: Er war sich - und das nun kann man belegen – seiner kompositorischen Könnerschaft sehr wohl bewusst.


    Was die Sache mit den Kontrapunktstunden, die er, zusammen mit seinem Freund Wolfgang Joseph Lanz, bei dem diesbezüglich renommierten Simon Sechter nahm, anbelangt:
    Schubert arbeitete damals (Seit Sommer 1828) an seiner D-Dur-Sinfonie D 936A. Der dritte Satz sollte eine Fuge enthalten. Offensichtlich ließ er sich durch seinen Freund Lanz davon überzeugen, dass es sinnvoll sei, die Kenntnisse, die er in Sachen Kontrapunkt von Salieri erworben hatte, durch den Experten Sechter erweitern zu lassen.


    Und warum war das für Schubert vermutlich ein guter Gedanke?
    Zum einen: Er arbeitete an dem Projekt D-Dur-Sinfonie. Und zum andern: Die Fugen in der Es-Dur-Messe hatten ihn wahrscheinlich kontrapunktmäßig auf den Geschmack gebracht. Dass die D-Dur-Sinfonie unvollendet blieb, hatte wiederum einen „banalen“ Grund: Schuberts Erkrankung und Tod.


    Auf jeden Fall darf man wohl mit gutem Grund behaupten: Der Abbruch von Kompositionsprojekten ist auf so vielfältige und unterschiedliche Gründe zurückzuführen, dass sich eine ursächliche Verbindung mit der angeblichen „Wesensart“ des Menschen und Komponisten Schubert verbietet.

  • „Wie war Schuberts Charakter“, - so lautet die letzte Frage in Alfred Schmidts Katalog. Und diese hat es nun wirklich in sich.


    Der Historiker in mir weist sie zurück. Auf solche Fragen will er sich professionell nicht einlassen. Denn für ihn kann die Frage allenfalls lauten:
    Welche Aussagen lassen sich auf Grundlage der vorliegenden Quellen über den Menschen Franz Schubert machen?


    So etwas wie „Charakter“ fasst ein Historiker nicht an. Begrifflich zu unscharf, inhaltlich nicht hinreichend präzise zu bestimmen. Allenfalls ist „Persönlichkeit“ für ihn eine Kategorie der Historiographie. Und selbst da beschleicht ihn ein Unbehagen. Zu schwer bewältigbar ist das Problem, die historische Distanz zwischen gegenwärtigen und damaligen strukturell und inhaltlich konstitutiven Merkmalen von „Persönlichkeit“ zu bewältigen.


    Was also jetzt?
    Da ist auf der einen Seite professionell bedingtes Unbehagen. Auf der anderen Seite aber so etwas wie die Ahnung, dass man dem Menschen Franz Schubert in langen Jahren der Beschäftigung mit seiner Musik, insbesondere mit seinen Liedern, irgendwie nahegekommen sein könnte. Wenn er, wie das eben gerade im Thread „Schuberts Ausnahmerang“ zu konkretisieren versucht wird, auf lyrische Bilder des Dichters Seidl, die von Sehnsucht und dem Nicht-verstanden-Werden handeln, auf hörbar intensive, melodisch überaus beeindruckende und personal betroffene Weise musikalisch reagiert, dann möchte man alle Bedenken sausen lassen und den Versuch wagen, sich auf den Menschen Schubert dann doch deskriptiv einzulassen.


    Verlockend ist der Gedanke, beim Schriftsteller Zuflucht zu nehmen. Peter Härtling, der mich schon einmal im Falle von Fanny Mendelssohn-Hensel mit dichterischer Sensibilität dabei leitete, dem Menschen „Fanny“ etwas näher zu kommen, hat auch ein Buch über Franz Schubert geschrieben (Titel: „Franz Schubert“. Luchterhand-Verlag, 1992). Darin findet sich zum Beispiel über den Schüler Franz Schubert eine Passage wie diese:


    „Er lacht wieder zu oft und ohne Grund, überrascht die Schulkameraden und Lehrer mit unerwarteten Fragen und verqueren Scherzen und, wenn Stille und Konzentration geboten sind, zum Beispiel während der schriftlichen Arbeiten, summt er selbstvergessen vor sich hin. Wird er gemahnt, lacht er und zieht so Unwillen und Wut auf sich. Die Freunde legen das Gelächter als Vorboten aus. Es ist ihnen nicht geheuer. Längst haben sie sich daran gewöhnt, daß er nachmittags an dem kleinen, wackeligen, ihm zugeteilten Schreibtisch im Aufenthaltsraum >dichtet<. So bezeichnet er das Komponieren. Zu aller Verwunderung braucht er dafür kein Klavier. Darum war dem meisten gar nicht aufgefallen, daß er auf Notenlinien schrieb.“


    Führt mich das weiter? Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich in dem Prozess der Annäherung an den Menschen Franz Schubert – denn darum kann es letzten Endes ja nur gehen, um einen Prozess – ab und zu einen Blick in dieses schriftstellerische Werk werfen.


    Hier zum Beispiel werden Wesenszüge dieses Franz Schubert angesprochen: Seine offensichtlich früh ausgebildete musikalisch-schöpferische Potenz; die daraus sich ergebende Abseits-Position in der ihn umgebenden menschlichen Gesellschaft; seine Neigung, sich den eigenen inneren gedanklichen und emotionalen Prozessen hinzugeben und zu überlassen und dafür in Kauf zu nehmen, miss- oder überhaupt nicht verstanden zu werden.


    Aber von der Mühsal des eigenen Weges hin zu diesem Franz Schubert wird mich der Blick in einen biographischen Roman nicht entbinden. Er kann ihn freilich erleichtern und befördern.
    Vielleicht.

  • Im Thread „Wodurch ist Schuberts Ausnahmerang in Sachen Lied begründet?“ wurde im Zusammenhang mit der Besprechung der Schubert-Lieder auf Texte von Johann Gabriel Seidl mehrfach auf ein kompositorisch-künstlerisches Thema Bezug genommen, das für Schubert von zentraler Bedeutung war. Meine Gedanken, die Fragestellung dieses Threads betreffend, möchte ich ja ganz bewusst mit den Liedbesprechungen dort verknüpfen. Ich verspreche mir davon einen höheren Grad an Konkretisierung der Aussagen, die ich hier treffe.


