Sänger äussern sich zum Thema "Regietheater"

  • Arbeitet man noch sagt man zu allem ja und Amen was der Cef sagt, da man ansonsten Konsequenzen befürchten muss,

    ...daß grade junge Sänger froh sind, wenn sie im Ensemble sind und es dort schwierig wird, seine Meinung zu vertreten

    und das das auch die Intendanten und Regisseure genau wissen.

    Hierzu verweise ich erneut auf meinen Beitrag 5 in diesem Thread, wo ich vor einigen Jahren von einem interessanten Gespräch mit einer Sängerin berichtete.

    Ich habe nun aber doch mehrere Beispiele gebracht...

    ... und für all´Deine hochinteressanten, aussagekräftigen Beiträge, möchte ich mich bei Dir, lieber Joseph II., ausdrücklich bedanken.

    Da wurde das Wesentliche gesagt. Was den z. B. von Leonie Rysanek geschilderten Rigoletto betrifft (Btr. 400) - sehr höflich kommentiert -

    Man kann sich nur an den A... fassen, der Kopf ist zu schade dafür!!!




    Herzliche Grüße

    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Weiter geht's. Diese Website ist eine wahre Fundgrube.


    Die Sopranistin Cristina Deutekom 1986 auf die Frage, ob Opernregisseure heutzutage zu wichtig seien:


    "Meines Erachtens ja. Wenn man eine Oper im Opernhaus aufführt und es werden nur der Name des Dirigenten und des Regisseurs genannt, dann stimmt irgendetwas nicht. Man kann keine Oper machen ohne den Komponisten und die Sänger!"


    Die Sopranistin Helen Donath 1992 über beglückende Inszenierungen und weniger beglückende:


    "Man wird in Deutschland nicht immer mit solchen Inszenierungen belohnt. Sie machen viel experimentelles Theater, aber ich hatte das Glück, mit großartigen Regisseuren wie Zeffirelli, Rennert und Kupfer zusammenarbeiten zu können. Ich weiß nicht, was ich getan habe, damit ich das verdiene. Ich kann nur danke sagen."


    Die Sopranistin Renée Fleming 1993 auf die Frage, ob sie jemals in Inszenierungen mitwirkte, die zuweit gingen in ihren Modernisierungen:


    "Ja, und ich denke, es mittlerweile ermüdend. Es wird jetzt seit zwanzig oder dreißig Jahren so gehandhabt, und wenn Sie einmal über das Konzept dessen, was der Regisseur auf die Oper gesetzt hat, hinausgekommen sind, ist es nicht mehr furchtbar interessant. Aber manchmal funktioniert es wunderbar. Es klappt, wenn die Leute die Aktualisierung vergessen."


    Der Bariton Thomas Stewart 1981 über Experimente in der Opernregie:


    "Diese Art von Experimenten ist falsch, ja. Sie gehen zuweit insofern, als sie das Werk selbst vergessen lassen, das man hört und sieht. [...] Es ist ablenkend von der Essenz des ursprünglichen Kunstwerkes. Fein, wenn jemand einen neuen Ring komponieren will und ein komplett neues Kunstwerk kreiert, ist das wunderbar und schön. Das ist eine andere Sache, aber man soll kein Kunstwerk nehmen, damit spielen und es verfälschen und prostituieren, so dass man nicht einmal mehr das Werk selbst erkennt. Es ist, als würde man einen Rembrandt nehmen und versuchen, ihn soweit zu verbessern, dass man nicht einmal mehr merkt, dass es ein Rembrandt ist. Sie sagen: 'Oh, du bist altmodisch. Die Kunst muss sich vorwärts bewegen!' Schön und gut. Aber das soll nicht auf dem Rücken großer Kunstwerke ausgetragen werden, die uns vorausgegangen sind. Man soll seine eigenen erschaffen und nicht versuchen etwas zu verfälschen, das in früheren Jahren schön war, und versuchen zu behaupten, es sei die eigene Förderung der Kunst, mit der man arbeitet. Das ist es nicht. Es ist schlichtweg ein Zerreißen dessen."


    Der Bassbariton Siegmund Nimsgern 1982 auf die Frage, ob er es gutheiße, was moderne Opernregisseure veranstalten:


    "Nein, ich heiße es nicht gut, aber hier in den Vereinigten Staaten ist das Theater wirklich sehr altmodisch. Hier und in Italien scheinen sie gute Sänger, schöne Kostüme und nichts anderes zu bevorzugen. In Deutschland und Mitteleuropa ist es genau umgekehrt. Die Regisseure kommen aus den Theatern, kennen die Opern nicht und interessieren sich nicht für Musik und Sänger. Sie befassen sich nicht mit den Unterschieden zwischen Sängern und Schauspielern. Sie wissen nicht, dass das Singen aufgrund des Timings viel schwieriger und anspruchsvoller ist als das Sprechen. Sie können nicht improvisieren und trotzdem bei der Musik bleiben. Das dümmste Mitglied der Öffentlichkeit wird hören, dass etwas nicht stimmt."

