Gombert (ca. 1495-1560) - franko-flämischer Komponist

  • Hallo,


    für die nun nur kurz angedeuteten Stücke aus der im Beitrag Nr. 8 vorgestellten CD habe ich weder Noten noch Text; es geht also nur nach dem Gehör:


    Tulerunt Dominum meum: Eine für mich sehr abwechslungsreiche Harmonik - ob die nur mit Kirchentonarten zu schaffen ist?
    Das fällt noch auf: Alle Stimmen, insbesondere die 1. Stimme/Sopran, haben sehr große Tonsprünge – der Sopran hat mehrmals für mehrere Takte eine Stimmführung wie eine Passacaglia (es ist keine, die kam erst später auf); hier ist das Ostinato eben nicht in der Unterstimme sondern im Sopran – gegen Ende des Satzes wird auf das „Halleluja“ ein homophoner Chorklang, keine Polyphonie für fast ½ min; das habe ich so bei G. noch nicht gehört.
    https://www.youtube.com/watch?v=n1uTzJuCAXQ


    Credo in unum Deum: Die Melodie der Antiphon wird im Satz nicht übernommen. Große Dynamikunterschiede, dem Text angepasst (z. B. „et incarnatus est“ in p), das betrifft auch das Tempo – adagio bis zu allegro (auch diese Bezeichnungen gab es nicht, ich verwende sie nur zum Tempoverständnis). „Et in spiritum sactum“ ist anfangs auch fast homophon (musikalische Textverdeutlichung?). Solch kurze homophone „Ausflüge“ wiederholen sich. Ein Schlussakkord in reinem Dur - mit „allen Terzen!“ (Das könnte für mich teilweise auch Gabrieli oder Palestrina sein.)


    Media vita in morte sumus: In sehr tiefer Stimmlage beginnend, dem Text entsprechend (wie A-, T- und B-Gamben) und nur „adagio“ – besser sehr getragen; keine „homophonen Ausflüge“ – mit wenigen, aber dann umso deutlicher krassen Disharmonien.
    https://www.youtube.com/watch?v=QZxRsFQm0qI
    Gesungen von der Oxford Camerata - wie auf der CD


    Salve Regina (plainchant mode 1): Einstimmiger (gregorianischer?) Frauenchor in dorisch (?).


    Epitaphium (in Josquinum a Prato): =Josquin Desprez, dessen Schüler er war. Ich diesem Zusammenhang verweise ich auf wikipedia und auf das sehr umfangreiche Werk Gomberts, das vermutlich überwiegend in seinem (z. T. einsamen?) 2. Lebensabschnitt entstanden ist.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    O gloriosa Dei genitrix, die Nr. 4 auf der CD.
    (Leider Fehlanzeige auf YouTube)


    Alle Stimmen der Motette stehen in dorisch; G. „spielt“ hier mit dorisch und dorisch auf g, jedoch nicht wie bei „Salve Regina (diversi diversa orant)“ - eine Stimme ist in dorisch notiert, die restlichen drei in dorisch auf g –sondern hier:
    Im Alt werden 5 h zu b erniedrigt, im Tenor 1 sind es 3 h zu b, im Tenor 2 sind es 4 h zu b (davon 2 in den letzten 3 Takten zur Modulation in den Schlussakkord D-Dur, dazu muss Tenor 2 wieder fis statt f singen) und im Bass sind es 8 h zu b. Dabei kommt es nur 1 Mal zu einer Dissonanz (im 3. Takt) zwischen dem b im Alt und dem h im Tenor 1. In allen anderen Fällen wird der Kirchentonartwechsel nicht zur Erzeugung von Dissonanzen verwendet (wie beim „Salve Regina…“), sondern alle Stimmen erklingen in diesen 17 Akkorden (5-1+3 +4-2 + 8) in dorisch auf g.


    Für mich hat diese Motette einen warmen, beruhigenden Klang und die polyphone Struktur, die ich manches Mal als anregend empfinde, harmoniert sehr gut mit diese Ruhe, was auch an dem „andante“ liegen mag. Ich nehme aber an, ohne meinen Höreindruck „beweisen“ zu können, dass dies auch der Wechsel zwischen dorisch und dorisch auf g bewirkt.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    Aspice Domine (4-stimmig A, T1, T2, B) ist die Nr. 12 auf der im Beitrag Nr. 32 vorgestellten CD – leider auch Fehlanzeige bei YouTube.


    Die Motette steht in dorisch auf g. Nachdem aber Gombert Modulationen (+Dissonanzen) „nicht ganz abgeneigt ist“ und er nicht zwischen dorisch und dorisch auf g wechselt, wie in der Motette in Beitrag Nr. 32 – was macht er hier?