    Zu dem Lied „Der Wanderer an den Mond“ D 870 merkte ich dort an:
    „Das ist ein Lied, das von einem zentralen Inhalt von Schuberts menschlicher und künstlerischer Existenz handelt: Der Wanderschaft. Deren Wesen ergibt sich aus ihrer Wurzel: Der existenziellen Heimatlosigkeit. Sie muss für den Menschen und Künstler Schubert eine sein Leben und sein künstlerisches Schaffen fundamental prägende Urerfahrung gewesen sein.“


    Es gibt viele schriftliche Quellenzeugnisse, die es als keine Spekulation erscheinen lassen, wenn man Schubert eine Doppelnatur zuspricht. Man findet Aussagen darüber, dass er ein „verschlossenes Gemüth“ gehabt haben soll, dass er „schüchtern“ gewesen sei, eine „wahrhafte Scheu vor gewöhnlichen und langweiligen Leuten“ an den Tag gelegt habe, dass er „offizielle Geselligkeiten“ lieber mied, ja dass er für viele seiner Freunde ein „Rätsel“ geblieben sei, da er ihnen nicht wirklich Einblick in sein Inneres gewährte.


    Auf der anderen Seite wird ihm aber auch „rücksichtslose Freymütigkeit“, Heiterkeit, Fröhlichkeit und ein Mut zu entwaffnender Offenheit zugesprochen.
    Er hatte großen Spaß an Wortspielen, von dieser Art etwa: „Fine mit´n Quartett, welches gecomponiret hat Franzo: Schubert, Kapplmaster der Kaiß. Chinesischer Hofkappehle zu Nanking…“ (Anmerkung zum Oktett D 72).
    Er selbst sagt von sich: „Übrigens werde ich mit meinen Herzensgefühlen niehmals berechnen und politisiren, so wie´s in mir ist, so geb ich´s heraus und damit Punctum.“
    Aber es finden sich auch solch seltsame Bekenntnisse wie dieses: „Es geht mir überhaupt sehr schlecht. Ich (…) bin lustig.“


    Für den Historiographen, der sich müht, dem Menschen Franz Schubert nahezukommen, stellt sich die Frage, wie er mit derlei einander widersprechenden Quellenzeugnissen umzugehen hat. Im Grunde kann er nicht anders, als in diesem Fall von einer Doppelnatur zu sprechen, wie das zum Beispiel Elizabeth Norman McKay in ihrem Buch „Schubert. A Biography, Oxford 1996“ getan hat.


    Damit hat man zwar das nach außen hin sichtbare Phänomen auf einen Begriff gebracht, nicht aber ein wirkliches Verstehen dessen ermöglicht, was einem da in der Person Schubert begegnet. Sein Biograph Hans J. Fröhlich versuchte das in seinem Buch „Schubert“, das 1978 von Hanser/Wien publiziert wurde. Er schlägt darin den Weg eines gleichsam psychoanalytischen Zugangs zur Person Schubert ein. Seine zentrale These kann man an solchen Feststellungen festmachen wie:


    "Schubert war in Wahrheit ein Einzelgänger und vermutlich mehr noch: ein Solipsist, tief bindungsunfähig…“;
    „Eine natürliche Entwicklung (Anm.: des jungen Schubert) ist unterbrochen, durch den Widerstand des Vaters blockiert, der es nicht zulassen will, daß sein Sohn freier Künstler wird. Das hat zur Folge, daß „Franz in doppelter Hinsicht am Erwachsenwerden gehindert wird; durch die andauernde Abhängigkeit vom Vater einerseits, durch den Verlust der Mutter, den er zeitlebens nicht verschmerzt, andererseits.
    Er bleibt ein Kind, innerlich wie äußerlich, und sehnt sich nach Zuwendung und Bemutterung, ohne sie zu finden, weder bei den Freunden, noch bei Frauen.
    Es gibt nur die Flucht in die Neurose. Sie manifestiert sich in der absoluten Bindungsunfähigkeit, die die Angst vor dem weiblichen Geschlecht einschließt. (…)
    Schuberts Flucht ist eine in die Kunst, die diese Flucht (=Bewegung) thematisiert.
    Er hat sich mit seiner Neurose in die Arbeit gerettet.“


    Ich gestehe, dass ich einem derart psychologistischen Ansatz im Versuch, einen Zugang zum Menschen Franz Schubert zu finden und diesen in seiner Wesensart zu verstehen, skeptisch gegenüberstehe. Immerhin aber vermag man damit spezifische Eigenarten dieser Biographie zu erklären.


    Aussagen des Menschen Schubert wie diese zum Beispiel:
    „Keiner, der den Schmerz des Anderen, und Keiner, der die Freude des Anderen versteht!“
    Oder:
    „Ich bin für nichts als das Componiren auf die Welt gekommen.“
    Oder:
    „Gibt es eigentlich lustige Musik? Ich weiß von keiner.“
    Oder (die Lieder der „Winterreise“ betreffend):
    „Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses je bei anderen Liedern der Fall war.“


    Die eigentümliche Affinität, die bei Schubert dem Wanderer-Motiv gegenüber besteht, verlockt den Biographen geradezu, nach einer psychologischen Erklärung zu suchen und in diesem Zusammenhang auf die Tatsache zu verweisen, dass Schubert unzählige Male umgezogen ist. Ab dem Jahre 1816 hat er es höchstens zwei Jahre lang in einem seiner vielen Quartiere ausgehalten.


    Gewiss gibt es dafür in vielen Fällen auch äußerliche Faktoren, die als Ursache für dieses biographische Phänomen herangezogen werden können. Aber es scheint, wenn man unter diesem Gesichtspunkt auf seine musikalischen Werke hört, gar nicht so abwegig, innere, also seelische Faktoren dafür verantwortlich zu machen.

  • Ich weiß nicht, ob man so weit gehen darf, die letzte Ursache für die bei Schubert zweifellos quellenmäßig feststellbaren seelischen Probleme auf den nicht verarbeiteten Verlust der Mutter zurückzuführen, wie das Hans J. Fröhlich tut, wenn er feststellt: „Die tiefste Ursache seines Schmerzes – wir behaupten es – war der Verlust der Mutter.“ Mir erscheint das eher ein aus heutiger Perspektive zusammengebasteltes psychologisches Konstrukt zu sein, das einer Zeit und einem historischen Leben übergestülpt wird, zu dem es nicht passt.


    Ganz sicher sah sich Schubert einer Fülle von seelischen und geistig-künstlerischen Problemen ausgesetzt, die teilweise psychosomatischer Natur waren, zu einem großen Teil aber auch in der ganz konkreten Lebenswelt wurzelten, - der Tatsache zum Beispiel, dass die Wiener Gesellschaft von ihm als Komponisten keinerlei Notiz nahm. Die sogenannten „Schubertiaden“, waren zwar für seine kompositorische Entwicklung von großer Bedeutung, sie fanden aber im gesellschaftlichen Abseits statt, - was sie auch mussten, weil in ihnen – nach den Richtlinien der Karlsbader Beschlüsse – ein umstürzlerischer Geist gepflegt wurde. Der Begriff „Schubertiade“, wie ihn Franz von Schober (wahrscheinlich) erfunden hat, hatte wohl auch eine Tarnfunktion.


    Wenn Schubert in einem Brief an Leopold Kuppelwieser vom 31. März 1824 bekennt, er fühle sich „als den unglücklichsten, elendsten Menschen auf der Welt“, so könnte man das zwar auf den Schock zurückführen, den seine Syphilis-Erkrankung für ihn mit sich brachte. Ich glaube aber, dass man dabei zu kurz griffe. Dieses Bekenntnis ist eine Aussage über die grundsätzliche Daseinsbefindlichkeit des Menschen und Komponisten Franz Schubert. Ein Werk wie die „Winterreise“ – um nur das wichtigste zu nennen - ist künstlerische Dokumentation dieser existenziellen Grundbefindlichkeit.


    Die Verse „Eine Straße muß ich gehen, / Die noch keiner ging zurück“ habe ich immer als ein Lebensbekenntnis des Franz Schubert gehört und verstanden. Und nicht nur als das: Auch als ein künstlerisches Bekenntnis. Dreimal erklingt es, in klanglich penetranter Weise auf einer, sich chromatisch steigernden Tonhöhe deklamiert. Hier spricht sich der Mensch und Künstler Franz Schubert ganz unmittelbar persönlich aus. Denn er, der niemals wirklich Zugeständnisse an den breiten Publikumsgeschmack gemacht hatte, ging ja spätestens seit Mitte der zwanziger Jahre auch kompositorisch so einsame Wege, dass er nicht wirklich mehr mit Verständnis rechnen konnte.

  • Die Leitfrage des Threads ist im Falle von Franz Schubert nicht zu beantworten, ohne sich auf die Aspekte „Freundeskreis“ und „Freundschaft“ einzulassen. Das ist in der Tat eine biographische Besonderheit des Menschen und Komponisten Franz Schubert. Und es ist eine bedeutsame, weil ohne dieses hochkomplexe menschliche Beziehungsgeflecht Schubert wohl nicht zu dem geworden wäre, der er schließlich war. Das reicht von der schlicht ökonomischen Ebene bis zur künstlerischen und geistigen.


    Früher hat man in dieser Kultur der Freundschaft und in den sog. Schubertiaden ein typisches Biedermeier-Phänomen gesehen. Ganz abwegig ist das nicht, weil die Restauration der Metternich-Ära eine Flucht in den Raum der Privatheit förderte. Aber dabei wurde viel zu wenig das geistig und künstlerisch progressive Potential gesehen, das in diesem Freundeskreis entwickelt und gepflegt wurde. Immerhin wurde dieser im März 1820 sogar Gegenstand einer Polizeiaktion: Der Verhaftung des radikalen Tirolers Johann Senn, in die auch Schubert, der „Schulgehilfe aus der Roßau“, involviert war. Dieser ist der Obrigkeit damals durch „derbe Verbalinjurien“ unangenehm aufgefallen.


    Schubert wäre ohne jene „Freunde“, bei denen es sich ja nicht nur um künstlerische Gesinnungsgenossen, sondern auch um Gönner und Förderer handelte, nicht zu dem geworden, der er für uns heute ist. Man traf sich in Wiener Bürgerhäusern, Schubert spielte dort seine neuesten Werke vor und Vogl sang seine Lieder. In den Häusern Sonnleithner, Watteroth und Collin, in denen zuweilen über hundert Gäste sich versammelten, bestand für Schubert die einzige Möglichkeit, seine Kammermusik und seine Lieder zu Gehör zu bringen. Hätte er dort keine Resonanz auf sein kompositorisches Schaffen gefunden, - wer weiß, was aus ihm geworden wäre.


    In der oberen Gesellschaft Wiens nahm man von ihm keine Kenntnis. Der englische Mozart-Biograph Edward Holmes, der 1827 nach Wien kam, um sich über das dortige Musikleben zu informieren, erwähnt einen Komponisten Franz Schubert nicht. Niemand aus den Kreisen, in denen er verkehrte, hatte ihm gegenüber dessen Namen erwähnt.


    Und da ist noch etwas, das in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden darf: Im Augenblick seiner – ungeheuer kühnen! - Entscheidung für ein Leben als freier Komponist waren es eben diese Freunde, die ihm Unterschlupf in Form einer Wohnung boten. Im Augenblick ist im Thread „Schuberts Ausnahmerang“ die Rede von „Mayrhofer-Liedern“. Dieser Johann Mayrhofer spielt in Schuberts Leben eine wichtige Rolle. Immerhin fand er bei ihm seinen ersten „Unterschlupf“. Und er hat 47 Gedichte von ihm vertont.
    Es wäre also als nächstes auf ihr Verhältnis etwas näher einzugehen.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich wage einmal die Behauptung: Es gibt keinen anderen Komponisten, der so sehr durch seine und in seinen Freunden lebte und zugleich tiefe Distanz zu ihnen wahrte, wie das bei Franz Schubert der Fall war. Vieles wirkt da – unter vordergründigem Blick – wie eine Idylle von heiter-fröhlichem und leutseligem Beisammensein. Bei genauerem Hinblicken aber sind die freundschaftlichen Beziehungen Schuberts höchst undurchsichtig und sogar rätselhaft.