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da lobe ich mir doch den »Radames« des Ungarn Péter Eötvös; der hat 1976 mit seinem «Radames» ein Stück komponiert, das zwar scheinbar als Komödie daherkommt, aber durchaus als scharfe Kritik am Theaterbetrieb und an der Gattung Oper gesehen werden kann. Die Handlung geht in etwa so:

    In einem klassischen Dreispartentheater probt man die Schlussszene aus Verdis «Aida». Da wegen Sparmaßnahmen fast das ganze Ensemble entlassen wurde, muss die Produktion mit einem einzigen Sänger auskommen. Ihm stehen freilich – man sehe und staune – gleich drei Regisseure gegenüber. Die Opernregisseurin, der Theaterregisseur und der Filmregisseur kämpfen schonungslos um die Vorherrschaft und hacken so lange auf dem Sänger herum, bis dieser schließlich stirbt ...


    in einem alten Programmheft des Prinzregententheaters von 2008 findet man zu dem Stück folgende Beschreibung:


    »Eine Opernprobe von Aida steht auf dem Plan. Das Theater muss sparen, wo es nur kann. Wegen der Kürzungen im Orchesteretat stehen nur noch drei Musiker zur Verfügung. Der Dirigent muss selbst vom Klavier aus dirigieren, das aus musikpragmatischen Gründen ein elektrisch betriebenes darstellt, damit er auf diese Weise wenigstens ab und zu ein paar Geigen in Verdis Musik mit einfließen lassen kann. Da er von seinem Gehalt nicht mehr leben kann, ist er gezwungen, in der Pause Kaffee und Kuchen anzubieten. Als Darsteller steht ein Countertenor zur Verfügung, da dieser sowohl die Aida in seiner Falsettlage, als auch den Radames in seiner normalen Lage singen kann.

    Damit das perfekte Kunstwerk entstehen kann, sind aber drei Regisseure engagiert. Neben dem Schauspielregisseur und dem Opernregisseur wurde zusätzlich ein Filmregisseur herbeigeholt, damit die Produktion der Oper sogleich durch den DVD-Verkauf finanziert werden kann. Zum gleichen Zeitpunkt arbeiten alle drei Regisseure mit dem einen und einzigen Darsteller. Synergieeffekte erzielen, heißt die Devise, auch in der Kunst!

    Geprobt wird ein dramaturgisch vollkommen willkürlich zusammengestelltes Wirrwarr verschiedenster Szenen- und Dialogversatzstücke. Der einzige Zusammenhang zwischen den jeweiligen Sequenzen ist das Leiden des Radames und seiner geliebten Aida. Wenn zum Schluss die Sterbeszene des Radames geprobt wird, bricht der Darsteller unter dem zu großen Druck der Regisseure selbst zusammen. Sein Tod wird zum künstlerischen Höhepunkt, jedoch stirbt mit ihm auch der gesamte Opernbetrieb.«

  • Da lobe ich mir doch den »Radames« des Ungarn Péter Eötvös; derhat 1976 mit seinem «Radames» ein Stück komponiert, das zwar scheinbar alsKomödie daherkommt, aber durchaus als scharfe Kritik am Theaterbetrieb und ander Gattung Oper gesehen werden kann.

    Gut, dass Du dieses Stück ins Spiel bringst, lieber hart.


    Im Netz gibt es diese kurze Doku über eine neuerliche Aufführung in Biel, sinnvoll gekoppelt mit einer "Lohengrin"- Deutung von Salvatore Sciarrino. Ich fürchte allerdings, dass diese Art, mit dem Thema umzugehen, hier auf wenig Gegenliebe treffen wird.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hanna Schwarz in einem Interview für das Opernwelt Jahrbuch 2018: "Es war Regietheater allerster Güte [Gemeint ist die Uraufführung von Alban Bergs Lulu in der von Cerha vervollständigten Fassung (Paris 1979); Regie Patrice Chéreau]. Und offen gesagt singe ich sowieso nur noch, weil es dieses vieldiskutierte "Regietheater" gibt. Wenn eine Inszenierung nur noch eine Ansammlung von Gags ist, ohne jede ästhetisch-politische Haltung, dann interessiert mich das nicht. Momentan gibt es da wieder einen Trend hin zur Dekorationsoper, und das ist definitiv nicht mein Fall. Das Interessante daran: Meistens fragen mich Regisseure, die für diese Art der "Interpretation" stehen, auch gar nicht an."

  • Genau das ist es doch, was ich immer gesagt habe.


    Lieber Hart

    Danke. Das was du geschildert hast und auch die Dokumentation, die Rheingold hier eingestellt hat, kann man durchaus als Kunst betrachten, denn alles ist ist eine eigene Schöpfung. Ob man sie mag oder nicht ist dabei keine Frage, denn Kunst muss sich nicht nach dem Geschmack bestimmter Gruppen richten. Sie wird hier auch nicht unter dem Namen "Aida von Verdi" bzw. Lohengrin von Wagner" vertrieben.

    Als Kunst kann ich aber - wie schon mehrfach gesagt - keineswegs die Überschmierung fremder Kunstwerke betrachten. Und dieser Meinung sind wohl - von einigen Ausnahmen abgesehen - die meisten Leute.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Momentan gibt es da wieder einen Trend hin zur Dekorationsoper

    Lieber MSchenk,

    in der Opernwelt steht so manches ...

    Doris Dörries »Rigoletto« hatte 2005 die Handlung auf den Planeten der Affen verlegt, eine Aufführung, die in einer Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt zum »Ärgernis der Saison« gewählt wurde. Das Premierenpublikum buhte ...


    Dann gab es 2012 einen neuen »Rigoletto« am gleichen Ort. Gilda erschien im weißen Brautkleid, setzte sich in einen Rollstuhl, damit ihr der böse Sparafucile die Kehle durchschneiden konnte, derweil Maddalena einen Eimer mit Farbe über ihr Gewand kippt. Ein Regieteam aus Ungarn hatte eine weitere Heldentat vollbracht. Das Publikum buhte ... - dass hier der Trend zur Dekorationsoper ging, war nicht zu erkennen ....

  • Sie hat durchaus damit zu tun, da die "political Corretness geradezu ein diktatorische Regelwerk verbotener oder zu ächtender Worte erstellt hat uns -ohne tatsächlich das Recht besitzt Zuwiderhandelnde zu disziplinieren, in Maßlober Selbstüberschätzung verlangt jedermann möge sich diesen Regeln beugen

    Genau deshalb erlaubst Du es Dir auch, jenseits von political correctness die Sprache von Hans Severus Ziegler zu sprechen, weil Du gerne RT wie einst als "entartete Kunst" brandmarken willst:

    Das würde Euch so Passen


    "Es gibt eben Krankheiten wie Krebs, Aids und Pest etc - die gelten als kaum heilbar - und das werden wir akzeptieren"

    Nein das werden wir nicht. Es mag lange dauern - aber wir werden sie ausroptten -Diese Krankheiten und das Regietheater im öffentlichen subventionierten Bereich.

    Wenn Du konsequent bist und political correctness ablehnst, wie das ja heute von Rechts Mode ist, dann musst Du auch akzeptieren, dass Fundamentalisten Frauen, die kein Kopftuch tragen und am Strand im Bikini herumlaufen, als "Huren" bezeichnen oder Flüchtlinge als Schmarotzer hingestellt werden, nur weil sie Krieg, Chaos und Hoffnungslosigkeit entfliehen wollen und nach einem besseren Leben suchen. Gleiches Recht für Alle!

    DAs kling wie Hohn. Zum einen gibt es zahlreiche Leute - auch im mittleren Alter - die das Internet meiden weil sie mit dem "kriminellen Gesindel" das sich dort eingenistet har nichts zu schaffen haben wollen (und wenn ich die zahlreichen Hoax- Viren- Phishing etc Betrohungen sehe, dann fällt es schwer zu widersprechen)


    Zum anderen: Kritiken kann man heute mit sicherheit nur ausweichen, sie sind - von Ausnahmen abgesehen - der verlängerte Arm der Regietheaterpropaganda.

    Das fällt auf Dich zurück! Die Behauptung, Kritiker seien der verlängerte Arm einer "Regietheaterpropaganda" ist selber nur reine Propaganda, nämlich Propaganda gegen RT, der nichts in der Realität entspricht. RT wird in der Realität genauso kritisch beurteilt wie jedes andere Theater.

    Ein humoriges Statement. Sei aber froh lieber Holger, daß wir Dich kennen und somit auch deine Intelligenz

    Denn jemand der sich be "traditionellen Inszenierungen" langweilt, den würde ich mit einem Attribut belgen, das auf dich glücklicherweise so gar nicht passt... ^^

    :) Ein ebenfalls humoriger Vorschlag wäre, Karten für langweilige traditionelle Inszenierungen nur unter der Bedingung zu verkaufen, dass sich die Käufer verpflichten bei Strafezahlung, sich nicht zu langweilen! ^^^^^^ Dann wirst Du aber sehen, wie schnell die Opernhäuser leer werden und gerufen wird: Es lebe RT - denn das garantiert volle Häuser! :thumbup:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ein ebenfalls humoriger Vorschlag wäre, Karten für langweilige traditionelle Inszenierungen nur unter der Bedingung zu verkaufen, dass sich die Käufer verpflichten bei Strafezahlung, sich nicht zu langweilen! ^^^^^^ Dann wirst Du aber sehen, wie schnell die Opernhäuser leer werden und gerufen wird: Es lebe RT - denn das garantiert volle Häuser! :thumbup:

    Jetzt muß ich aber lachen, lauthals und herzlich. Und den machen::thumbdown::thumbdown::thumbdown:


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Bevor das hier eskaliert, zitiere ich eine weitere Sängerin:


    Die Sopranistin Helga Dernesch 1982 auf die Frage, ob sich Opernregisseure und Bühnenbildner zu weit von der Intention der Komponisten entfernen:


    "Ja, da haben Sie Recht, aber ich denke, wir müssen experimentieren – bis zu einem gewissen Limit. Aber ich mag das. Ich bevorzuge es gegenüber gewöhnlichen Produktionen."


    Auch um den Vorwurf vorzubeugen, ich brächte hier nur Verächter des modernen Regietheaters. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões