Marietta Alboni - *6. März 1826 Cittá die Castello - † 23. Juni 1894 Ville d´Avray
Marietta Alboni kann als eine der größten Opernsängerinnen der Geschichte bezeichnet werden; zusammen mit Rosmunda Pisaroni, deren Organ sich auch zu einer Altstimme entwickelt hatte, waren sie die herausragenden Rossini-Sängerinnen ihrer Zeit in diesem Stimmfach.
Im dritten Grab von links hat Marietta Alboni ihre letzte Ruhe gefunden - heute ist ihr Geburtstag
Eine Grabstätte mit sehr umfangreichem Text
Der Geburtsort von Marietta Alboni, die eigentlich als Maria Anna Marzia Alboni geboren wurde, liegt im nördlichen Zipfel der italienischen Region Umbrien, also nahe der Toscana. Der Vater, Leutnant Eustachio Alboni, war beim päpstlichen Zoll beschäftigt und kam also beruflich in diese Gegend, er wurde nach Cesena versetzt.
Marietta war das jüngste von sieben Kindern. In Überlieferungen wird dargestellt, dass das erste tiefgreifende musikalische Erlebnis Mariettas 1829 ein Theaterbesuch mit den Eltern gewesen sei, wo eine Oper Rossinis aufgeführt wurde. offenbar hatte man die Besonderheit ihrer Stimme schon recht früh erkannt, so dass sie sich vor Gästen produzierte und schon die Neunjährige soll in der Basilika Madonna del Monte aufgetreten sein. 1839 wurde für Marietta ein Konzert organisiert, dessen Erlös es ermöglichte ein Studium am Liceo Musicale in Bologna zu beginnen, wo sie von Alessandro Mombelli ausgebildet wurde. Auch Rossini hatte an dieser Altstimme Gefallen gefunden und Marietta früh unterstützt; er war der Sängerin lebenslang verbunden und studierte mit ihr Rollen in seinen Opern ein.
Am 3. Oktober 1842 debütierte Marietta Alboni am Teatro Comunale in Bologna als Climene in Giovanni Pacinis populärster Oper »Saffo«. Noch im gleichen Jahr konnte man sie an der Mailänder Scala als Neocle in Rossinis »L´Assedio di Corinto« hören und 1843 übernahm sie an der Scala die Titelrolle in »Lucrezia Borgia« von Donizetti. Sie wirkte auch in Uraufführungen von Opern mit, welche heute keine große Bedeutung mehr haben. Zwischendurch war sie auch wieder in Bologna und Brescia erfolgreich, kehrte aber wieder an die Scala zurück.
Nun folgten Auftritte in Wien, wo sie 1844 bis 1845 an der italienischen Oper engagiert war, und sie bereiste auch deutsche Städte und gab Konzerte in Dresden, Leipzig und Hamburg, aber auch im fernen St. Petersburg machte sie ihre Aufwartungen. 1847 ließ sie sich in der Erfolgsoper »Saffo« in Rom feiern.
Dann ging es nach Paris, dem damaligen Dreh- und Angelpunkt des musikalischen Geschehens, das wiederum von Giacomo Rossini in weiten Teilen beherrscht wurde. Dort war ihr erster Auftritt am Théâtre Italien, wo sie die Titelrolle in »La Cenerentola«, die Rosina im »Barbier von Sevilla« und den Malcolm in »La Donna del Lago« von Rossini vortrug. Als sie ein Konzert an der Grand Opéra in Paris gab, war ihr Auftritt so erfolgreich, dass dieses Konzert drei Mal wiederholt werden musste. Wenn man dieses Jahr 1847 überblickt, gewinnt man den Eindruck, dass es das erfolgreichste in ihrer Karriere war, denn da startete sie auch als erste Altistin an die Covent Garden Oper London. Dort hatte Benedict Albano das Royal Italian Opera House in Rekordzeit neu gestaltet, das am 6. April 1847 eröffnet wurde. Marietta Alboni trat in der Eröffnungsvorstellung mit der Rossini-Oper »Semiramide« als Arsace, einem General der babylonischen Armee auf, dann sang sie die englische Premiere von Donizettis »Maria di Rohan« mit überwältigendem Erfolg. Dieser Erfolg war nicht nur künstlerisch, sondern auch monetär, denn die Operndirektion erhöhten die Bezüge des neuen Stars sogleich von 500 auf 2000 Pfund pro Saison. Die um sechs Jahre ältere Jenny Lind feierte in dieser Zeit ihre Triumphe an Her Majesty´s Theatre und galt als Maß der Dinge. In der Wiener allgemeinen Musik-Zeitung ist 1847 etwas zu lesen, das die damalige Konkurrenzsituation etwas beleuchtet:
»Im Koventgarden-Theater ist indeß die divina Marietta Alboni Gegenstand allgemeiner Bewunderung. Die Alboni ist ein unvergleichlicher Kontrealt, ein wunderbares Talent, wie die Lind Schooßkind des Londoner Publikums und (sagen wir es nur frei) als Sängerin über die Lind zu erheben. Mit jedem Tag wächst sie in der Gunst des Publikums, und es könnte sich sehr leicht ereignen, daß am Schlusse des Feldzuges sich der Krieg zu Gunsten des Koventgarden-Theaters entscheidet«.
Nicht nur Gioachino Rossini bemühte sich um die aufstrebende Künstlerin; Monsieur Meyerbeer war sehr daran interessiert, diese Künstlerin in einem seiner wichtigen Werke auftreten zu lassen, also erweiterte er die Rolle des Pagen und schrieb - zwölf Jahre nach der Uraufführung seiner Oper »Les Huguenots« - für den Londoner Auftritt der Contraltistin Alboni, das virtuoses Rondo: »Non, non, non, non, non, non, vous n´avez jamais, je gage«. Das war Marietta Alboni auf den Leib geschrieben, man darf vermuten, dass ihr das niemand nachmachen konnte.
Als im gleichen Jahr an der Covent Garden Oper die Premiere von Verdis »Ernani« zu singen war - das Werk war bereits 1845 am Her Majesty´s Theatre aufgeführt worden - sang die Alboni in dem Stück die Baritonpartie des Carlos in einer eigens für sie angefertigten Transposition, nachdem die Herren Ronconi und Tamburini diese Partie zurückgewiesen hatten. Verdi selbst hatte, wie es in der Literatur heißt, »eine heftige Abneigung gegen Frauen in Männerrollen«. Mit Unterbrechungen trat die gefeierte Primadonna bis 1858 immer mal wieder in London auf, wobei sich seit 1849 ihre Auftritte mehr in Her Majesty´s Theatre verlegten. In den Jahren 1849 und 1850 gastierte sie aber auch in Brüssel, Genf, Bordeaux, Marseille, Lyon ...
Auch in der Grand Opera Paris war sie wieder als Fides in »Le Prophéte« von Meyerbeer und als Leonore in Donizettis »La Favorite« erfolgreich. In Aubers heute kaum noch bekannter Oper »Zerline« gestaltete sie - an der Akademie der Musik - die Titelrolle bei der Uraufführung am 16. Mai 1851; die Rolle der Zerline wurde speziell für die Sängerin Alboni entwickelt. Danach schloss sich eine Spanien-Tournee an, welche die Sängerin dann auch noch für einen Abstecher nach Lissabon nutzte.
Und Marietta Alboni zog noch weitere Kreise; 1852 begab sie sich mit dem umtriebigen musikalischen Tausendsassa Luigi Arditi, der die halbe Welt kannte, auf eine Tournee nach Amerika. Bezüglich dieser Reise gibt es eine Passagierliste, in der 135 Personen erfasst sind, darunter auch »Marietta Alboni 30 Female Artiste Italy« und »Archille Pepoli 30 Male Gentleman Italy«, wobei die »30« das Lebensalter bezeichnen soll. Nach einem Vorspann zu dieser Passagierliste müsste auch Luici Arditi an Bord gewesen sein, den man allerdings in dieser Passagierliste vergeblich sucht - der Originaltext liest sich so:
»Fonti sicure documentate collocano Marietta Alboni in compagnia del marito, Archille Pepoli, di un impresario teatrale, Luigi Arditi e di alcuni artisti die teatro sul battello SS Hermann, partito dal porto Brema II 16 maggio 1852 e giunto nel porto di New York II 6 giugno 1852. Ne testimoniano le note del capitano del batello e la lista del passeggieri qui riportate.«
Die meisten Publikationen überliefern die Eheschließung mit dem Grafen erst nach der Rückkehr aus Amerika - von beiden Schiffen, mit denen die Alboni zu tun hatte, existieren übrigens Fotos, also sowohl von diesem amerikanischen Schiff »Hermann« als auch vom Clipper »Alboni«.
Über ihre Aktivitäten als Opern- und Konzertsängerin in Amerika sind nur wenige Details bekannt, zum Beispiel dass sie zusammen mit der französischen Geigenvirtuosin Camilla Urso - einem Wunderkind - auftrat. Aber Walt Whitman, der Opernfan und Autor von »Leaves of Gras«, soll am 23. Juni 1852 bei der amerikanischen Premiere von Marietta Alboni im Metropoletan Theatre in New York anwesend gewesen sein und der Sängerin auch ein Gedicht gewidmet haben, in welchem er die Primadonna »einen leuchtenden Stern« nannte.
Im Verlauf dieser Reise wurde auch ein Segelschiff auf den Namen »Alboni«-Clipper getauft und eine Zigarrensorte in Kuba wurde nach ihr benannt. Auch das weltbekannte Lied »La Paloma« soll erstmals von Marietta Alboni während ihrer Amerika-Tournee gesungen worden sein, man kann allerdings nur darauf hinweisen, aber nicht garantieren, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat. 1852 war die Sängerin so populär, dass sogar eine neue Rosenzüchtung nach ihr benannt wurde - »Rosa Gloire de Mousseux Madame Alboni«.
Nach ihrer Rückkehr aus Übersee heiratete sie 1853 den Grafen Achille Pepoli, behielt jedoch ihren bekannten Mädchen- und Bühnennamen bei. Der Ehe war kein Glück beschieden; wie es heißt, machten sich bei dem Gatten schon bald ein geistiges Ungleichgewicht und Größenwahn bemerkbar; Graf Pepoli starb im Herbst 1867 in einem Pflegeheim.
Etwa ein Jahr später, am 13. November 1868, starb Gioachino Rossini, dem Marietta so viel zu verdanken hatte. Marietta Alboni war damals 42 Jahre alt und sang zusammen mit der um 17 Jahre jüngeren Adelina Patti bei der Trauerfeier, die wegen der großen Anteilnahme der Pariser von der ursprünglich vorgesehenen Kirche La Madeleine in die größere Eglise de la Trinite verlegt werden musste. Dort sangen die beiden großen Stimmen das »Quis est Homo« aus des Meisters »Stabat Mater«.
Der Begriff »große Stimme« lässt sich insofern konkretisieren, dass Marietta Albonis Stimme zweieinhalb Oktaven umfasste. Da es aus dieser Zeit keine Tondokumente gibt, ist man auf die Beschreibung von Zeitzeugen angewiesen. Auch aus der Übersetzung eines Pariser Kritikers lässt sich zumindest herauslesen, dass es sich um eine ganz außergewöhnliche Stimme gehandelt haben muss und der Verlauf ihrer Karriere ist ja auch ein Beweis der Sonderstellung von Marietta Alboni - aber lassen wir mal den Kritiker zu Wort kommen:
»Ein wahres Alt, das süßeste und klangvollste. Es geht bis F im Bassschlüssel und bis C im Alt der Sopranistin, das heißt, es durchquert einen Kompass von zweieinhalb Oktaven. Das erste Register beginnt mit dem F im Bass und reicht bis zur gleichen Note im Medium. Hier liegt der wahre Körper von Albonis Stimme, und das bewundernswerte Timbre dieses Registers färbt und charakterisiert den Rest. Das zweite Register erstreckt sich vom G des Mediums bis zum F oben, und der verbleibende Kompass eines vierten darüber, der den dritten Teil bildet, ist nur eine elegante Sumptuoisität der Natur. Man muss hören, um sich vorzustellen, mit welcher unglaublichen Fähigkeit die Künstlerin dieses Instrument verwendet! Es ist die perlmuttartige, leichte und fließende Vokalisierung von Persiani, verbunden mit der Brillanz und dem Pomp des Stils von Pisaroni. Nichts kann eine Vorstellung von dieser Stimme geben, die immer vereint, immer gleich ist, die ohne Anstrengung vibriert und von welcher jede Note offen ist wie eine Rosenknospe«.
Nach ihrer Eheschließung und der Krankheit sowie dem Tod ihres Gatten wollte sich die Sängerin von der Bühne zurückziehen, sah sich aber nach dem Tod Rossinis verpflichtet seinen hinterlassenen Werken weiter zu dienen. Da war ja noch Rossinis bedeutendes Alterswerk »Petite Messe Solennelle«, das er noch 71-jährig geschrieben hatte und so klein wie es der Name suggeriert, eigentlich nicht ist und wo sich spiritueller Ernst mit Elementen aus der Opernwelt begegnen; es ist eine Preziose. Die Entstehungsgeschichte liegt im eher privaten Bereich, wo bei der Uraufführung Größen der Musikgeschichte zugegen waren; erst einen Tag später wurde das Werk öffentlich im Théâtre-Italien aufgeführt, zu den Solisten gehörten damals die Schwestern Carlotta und Barbara Marchisio. Da dieses Werk nur mit einem Dutzend Singstimmen sowie Klavier- und Harmonium-Begleitung aufgeführt wurde, bedrängte man Rossini, dass er eine Orchesterfassung schaffen solle, welche dann auch in großen Sakralbauten entsprechende Wirkung entfalten könnte. Vier Jahre später orchestrierte er sein Spätwerk, Antrieb war ihm der Gedanke, dass das andere nach seinem Ableben tun könnten - dabei dachte er insbesondere an Sax und Berlioz - und dem wollte er einen Riegel vorschieben. Aber er verband das Ganze mit der Auflage, dass dieses Werk in der Orchester- Form erst nach seinem Tod aufgeführt werden darf.
Und nun kommt der Einsatz von Marietta Alboni; am 24. Februar 1869, also ganz nahe an Rossinis 77. Geburtstag (*29.), wurde die Orchester-Version im Salle Ventadour in Paris mit den Solisten des Théâtre-Italien aufgeführt; an der Seite von Alboni sangen: Gabrielle Krauss, Ernest Nicolas und Luigi Agnesi. Mit dieser Orchesterfassung begab sich dann Marietta Alboni nochmals auf eine Tournee durch Europa, auch aus der Motivation heraus, das Andenken an ihren väterlichen Freund zu pflegen.
Ihr letzter Bühnenauftritt am Théâtre-Italien soll 1872 im Rahmen einer Wohltätigkeits-Veranstaltung gewesen sein; 1877 ging sie eine zweite Ehe mit dem Offizier Charles Dénis Ziéger ein. Dieser Herr Zieger begegnet einem in der Literatur mitunter auch unter dem Namen »Ziegler« und hat wahlweise mal eine französische, mal eine italienische Nationalität ... als Grabbesucher ist man hier überfordert, die reine Wahrheit herauszuarbeiten.
Auf die voluminöse Stimme von Marietta Alboni wurde schon ausführlich Bezug genommen, leider muss man feststellen, dass auch ihr Körperumfang voluminös war, was zahlreiche Fotografien belegen; manche Lexikonbeiträge sprechen ganz uncharmant von »Fettleibigkeit«, die bewirkt haben soll, dass die Sängerin in ihren späten Jahren auch auf einem Stuhl sitzend Konzerte gab.
Auch wenn keine Tondokumente vorhanden sind, kann man aufgrund der Faktenlage feststellen, dass Marietta Alboni mit zu den größten Persönlichkeiten der Vokalmusik gehört. Sie starb 1894 im Alter von achtundsechzig Jahren in Ville-d´Avray bei Paris in ihrer »Villa La Cenerentola« und hinterließ den Armen von Paris einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens. Wenn keine Tonträger vorhanden sind, verblasst der Ruhm reproduzierender Künstler in der Regel recht schnell. Aber in Albonis ursprünglicher Heimat haben sich Menschen an sie erinnert und ihr Andenken wird gepflegt. So gibt es in Cesena einen kleinen Platz der nach ihr benannt ist und man hat auch die nach ihr benannte Rosenzüchtung dort angepflanzt. Schon einige Male wurde hier auch ein Marietta Alboni-Preis an Sängerinnen übergeben. In Paris, ganz nahe am Eiffelturm, jedoch auf der anderen Seite der Seine, gibt es eine nach der Sängerin benannte Straße, die Rue de l´Alboni.
Praktischer Hinweis:
Das Grab von Marietta Alboni befindet sich auf dem Pariser Friedhof Cimetière du Père-Lachaise / Division 66. Man geht vom Haupteingang aus gleich links an der Toilettenanlage vorbei auf die Avenue du Boulevard, ein Weg, der direkt an der Friedhofsmauer entlang führt und biegt zwischen den Gräberfeldern 61und 62 rechts ab auf den mit chemin Gosselin bezeichneten Weg. Das sind vom Hauptausgang aus etwa 350 Meter. Noch einfacher gestaltet sich der Weg, wenn man den kleinen Seiteneingang (links vom Haupteingang) am Place Auguste Métivier benutzen kann, von dort aus sind es nur etwa 200 Meter bis zum Grab von Marietta Alboni.