    Ein Beispiel dafür ist Johann Mayrhofer. Seine Biographie wurde im Thread „Schuberts Ausnahmerang“ im Zusammenhang mit der Besprechung der Lieder auf seine Texte kurz skizziert. Also kann sie hier außen vorbleiben. Schubert wurde mit diesem Beamten des staatlichen Zensuramtes 1814 durch Spaun bekanntgemacht.


    Mayrhofer erinnert sich:
    „Mein Verhältnis mit Schubert wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund mein Gedicht >Am See< zur Composition übergab. An des Freundes Hand betrat Schubert das Zimmer, welches wir fünf Jahre später gemeinsam bewohnen sollten. Es befindet sich in der Wipplinger Straße. Haus und Zimmer haben die Macht der Zeit gefüllt, die Decke ziemlich gesenkt, das Licht von einem großen, gegenüberstehenden Gebäude beschränkt, ein überspieltes Klavier, eine schmale Bücherstelle; so war der Raum beschaffen, welcher mit den darin zugebrachten Stunden meiner Erinnerung nicht schwinden wird.“

    Schubert war sich nach seiner Rückkehr aus Ungarn (1818) sicher, dass er als Lehrer nicht taugt und dass seine Berufung und Lebensaufgabe die eines freischaffenden Komponisten ist. Die Auseinandersetzung mit seinem Vater führte dazu, dass er das Haus verließ. Mayrhofer, der zehn Jahre älter als er war, konnte für ihn also nicht nur eine Unterkunft bietende Zuflucht sein, sondern vielleicht sogar eine Art Vaterersatz. Aber letzteres ist Psychologie. Tatsache ist: Schubert brauchte in seinem sozial und ökonomisch überaus riskanten Entschluss für eine Existenz als Komponist und Künstler Menschen, die diese Existenz durch schliche materielle Absicherung ermöglichten. Mayrhofer war ein solcher.


    Dass es dabei immer wieder zu Spannungen und Reibereien kam, die schließlich zum Bruch der Beziehung führten, bekennt Mayrhofer unumwunden:


    „Während unseres Zusammenseins konnte es nicht fehlen, daß Eigenheiten sich kundgaben; nun waren wir jeder in dieser Beziehung reichlich bedacht, und die Folgen blieben nicht aus. Wir neckten einander auf mancherlei Art und wendeten unsere Kanten zur Erheiterung und zum Behagen einander zu. Seine frohe, gemütliche Sinnlichkeit und mein in sich geschlossenes Wesen traten schärfer hervor und gaben Anlaß, uns mit entsprechenden Namen zu bezeichnen, als spielten wir bestimmte Rollen. Es war leider meine eigene, die ich spielte.“


    Die beiden letzten Sätze sind aufschlussreich, - das komplexe Verhältnis zwischen den beiden betreffend, das schließlich in eine Trennung Anfang des Jahres 1821 mündete, die von Schubert ausging. Mayrhofer war ein Mensch, der mit schweren seelischen Konflikten zu ringen hatte, die nicht unwesentlich mit seinem Doppelleben zusammenhingen, das er als „Dritter Revisor und Regierungskonzipist“ in Diensten der Metternichschen Administration und freischaffender Literat und Dichter führte.


    In einem von Bauernfeld verfassten Gedicht auf ihn heißt es:


    Wenig sprach er, - was er sagte,
    War bedeutend, allem Tändeln
    War er abgeneigt, den Weibern
    Wie der leichten Belletristik.


    Nur Musik konnt´ ihn bisweilen
    Aus der stumpfen Starrheit lösen,
    Und bei seines Schuberts Liedern
    Da verklärte sich sein Wesen. (…)


    Man darf wohl vermuten, dass es vonseiten Mayrhofers so etwas wie eine schwärmerische Zuneigung zu Schubert gegeben hat. Dieser reagierte darauf, indem er sich dem lyrischen Schaffen Mayrhofers kompositorisch intensiv zuwandte und insgesamt 47 Gedichte vertonte. Diese Lieder zeugen von einem tiefen Verständnis der dichterischen Seele, insbesondere der lyrischen Flucht aus der realen Welt in eines bessere, künstlerische.


    Aber Schubert war selbst eine „Problemnatur“. Es scheint so, dass er die Nähe eines Menschen, der seinerseits von seelischen Problemen regelrecht geplagt war und diese Nähe zu ihm deshalb intensivieren wollte, nicht länger ertragen konnte.


    Sein Biograph Hans J. Fröhlich vermutet bei Schubert eine fundamentale „Angst vor Bindungen“. Er habe einerseits „Schutz und Liebe gesucht“, habe aber andererseits von niemandem wirklich abhängig sein wollen.


    Das Verhältnis zu Mayrhofer könnte man durchaus als Beleg für diese These nehmen und verstehen. Und bei den anderen Personen des sog. „Schubertkreises“ findet man noch mehr Belege.
    Wenn man denn glaubt, mit psychologischen Kategorien dem rätselhaften Phänomen „Franz Schubert“ auf die Spur kommen zu können.

  • Sein Biograph Hans J. Fröhlich vermutet bei Schubert eine fundamentale „Angst vor Bindungen“. Er habe einerseits „Schutz und Liebe gesucht“, habe aber andererseits von niemandem wirklich abhängig sein wollen.


    Lieber Helmut, hat Fröhlich nicht auch vermutet, dass sich Schubert von Mayrhofer nur deshalb zurückgezogen habe, um dessen erotischem Drängen zu entgehen? Überhaupt scheinen mir sexuelle Präverenzen in dem berühmten Schubertschen Freundeskreis eine gewisse Rolle gespielt zu haben. Aber nicht nach Art des "Dreimädlerhaus". Was hälst Du davon? Dieses gewaltige musikalische Werk kann doch nicht das Werk der Enthaltsamkeit sein, der Projektion? In Deinen sehr feinsinnigen und kenntnisreichen Texten, für die ich Dir bei dieser Gelegenheit ausdrückllich danken möchte, denn ich empfinde sie als großen Gewinn für mich, spielt dieses schwierige Thema keine ausgesprochene Rolle, zwischen den Zeilen meinte ich es schon hier und da erkannt zu haben.