    57 mal Wechsel von e nach es
    3 mal Wechsel von c nach cis
    3 mal Wechsel von f nach fis
    1 mal Wechsel von b zu h (was aber nur für den Schlussakkord in G-Dur dorisch gebraucht wird)


    Für alle Beispiele gilt Stimmreihenfolge A, T1, T2, B innerhalb der Akkordfolge:


    Beispiel von e nach es:
    1:17 bis 1:20 /letztes Viertel Takt 31 – 32/
    d-b-d-g, es-b-c-c, es-a-.c, d-g-d-b


    Beispiel von c nach cis:
    3:37 bis 3:39 /Teil von 92 - Teil von93/
    d-a-e-a, cis-a-e-a, d-b-d-d


    Beispiel von c nach cis und f nach fis
    4:10 bis 4:16 /Teil von 105 – 107/
    d-a-e-a, cis-a-e-a, d-fis-d-d

    Beispiel von e nach es:
    7:31 bis 7:40 /letzte 2 Viertel Takt 189 – 191/
    d-d-g-b(dorisch auf g), es-c-g-c(g-Moll anstatt C-Dur in dorisch auf g), c-es-g-c(g-Moll…),
    d-d-g-b(dorisch auf g), es c-g-c(g-Moll…), d-h-g-g(Schlussakkord G-Dur in dorisch)



    „Capella Alamire“ wurde von Peter Urquhart 1984 in Cambridge mit dortigen Studenten gegründet – er und sein Chor gelten als Experten für deutsch-franko-flämische Chormusik (darüber schrieb er seine Dissertation); die Intonation und die Stimm-,Klangbalance sind makellos, was ich auch für die Interpretation unterstelle, ohne dies beurteilen zu können.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hier noch Ergänzungen zum voranstehende Beitrag von zweiterbass über die Motette "Aspice Domine". Sie schliesst sich ja in gewisser Weise an zweiterbassens Magnificatbeiträge an, ist doch der Text eine Kompilation aus zwei verschiedenen Magnificat-Antiphonen. Dadurch war dieses Werk zwar nicht unmittelbar liturgisch einsetzbar, fügt sich aber in die Mode der zweiteiligen Motette, deren Texabschnitte trotz unterschiedlicher Herkunft eine gewisse dramaturgisch-narrative Einheit bilden. Der erste Abschnitt stammt aus den Lamentationen Jermias und beklagt die "desolata civitas" Jerusalem, während im zweiten, Zacharias entnommenen, um Schutz gebetet wird. Die unterschiedliche Stimmung spiegelt sich auch musikalisch wieder, gleichwohl verbindet ein gewisser ernster, "lamentationshafter" Ton das gesamte Werk.


    Da Gomberts Imitationsabschnitte weitgehend mit den einzelnen Textphrasen übereinstimmen, erscheint es sinnvoll, dem Werk nach diesen Abschnitten zu folgen. Dabei werden die Stimmeinsätze gelistet. Ich übernehme hier die von zweiterbass genannte Stimmaufteilung "Alt, Tenor 1, Tenor 2, Bass", möglich wäre auch die "objektivere" Einteilung nach zeitgenössischem Verständnis: superius, altus, tenor, bassus.


    [Erster Abschnitt]


    "Aspice Domini"
    Takt 1
    A--- a'
    T1-- d'd'
    T2-- a
    B--- d
    Hier tritt bereits ein "Leitintervall" auf, ein fallender Halbtonschritt
    (v.a. B-A oder Es-D) dessen obere Note mehrfach betont wird. Es dominiert etliche
    Imitationsabschnitte und ist besonders im superius (bei Alamire der Alt) präsent.
    Sicherlich ist hier eine Chiffre für "Leid" zu erkennen. Zudem werden auch melodische Phrasen,
    die bereits im ersten Abschnitt auftauchen, in späteren Abschnitten variiert, dazu gehört bereits das
    "Eröffnungsmotiv".


    "qui facta est"
    Takt 5
    A --- d'd'd'
    T1-- g a
    T2 -- d d a
    B --- d d
    Hier ist ein weiteres charakteristisches Intervall präsent, welches bereits im ersten Imitationsabschnitt
    aufscheint, eine steigende Quart. Ein ausgefeilter bassbezogener Vorhalt in Takt 15.


    "desolata civitas"
    Takt 21
    A --- a'g'd'
    T1 -- d'd'a
    T2 -- a g d
    B --- d A
    Melodisch recht eng am ersten Abschnitt orientiert, doch mehr Stimmeinsätze und eine auffallende rhytmische
    Verdichtung in T 30-32.


    "plena divitiis"
    Takt 35
    A --- a'd''
    T1 -- d'd'
    T2 -- a d'
    B --- a d d
    Harmonisch abenteuerlich. Durch mehrere Doppelvorhalte erfolgt eine Massierung von Dissonanzen in Takt 38-41.
    Besonders originelle Form nimmt die "Dissonanzbildung" in den Takten 39 und 41 an.
    Hier auch eine grosse Spannweite der Tonhöhe zwischen Alt und Bass.


    "sedet in tristitia"
    Takt 43
    A --- g'g'
    T1 -- g g g
    T2 -- g g
    B --- g g g
    Offenkundig eine gewisse Monotonie bei "tristitia". Der Bass
    hat hier mehrere "nota cambiata". Letztmalig erscheint die im zweiten Abschnitt erwähnte steigende Quart,
    im zweiten Teil der Motette wird dieses Motiv nicht mehr verwendet.
    Gemäss der Kadenz könnte man von deinem modalen Wandel Richtung B-Ionisch sprechen,


    "domina gentium"
    Takt 58
    A --- b'g'f'd''
    T1 -- es'd'c'a g f
    T2 -- b g d'd' a d'
    B --- d d d
    Deutliche Asymetrie. Viele kurze Noten, entsprechend wenig Melismen. Etliche kontrapunktische Kabinettstücke
    bei der Behandlung besagter kurzen Noten. Bemerkenswert die "Abwärtsspirale" von T1. Sonst nur in der englischen
    Tudormusik üblich ist das fallende Intervall über einer Echapee, hier werden die üblichen
    kontinentalen Konsonanzvorschriften verletzt.


    "non est qui consoletur eam"
    Takt 77
    A --- d''a'
    T1 -- d' es'
    T2 -- a' d'
    B --- es g
    Anders als diese Listung zunächst suggerieren mag, zeigt dieser Abschnitt starke rhytmische
    und melodische Diskrepanzen zwischen den Stimmen. Dies erzeugt eine gewisse
    Orientierungslosigkeit, unterstrichen vom ungewöhnlichen Einstieg des Basses in es.
    Während dieser in der Tiefe grummelt, singt der superius/Alt ein hohes D.
    Takt 79-87 sind besonders reich an Dissonanzen, bemerkenswert insbesondere T. 84.


    "nisi tu Deus noster"
    Takt 94
    A --- e'a'a'
    T1 -- a d'
    T2 -- e a a d'a e
    B --- A d a d A
    Zum Abschluss dieses Mottenabschnitts taucht das am Anfang erwähnte Eingangsmotiv
    in exakter Umkehrung wieder auf. Rhytmisch und "agogisch" abwechslungsreich.



    [Zweiter Abschnitt]


    "Muro tuo inexpugnabili"
    Takt 108
    A --- a'
    T1 -- d' a
    T2 -- a
    B --- d
    Erstmaliges Auftreten eines neuen "Leitintervalls", ein
    abwärtsgerichteter Quintsprung. Mit Beginn dieses hoffnungsvolleren Abschnitts
    erweitert sich auch die melodische Spannbreite - zuvor hatten die Phrasen oft nur
    einen geringen Ambitus. Die harmonisch tragende Basslinie bleibt
    allerdings relativ statisch. Die bislang andauernde Konfrontation von E und Es
    wird aufgehoben. "Muro tuo" und "inexpugnabili" bilden verschiedene melodische
    Phrasen, kombiniert in der "Mitte", Takt 120.


    "circumcinge eam Domine"
    Takt 129
    A --- a'd''
    T1 -- d'd'
    T2 -- a d'
    B --- g
    Im Detail einige subtile Rückgriffe auf Motettenteil eins. Auch hier modaler Wandel nach B-Ionisch


    "et armis tue potentiae"
    Takt 141
    A --- b
    T1 -- e
    T2 -- b
    B --- es
    Weitere Aufhellung der "Stimmung" durch aufsteigende Intervalle.


    "protege eams semper"
    Takt 158
    A --- a'd''
    T1 -- d'd'd'd'
    T2 -- a
    B --- d g
    Einige Anspielungen auf den Beginn der Motette, aber lebhafter gestaltet. Eigenwillige, ostinatohafte
    Stimmführung von Tenor1(altus).


    "Domine Deus noster"
    Takt 175
    A --- a'a'd'
    T1 -- d'a d'd'
    T2 -- d'd'a
    B --- a d d d
    Deutlicher Bezug auf das Ende vom ersten Mottetenabschnitt, die Einsätze
    aber mit anderen Noten. Zum Abschluss umspielen die anderen Stimmen
    ein Pedal von Tenor2, gefolgt von der Kadenz.



    Zitat

    (zweiterbass): Nachdem aber Gombert Modulationen (+Dissonanzen) „nicht ganz abgeneigt ist“

    Zahl der Stimmeinsätze, der Ambitus im Vergleich zwischen den einzelnen Imitationsabschnitten und eben auch der Einsatz von Dissonanzen zeigen eine Vorliebe für Asymetrie. Die ohnehin hohe "Dissonanzrate" ist im ersten Teil noch höher als im zweiten. Selbst bei betonten Taktzeiten kann mitunter fast von einer "Vermeidung von Konsonanz" gesprochen werden. Die imitatorische Behandlung ist frei und unorthodox, wiederholte vollständige Durchführungen die Ausnahme.


    Ausnahmsweise liegt das Werk in zwei Editionen vor, neben der CMM-Ausgabe der "Opera omnia" auch in der Madrider Morales-Gesamtausgabe (als Vorlage für Morales gleichnamige Parodiemesse). Die Abweichungen sind erheblich, da gerade hier etliche Fragen nur über die musica ficta beantwortet werden können. Die zeitnahe Bearbeitung von Valderano im Rahmen seiner Vihuela-Sammlung gäbe hier Anhaltspunkte etwa für die mögliche Erhöhung oder Erniedrigung um einen Halbton, die später jedoch unzureichend berücksichtigt wurden (ein ähnliches Lautenbuch wird im Beitrag über Spanische Musik für Felipe II., Beitrag 19 vorgestellt).


    Der Gesamtmodus "nach Meier" ist G-Dorisch (=Modus II), aber, wie zweiterbass bereits andeutet, ist dieser durch die finale Kadenz definierte Modus dem Werk nicht unbedingt "inhärent". Würden z.B. die "es" an den punctum imitationes berücksichtigt, wäre etwa auch ein G-Äolisch plausibel.


    "Aspice Domine" wurde 1532 erstmalig in Lyon im Rahmen eines Sammelwerks veröffenlicht, 1539 dann in Venedig in einem Druck, der auschliesslich vierstimmige Motetten Gomberts enthielt. Es folgten mehrere Neuauflagen innerhalb kurzer Zeit. Wie bereits angedeutet, wurde das Werk im 16. Jahrhundert mehrfach parodiert oder bearbeitet. Auf Grund der in Gomberts Oevre nicht eben dominierenden vierstimmigen Anlage mag das Werk auf den ersten Blick konservativ erscheinen, aber gerade die seltenen Rückblicke auf Josquin (im Abschnitt "sedet...") verdeutlichen die mitunter fast "prämadrigaleske Progressivität"des Gesamtwerkes.


    Nachbemerkungen:

    Zitat

    „Capella Alamire“ wurde von Peter Urquhart 1984 in Cambridge mit dortigen Studenten gegründet

    Wer sich möglicherweise über den etwas unbritischen Klang der Capella Alamire wundert, sollte wissen, das mit dem von zweiterbass genannten Gründungsort jenes in Massachusetts gemeint ist ;) .


    Zitat

    Credo in unum Deum: Die Melodie der Antiphon wird im Satz nicht übernommen. Große Dynamikunterschiede, dem Text angepasst (z. B. „et incarnatus est“ in p), das betrifft auch das Tempo – adagio bis zu allegro (auch diese Bezeichnungen gab es nicht, ich verwende sie nur zum Tempoverständnis). „Et in spiritum sactum“ ist anfangs auch fast homophon (musikalische Textverdeutlichung?). Solch kurze homophone „Ausflüge“ wiederholen sich. Ein Schlussakkord in reinem Dur - mit „allen Terzen!“ (Das könnte für mich teilweise auch Gabrieli oder Palestrina sein.)

    Dieses bemerkenswerte, quasi doppelchörige "Solitär-"Credo, dessen Anfangstakte übrigens die berühmte "Lugebat"-Motette zitieren (siehe thread "Zenit der Polyphonie?"), gibt's, anders als "Aspice", auch auf You Tube:
    http://youtu.be/ym1aBjnebpo

  • Ich danke euch für die ausführlichen Beschreibungen! Dank eines edlen Spenders habe ich nun auch akustischen Zugang und hoffe auf Noten! Dann bin ich (endlich) in der Lage, auch mit euch über inhaltliche Details zu sprechen!


    Gomberts Credo habe ich mir einige Male angehört. Ein besonders schönes Stück! In Punkto Klangwirkung hatte Gombert wirklich die Fähigkeit, den Chor sehr effektiv einzusetzen!

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

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  • Nach nochmaligem Anhören dieses Credos fiel mir auf, warum es mir so bekannt vorkam! Es basiert in seinem Anfangsabschnitt als Parodie auf Gomberts eigener Motette "Tulerunt Dominum" (die in diesem Thread bereits in den Beiträgen 6 und 31 Erwähnung fand), die offenbar im 16. Jahrhundert recht bekannt gewesen sein dürfte, gibt es doch mehrere Bearbeitungen. Besonders interessant ist, dass der Anfang dieser Motette in ihrem ersten Imitationsabschnit wörtlich mit der Motette "Lugebat filium" (die unser Gombert in seinem Beitrag über das Credo als Ausgangsmaterial erwähnte) übereinstimmt ! Es wäre sehr interessant, einmal diese Werke, beides außergewöhnliche Stücke, zu vergleichen!


    An diesem Credo Gomberts finde ich (ohne Noten zu besitzen) mehrere Punkte außergewöhnlich: Gombert scheint hier Melodie -"Versatzstücke" zu bilden, Abspaltungen und kleine Teile, die er in dem gesamten Chor umherfließen lässt, was teilweise einen fast Minimal-music-artigen Effekt ergibt. Ständige Wechsel in den Stimmenkombinationen (es wäre interessant zu überprüfen, ob er diese konsequent variiert ohne eine Kombination mit einer Melodie zwei mal erscheinen zu lassen; möglich scheint es mir ...) ergeben ständig neue Klangfarben. Überhaupt bringt Gombert hier eine Tiefe im Farbenreichtum zustande, wie man sie auch in seinem sonstigen Werk (so weit ich es kenne) nicht so oft antrifft. Es entsteht auch ein gewisser doppelchöriger (=architektonischer) Effekt.
    Sehr interessant ist die musikalische Textausdeutung, die deutlich intensiver ist, als man es von Credos dieser (und auch etwas späterer Zeit kennt).
    Die Innigkeit des "Incarnatus" beispielsweise ist in ihrem Charakter richtungsweisend für deutlich spätere Messkompositionen.
    Bei "ex Maria virgine" strahlt der superius jungfräulich hervor.
    Im "Crucifixus" mit dem immer mehr und mehr in sich zusammensinkenden "passus et sepultus est" , das (so höre ich es, ich habe ja keine Noten) in einem leeren ruhigen Akkord mit Quintbetonung endet, ist mehr als deutliche akustische Textdeutung zu bemerken.
    Das "Et Resurrexit" strahlt mir einem fast kann man sagen "fröhlichen" Dreiklangsmotiv.
    Bei "Et in spiritum sanctum Dominum" beginnt ein neuer Abschnitt. Mit dem "Confiteor" wird das Geschehen nochmals ruhiger, um dann bei "resurrectionem" in einem wahren Energie-Ausbruch zu führen, der in der beeindruckenden Architektur des "Amen" kulminiert.


    Die einzelnen Sinn-Abschnitte bilden in sich eigene Klang- und Empfindungsräume, wie man es – genau genommen – aus Credo-Kompositionen des Barock und sogar der Klassik kennt. In diesem Sinne ist dieser Satz zukunftsweisend.


    Stimmt ihr mit mir überein, hierin ein Meisterwerk zu erblicken?

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Hallo,
    ich beziehe mich auf meinen Beitrag Nr. 8 Nachsatz:

    Um der Genauigkeit willen (und um Gomberts Exaktheit einerseits und seine Variabilität, der Harmonik wegen, andererseits nachvollziehbar zu machen), schreibe ich den Beitrag Nr. 8 z. T. neu:


    Magnificat primi toni, Kirchentonart dorisch auf g, 4/4-Takt
    Teil 1:


    0:00 - 0:11 die Antiphon wird im Thema nur in der Tonfolge, nicht in den Notenwerten, übernommen.
    Alt 1, Thema 2½ Takte, Et exultavit, 0:12 - 0:18 /1-3/
    Alt 2, Thema in der Umkehrung auf 2 ¼ Takte verkürzt, ¼ Takt nach Alt,
    Et exultavit, 0:12 - 0:18 /1-3/
    Tenor, Thema auf 2 ¼ Takte verkürzt, 0:12 - 0:22 /3-5/
    Bass, Thema in der Umkehrung auf 2 ½ Takte verkürzt, 0:12 - 0:22 /3-5/
    Akkord auf 0:22 = g,b,d,d
    Alt 1, Thema in der Umkehrung auf 2 Takte verkürzt, 0:21 - 0:27 /4-6/
    Alt 1, Thema in der Umkehrung auf 2 Takte verkürzt, 0:29 - 0:35 /8-10/
    Alt 2, hat von 0:22 - 0:31 /6-09/ Variationen des Themas incl. Umkehrung
    Tenor und Bass haben von 0:22 - 0:35 /6-10/ Variationen des Themas incl. Umkehrung


    Alt 2, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    0:32 - 0:35 /9-10/
    Bass, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    0:35 - 0:38 /10-11/
    Alt 1, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    0:40 - 0:43 /12-13/
    Tenor, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    044- 0:47 /14-15/


    Bass, in Deo salutari, 2 ¼ Takte Umkehrung, leicht variiert, 0:53 - 0:58 /18-20/
    Alt 2, wie Bass, aber nur 2 Takte, 0:53 - 0:58 /18-20/
    Tenor, wie Alt 2, 0:53 - 0:58 /18-20/
    Alt 1, wie Alt 2, 1:00 - 1:05 /21-22
    Alle Stimmen variieren Thema incl. Umkehrung bis 1:38 /34/ und enden dort in einem Quartakkord auf einer ganzen Note homophon.


    Ich habe nun im Teil 1 des Magnificats die Einsätze und Dauer des Themas…


    Teil 2:


    1:39 - 1:59, die Antiphon wird nur näherungsweise in das Thema übernommen
    Alt 2, Quia fecit, 2:00 - 2:08 /1-4/
    Alt 1, Quia fecit, 2:01 - 2:11 /1-5/
    Bass, Quia fecit, 2:06 - 2:12 /3-5/
    Tenor , Quia fecit, 2:07 - 2:14 /4-6 Akkord auf 2:07 =f,d,b,b
    Keine Stimme hat ein identisches Thema, die sich aber sehr ähnlich sind und an die Antiphon anlehnen; bei 2:19 /9/ kommen alle Stimmen im 1. Viertel homophon an. Die weitere polyphone Stimmführung ist analog dem Teil 1, was bei 3:28 /34/ in einer Quarte auf einer ganzen Note homophon endet.



    Teil 3:


    3:30 - 3:47, die Antiphon ist in den 3 Stimmen erkennbar.
    Tenor, Fecit potentiam 3:48 - 4:01 /1-6/
    Alt 2, wie vor 3:52 - 4:05 /2-7/
    Alt 1, wie vor 3:58 - 4:09 /4-9/
    Auch hier hat keine Stimme ein identisches Thema (die aber dem Thema von Teil 1 sehr ähneln), die sich aber untereinander (w. o.) sehr ähnlich sind und auf der Antiphon fußen. Der Fortgang ist rein polyphon (das Thema incl. Umkehrung wird variiert, z. B. mit Durchgangsnoten verlängert, Notenwerte verkürzt, Umkehr einzelner Tonsprünge) und erst am Ende 5:28 /40/ treffen sich die 3 Stimmen in einer Quarte auf einer ganzen Note homophon.


    Teil 4:


    5:32 - 5:46, die Antiphon ist in den Stimmen erkennbar
    (Beim 1. Blick in die Noten könnte man meinen, es handele sich um einen kanonartigen Einsatz - NEIN - so einfach macht es sich (uns) der Komponist nicht)
    Alt 1, Esurientes, esurientes 5:47 – 6:11 /1-10/
    Alt 2, wie vor 5:47 - 6.11: /1-10/
    Tenor, wie vor 5:50 - 6:08 /2-8/
    Bass, wie vor 5:55 - 6:16 /4-12/ Akkord auf 5:55 = b, f,d, b
    Auch hier hat … weiter analogTeil 3…und erst am Ende 7:28 /37/… 4 Stimmen…



    Teil 5:


    7:29 – 7:46, beide Teile der Antiphon sind in den Stimmen erkennbar
    Sopran, Sicut locutus est, sicut locutus est, sicut locutus est 7:47 - 8:20 /1-13/
    Alt , wie vor 7:47 – 8:10 /1-10
    Tenor 1, wie vor 7:49 - 8:16 /1-12
    Tenor 2, wie vor 7:52 - 8:15 /3-11
    Bass, wie vor 7:56 - 8:15 /4-11 Akkord auf 7:56 = g,f,b,d,g
    Auch hier hat keine Stimme ein identisches Thema; in nicht gleichzeitigen Takten sind die unterschiedlichen Themen aber absolut gleich – z. B. T1, 3 Takte /1-4/ = B, 3 Takte /4-6/ (sodass durch die Wiederholungen ein Gehöreindruck von großer Ähnlichkeit entsteht). Der Fortgang…(wie bei Teil 3)… und erst am Ende 9:15 /33 treffen sich die 5 Stimmen; Gombert verlässt hier (was im vorletzten Takt vorbereitet wird) dorisch auf g in dorisch mit einer ganzen Note (g,d,h,g,g=G-Dur) homophon.


    Teil 6:


    9:16 – 9.29, die Antiphon ist in den 6 Stimmen erkennbar, besonders der Teil 1.
    Sopran, wie Bass, 9:42 – 10:03 /5-13/ Akkord wie Bass
    Alt 1, wie Bass, 9.45 – 9:57 /6-11/ Akkord auf 9:57 = b,f,d,d, f,d
    Alt 2, wie Bass, 9:31 – 9:52 /1-9/ Akkord auf 9:52 = f,f,a,-,f,d
    Tenor 1, wie Bass, 9:35 – 10:01 /3-12/ Akkord auf 10:01 = f,f,d,a,d,d
    Tenor 2, wie Bass, 9:34 – 10:01 /2-12/ dto.
    Bass, Sicut erat, 9:30 – 10:03 /1-13/ Akkord auf 10:03 = g,d,b,g,-,g
    Alt 2, in principio, 9.56 – 10:03 /11-13/
    Alt 1, wie Alt 2, 10:00 – 10:03 /12-13/
    Sopran wie Alt 2, 10:05 – 10:09 /14-15/
    Tenor 1 wie Alt 2, 10:02 – 10:09 /13-15/
    Tenor 2 wie Alt 2, 10:02 - 10;07 /13-15/
    Bass wie Alt 2, 10:07 – 10:13 / 15-16/


    Sopran Sicut erat nimmt deutlich Bezug auf Alt 1 Et exultavit im Teil 1.
    Alt 1 Sicut erat nimmt deutlich Bezug auf Alt 2 = Umkehrung Thema von Alt 1 im Teil 1.
    Alt 2 Sicut erat ist Variation (fast Diminution) von Sopran
    Tenor 2 Sicut erat ist Variation von Alt 1


    Es wird verständlich sein, dass ich diese Detailarbeit nicht über den ganzen 6-stimmigen Satz machen kann; folgend sind immer wieder Bezüge zur Antiphon und dem Thema aus Teil 1 zu hören. Ab dem 3.-letzten Takt wird wieder vorbereitet der Wechsel von dorisch auf g in dorisch mit einer ganzen Note (g,d,h,g,g,g=G-Dur) homophon.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Zweiterbass,


    vielen herzlichen Dank für diese detaillierte Beschreibung ! Ich werde vermutlich heute noch dieses Magnificat (endlich) auch akustisch bekommen. Doch allein aus deiner schönen Strukturanalyse kann man sehr gut die Kompositionstechnik und den "architektonischen" Stil Gomberts ersehen. Dass Gombert in den Schlussklängen immer wieder nach G-Dur geht, ist für mich bezeichnend. Ich habe den Eindruck, dass diese Hinwendung zum Dur-Moll Schema eine lange Entwicklung ist, und (so meine Meinung) doch ein offenbar in der Psyche des Menschen inhärentes Bedürfnis ausdrückt. Doch dies wäre an anderer Stelle vielleicht sehr interessant, einmal zu diskutieren.
    Ich werde wieder antworten, wenn ich das Magnificat gehört habe.


    Viele Grüße
    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Nun habe ich tatsächlich endlich das Magnificat gehört ! Es ist so schön, wie ich es mir vorgestellt habe. Und es ist immer wieder interessant zu beobachten, dass neben der imitatorischen Arbeit und der Beachtung (oder bewussten Verwerfung) von Regeln wunderbare Klangwirkungen zustande kommen und der Komponist sogar noch einen manifesten Gesamteindruck in Form einer Grundstimmung vermitteln kann (auch wenn dieses – selbstverständlich – hier nicht so individualisiert gedacht werden kann, wie in späteren Epochen).


    Viele Grüße


    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Hallo,


    ich verweise auf den Anfang des Beitrags Nr. 8 zum Magnificat 1 und bitte (bei Interesse) die jeweiligen Vergleiche zu ziehen.


    Das Magnificat 4 – „Et exultavit spiritus meus…“ - steht in der 4. Kirchentonart Hypophrygisch. Der Unterschied zu Phrygisch besteht im Tonumfang der Tonleiter. Eine Kirchentonart kann auf jedem Ton der C-Dur Tonleiter beginnen, sofern die für diese Kirchentonart typische Lage der Halbtonschritte dabei eingehalten wird; die Kirchentonarten unterscheiden sich also in der Lage der Halbtonschritte innerhalb der Tonleiter.


    Phrygisch beginnt auf „e“ und der 1. Halbtonschritt liegt zwischen der 1. und 2. Stufe, also von „e“ nach „f“; der 2. Halbtonschritt liegt zwischen der 5. und 6. Stufe, also von „h“ nach „c“; die phrygische Tonleiter hat damit einen Tonumfang von einer Oktave.
    Hypophrygisch beginnt auf „h“ unter dem „e“; der Tonumfang der Tonleiter ist also nach unten um 2 ½ Töne erweitert. Aber auch hier liegt der 1. Halbtonschritt zwischen der 1. und 2. Stufe, also „h“ nach „c“ und der 2.Halbtonschritt zwischen der 5. und 6. Stufe, also von „e“ nach „f“ – Hypophrygisch ist also ein im Tonumfang der Tonleiter erweitertes Phrygisch und beide Tonarten haben die identische Harmonik. (Im Unterschied dazu vergleiche man bitte im Beitrag N. 8 Dorisch auf „d“ und Dorisch auf „g“.)


    Dies als Vorspann um auf die Eigenheiten von Hypophrygisch einzugehen - ich werde aber nun nicht „sezieren“, sondern nur meinen Gehöreindruck posten:
    Ein in Dynamik, Tempo und Stimmenführung - besonders die jeweiligen Stimmeneinsätze hören sich fugen- kanonartig an, da sich die Stimmen an der vorhergehenden Antiphon orientieren - sehr einheitliches und gleichmäßig dahinfließendes Werk; da habe ich bei anderen Werken Gomberts schon mehr Annäherung an den Text gehört. Die Vorliebe des Komponisten für Dissonanzen fehlt hier völlig.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Hallo,


    bevor ich nun den 2. Teil zum Magnificat Nr. 5, Quinti toni, einstelle, meine ich, um Missverständnisse zu vermeiden, einige Klarstellungen machen zu müssen.


    Zu meinem Beitrag Nr. 1, Magnificat Nr. 5: Der Text aller 8 Magnificats ist (nat.) identisch; im Magnificat Nr. 5 vertont Gombert vor dem Text „O sacrum convivium…“ (Antiphon?) und dann „Magnificat anima mea Dominum“ – die Antiphon und „Magnificat anima meam Dominum“ werden einstimmig gesungen, die dann - wie beschrieben im Beitrag Nr. 1 - folgend wechselnd polyphone bzw. einstimmige Vertonung des Textes ist auch so bei den Magnificats 1 (Beiträge Nr. 8 und 37) und 4 (Beitrag Nr. 40) zu finden.


    Zu meinen Beiträgen Nr. 8 und 37, Magnificat Nr. 1: Vor dem Text vertont Gombert als Antiphon „Magnificat anima mea Dominum“ Das ist in meinem Beitrag nur als „Antiphon“ vermerkt, ohne Text.
    Die weiter als Antiphon bezeichneten Stellen 1:39 – 1:59 , 3:30 – 3:47 , 5:32 – 5:46 , 7:29 – 7:46 , 9:16 – 9:29 entsprechen den Texten 3, 5, 7, 9, 11 im Beitrag Nr.1, Magnificat Nr. 5.


    Zu meinem Beitrag Nr. 40, Magnificat Nr. 4: Hier habe ich nur kurz meinen Höreindruck beschrieben; die Textvertonung und die Antiphone entsprechen wie vor im Magnificat Nr. 1 beschrieben.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    dieser Beitrag ist eine Ergänzung zu Beitrag Nr. 1; die Textstellen benenne ich mit der Nummerierung gem. Beitrag Nr. 1.


    Magnificat 5, Quinti toni = Kirchentonart Lydisch, diese hat den Grundton (Finalis) f (zugleich tiefster Ton) und den Rezitationston c.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Rezitationston
    Die Halbtonschritte (für die Harmonik entscheidend) liegen zwischen dem 5. und 6. Ton (h-c) und dem 7. und 8. Ton (e-f).


    Ab Text Nr. 4 wechselt jedoch Gombert nach Hypolydisch (was aus den Noten m. E. zweifelsfrei ersichtlich ist). Der Unterschied zu Lydisch besteht darin, der Grundton (Finalis) bleibt f, der tiefste Ton wird jedoch c und der Rezitationston wird a; es handelt sich also (nur) um eine Erweiterung der Tonleiter, die Lage der Halbtonschritte und (damit die Harmonik) bleiben gleich.


    Die Anfangstöne der Antiphon sind eng verwandt mit den psalmodierenden Anfangstönen von Text 1.
    In der dann folgenden 4-stimmigen Polyphonie von Text 2 lehnen sich die 1. und 4. Stimme an die Antiphon an, während die 2. und 3. Stimme sich an den Anfangstönen von Text 1 orientieren. Es fällt auf, dass die 4 Stimmen mit sehr kurzen Abständen einsetzen, sodass anfangs ein fast kanonartiger Gehöreindruck entsteht. Und am Schluss steht in den Noten keine Quinte – eine Sexte – und auf der CD gem. Beitrag 1 ist ein A-Dur-Dreiklang zu hören???


    Die ersten 3 Töne des psalmodierenden Textvortrages 3 ergeben einen F-Dur-Dreiklang (wie auch bei Text 1).
    Wie oben schon erwähnt, wechselt Gombert nun ab Text 4 nach Hypolydisch - 1. Ton der 1. Stimme = c – und wenn man den Beginn der vier polyphonen Stimmen als gebrochenen Dreiklang mit Durchgangsnoten interpretiert, ist dies ein F-Dur-Dreiklang und nach meinem Wissen war es erlaubt/freigestellt, das h nach b zu erniedrigen [was in den Noten als(b) über den h erscheint), sodass die Harmonik zu F-Dur mutiert, was aber ab Takt 17 endet und auch der Satz in den Noten hypolydisch – d, a, f – schließt – der Satz auf der CD aber in einem D-Dur-Dreiklang endet???


    In der mir vorgelegenen Notenausgabe haben nun allerdings die Seiten 52/53 gefehlt (Bindefehler?), ich kann als erst ab Text 9 posten (Texte 5-8 fehlen).


    Die psalmodierende Melodie des Textes 3 ist identisch mit der Melodie der Texte 5, 7 und nun auch hier 9.
    Der Beginn des 4-stimmig polyphonen Satzes zum Text 10 ist wie bei Text 4 (nur in anderer Reihenfolge der Stimmen), allerdings ohne Durchgangsnoten und Verdoppelung der Notenwerte des Dreiklanges; die Erniedrigung der h nach b endet in Takt 13. In den Noten endet der Satz auf a, c – auf der CD in einem A-Dur-Dreiklang???


    Die psalmodierende Melodie des Textes 11 entspricht 3, 5, 7, 9.
    Im letzten Satz, Text 12, erweitert Gombert die Polyphonie auf 5 Stimmen, SATTB; nur je 1 Mal wird im Takt 14/15 das h zum b. In den Noten endet der Satz auf a, e – auf der CD in einem A-Dur-Dreiklang???




    Im 5. Magnificat hat sich Gombert die Freiheit genommen, von den strengen Vorgaben des Lydisch abzuweichen und die Interpreten haben sich bei den Schlussakkorden nicht an die Notenangaben der mir vorgelegenen Ausgabe (siehe Beitrag Nr. 8) gehalten.


    Ich habe dieses Werk (mit einem „leicht antreibenden“ Tempo) als sehr prächtig und mächtig gehört, was sich im letzten Satz durch die 5-Stimmigkeit noch steigert; m. E. ist die Bassstimme mehr führend, dies besonders im letzten Satz.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Der Unterschied zu Lydisch besteht darin, der Grundton (Finalis) bleibt f, der tiefste Ton wird jedoch c und der Rezitationston wird a; es handelt sich also (nur) um eine Erweiterung der Tonleiter, die Lage der Halbtonschritte und (damit die Harmonik) bleiben gleich.


    Hallo,
    nachdem bislang kein Protest (eine Ausnahme) kam, bleibt mir nur übrig, meinen Fehler selbst zu berichtigen:
    Nachdem sich die Lagen der Halbtonschritte auf der Tonleiter Hypolydisch verändern, verändert sich auch die Harmonik.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Dieser Thread ist ein Spezialisten Thread. Die Kenntnissen der musikalischen Struktur bewegt sich auf hohem Niveau. Es ist zu bedauern, dass alle im Thread Schreibenden im inaktiven Status sind.


    Wer sich als Hörer mit dieser anspruchsvollen Musik der franko-flämischen Polyphonie beschäftigt, dem erschliesst sich ein musikalischer Kosmos. So ergeht es mir. Man ist gefordert, wenn man die Stimmen verfolgt.


    Das Vocalensemble Beauty Farm hat auf einer Einzel- und zwei Doppel-CDs Motetten sowie auf einer Doppel-CD Messen von Nicolas Gombert aufgenommen.

    Jede Stimme ist einfach mit männlichen Sängern besetzt.

    Drei der vier Aufnahmen sind beim Werbepartner noch erhältlich. Man wird bei anderen Anbietern fündig.


    Das vierstimmige Aspice domine, das Zweiterbass einer fundierten Analyse unterzog Gombert (ca. 1495-1560) - franko-flämischer Komponist ist auf der dritten CD, die nicht mehr im Katalog ist. Track 2



    Es gibt ein Leben vor dem Tode.