    Herzlich grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Du fragst, lieber Rheingold1876: "...hat Fröhlich nicht auch vermutet, dass sich Schubert von Mayrhofer nur deshalb zurückgezogen habe, um dessen erotischem Drängen zu entgehen? "


    Ja, das hat er. Er meint, dass bei den Auseinandersetzungen zwischen Schubert und Mayrhofer "eine homoerotische Komponente" eine gewisse Rolle gespielt habe, und dass die diesbezüglichen Annäherungsversuche Mayrhofers schließlich zum Bruch der Beziehung geführt hätten.


    Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich konnte nämlich keine aussagekräftigen Quellenbelege dazu finden. Fröhlich stützt sich auf die Verse in dem von mir zitierten Gedicht Bauernfelds: "... allem Tändeln war er abgeneigt, den Weibern wie der leichten Belletristik". Ob das quellenmäßig aber hinreicht?


    Zu Deiner Vermutung: "Überhaupt scheinen mir sexuelle Präferenzen in dem berühmten Schubertschen Freundeskreis eine gewisse Rolle gespielt zu haben."


    Das mag sein. Ich glaube aber, dass wir uns davor hüten müssen, unsere modernen Vorstellungen ungeprüft in die damalige Zeit zu projizieren. Was wir heute überhaupt nicht mehr kennen, das ist der schärmerische Kult der Freundschaft, der damals betrieben wurde.


    "Freundschaft" wurde im sog. "Linzer Kreis", aber auch im sog. "Schubertkreis" als eine der "wirksamsten Triebfedern der Tugend" bezeichnet, - so in einem Aufsatz von Anton von Spaun. Wenn man in den "Beyträgen zur Bildung für Jünglinge" liest, findet man immer wieder das Hohelied auf die Tugend der Freundschaft und ihre Bedeutung für die ethische Bildung der "Jünglinge". Auch Schuberts Verständnis von "Freundschaft" wies eine ausgeprägte ethische Komponente - in Einheit mit der emotional schwärmerischen! - auf. Das muss man mitberücksichtigen, wenn man man verstehen will, was diese Freundeskreise innerlich zusammenhielt.


    Der erwähnte Aufsatz von Anton von Spaun weist am Ende ein Zitat aus Michel Montaignes Schrift "De l´amitié" auf:


    "Gleichwie es Bösen unmöglich wäre, Freunde zu seyn, so sey es auch den Guten unmöglich nicht Freunde zuseyn."

  • Danke für die ausführliche, erhellende Antwort, lieber Helmut. Wo finde ich Spauns "Beyträgen zur Bildung für Jünglinge"? Hast Du eine entsprechende Buchempfehlung für mich? In die Bibliothek schaffe ich es nämlich die nächsten Tage aus Zeitgründen nicht. Lesen möchte ich den Aufsatz, der mir nur dem Namen nach bekannt war.



    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Du fragst, lieber Rheingold1876: "Wo finde ich Spauns "Beyträgen zur Bildung für Jünglinge"? "

    Im Buchhandel kriegt man die leider nicht. Man muss sich entweder in eine Bibliothek begeben oder – und das geht sehr flott – sie bei Google eBooks herunterladen (oder an Ort und Stelle darin lesen).


    Im ersten "Beytrag" findet sich zum Beispiel folgende Passage ,- unser Thema hier betreffend:


    "Über Unaufgelegtheit "
    „Guter Jüngling, der du diese Worte mit Sehnsucht liesest, weil du noch nicht den Freund nach deinem Herzen gefunden, und mit ihm für das ganze Leben das Schöne zum Guten. Wie wird alles Lernen, alles Streben, Entbehren, Handeln, das ganze Leben so leicht und schön, wenn das Herz besitzt, wessen es bedarf! Welche Kraft zum Guten hat der ermunternde, lohnende Freundes-Blick, Freundes-Wort und Beyspiel!“


    Es ist, wie ich sagte: Dieses gefühlsgeladene Verständnis von Freundschaft ist für uns heute nicht mehr nachvollziehbar. Und zugleich wird hier noch einmal die ethische Dimension des damaligen Freundschaftsbegriffs deutlich, auf die ich in meinem letzten Beitrag hinwies.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • bei Google eBooks herunterladen


    Das ist ein sehr guter Rat. So ein Buch im Netz. Das simmt mich froh und hoffnungsvoll. Im Moment bin ich aber nur in der Lage, das Buch direkt online zu lesen. Kann ich es auch herunterladen, so dass ich auch dann Gebrauch davon machen kann, wenn ich nicht im Netz verweile? Bisher habe ich digitale Bücher immer nur bei Amazon heruntergeladen. Jetzt sind wir beide schon so weit, dass wir uns über derlei Fragen austauschen, lieber Helmut. Nun soll mal wer kommen und das Thema für die Jugend reklamieren. Er käme zu spät.


    Danke für Deine Gelduld. Diese kleine Abweichung vom eigendlichen Thema dient ja schließlich dem Erkenntnisgewinn. Ich bin mir sicher, dass sich Franz Schubert auch Bücher aus im Internet heruntergeladen hätte. Denn der war ja bis zum Schluss immer auf der Suche - und eine seiner letzten Sorgen galt der Beschaffung von Büchern.


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo,


    so aufschlussreich und verdienstvoll Helmuts Beiträge sind, vom bewundernswerten Arbeitsaufwand ganz zu schweigen, möchte ich den besonders von Helmut mehrfach angedeuteten Gedankenansatz weiterführen, erweitern.

    Dem Inneren des Menschen Schuberts dürfte wohl am ehesten über seine Musik näher zu kommen sein.


    Beginnen will ich mit seinen Liedern; Kammer-, Klavier- und Orchestermusik folgen in Abständen.


    Sehr intim finde ich folgende Schubertäußerung:


    Aussagen des Menschen Schubert wie diese zum Beispiel:
    „Keiner, der den Schmerz des Anderen, und Keiner, der die Freude des Anderen versteht!“


    Daraus folgere ich: Dieser Beitrag (und die angedeuteten folgenden) sind weit entfernt, das Schubertbild zu zeigen, es wird mein Schubertbild - und wenn Leser und ich (wenn sie sich äußern?) Glück haben, werden wir u. U. einige Grundstrukturen bei Schubert erkennen und gemeinsam haben.


    Text und Komposition der nachfolgenden Lieder setze ich als bekannt voraus, was lange Erläuterungen erübrigt.


    Die Forelle:
    1. Strophe: Die Klavierbegleitung suggeriert ein "munter hüpfendes, sauberer Bächlein" durch arpeggioartige Akkordanschläge in Dur, Achtel- und Sechszehntelnoten, was durch die absteigende Akkordführung bei gleichzeitig aufsteigenden Sechszehntelläufen rechts das dem Menschen etwas fremdartigen Lebensraumes der Forelle verdeutlicht. Die Melodie, sehr eingängig und ebenso sanglich (nach dem 2. 3. Hören zum mitsingen, -summen geeignet) mit völlig unkomplizierten, absolut einfachen, erwartbaren Akkordfolgen, verstärkt das/den ungestörte/n Naturbild/ablauf und die " …süßeRuh'…" des frohgelaunten Betrachters.
    2. Strophe: Die Komposition verändert sich kaum (links wird das Arpeggio etwas schwerfällig), nur der Text "…mit kaltem Blute…" und aus dem lebendigen "…schoss in froher Eil…vorbei wie ein Pfeil… "wird ein" …Fischlein wand …" lässt die kommende Störung der Natur (Eingriff durch den Mensch) erahnen (was musikalisch zu zeigen überwiegend Aufgabe der Interpretation ist).
    3. Strophe: Wechsel ins parallele Moll, Beginn des Staccato im Klavier bei "…Bächlein trübe…" und wenn die "…Rute zuckt…" ist Arpeggio vorbei und das Staccato im Klavier lässt das Zucken emotional und bildlich vor Augen erstehen. Zurück ins Dur und mit dem Arpeggio der Strophen 1 + 2 lässt die "…Betrogne.." den Betrachter zurück "…mit regem Blute…" ( aber machtlos) in dem musikalisch unveränderten Naturbild der 1. Strophe, als wäre Nichts geschehen.


    Fazit: Mit relativ einfachen - aber sehr geschickt (raffiniert?) eingesetzten - musikalischen Mitteln lässt Schubert ein "Drama" (im Kleinen?) musikalisch leicht nachvollziehbar für den Hörer entstehen und schafft es auch noch, die Machtlosigkeit des aktiv Unbeteiligten hör- und fühlbar zu machen.



    Erlkönig: Schon in der Klaviereinleitung: Das ist kein normale Ritt; in düsterem Moll, in schnellen, gebrochenen Akkordanschlägen links und rasendem, auf gleichem Ton bleibendem Ostinato rechts wird Unheilvolles voraushörbar. Wenn die Singstimme einsetzt hat sich das aufreibende Klaviervorspiel, schon einmal wiederholt, und ebbt nun in seiner Erregung zur Erzählung des Sachstandes - wie zur Beruhigung - ab. Bei der sorgenvollen Frage des Vaters geht die Melodie in die Höhe, dem üblichen Tonfall bei Fragen folgend. Die angsterfüllte Antwort des Sohnes legt Schubert in eine sehr hohe Tonlage, nicht nur damit eine Kinderstimme evozierend, sondern auch der Angst (der Mensch ist angespannt einschl. der Stimmbänder, die Stimmhöhe steigt ungewollt) Ausdruck gebend. Die in tiefer Stimmlage gebende Antwort des Vater fällt auch in der Melodie abwärts, (soll) beruhigend wirken und einige markante Klaviertöne rechts geben der Vaterantwort wie etwas Bestätigendes, was durch die unveränderte Klavierbegleitung (die auch folgend kaum verändert beibehalten wird) seit der Einleitung kaum glaubhaft wirkt Die stimmliche Erscheinung des Erlkönigs im Fieberrausch des Kindes liegt in hoher Stimmlage, die Melodie ist einschmeichelnd, dabei aber zu "süßlich schmelzend" und kann dadurch die Gefährlichkeit der Worte nicht verhehlen, was die in der Erregung zurück genommene Klavierbegleitung auch nicht bewirkt. Die erneut angsterfüllte, fragende, intensivierte Stimme des Kindes nach der Reaktion des Vaters kann dieser zwar mit einer beruhigende Singstimme, aber inhaltlich nicht überzeugend (gut gemeinte Sachargumente bei Fieberwahn?) beantworten. Die erneute Intervention des Erlkönigs, musikalisch wie zuvor, noch gesteigert durch eine vertonte Verswiederholung, erzeugt bei dem Kind nun Phantasiebilder, die es noch mehr erregen (höhere Stimmlage) und der Versuch des Vaters zur Beruhigung wirkt - auch musikalisch durch die nun auch angespannte höhere Stimmlage- noch hilfloser. Nun lässt Erlkönig die mühsam aufrecht erhaltene Maske der Verführung (auch seine Stimmlage ist nun angespannt noch höher) fallen und die "Gewalt" bricht abrupt und in tiefer Stimmlage aus und ab. In höchster - auch Stimmhöhe und -intensität! - Erregung die Reaktion des Kindes und das "…Leids getan" bricht genauso abrupt und brutal in tiefer Intonation ab wie die Gewalt des Erlkönigs---die Reaktion des Vaters ist nur noch in der Musik wilde Flucht, nicht mehr allein sein mit dieser nicht mehr beherrschbaren Tragödie - das Erreichen des Hofes erklingt fast erlösend tröstlich---der Exitus fast tonlos---zwei wuchtige Akkordschläge zeigen die Realität auf.

    Fazit: Auch bei der Balladenvertonung erreicht Schubert durch einfache musikalische Mittel, meist nur durch die Tonhöhengestaltung und die Änderung der Melodieabfolge, die Individualisierung der Akteure, unterstützt von der Intensität der Erregung im Klavier. Die Hilflosigkeit der Vaters darzustellen erreicht er durch keine Unterbrechung des musikalischen Geschehens, es geht eben seinen Gang - und die Wirklichkeit wird durch zwei kräftige Akkorde hergestellt.



    An die Musik: In sehr abgeklärten Dur-Akkorden, mit ruhig fließendem Tempo und Rhythmus und einer kunstvollen, aber nicht gekünstelten Melodie wird dieses Gedicht von Schober (aus dem Freundeskreis) vertont. Mit fällt auf, dass mehrmals Akkordvorbehalte die Auflösung zur Tonika verzögern, was einerseits etwas Spannung aufbaut, andererseits die immer wieder beruhigende, friedliche, versöhnlich klingende Harmonik mit Freude erwarten lässt.


    Fazit: Ob für den schwer fassbaren Menschen Schubert die Musik tatsächlich so klar, einfach, unkompliziert, lösungsorientiert war? Durch die zuvor beschriebene musikalische Vorgehensweise hat er es jedenfalls seinen Hörern so vermitteln können.



    Mut (Winterreise):Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf die Beiträge Nr. 358 und 494 im Thread "Schuberts Winterreise in liedanalytischer Betrachtung - auch im Thread "Zyklus der Verzweiflung…" auf die Beiträge 641 und 643-645
    Dem Einwand, man könne ein Lied aus der Winterreise nicht getrennt von dem Liederzyklus hören und betrachten, möchte ich entgegnen, es geht allgemein gesehen um einen Menschen (Helmut Hofmann würde sagen "das lyrische Ich"), der seine (negativen) Emotionen rational zu bekämpfen versucht - in der Winterreise erfolglos - was für die Einzelbetrachtung unerheblich ist. Den Gegensatz zwischen Rationalität und Emotion stellt Schubert durch den Tongeschlechtswechsel dar.


    Fazit: Von der Grundstruktur ist es auch wieder ein relativ einfaches musikalisches Stilmittel, das aber durch Dynamik, Rhythmusvariationen und dem Umgang mit der Verteilung der Worte bzw. Wortsilben auf die auch wieder eingängige Melodie sehr verfeinert wird.



    Der Leiermann (Winterreise): Um auch hier Wiederholungen zu vermeiden, Beiträge Nr. 420 (zum Text) und 428, 434 zur Musik, ähnlich Nr. 496/97 im Thread "Schuberts Winterreise im liedanalytischer Betrachtung."
    Dem bei "Mut" vorauseilend gebrachten Einwand kann ich hier nicht so leicht entkräften. Deshalb habe ich mit den Beiträgen Nr. 420/496 auch auf eine Texterläuterung verwiesen.
    Die spezifische Rollenverteilung zwischen dem Leiermann (der kommuniziert zwar mit dem Wanderer nur indirekt) und dem Wanderer lässt sich schwer lösen. Musikalisch wird das Lied bestimmt durch die bordunartig ständig wiederholten leeren Quintakkord in Moll, dazu kommt die eintönige "Leierkasten-Melodie", mit dem ebenso eintönigen, mutlosen, jeglichen Auf/Antrieb vermissenden Rhythmus. Alles ist musikalisch leer, ohne, auch musikalisch, erkennbare Reaktion/Emotion, "…und er lässt es gehen, Alles wie es will…" - Hoffnungslosigkeit pur. Nur beim Beginn der Frage des Wanderers kommt auch in der Musik etwas Abwechslung/Bewegung und erst die letzten Takte ergeben in der Dynamik und Liedführung die schmerzliche Antwort des Wanderers und dem Ergeben in sein unabwendbares Schicksal


    Fazit: Ich kann mir nicht helfen: Ganz nüchtern betrachtet handelt es sich auch hier um einfache musikalische Stilmittel, erst deren geschickte, raffinierte oder besser geniale Kombination ergeben die so erschütternde musikalische Aussage/Wirkung. (Wie viel hat Schubert hier von seinem eigenen, krankheitsbedingten, unabwendbaren Schicksal eingebracht? Ob es ihm "unbewusst bewusst" war?)



    An Silvia: Verweis auf Nr. 107 im Thread "Wodurch ist Schuberts Ausnahmerang als Liedkomponist begründet".
    Ergänzung: Einen größeren Kontrast zwischen Leiermann zu diesem Lied kann ich mir nur zum "Musensohn" vorstellen, der aber zu "An Silvia" (es ist das hohe Glücksgefühl veredelt, gleichsam schwebend über der Erdenschwere.) an Tiefe verliert. Es ist nicht die überschäumende Lebensfreude des "Musensohnes", aber eine ideale Wunschvorstellung (eine späte, abgeklärte Erinnerung an seine Ungarnaufenthalte?). Schon das kurze Klaviervorspiel (ein wesentlicher Bestandteil der Liedbegleitung) erzeugt mit seiner aufsteigenden Akkordfolge eine frohe Erwartung. Eine einem Kunstlied würdige Melodie, mit großem Tonumfang und vielen großen Intervallsprüngen - eine abwechslungsreiche Harmonik - der Tonartwechsel bei "…schön und zart…" der anfangs Moll vermuten lässt, aber sich doch rasch in Dur äußert - bei "…schön und gut…" wird dieses Spielchen nicht getrieben, aber wieder bei "…ihren Aug' eilt…" - auch die weitgehend gleich bleibende Rhythmik mit ihrem Aufforderungscharakter - Schubert bringt sonst keine Verzierungen in der Melodie, hier je Strophe ein Mal. Wie heißt es im o. g. Beitrag, "so kann nur Schubert ein Lied komponieren"!
    (Gehört an sich nicht hierher: Eine frühe Aufnahme mit I. Bostridge klingt für mich ausnahmsweise besser als Fischer-Dieskau.)


    Fazit: Ja, hier finde ich die kompositorischen Mittel umfangreicher, feiner ziseliert - ob Schubert eingedenk, dass es sich um einen Shakespeare-Text handelt, ausgewählter vorging?



    Der Atlas (Schwanengesang): Ein zutiefst tragischer, ja dramatischer Text basierend auf der griechischen Mythologie. So wird er auch vertont. Gewaltige Moll-Akkordschläge sind das Klaviervorspiel, zugleich über weite Teile des Liedes dessen Begleitung und die Singstimme/Melodie beginnt, rhythmisch stark akzentuiert (aus dem Vorspiel übernommen), sofort eine wiederholte Abwärtsbewegung, das Alles in vollem Fortissimo - "Der unglückselige Atlas trägt die ganze Welt der Schmerzen" - da geht die Singstimme dramatisch nach oben um bei tra-"gen" eine Oktave abzustürzen und die körperlichen Qualen werden mit dem höchsten Ton des Liedes auf "…Leibe…" hörbar. Im Mittelteil des Liedes wird, durch ein Staccato im Klavier und mit dem Tongeschlechtwechsel, die Selbstverursachung der Leiden, dem Text folgend, verspottet. Nach einer Wiederholung des Liedanfanges endet das Lied im Klavier mit einem Moll-Akkordschlag.


    Fazit: Der meisterhafte, nein geniale Umgang mit üblichen Stilmitteln, wer macht das Schubert in der Liedkomposition nach; dabei bleibt er so nahe am Verständnis der Hörer.



    Die Taubenpost (Schwanengesang): Sie ist das letzte Lied, das er komponierte. Könnte es sein, dass Schuberts tiefes Ur-Motiv "Sehnsucht nach..." sein Leben (wie sehr?) bestimmt hat? Die Sehnsucht gehört inzwischen zu seinem Leben und erst im fortgeschrittenen Alter (der Schock von Syphilis liegt hinter ihm) in einer fast abgeklärten Art ("...ich sende sie viel tausend mal auf Kundschaft täglich...") Resümee zieht, die Sehnsucht als Nichts mehr Negatives akzeptiert und dabei ein friedliches Bild von sich gibt. Mit einem im Charakter auf den 1. Anschein fröhlichen Wanderliedchen verabschiedet sich Schubert (der Wanderer "ohne festen eigenen Wohnsitz") als Liedkomponist. Die vielen Tonartwechsel und vermeintlichen Tongeschlechtwechsel (wenn kurz in den Durakkord der Molltonart gewechselt wird) geben dem Liedchen dann doch einen anderen Charakter - die nur noch angedeutete Wehmut in ein angenommenes Schicksal?


    Fazit: Nachdem ich zur Taubenpost schon sehr viele andere Meinungen im Forum gelesen habe, liege entweder ich mit meinem Musikverständnis des Liedes falsch oder Schubert war mit seinem letzten Lied nicht nahe am Verständnis der (meisten?) Hörer.



    Mein zusammenfassender Eindruck bislang: Schubert muss ein ganz ungewöhnlich einfühlsamer, emphatischer Mensch gewesen sein, dem es gegeben war, kleine Begebenheiten oder für den Betroffenen himmelhoch jauchzende oder katastrophale Schicksalswendungen - aber immer auf das Individuum bezogen - zu sehen, ja sich sogar als direkt Betroffener zu fühlen und diese "kleinen Welten" gleichsam als Beispiele für die individuellen Geschehnisse, aber auch großen Weltläufe, zu sehen.

    Und nun kommt eine von…(dem Schöpfer) geschenkte geradezu einmalige Musikalität und Genialität hinzu, die es ihm ermöglichen, dieses tiefe Mitfühlen, dieses unwahrscheinlich reiche Gefühlsleben in Musik zu verwandeln und zwar so, dass andere Menschen dies nachvollziehen können, ihm folgen können, wie weit, das bleibt für mich sein Geheimnis.


    Schon aus dieser "Gemengelage" ergibt sich für mich zwangsläufig, dass er weitest davon entfernt war, ein alltäglicher Mensch zu sein mit vergleichbaren, einigermaßen fassbaren Eigenschaften. Wenn nun noch dazu persönliche Lebensumstände (schulmeisterlicher? Vater - früh verstorbene Mutter, mit versuchtem Ausgleich zum Vater? - 2. Ehefrau des Vaters und bescheidener sozialer Familienaufstieg in Folge) und Schicksalsschläge (Krankheit) kommen, wie soll ein solcher Mensch rational erfasst werden können? - es sei denn versuchsweise emotional durch sein geschaffenes Werk.


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Es ist immer wieder die reine Freude für mich, wenn ich mich mit Schubert und seiner Musik befasse.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Denn es geht im Falle dieses Franz Schubert ja im Grunde im etwas ganz anderes. Er war der erste bedeutende Komponist, der ganz und gar von dem lebte, was er an seinen Kompositionen verdiente. Hierüber lohnt es sich nachzudenken. Nicht über die Frage, über wieviel Geld er verfügte!


    Schubert war ein Stierer, großer Komponierer,
    Er hat nie ein Geld gehabt, also ist er heute der Verlierer.


    (aus Georg Kreisler, Der Musikkritiker)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Den Sinn dieses Beitrags von MSchenk verstehe ich zwar nicht so ganz,
    aber die Feststellung von Georg Kreisler ist, wie die Schubert-Forschung inzwischen klargestellt hat, schlicht falsch. Der Sinn dieses Threads besteht ja unter anderem gerade darin, die alten Schubert-Klischees als solche offenzulegen. Und das von Georg Kreisler ist eines davon.


    Schubert hatte durchaus - zumindest in den zwanziger Jahren - durchaus "Geld". Er war ein durchaus "erfolgreicher" Komponist.
    Er ging nur nicht so sehr berechnend damit um. Und das macht ihn doch eigentlich sehr sympathisch.
    Oder nicht?

  • Hallo Helmut,


    Den Sinn dieses Beitrags von MSchenk verstehe ich zwar nicht so ganz,


    es war lediglich ein nicht ganz ernst gemeinter Einwurf; geschuldet der Tatsache, daß ich Kreislers Lied heute mittag zufällig im Radio (sic!) hörte und heute abend ebenso zufällig auf den zitierten Beitrag gestoßen bin. - Ansonsten schätze ich Franz Schubert als Komponisten außerordentlich und bewundere ebenso die Tiefe Deiner Kenntnisse zu diesem Thema. :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner