Gombert (ca. 1495-1560) - franko-flämischer Komponist

  • Hallo,


    für die nun nur kurz angedeuteten Stücke aus der im Beitrag Nr. 8 vorgestellten CD habe ich weder Noten noch Text; es geht also nur nach dem Gehör:


    Tulerunt Dominum meum: Eine für mich sehr abwechslungsreiche Harmonik - ob die nur mit Kirchentonarten zu schaffen ist?
    Das fällt noch auf: Alle Stimmen, insbesondere die 1. Stimme/Sopran, haben sehr große Tonsprünge – der Sopran hat mehrmals für mehrere Takte eine Stimmführung wie eine Passacaglia (es ist keine, die kam erst später auf); hier ist das Ostinato eben nicht in der Unterstimme sondern im Sopran – gegen Ende des Satzes wird auf das „Halleluja“ ein homophoner Chorklang, keine Polyphonie für fast ½ min; das habe ich so bei G. noch nicht gehört.
    https://www.youtube.com/watch?v=n1uTzJuCAXQ


    Credo in unum Deum: Die Melodie der Antiphon wird im Satz nicht übernommen. Große Dynamikunterschiede, dem Text angepasst (z. B. „et incarnatus est“ in p), das betrifft auch das Tempo – adagio bis zu allegro (auch diese Bezeichnungen gab es nicht, ich verwende sie nur zum Tempoverständnis). „Et in spiritum sactum“ ist anfangs auch fast homophon (musikalische Textverdeutlichung?). Solch kurze homophone „Ausflüge“ wiederholen sich. Ein Schlussakkord in reinem Dur - mit „allen Terzen!“ (Das könnte für mich teilweise auch Gabrieli oder Palestrina sein.)


    Media vita in morte sumus: In sehr tiefer Stimmlage beginnend, dem Text entsprechend (wie A-, T- und B-Gamben) und nur „adagio“ – besser sehr getragen; keine „homophonen Ausflüge“ – mit wenigen, aber dann umso deutlicher krassen Disharmonien.
    https://www.youtube.com/watch?v=QZxRsFQm0qI
    Gesungen von der Oxford Camerata - wie auf der CD


    Salve Regina (plainchant mode 1): Einstimmiger (gregorianischer?) Frauenchor in dorisch (?).


    Epitaphium (in Josquinum a Prato): =Josquin Desprez, dessen Schüler er war. Ich diesem Zusammenhang verweise ich auf wikipedia und auf das sehr umfangreiche Werk Gomberts, das vermutlich überwiegend in seinem (z. T. einsamen?) 2. Lebensabschnitt entstanden ist.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    O gloriosa Dei genitrix, die Nr. 4 auf der CD.
    (Leider Fehlanzeige auf YouTube)


    Alle Stimmen der Motette stehen in dorisch; G. „spielt“ hier mit dorisch und dorisch auf g, jedoch nicht wie bei „Salve Regina (diversi diversa orant)“ - eine Stimme ist in dorisch notiert, die restlichen drei in dorisch auf g –sondern hier:
    Im Alt werden 5 h zu b erniedrigt, im Tenor 1 sind es 3 h zu b, im Tenor 2 sind es 4 h zu b (davon 2 in den letzten 3 Takten zur Modulation in den Schlussakkord D-Dur, dazu muss Tenor 2 wieder fis statt f singen) und im Bass sind es 8 h zu b. Dabei kommt es nur 1 Mal zu einer Dissonanz (im 3. Takt) zwischen dem b im Alt und dem h im Tenor 1. In allen anderen Fällen wird der Kirchentonartwechsel nicht zur Erzeugung von Dissonanzen verwendet (wie beim „Salve Regina…“), sondern alle Stimmen erklingen in diesen 17 Akkorden (5-1+3 +4-2 + 8) in dorisch auf g.


    Für mich hat diese Motette einen warmen, beruhigenden Klang und die polyphone Struktur, die ich manches Mal als anregend empfinde, harmoniert sehr gut mit diese Ruhe, was auch an dem „andante“ liegen mag. Ich nehme aber an, ohne meinen Höreindruck „beweisen“ zu können, dass dies auch der Wechsel zwischen dorisch und dorisch auf g bewirkt.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    Aspice Domine (4-stimmig A, T1, T2, B) ist die Nr. 12 auf der im Beitrag Nr. 32 vorgestellten CD – leider auch Fehlanzeige bei YouTube.


    Die Motette steht in dorisch auf g. Nachdem aber Gombert Modulationen (+Dissonanzen) „nicht ganz abgeneigt ist“ und er nicht zwischen dorisch und dorisch auf g wechselt, wie in der Motette in Beitrag Nr. 32 – was macht er hier?


    57 mal Wechsel von e nach es
    3 mal Wechsel von c nach cis
    3 mal Wechsel von f nach fis
    1 mal Wechsel von b zu h (was aber nur für den Schlussakkord in G-Dur dorisch gebraucht wird)


    Für alle Beispiele gilt Stimmreihenfolge A, T1, T2, B innerhalb der Akkordfolge:


    Beispiel von e nach es:
    1:17 bis 1:20 /letztes Viertel Takt 31 – 32/
    d-b-d-g, es-b-c-c, es-a-.c, d-g-d-b


    Beispiel von c nach cis:
    3:37 bis 3:39 /Teil von 92 - Teil von93/
    d-a-e-a, cis-a-e-a, d-b-d-d


    Beispiel von c nach cis und f nach fis
    4:10 bis 4:16 /Teil von 105 – 107/
    d-a-e-a, cis-a-e-a, d-fis-d-d

    Beispiel von e nach es:
    7:31 bis 7:40 /letzte 2 Viertel Takt 189 – 191/
    d-d-g-b(dorisch auf g), es-c-g-c(g-Moll anstatt C-Dur in dorisch auf g), c-es-g-c(g-Moll…),
    d-d-g-b(dorisch auf g), es c-g-c(g-Moll…), d-h-g-g(Schlussakkord G-Dur in dorisch)



    „Capella Alamire“ wurde von Peter Urquhart 1984 in Cambridge mit dortigen Studenten gegründet – er und sein Chor gelten als Experten für deutsch-franko-flämische Chormusik (darüber schrieb er seine Dissertation); die Intonation und die Stimm-,Klangbalance sind makellos, was ich auch für die Interpretation unterstelle, ohne dies beurteilen zu können.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hier noch Ergänzungen zum voranstehende Beitrag von zweiterbass über die Motette "Aspice Domine". Sie schliesst sich ja in gewisser Weise an zweiterbassens Magnificatbeiträge an, ist doch der Text eine Kompilation aus zwei verschiedenen Magnificat-Antiphonen. Dadurch war dieses Werk zwar nicht unmittelbar liturgisch einsetzbar, fügt sich aber in die Mode der zweiteiligen Motette, deren Texabschnitte trotz unterschiedlicher Herkunft eine gewisse dramaturgisch-narrative Einheit bilden. Der erste Abschnitt stammt aus den Lamentationen Jermias und beklagt die "desolata civitas" Jerusalem, während im zweiten, Zacharias entnommenen, um Schutz gebetet wird. Die unterschiedliche Stimmung spiegelt sich auch musikalisch wieder, gleichwohl verbindet ein gewisser ernster, "lamentationshafter" Ton das gesamte Werk.


    Da Gomberts Imitationsabschnitte weitgehend mit den einzelnen Textphrasen übereinstimmen, erscheint es sinnvoll, dem Werk nach diesen Abschnitten zu folgen. Dabei werden die Stimmeinsätze gelistet. Ich übernehme hier die von zweiterbass genannte Stimmaufteilung "Alt, Tenor 1, Tenor 2, Bass", möglich wäre auch die "objektivere" Einteilung nach zeitgenössischem Verständnis: superius, altus, tenor, bassus.


    [Erster Abschnitt]


    "Aspice Domini"
    Takt 1
    A--- a'
    T1-- d'd'
    T2-- a
    B--- d
    Hier tritt bereits ein "Leitintervall" auf, ein fallender Halbtonschritt
    (v.a. B-A oder Es-D) dessen obere Note mehrfach betont wird. Es dominiert etliche
    Imitationsabschnitte und ist besonders im superius (bei Alamire der Alt) präsent.
    Sicherlich ist hier eine Chiffre für "Leid" zu erkennen. Zudem werden auch melodische Phrasen,
    die bereits im ersten Abschnitt auftauchen, in späteren Abschnitten variiert, dazu gehört bereits das
    "Eröffnungsmotiv".


    "qui facta est"
    Takt 5
    A --- d'd'd'
    T1-- g a
    T2 -- d d a
    B --- d d
    Hier ist ein weiteres charakteristisches Intervall präsent, welches bereits im ersten Imitationsabschnitt
    aufscheint, eine steigende Quart. Ein ausgefeilter bassbezogener Vorhalt in Takt 15.


    "desolata civitas"
    Takt 21
    A --- a'g'd'
    T1 -- d'd'a
    T2 -- a g d
    B --- d A
    Melodisch recht eng am ersten Abschnitt orientiert, doch mehr Stimmeinsätze und eine auffallende rhytmische
    Verdichtung in T 30-32.


    "plena divitiis"
    Takt 35
    A --- a'd''
    T1 -- d'd'
    T2 -- a d'
    B --- a d d
    Harmonisch abenteuerlich. Durch mehrere Doppelvorhalte erfolgt eine Massierung von Dissonanzen in Takt 38-41.
    Besonders originelle Form nimmt die "Dissonanzbildung" in den Takten 39 und 41 an.
    Hier auch eine grosse Spannweite der Tonhöhe zwischen Alt und Bass.


    "sedet in tristitia"
    Takt 43
    A --- g'g'
    T1 -- g g g
    T2 -- g g
    B --- g g g
    Offenkundig eine gewisse Monotonie bei "tristitia". Der Bass
    hat hier mehrere "nota cambiata". Letztmalig erscheint die im zweiten Abschnitt erwähnte steigende Quart,
    im zweiten Teil der Motette wird dieses Motiv nicht mehr verwendet.
    Gemäss der Kadenz könnte man von deinem modalen Wandel Richtung B-Ionisch sprechen,


    "domina gentium"
    Takt 58
    A --- b'g'f'd''
    T1 -- es'd'c'a g f
    T2 -- b g d'd' a d'
    B --- d d d
    Deutliche Asymetrie. Viele kurze Noten, entsprechend wenig Melismen. Etliche kontrapunktische Kabinettstücke
    bei der Behandlung besagter kurzen Noten. Bemerkenswert die "Abwärtsspirale" von T1. Sonst nur in der englischen
    Tudormusik üblich ist das fallende Intervall über einer Echapee, hier werden die üblichen
    kontinentalen Konsonanzvorschriften verletzt.


    "non est qui consoletur eam"
    Takt 77
    A --- d''a'
    T1 -- d' es'
    T2 -- a' d'
    B --- es g
    Anders als diese Listung zunächst suggerieren mag, zeigt dieser Abschnitt starke rhytmische
    und melodische Diskrepanzen zwischen den Stimmen. Dies erzeugt eine gewisse
    Orientierungslosigkeit, unterstrichen vom ungewöhnlichen Einstieg des Basses in es.
    Während dieser in der Tiefe grummelt, singt der superius/Alt ein hohes D.
    Takt 79-87 sind besonders reich an Dissonanzen, bemerkenswert insbesondere T. 84.


    "nisi tu Deus noster"
    Takt 94
    A --- e'a'a'
    T1 -- a d'
    T2 -- e a a d'a e
    B --- A d a d A
    Zum Abschluss dieses Mottenabschnitts taucht das am Anfang erwähnte Eingangsmotiv
    in exakter Umkehrung wieder auf. Rhytmisch und "agogisch" abwechslungsreich.



    [Zweiter Abschnitt]


    "Muro tuo inexpugnabili"
    Takt 108
    A --- a'
    T1 -- d' a
    T2 -- a
    B --- d
    Erstmaliges Auftreten eines neuen "Leitintervalls", ein
    abwärtsgerichteter Quintsprung. Mit Beginn dieses hoffnungsvolleren Abschnitts
    erweitert sich auch die melodische Spannbreite - zuvor hatten die Phrasen oft nur
    einen geringen Ambitus. Die harmonisch tragende Basslinie bleibt
    allerdings relativ statisch. Die bislang andauernde Konfrontation von E und Es
    wird aufgehoben. "Muro tuo" und "inexpugnabili" bilden verschiedene melodische
    Phrasen, kombiniert in der "Mitte", Takt 120.


    "circumcinge eam Domine"
    Takt 129
    A --- a'd''
    T1 -- d'd'
    T2 -- a d'
    B --- g
    Im Detail einige subtile Rückgriffe auf Motettenteil eins. Auch hier modaler Wandel nach B-Ionisch


    "et armis tue potentiae"
    Takt 141
    A --- b
    T1 -- e
    T2 -- b
    B --- es
    Weitere Aufhellung der "Stimmung" durch aufsteigende Intervalle.


    "protege eams semper"
    Takt 158
    A --- a'd''
    T1 -- d'd'd'd'
    T2 -- a
    B --- d g
    Einige Anspielungen auf den Beginn der Motette, aber lebhafter gestaltet. Eigenwillige, ostinatohafte
    Stimmführung von Tenor1(altus).


    "Domine Deus noster"
    Takt 175
    A --- a'a'd'
    T1 -- d'a d'd'
    T2 -- d'd'a
    B --- a d d d
    Deutlicher Bezug auf das Ende vom ersten Mottetenabschnitt, die Einsätze
    aber mit anderen Noten. Zum Abschluss umspielen die anderen Stimmen
    ein Pedal von Tenor2, gefolgt von der Kadenz.



    Zitat

    (zweiterbass): Nachdem aber Gombert Modulationen (+Dissonanzen) „nicht ganz abgeneigt ist“

    Zahl der Stimmeinsätze, der Ambitus im Vergleich zwischen den einzelnen Imitationsabschnitten und eben auch der Einsatz von Dissonanzen zeigen eine Vorliebe für Asymetrie. Die ohnehin hohe "Dissonanzrate" ist im ersten Teil noch höher als im zweiten. Selbst bei betonten Taktzeiten kann mitunter fast von einer "Vermeidung von Konsonanz" gesprochen werden. Die imitatorische Behandlung ist frei und unorthodox, wiederholte vollständige Durchführungen die Ausnahme.


    Ausnahmsweise liegt das Werk in zwei Editionen vor, neben der CMM-Ausgabe der "Opera omnia" auch in der Madrider Morales-Gesamtausgabe (als Vorlage für Morales gleichnamige Parodiemesse). Die Abweichungen sind erheblich, da gerade hier etliche Fragen nur über die musica ficta beantwortet werden können. Die zeitnahe Bearbeitung von Valderano im Rahmen seiner Vihuela-Sammlung gäbe hier Anhaltspunkte etwa für die mögliche Erhöhung oder Erniedrigung um einen Halbton, die später jedoch unzureichend berücksichtigt wurden (ein ähnliches Lautenbuch wird im Beitrag über Spanische Musik für Felipe II., Beitrag 19 vorgestellt).


    Der Gesamtmodus "nach Meier" ist G-Dorisch (=Modus II), aber, wie zweiterbass bereits andeutet, ist dieser durch die finale Kadenz definierte Modus dem Werk nicht unbedingt "inhärent". Würden z.B. die "es" an den punctum imitationes berücksichtigt, wäre etwa auch ein G-Äolisch plausibel.


    "Aspice Domine" wurde 1532 erstmalig in Lyon im Rahmen eines Sammelwerks veröffenlicht, 1539 dann in Venedig in einem Druck, der auschliesslich vierstimmige Motetten Gomberts enthielt. Es folgten mehrere Neuauflagen innerhalb kurzer Zeit. Wie bereits angedeutet, wurde das Werk im 16. Jahrhundert mehrfach parodiert oder bearbeitet. Auf Grund der in Gomberts Oevre nicht eben dominierenden vierstimmigen Anlage mag das Werk auf den ersten Blick konservativ erscheinen, aber gerade die seltenen Rückblicke auf Josquin (im Abschnitt "sedet...") verdeutlichen die mitunter fast "prämadrigaleske Progressivität"des Gesamtwerkes.


    Nachbemerkungen:

    Zitat

    „Capella Alamire“ wurde von Peter Urquhart 1984 in Cambridge mit dortigen Studenten gegründet

    Wer sich möglicherweise über den etwas unbritischen Klang der Capella Alamire wundert, sollte wissen, das mit dem von zweiterbass genannten Gründungsort jenes in Massachusetts gemeint ist ;) .


    Zitat

    Credo in unum Deum: Die Melodie der Antiphon wird im Satz nicht übernommen. Große Dynamikunterschiede, dem Text angepasst (z. B. „et incarnatus est“ in p), das betrifft auch das Tempo – adagio bis zu allegro (auch diese Bezeichnungen gab es nicht, ich verwende sie nur zum Tempoverständnis). „Et in spiritum sactum“ ist anfangs auch fast homophon (musikalische Textverdeutlichung?). Solch kurze homophone „Ausflüge“ wiederholen sich. Ein Schlussakkord in reinem Dur - mit „allen Terzen!“ (Das könnte für mich teilweise auch Gabrieli oder Palestrina sein.)

    Dieses bemerkenswerte, quasi doppelchörige "Solitär-"Credo, dessen Anfangstakte übrigens die berühmte "Lugebat"-Motette zitieren (siehe thread "Zenit der Polyphonie?"), gibt's, anders als "Aspice", auch auf You Tube:
    http://youtu.be/ym1aBjnebpo

  • Ich danke euch für die ausführlichen Beschreibungen! Dank eines edlen Spenders habe ich nun auch akustischen Zugang und hoffe auf Noten! Dann bin ich (endlich) in der Lage, auch mit euch über inhaltliche Details zu sprechen!


    Gomberts Credo habe ich mir einige Male angehört. Ein besonders schönes Stück! In Punkto Klangwirkung hatte Gombert wirklich die Fähigkeit, den Chor sehr effektiv einzusetzen!

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

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  • Nach nochmaligem Anhören dieses Credos fiel mir auf, warum es mir so bekannt vorkam! Es basiert in seinem Anfangsabschnitt als Parodie auf Gomberts eigener Motette "Tulerunt Dominum" (die in diesem Thread bereits in den Beiträgen 6 und 31 Erwähnung fand), die offenbar im 16. Jahrhundert recht bekannt gewesen sein dürfte, gibt es doch mehrere Bearbeitungen. Besonders interessant ist, dass der Anfang dieser Motette in ihrem ersten Imitationsabschnit wörtlich mit der Motette "Lugebat filium" (die unser Gombert in seinem Beitrag über das Credo als Ausgangsmaterial erwähnte) übereinstimmt ! Es wäre sehr interessant, einmal diese Werke, beides außergewöhnliche Stücke, zu vergleichen!


    An diesem Credo Gomberts finde ich (ohne Noten zu besitzen) mehrere Punkte außergewöhnlich: Gombert scheint hier Melodie -"Versatzstücke" zu bilden, Abspaltungen und kleine Teile, die er in dem gesamten Chor umherfließen lässt, was teilweise einen fast Minimal-music-artigen Effekt ergibt. Ständige Wechsel in den Stimmenkombinationen (es wäre interessant zu überprüfen, ob er diese konsequent variiert ohne eine Kombination mit einer Melodie zwei mal erscheinen zu lassen; möglich scheint es mir ...) ergeben ständig neue Klangfarben. Überhaupt bringt Gombert hier eine Tiefe im Farbenreichtum zustande, wie man sie auch in seinem sonstigen Werk (so weit ich es kenne) nicht so oft antrifft. Es entsteht auch ein gewisser doppelchöriger (=architektonischer) Effekt.
    Sehr interessant ist die musikalische Textausdeutung, die deutlich intensiver ist, als man es von Credos dieser (und auch etwas späterer Zeit kennt).
    Die Innigkeit des "Incarnatus" beispielsweise ist in ihrem Charakter richtungsweisend für deutlich spätere Messkompositionen.
    Bei "ex Maria virgine" strahlt der superius jungfräulich hervor.
    Im "Crucifixus" mit dem immer mehr und mehr in sich zusammensinkenden "passus et sepultus est" , das (so höre ich es, ich habe ja keine Noten) in einem leeren ruhigen Akkord mit Quintbetonung endet, ist mehr als deutliche akustische Textdeutung zu bemerken.
    Das "Et Resurrexit" strahlt mir einem fast kann man sagen "fröhlichen" Dreiklangsmotiv.
    Bei "Et in spiritum sanctum Dominum" beginnt ein neuer Abschnitt. Mit dem "Confiteor" wird das Geschehen nochmals ruhiger, um dann bei "resurrectionem" in einem wahren Energie-Ausbruch zu führen, der in der beeindruckenden Architektur des "Amen" kulminiert.


    Die einzelnen Sinn-Abschnitte bilden in sich eigene Klang- und Empfindungsräume, wie man es – genau genommen – aus Credo-Kompositionen des Barock und sogar der Klassik kennt. In diesem Sinne ist dieser Satz zukunftsweisend.


    Stimmt ihr mit mir überein, hierin ein Meisterwerk zu erblicken?

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Hallo,
    ich beziehe mich auf meinen Beitrag Nr. 8 Nachsatz:

    Um der Genauigkeit willen (und um Gomberts Exaktheit einerseits und seine Variabilität, der Harmonik wegen, andererseits nachvollziehbar zu machen), schreibe ich den Beitrag Nr. 8 z. T. neu:


    Magnificat primi toni, Kirchentonart dorisch auf g, 4/4-Takt
    Teil 1:


    0:00 - 0:11 die Antiphon wird im Thema nur in der Tonfolge, nicht in den Notenwerten, übernommen.
    Alt 1, Thema 2½ Takte, Et exultavit, 0:12 - 0:18 /1-3/
    Alt 2, Thema in der Umkehrung auf 2 ¼ Takte verkürzt, ¼ Takt nach Alt,
    Et exultavit, 0:12 - 0:18 /1-3/
    Tenor, Thema auf 2 ¼ Takte verkürzt, 0:12 - 0:22 /3-5/
    Bass, Thema in der Umkehrung auf 2 ½ Takte verkürzt, 0:12 - 0:22 /3-5/
    Akkord auf 0:22 = g,b,d,d
    Alt 1, Thema in der Umkehrung auf 2 Takte verkürzt, 0:21 - 0:27 /4-6/
    Alt 1, Thema in der Umkehrung auf 2 Takte verkürzt, 0:29 - 0:35 /8-10/
    Alt 2, hat von 0:22 - 0:31 /6-09/ Variationen des Themas incl. Umkehrung
    Tenor und Bass haben von 0:22 - 0:35 /6-10/ Variationen des Themas incl. Umkehrung


    Alt 2, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    0:32 - 0:35 /9-10/
    Bass, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    0:35 - 0:38 /10-11/
    Alt 1, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    0:40 - 0:43 /12-13/
    Tenor, spiritus, 1 ¼ Takte der Umkehrung (der weitere Text ist musikalisch variiert)
    044- 0:47 /14-15/


    Bass, in Deo salutari, 2 ¼ Takte Umkehrung, leicht variiert, 0:53 - 0:58 /18-20/
    Alt 2, wie Bass, aber nur 2 Takte, 0:53 - 0:58 /18-20/
    Tenor, wie Alt 2, 0:53 - 0:58 /18-20/
    Alt 1, wie Alt 2, 1:00 - 1:05 /21-22
    Alle Stimmen variieren Thema incl. Umkehrung bis 1:38 /34/ und enden dort in einem Quartakkord auf einer ganzen Note homophon.


    Ich habe nun im Teil 1 des Magnificats die Einsätze und Dauer des Themas…


    Teil 2:


    1:39 - 1:59, die Antiphon wird nur näherungsweise in das Thema übernommen
    Alt 2, Quia fecit, 2:00 - 2:08 /1-4/
    Alt 1, Quia fecit, 2:01 - 2:11 /1-5/
    Bass, Quia fecit, 2:06 - 2:12 /3-5/
    Tenor , Quia fecit, 2:07 - 2:14 /4-6 Akkord auf 2:07 =f,d,b,b
    Keine Stimme hat ein identisches Thema, die sich aber sehr ähnlich sind und an die Antiphon anlehnen; bei 2:19 /9/ kommen alle Stimmen im 1. Viertel homophon an. Die weitere polyphone Stimmführung ist analog dem Teil 1, was bei 3:28 /34/ in einer Quarte auf einer ganzen Note homophon endet.



    Teil 3:


    3:30 - 3:47, die Antiphon ist in den 3 Stimmen erkennbar.
    Tenor, Fecit potentiam 3:48 - 4:01 /1-6/
    Alt 2, wie vor 3:52 - 4:05 /2-7/
    Alt 1, wie vor 3:58 - 4:09 /4-9/
    Auch hier hat keine Stimme ein identisches Thema (die aber dem Thema von Teil 1 sehr ähneln), die sich aber untereinander (w. o.) sehr ähnlich sind und auf der Antiphon fußen. Der Fortgang ist rein polyphon (das Thema incl. Umkehrung wird variiert, z. B. mit Durchgangsnoten verlängert, Notenwerte verkürzt, Umkehr einzelner Tonsprünge) und erst am Ende 5:28 /40/ treffen sich die 3 Stimmen in einer Quarte auf einer ganzen Note homophon.


    Teil 4:


    5:32 - 5:46, die Antiphon ist in den Stimmen erkennbar
    (Beim 1. Blick in die Noten könnte man meinen, es handele sich um einen kanonartigen Einsatz - NEIN - so einfach macht es sich (uns) der Komponist nicht)
    Alt 1, Esurientes, esurientes 5:47 – 6:11 /1-10/
    Alt 2, wie vor 5:47 - 6.11: /1-10/
    Tenor, wie vor 5:50 - 6:08 /2-8/
    Bass, wie vor 5:55 - 6:16 /4-12/ Akkord auf 5:55 = b, f,d, b
    Auch hier hat … weiter analogTeil 3…und erst am Ende 7:28 /37/… 4 Stimmen…



    Teil 5:


    7:29 – 7:46, beide Teile der Antiphon sind in den Stimmen erkennbar
    Sopran, Sicut locutus est, sicut locutus est, sicut locutus est 7:47 - 8:20 /1-13/
    Alt , wie vor 7:47 – 8:10 /1-10
    Tenor 1, wie vor 7:49 - 8:16 /1-12
    Tenor 2, wie vor 7:52 - 8:15 /3-11
    Bass, wie vor 7:56 - 8:15 /4-11 Akkord auf 7:56 = g,f,b,d,g
    Auch hier hat keine Stimme ein identisches Thema; in nicht gleichzeitigen Takten sind die unterschiedlichen Themen aber absolut gleich – z. B. T1, 3 Takte /1-4/ = B, 3 Takte /4-6/ (sodass durch die Wiederholungen ein Gehöreindruck von großer Ähnlichkeit entsteht). Der Fortgang…(wie bei Teil 3)… und erst am Ende 9:15 /33 treffen sich die 5 Stimmen; Gombert verlässt hier (was im vorletzten Takt vorbereitet wird) dorisch auf g in dorisch mit einer ganzen Note (g,d,h,g,g=G-Dur) homophon.


    Teil 6:


    9:16 – 9.29, die Antiphon ist in den 6 Stimmen erkennbar, besonders der Teil 1.
    Sopran, wie Bass, 9:42 – 10:03 /5-13/ Akkord wie Bass
    Alt 1, wie Bass, 9.45 – 9:57 /6-11/ Akkord auf 9:57 = b,f,d,d, f,d
    Alt 2, wie Bass, 9:31 – 9:52 /1-9/ Akkord auf 9:52 = f,f,a,-,f,d
    Tenor 1, wie Bass, 9:35 – 10:01 /3-12/ Akkord auf 10:01 = f,f,d,a,d,d
    Tenor 2, wie Bass, 9:34 – 10:01 /2-12/ dto.
    Bass, Sicut erat, 9:30 – 10:03 /1-13/ Akkord auf 10:03 = g,d,b,g,-,g
    Alt 2, in principio, 9.56 – 10:03 /11-13/
    Alt 1, wie Alt 2, 10:00 – 10:03 /12-13/
    Sopran wie Alt 2, 10:05 – 10:09 /14-15/
    Tenor 1 wie Alt 2, 10:02 – 10:09 /13-15/
    Tenor 2 wie Alt 2, 10:02 - 10;07 /13-15/
    Bass wie Alt 2, 10:07 – 10:13 / 15-16/


    Sopran Sicut erat nimmt deutlich Bezug auf Alt 1 Et exultavit im Teil 1.
    Alt 1 Sicut erat nimmt deutlich Bezug auf Alt 2 = Umkehrung Thema von Alt 1 im Teil 1.
    Alt 2 Sicut erat ist Variation (fast Diminution) von Sopran
    Tenor 2 Sicut erat ist Variation von Alt 1


    Es wird verständlich sein, dass ich diese Detailarbeit nicht über den ganzen 6-stimmigen Satz machen kann; folgend sind immer wieder Bezüge zur Antiphon und dem Thema aus Teil 1 zu hören. Ab dem 3.-letzten Takt wird wieder vorbereitet der Wechsel von dorisch auf g in dorisch mit einer ganzen Note (g,d,h,g,g,g=G-Dur) homophon.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Zweiterbass,


    vielen herzlichen Dank für diese detaillierte Beschreibung ! Ich werde vermutlich heute noch dieses Magnificat (endlich) auch akustisch bekommen. Doch allein aus deiner schönen Strukturanalyse kann man sehr gut die Kompositionstechnik und den "architektonischen" Stil Gomberts ersehen. Dass Gombert in den Schlussklängen immer wieder nach G-Dur geht, ist für mich bezeichnend. Ich habe den Eindruck, dass diese Hinwendung zum Dur-Moll Schema eine lange Entwicklung ist, und (so meine Meinung) doch ein offenbar in der Psyche des Menschen inhärentes Bedürfnis ausdrückt. Doch dies wäre an anderer Stelle vielleicht sehr interessant, einmal zu diskutieren.
    Ich werde wieder antworten, wenn ich das Magnificat gehört habe.


    Viele Grüße
    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Nun habe ich tatsächlich endlich das Magnificat gehört ! Es ist so schön, wie ich es mir vorgestellt habe. Und es ist immer wieder interessant zu beobachten, dass neben der imitatorischen Arbeit und der Beachtung (oder bewussten Verwerfung) von Regeln wunderbare Klangwirkungen zustande kommen und der Komponist sogar noch einen manifesten Gesamteindruck in Form einer Grundstimmung vermitteln kann (auch wenn dieses – selbstverständlich – hier nicht so individualisiert gedacht werden kann, wie in späteren Epochen).


    Viele Grüße


    Bachiania

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)

  • Hallo,


    ich verweise auf den Anfang des Beitrags Nr. 8 zum Magnificat 1 und bitte (bei Interesse) die jeweiligen Vergleiche zu ziehen.


    Das Magnificat 4 – „Et exultavit spiritus meus…“ - steht in der 4. Kirchentonart Hypophrygisch. Der Unterschied zu Phrygisch besteht im Tonumfang der Tonleiter. Eine Kirchentonart kann auf jedem Ton der C-Dur Tonleiter beginnen, sofern die für diese Kirchentonart typische Lage der Halbtonschritte dabei eingehalten wird; die Kirchentonarten unterscheiden sich also in der Lage der Halbtonschritte innerhalb der Tonleiter.


    Phrygisch beginnt auf „e“ und der 1. Halbtonschritt liegt zwischen der 1. und 2. Stufe, also von „e“ nach „f“; der 2. Halbtonschritt liegt zwischen der 5. und 6. Stufe, also von „h“ nach „c“; die phrygische Tonleiter hat damit einen Tonumfang von einer Oktave.
    Hypophrygisch beginnt auf „h“ unter dem „e“; der Tonumfang der Tonleiter ist also nach unten um 2 ½ Töne erweitert. Aber auch hier liegt der 1. Halbtonschritt zwischen der 1. und 2. Stufe, also „h“ nach „c“ und der 2.Halbtonschritt zwischen der 5. und 6. Stufe, also von „e“ nach „f“ – Hypophrygisch ist also ein im Tonumfang der Tonleiter erweitertes Phrygisch und beide Tonarten haben die identische Harmonik. (Im Unterschied dazu vergleiche man bitte im Beitrag N. 8 Dorisch auf „d“ und Dorisch auf „g“.)


    Dies als Vorspann um auf die Eigenheiten von Hypophrygisch einzugehen - ich werde aber nun nicht „sezieren“, sondern nur meinen Gehöreindruck posten:
    Ein in Dynamik, Tempo und Stimmenführung - besonders die jeweiligen Stimmeneinsätze hören sich fugen- kanonartig an, da sich die Stimmen an der vorhergehenden Antiphon orientieren - sehr einheitliches und gleichmäßig dahinfließendes Werk; da habe ich bei anderen Werken Gomberts schon mehr Annäherung an den Text gehört. Die Vorliebe des Komponisten für Dissonanzen fehlt hier völlig.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Hallo,


    bevor ich nun den 2. Teil zum Magnificat Nr. 5, Quinti toni, einstelle, meine ich, um Missverständnisse zu vermeiden, einige Klarstellungen machen zu müssen.


    Zu meinem Beitrag Nr. 1, Magnificat Nr. 5: Der Text aller 8 Magnificats ist (nat.) identisch; im Magnificat Nr. 5 vertont Gombert vor dem Text „O sacrum convivium…“ (Antiphon?) und dann „Magnificat anima mea Dominum“ – die Antiphon und „Magnificat anima meam Dominum“ werden einstimmig gesungen, die dann - wie beschrieben im Beitrag Nr. 1 - folgend wechselnd polyphone bzw. einstimmige Vertonung des Textes ist auch so bei den Magnificats 1 (Beiträge Nr. 8 und 37) und 4 (Beitrag Nr. 40) zu finden.


    Zu meinen Beiträgen Nr. 8 und 37, Magnificat Nr. 1: Vor dem Text vertont Gombert als Antiphon „Magnificat anima mea Dominum“ Das ist in meinem Beitrag nur als „Antiphon“ vermerkt, ohne Text.
    Die weiter als Antiphon bezeichneten Stellen 1:39 – 1:59 , 3:30 – 3:47 , 5:32 – 5:46 , 7:29 – 7:46 , 9:16 – 9:29 entsprechen den Texten 3, 5, 7, 9, 11 im Beitrag Nr.1, Magnificat Nr. 5.


    Zu meinem Beitrag Nr. 40, Magnificat Nr. 4: Hier habe ich nur kurz meinen Höreindruck beschrieben; die Textvertonung und die Antiphone entsprechen wie vor im Magnificat Nr. 1 beschrieben.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    dieser Beitrag ist eine Ergänzung zu Beitrag Nr. 1; die Textstellen benenne ich mit der Nummerierung gem. Beitrag Nr. 1.


    Magnificat 5, Quinti toni = Kirchentonart Lydisch, diese hat den Grundton (Finalis) f (zugleich tiefster Ton) und den Rezitationston c.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Rezitationston
    Die Halbtonschritte (für die Harmonik entscheidend) liegen zwischen dem 5. und 6. Ton (h-c) und dem 7. und 8. Ton (e-f).


    Ab Text Nr. 4 wechselt jedoch Gombert nach Hypolydisch (was aus den Noten m. E. zweifelsfrei ersichtlich ist). Der Unterschied zu Lydisch besteht darin, der Grundton (Finalis) bleibt f, der tiefste Ton wird jedoch c und der Rezitationston wird a; es handelt sich also (nur) um eine Erweiterung der Tonleiter, die Lage der Halbtonschritte und (damit die Harmonik) bleiben gleich.


    Die Anfangstöne der Antiphon sind eng verwandt mit den psalmodierenden Anfangstönen von Text 1.
    In der dann folgenden 4-stimmigen Polyphonie von Text 2 lehnen sich die 1. und 4. Stimme an die Antiphon an, während die 2. und 3. Stimme sich an den Anfangstönen von Text 1 orientieren. Es fällt auf, dass die 4 Stimmen mit sehr kurzen Abständen einsetzen, sodass anfangs ein fast kanonartiger Gehöreindruck entsteht. Und am Schluss steht in den Noten keine Quinte – eine Sexte – und auf der CD gem. Beitrag 1 ist ein A-Dur-Dreiklang zu hören???


    Die ersten 3 Töne des psalmodierenden Textvortrages 3 ergeben einen F-Dur-Dreiklang (wie auch bei Text 1).
    Wie oben schon erwähnt, wechselt Gombert nun ab Text 4 nach Hypolydisch - 1. Ton der 1. Stimme = c – und wenn man den Beginn der vier polyphonen Stimmen als gebrochenen Dreiklang mit Durchgangsnoten interpretiert, ist dies ein F-Dur-Dreiklang und nach meinem Wissen war es erlaubt/freigestellt, das h nach b zu erniedrigen [was in den Noten als(b) über den h erscheint), sodass die Harmonik zu F-Dur mutiert, was aber ab Takt 17 endet und auch der Satz in den Noten hypolydisch – d, a, f – schließt – der Satz auf der CD aber in einem D-Dur-Dreiklang endet???


    In der mir vorgelegenen Notenausgabe haben nun allerdings die Seiten 52/53 gefehlt (Bindefehler?), ich kann als erst ab Text 9 posten (Texte 5-8 fehlen).


    Die psalmodierende Melodie des Textes 3 ist identisch mit der Melodie der Texte 5, 7 und nun auch hier 9.
    Der Beginn des 4-stimmig polyphonen Satzes zum Text 10 ist wie bei Text 4 (nur in anderer Reihenfolge der Stimmen), allerdings ohne Durchgangsnoten und Verdoppelung der Notenwerte des Dreiklanges; die Erniedrigung der h nach b endet in Takt 13. In den Noten endet der Satz auf a, c – auf der CD in einem A-Dur-Dreiklang???


    Die psalmodierende Melodie des Textes 11 entspricht 3, 5, 7, 9.
    Im letzten Satz, Text 12, erweitert Gombert die Polyphonie auf 5 Stimmen, SATTB; nur je 1 Mal wird im Takt 14/15 das h zum b. In den Noten endet der Satz auf a, e – auf der CD in einem A-Dur-Dreiklang???




    Im 5. Magnificat hat sich Gombert die Freiheit genommen, von den strengen Vorgaben des Lydisch abzuweichen und die Interpreten haben sich bei den Schlussakkorden nicht an die Notenangaben der mir vorgelegenen Ausgabe (siehe Beitrag Nr. 8) gehalten.


    Ich habe dieses Werk (mit einem „leicht antreibenden“ Tempo) als sehr prächtig und mächtig gehört, was sich im letzten Satz durch die 5-Stimmigkeit noch steigert; m. E. ist die Bassstimme mehr führend, dies besonders im letzten Satz.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Der Unterschied zu Lydisch besteht darin, der Grundton (Finalis) bleibt f, der tiefste Ton wird jedoch c und der Rezitationston wird a; es handelt sich also (nur) um eine Erweiterung der Tonleiter, die Lage der Halbtonschritte und (damit die Harmonik) bleiben gleich.


    Hallo,
    nachdem bislang kein Protest (eine Ausnahme) kam, bleibt mir nur übrig, meinen Fehler selbst zu berichtigen:
    Nachdem sich die Lagen der Halbtonschritte auf der Tonleiter Hypolydisch verändern, verändert sich auch die Harmonik.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Dieser Thread ist ein Spezialisten Thread. Die Kenntnissen der musikalischen Struktur bewegt sich auf hohem Niveau. Es ist zu bedauern, dass alle im Thread Schreibenden im inaktiven Status sind.


    Wer sich als Hörer mit dieser anspruchsvollen Musik der franko-flämischen Polyphonie beschäftigt, dem erschliesst sich ein musikalischer Kosmos. So ergeht es mir. Man ist gefordert, wenn man die Stimmen verfolgt.


    Das Vocalensemble Beauty Farm hat auf einer Einzel- und zwei Doppel-CDs Motetten sowie auf einer Doppel-CD Messen von Nicolas Gombert aufgenommen.

    Jede Stimme ist einfach mit männlichen Sängern besetzt.

    Drei der vier Aufnahmen sind beim Werbepartner noch erhältlich. Man wird bei anderen Anbietern fündig.


    Das vierstimmige Aspice domine, das Zweiterbass einer fundierten Analyse unterzog Gombert (ca. 1495-1560) - franko-flämischer Komponist ist auf der dritten CD, die nicht mehr im Katalog ist. Track 2



    Ich bin soweit, in meinen Beiträgen Rechtschraibfehler stehen zu lassen als menschlicher Protest gegen die perfekte KI-Welt.



  • Der vernachlässigte Gombert…


    Ein so bedeutender Komponist – und doch bleibt sein Beitrag zur Musikgeschichte hier weitgehend unbeachtet. Im Thread finden sich 44 Beiträge, 7 CD-Cover mit seiner Musik, eine wissenschaftliche Analyse von sechs Werken sowie ein treffender, leicht kritischer Kommentar von moderato, dem ich nur zustimmen kann.


    Moderato hat leider recht: Das Interesse an Alter Musik ist im Forum eher gering. Aber das bedeutet nicht, dass unsere Texte ungehört verhallen – sie werden durchaus gelesen, auch von jenen, die nicht als Mitglieder im Tamino-Klassikforum angemeldet sind.


    Die Werke der Renaissance- und Frühbarockzeit erleben gerade eine stille Wiederentdeckung. Ensembles wie Beauty Farm zeigen, wie lebendig und mitreißend polyphone Musik sein kann – auch für ein jüngeres Publikum.


    Im Thread zu Gombert wird sein Vorname nur zweimal erwähnt, ein Lebenslauf fehlt bislang – ich arbeite derzeit daran und durchforste meine alten Studiennotizen auf der Suche nach verlässlichen Quellen. Es fehlt mir nur eine sichere historische Quelle.


    Lieber moderato, du gehörst zu den wenigen hier, die mit großer Sachkenntnis und ohne jede Überheblichkeit über Alte Musik schreiben. Ich hoffe sehr, dass auch unsere Leser außerhalb des Forums diese Musik für sich entdecken – sie bietet so viel mehr als das tägliche Hören der immergleichen Werke.

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  • Dieser Thread ist ein Spezialisten Thread. Die Kenntnissen der musikalischen Struktur bewegt sich auf hohem Niveau. Es ist zu bedauern, dass alle im Thread Schreibenden im inaktiven Status sind.

    Die Gründe sind traurig: freiwilliges Ausscheiden (bachiania) und Tod (2. Bass).

    Warum sind Obamas Memoiren so dick (700 S.). Damit Trump sie nicht liest.

  • Der Gesang der Reue – Aufstieg, Fall und Rückzug des Nicolas Gombert


    Nicolas Gombert (um 1495 – 1560) zählt zu den bedeutendsten Vertretern der franko-flämischen Vokalpolyphonie der Renaissance.


    Geboren wurde er im südlichen Flandern, möglicherweise in der Ortschaft La Gorgue westlich von Lille. Über seine frühen Jahre ist wenig bekannt, doch Vieles spricht dafür, dass er zwischen 1515 und 1521 Schüler des großen Josquin Desprez (um 1450–1521) war, der sich in dieser Zeit nach Condé-sur-l’Escaut zurückgezogen hatte. Diese Verbindung legt auch Gomberts bewegende sechsstimmige Motette "Musae Jovis" nahe – eine Klage über den Tod seines Lehrmeisters.



    Deutsche Übersetzung von mir:


    "O Musen des Himmelskönigs,

    vergießt Tränen und klagt im Gesang,

    ihr Sänger des Helikon,

    denn Josquin ist entschlafen.


    Josquin, der Ruhm des Himmels,

    das Licht der Musen,

    der Ruhm seiner Zeit –

    ist nun heimgegangen.


    Orpheus gleich in neuer Zeit,

    in süßer Harmonie ein Meister,

    dessen Kunst die Natur übertraf –

    nun ist er von uns gegangen.


    Preist ihn, ihr Sänger,

    lobt ihn, ihr Weisen,

    klagt ihn, ihr Dichter –

    denn Josquin ist entschlafen."


    Karriereabbruch und Rückzug aus dem kaiserlichen Dienst


    Im Jahr 1526 wurde Nicolas Gombert in die Hofkapelle von Kaiser Karl V. (1500–1558) aufgenommen. Bereits drei Jahre später übernahm er als magister puerorum die Leitung der Chorknaben – eine bedeutende Stellung, die sowohl musikalisches Können als auch pädagogisches Geschick erforderte. Die Hofkapelle begleitete den Kaiser auf seinen Reisen durch das Reich; so verweilte Gombert unter anderem in Toledo, Sevilla, Valladolid, Augsburg, Regensburg und Köln. Ab 1530 ist er zudem mehrfach in Italien nachweisbar.


    Doch zwischen 1537 und 1540 bricht Gomberts offizielle Karriere abrupt ab: Nach dem 13. November 1537 verschwindet sein Name aus den Rechnungsbüchern der Hofkapelle. Am 28. Dezember 1540 wird Cornelius Canis (um 1500–1562) als neuer maître des enfants geführt – ohne jede Erwähnung Gomberts. Die Gründe für diesen plötzlichen Bruch sind nicht in den kaiserlichen Archiven dokumentiert, wohl aber in einer einzigen, umso bedeutsameren Quelle.


    Der italienische Arzt und Humanist Hieronymus Cardanus (1501–1576) berichtet in seinem um 1560 entstandenen Werk "Theonoston", Gombert sei wegen eines sexuellen Übergriffs auf einen Chorknaben zu Zwangsarbeit auf den Galeeren verurteilt worden. Die Strafe war hart – insbesondere für einen Kleriker mit angesehenem Hofamt. Cardanus zufolge habe Gombert jedoch selbst in dieser Situation weiterkomponiert: Seine sogenannten „Schwanengesänge“, insbesondere eine Reihe von Magnificat-Vertonungen, hätten den Kaiser so bewegt, dass er ihn begnadigte. Ob diese Werke tatsächlich während der Haft entstanden, bleibt ungewiss.


    Mit hoher Wahrscheinlichkeit ereignete sich der sexuelle Übergriff Gomberts auf einen ihm anvertrauten Chorknaben Anfang Dezember 1537, in der ersten Adventswoche.


    Einige Forscher (Richard Sherr, Rob C. Wegman und Honey Meconi) vermuten, dass Gomberts bereits vor seiner Verurteilung veröffentlichte Motettensammlungen – insbesondere die 1539 erschienene Sammlung vierstimmiger Werke – als musikalisches Gnadengesuch an Kaiser Karl V. dienten.


    Ob Gombert die Strafe tatsächlich antrat oder bereits vor Vollzug begnadigt wurde, ist nicht gesichert.


    Ein aufschlussreicher Beleg für seine Rehabilitation ist ein Brief aus dem Jahr 1547, den Gombert an Ferrante I. Gonzaga (1507–1557) richtete, einen Vertrauten des Kaisers. Darin bezeichnet er sich als „Kanoniker von Doornik“. Zwar hatte er dieses Kanonikat bereits 1534 erhalten, doch gibt es keinerlei Hinweise auf eine Rückkehr an den Hof. Die vollständige Abwesenheit aus den Hofakten sowie die stille Einsetzung eines Nachfolgers legen nahe, dass Gombert zwar begnadigt, jedoch faktisch aus dem kaiserlichen Dienst ausgeschlossen wurde – eine Art diskrete Verbannung ohne formelle Rehabilitierung.


    Dass Gombert weiterhin mehrere geistliche Pfründen – unter anderem in Béthune, Kortrijk, Lens, Metz und Tournai – innehatte, weist ihn als Kleriker mit niederen Weihen aus. Zwar nannte er sich selbst „Kanoniker“, doch wird sein Name in Tournai nie unter den zelebrierenden Priestern geführt. Dies deutet darauf hin, dass er entweder nie die Priesterweihe empfing oder nach seiner Verurteilung keine liturgischen Aufgaben mehr ausübte.


    Sein letztes Lebenszeichen stammt, wie erwähnt, aus dem Jahr 1547. Der Musiktheoretiker Hermann Finck (1527–1558) erwähnt ihn 1556 noch als lebend, während Cardanus ihn 1561 als verstorben bezeichnet. Daraus lässt sich schließen, dass Gombert im Jahr 1560 starb – zurückgezogen, ohne Amt, aber als freier Mann.


    Gombert war einer der brillantesten Vertreter der durchimitierenden Polyphonie. Seine Musik ist gekennzeichnet durch dichte, eng verwobene Stimmenführung mit kaum spürbaren Einschnitten – homophone Passagen sind selten, klare Kadenzpunkte kaum erkennbar. Charakteristisch ist seine Vorliebe für Imitationen in sehr kurzen Abständen, was eine nahezu fließende klangliche Textur schafft.


    In seinen rund 140 Motetten, von denen viele der Marienverehrung gewidmet sind, und seinen zehn Messen erreichte Gombert eine kunstvolle Ausgewogenheit zwischen Ausdruck, technischer Meisterschaft und struktureller Geschlossenheit. Die Verwendung von dissonanten Klängen, Kreuzrelationen und modalen Überlagerungen verleiht seiner Musik emotionale Tiefe – besonders deutlich hörbar etwa im Motet Musae Jovis oder den Magnificat-Zyklen.


    Seine weltlichen Werke – etwa 70 Chansons – sind stilistisch anspruchsvoller als die meisten zeitgenössischen Stücke dieser Gattung. Zahlreiche davon wurden für Vihuela oder Laute arrangiert und waren weit verbreitet.


    Nach dem Tod Josquins stieg Gombert zu einem der meistgedruckten und europaweit geachteten Komponisten auf. Seine Werke fanden Eingang in gedruckte Sammlungen – oft als Monografien, was zu dieser Zeit selten war. Auch wenn die nachfolgenden Generationen – insbesondere unter dem Einfluss des Konzils von Trient (1545–1563) – eine klarere Textverständlichkeit und einfachere Satzweise bevorzugten, blieb Gomberts Einfluss spürbar.


    Insbesondere die instrumentale Musik profitierte von seinem Vermächtnis: Formen wie die Canzona, das Ricercar und schließlich die Fuge lassen sich direkt auf seine Vokalpolyphonie zurückführen. Gomberts Werk markiert einen Höhepunkt kontrapunktischer Komplexität – und den Übergang von der Renaissance zum Frühbarock.


    Zu den Quellen im Detail:


    1. Hieronymus Cardanus (1501–1576)


    Werk: "Theonoston" (verfasst 1560, veröffentlicht posthum 1562)

    Bedeutung: Cardanus ist die wichtigste Primärquelle für den Vorfall.

    Inhalt: Er berichtet, Gombert sei wegen des sexuellen Übergriffs auf einen Chorknaben verurteilt worden („stupro pueri principalis“) und habe auf den Galeeren dennoch großartige Musik komponiert, wodurch er später Gnade erlangt habe.


    "...damnatus ad triremes rusus Gombertus musicus stupro pueri principalis..."


    "...nicht weniger lobenswert ist die Tugend Nicolas Gomberts als sein Geschick. Denn obwohl er zu den Galeeren verurteilt und mit geketteten Füßen war, komponierte er dort jene Schwanengesänge, durch die er nicht nur die Freiheit, sondern auch wieder ein Kanonikat erhielt, womit er den Rest seines Lebens in Ruhe verbringen konnte."


    Bewertung:

    – Seine Darstellung ist die einzige zeitgenössische Quelle für die Anklage und Verurteilung.

    – Sie ist stilistisch überhöht und moralisch gefärbt, aber inhaltlich ernst zu nehmen.

    – Cardanus war mit Ferrante I. Gonzaga (1507–1557) persönlich bekannt – das erhöht die Glaubwürdigkeit der Bezüge zur Begnadigung.


    2. Hermann Finck (1527–1558)


    Werk: "Practica musica" (Leipzig, 1556)

    Inhalt: Finck erwähnt Gombert als noch lebend und nennt ihn einen Schüler Josquins.

    Er sagt nichts direkt über die Verurteilung, aber seine Aussage von 1556 wird als Terminus ante quem für Gomberts Tod verwendet.


    3. Lodovico Guicciardini (ca. 1521–1589)


    Werk: "Descrizione di tutti i Paesi Bassi" (Antwerpen, 1567)

    Inhalt: Guicciardini erwähnt Gombert als bereits verstorben, nennt aber keine Details zur Todesursache oder einem Skandal.


    4. Moderne musikwissenschaftliche Forschung:


    a) Richard Sherr


    Artikel: "Gombert’s Sentence: A Reappraisal"

    Erschienen in: "The Journal of the Royal Musical Association"

    These: Lewis hinterfragt, ob Gombert wirklich eine Galeerenstrafe verbüßte.

    Er argumentiert, dass die 1539 publizierten Bußmotetten realistischer als Mittel zur Begnadigung anzusehen sind als die späteren Magnificat-Vertonungen.


    b) Gustave Reese


    Buch: "Music in the Renaissance" (1954)

    Inhalt: Reese bezieht sich auf Cardanus und behandelt den Vorfall als glaubwürdig, weist aber auch auf die stilistischen Unsicherheiten der Quelle hin.


    c) Richard Sherr / Stanley Boorman / Lewis Lockwood / Alejandro Enrique Planchart


    Diese Autoren behandeln Gombert in musikhistorischen Standardwerken (z. B. New Grove Dictionary of Music and Musicians) unter Berufung auf Cardanus und Lewis.


    Die entscheidene Quelle befindet sich in Brüssel: Archives Générales du Royaume (Belgien)


    Bestand: Dokumente zur Capilla Flamenca (flämische Hofkapelle) und zur Verwaltung der Burgundischen Niederlande.


    Es war wie gesagt der letzte Monat, in dem Gombert namentlich in den Hofrechnungen erwähnt wird (13. November 1537 ist das letzte belegte Datum).


    Kurz darauf verschwindet er kommentarlos aus den kaiserlichen Archiven – ein plötzlicher Abbruch, der eben zu einer internen Untersuchung oder Sanktionierung passen würde.


    Begnadigung und gleichzeitige Verbannung sind keine Seltenheit in frühneuzeitlichen Gnadenpraktiken, insbesondere bei geistlichen oder höfischen Amtsträgern, deren Rückkehr ins Amt politisch oder moralisch nicht mehr tragbar war. In Gomberts Fall scheint dies genau der Fall gewesen zu sein.

  • Toller Beitrag!


    Wir hatten hier einen sehr kompetenten Mitstreiter, der sich Gombert nannte, der hier auch viel über alte Musik geschrieben hat, aber zumindest zeitlich zusammen mit Bachiania von der Fahne gegangen ist.


    Obwohl durchaus der alten Musik zugetan, habe ich selbst bisher noch wenig von Gombert gehört. Das wird jetzt nachgeholt.

  • Moderato hat leider recht: Das Interesse an Alter Musik ist im Forum eher gering. Aber das bedeutet nicht, dass unsere Texte ungehört verhallen – sie werden durchaus gelesen, auch von jenen, die nicht als Mitglieder im Tamino-Klassikforum angemeldet sind.

    Lieber moderato, du gehörst zu den wenigen hier, die mit großer Sachkenntnis und ohne jede Überheblichkeit über Alte Musik schreiben. Ich hoffe sehr, dass auch unsere Leser außerhalb des Forums diese Musik für sich entdecken – sie bietet so viel mehr als das tägliche Hören der immergleichen Werke.

    Lieber Andreas, du bist nicht nur aus Berlin, sondern eine wertvolle "Neuerwerbung" in alter Musik.

    Du hast eine sehr weitreichende wissenschaftliche Ausbildung und große Kenntnisse. Aber du scheinst zu meinen, dass hier nur wissenschaftliche Aufsätze zählen, allerdings immer auch mit Aufnahmen.

    Im Forum schreiben aber auch andere über Alte Musik, die keine Musikwissenschaftler sind, aber viel kennen. Zu diesen zählt z.B. Fiesco und m.müller, dazu haben wir eine große Reihe mit Alter Musik, die aber nach Ensembles gegliedert ist, nicht nach Komponisten.

    Ich selber habe in meinem "Schreibtisch" (ganz unten im Inhaltsverzeichnis) ein ganzes Kapitel damit, unter dem Titel "Millle regretz und der Trost der Polyphonie"! Das ist nicht Wissenschaft, sondern Anregung mit speziellen Aufnahmen.

    Hier sind vertreten: Victoria (9 Beiträge), Orlando diLasso, Palestrina, Lobo, Josquin, Navarro, Byrd, Tallis, Daser, Gombert, Morales, Machaut, Binchois, Striggio u.a.

    Ich war von 1982 bis 1992 in einem Essener Vokalensemble (Tenor) und mein erstes Werk dort war die "Missa Papae Marcelli". Für uns war das Neuland und wir haben mit Begeisterung geprobt. Neu für uns Tenöre war die Tatsache, dass wir gleichberechtigt waren und nicht nur die Füllstimmen für den Sopran. Die "Missa Papae Marcelli" weist zwei Tenorstimmen auf, und es war Ehrensache für uns 5 Sänger, beide zu können und am Abend zu entscheiden, wer wo singt (ein Verfahren, das wir bei Schützens "Exequien" auch geübt haben).

    Noch eine Anregung: es gibt hier ein Thema, das heißt "Alle sprechen über dasselbe Musikwerk".

    Alle 14 Tage stellt einer der mitwirkenden Taminos ein Stück mit Aufnahme vor; die andern haben dann Zeit, zu kommentieren, bis sie selbst dran sind.

    Bei deinen Repertoirekenntnissen wärest du sicher eine Bereicherung.

    Nachtrag: im obigen Zitat sprichst du im Zusammenhang mit Musik nur von "schreiben" und "lesen". Der Ansatz von uns Laien ist eher zunächst "hören".

    Warum sind Obamas Memoiren so dick (700 S.). Damit Trump sie nicht liest.

  • Danke füe Eure positive Reaktion!. Ich bin berufstätig und brauche diesmal etwas mer Zeit um über Nicolas Gomberts Werken zu schreiben. Bitte um Geduld. Das Anfertigen von Übersetzungen nimmt viel Zeit in Anspruch.

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  • Polyphone Musik ist anspruchsvoll für den Hörer und die Sänger.


    Das Mitverfolgen der Stimmen ist ein besonderer Genuss, um sich im Geflecht der Stimmen zurechtzufinden.


    Nicolas Gombert (1495-1560): Musae Jovis


    Es handelt sich um ein Lament auf den Tod Josquin des Prés (1440-1521).


    Achtung: Die King's Singers singen es einen Ganzton über der notierten Tonhöhe.


    Gegen Schluss bei 4 min 28 s beachte man die Beschleunigung.


    Musae Jovis ter maximi

    Proles, canora plangite,

    Comas cypressus comprimat:

    Josquinus ille occidit,

    Templorum decus

    Et vestrum decus.


    Saevera mors et improba,

    Quae templa dulcibus sonis privat,

    et aulas principum,

    Malum tibi quod imprecer

    Tollenti bonos,

    Parcenti malis.


    Apollo sed neccem tibi

    Minatur, heus mors pessima

    Musas hortatur addere

    Et laurum comis

    Et aurum comis.


    Josquinus inquit optimo

    Et maximo gratus Jovi,

    Triumphat inter caelites

    Et dulce carmen concinit,

    Templorum decus,

    Musarum decus.


    Cantus firmus:

    Circumdederunt me gemitus mortis

    Dolores inferni circumdederunt me.


    Musen, Nachkommen des dreimal

    allmächtigen Jupiter, jammert in Klagen,

    lasst die Zypresse ihre Stränge zusammenziehen:

    Josquin ist gestorben,

    der Schmuck der Tempel,

    und euer Stolz.


    Harter und böser Tod,

    der die Kirche und

    die fürstlichen Paläste ihrer süßen Klänge beraubt,

    ich wünsche euch Böses,

    das Gute nimmt und das Böse verschont.


    Doch Apollo droht euch

    mit Vernichtung, o schrecklichster Tod,

    ermuntert die Musen,

    Lorbeer und Gold ins Haar zu stecken.


    „Josquin, dem Jupiter, dem Höchsten

    und Allmächtigen, so lieb,

    triumphiert nun unter den Himmelsbewohnern

    und stimmt süße Musik an,

    der Schmuck der Tempel,

    und der Stolz der Musen.“


    Cantus firmus:

    Die Sorgen des Todes und die Qualen der Hölle

    haben mich umringt.



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  • Lieber moderato, danke für die schöne Messe.

    Ich erlaube mir, den lateinischen Text selbst zu übersetzen (im Geiste der Epoche):


    "Ihr Musen, Töchter des dreimal höchsten Jupiter,

    klagt laut mit wohlklingender Stimme!

    Die Zypresse bändige euer Haar –

    Josquin, der (berühmte), ist gestorben,

    die Zierde der Tempel

    und eures eigenen Ruhms.


    O Tod, grausam und ruchlos,

    der du die Tempel um ihren süßen Klang bringst

    und die Höfe der Fürsten verstummen lässt –

    welches Übel soll ich dir wünschen,

    da du die Guten raubst

    und die Schlechten verschonst?


    Doch Apoll selbst

    droht dir, o abscheulicher Tod, mit dem Tod!

    Er mahnt die Musen, deinem Haupt

    Lorbeer beizulegen

    und Gold in dein Haar zu flechten.


    Josquin, so sagt man,

    ist dem besten und höchsten Jupiter willkommen –

    er triumphiert nun unter den Himmlischen

    und stimmt ein süßes Lied an,

    Zierde der Tempel,

    Zierde der Musen!


    Cantus firmus:

    „Mich umgaben die Seufzer des Todes,

    die Schmerzen der Unterwelt umringten mich.“

  • Das Werk von Nicolas Gombert (um 1495–1560) ist nicht in allen Teilen sicher datierbar, da viele seiner Kompositionen ohne genaues Entstehungsdatum überliefert sind. Dennoch lassen sich durch stilistische Analysen, Textverwendung und historische Kontexte ungefähre zeitliche Einordnungen vornehmen. Ich orientiere mich dabei auch an den Gattungen und der stilistischen Reife seiner Werke.


    Hier ist eine wahrscheinliche Reihenfolge vom frühesten bis zum spätesten Werken:


    Frühe Phase (ab etwa 1520 bis 1530)


    Motetten in Josquin-Nachfolge, oft mit klarer Textgliederung und imitatorischer Struktur, aber noch nicht mit der dichten Polyphonie der späteren Werke:


    "Musae Jovis" (Trauermotette auf Josquin, wohl um 1521),

    "Tulerunt Dominum meum",

    "Quam pulchra es".


    Diese Werke zeigen noch ein stärkeres Festhalten an der Josquin’schen Klarheit.


    Reifezeit am Kaiserhof (im 1530 bis 1540) – Glanzzeit


    Komplexe Motettenzyklen, oft mit dichter Imitation, paralleler Stimmführung und dunklem Klangbild (tief liegende Stimmen) haben:

    "Hodie nobis de caelo",

    "Benedicite Dominum omnes Angeli",

    "Lugebat David Absalon",

    "Media vita in morte sumus",

    "Credidi propter quod locutus sum".


    Diese Werke zeigen Gombert auf dem Höhepunkt seiner polyphonen Kunst.


    Magnificat-Vertonungen (Primi Toni, Secundi, Tertii et Octavi, Quarti Toni)


    Diese könnten ebenfalls in diese Zeit fallen, vielleicht mit Ausnahme des Magnificat Quarti Toni, das oft als etwas später und besonders ausgereift gilt.


    Späte Werke / Nach der Verbannung (um 1540 bis 1560)


    Nach der überlieferten Bestrafung durch Karl V. soll Gombert in Verbannung komponiert haben. Einige Werke aus dieser Zeit werden als besonders kontemplativ und düster charakterisiert:


    Antiphonen und spätere Motetten, etwa:

    "Omnes Sancti" (Allerheiligen),

    "O beata Maria",

    "Ecce nunc benedicite" (wohl für den 18. Dezember),

    "Verbum caro factum est" (Weihnachten),

    "Respice Domine" (vermutlich für Palmsonntag oder Fastenzeit).


    Diese Werke wirken teilweise introvertierter und zeigen eine Konzentration auf dichte Polyphonie ohne klare Zäsuren.

  • Nicolas Gombert (um 1495 - 1560): Geistliche Werke

    4 Magnificats,

    Antiphon zu Allerheiligen,

    Großes Antiphon zum 18.Dezember,

    Antiphon zur Geburt unseres Herrn,

    Antiphon zum Vortag des Palmsonntags.

    The Tallis Scholars unter der Leitung von Peter Philipps (* 1953)

    Aufnahme: 2000



    Teil I.


    Track 1: Anonymus – Antiphon zur ersten Vesper des Allerheiligenfestes (1. November)

    „O quam gloriosum est regnum“


    Diese Antiphon eröffnet die erste Vesper zum Hochfest Allerheiligen am Abend des 31. Oktober. Der Text ist ein feierlicher Ausblick auf die himmlische Herrlichkeit, die den Heiligen verheißen ist. Die Kirche preist in dieser Antiphon nicht nur das Ziel der Erlösten, sondern lädt die Gläubigen ein, daran Anteil zu nehmen – durch Glauben, Heiligkeit und Hoffnung.


    Die Vertonung stammt von einem anonymen Komponisten und ist vermutlich im Stil der Renaissance gehalten: mehrstimmig, ausgewogen, ruhig feierlich. Die Musik ist getragen von einer würdevollen Klangsprache, die nicht auf Emotion, sondern auf geistliche Tiefe zielt.


    Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:


    "O wie glorreich ist das Reich,

    in dem alle Heiligen mit Christus sich freuen!

    In weißen Gewändern bekleidet,

    folgen sie dem Lamm, wohin es auch geht."


    Diese Antiphon ist ein musikalischer Blick in das himmlische Jerusalem, ein ruhiges Lob der ewigen Gemeinschaft mit Christus. Die Musik unterstützt diese Vision, indem sie Transzendenz und Frieden ausstrahlt – als würde sie einen Raum des Lichtes eröffnen, in dem keine Angst und kein Streit mehr existieren. Als Einleitung zur Vesper des Allerheiligenfestes schafft sie eine Atmosphäre der Sammlung und Hoffnung.


    Track 2: Nicolas Gombert – Magnificat I (Primi Toni)

    Erster Vers: „Magnificat anima mea Dominum“


    Mit diesem Vers beginnt Nicolas Gomberts erstes Magnificat, das im ersten Kirchenton (primi toni / dorisch) komponiert ist. Der dorische Modus ist fest, würdevoll, klar – und ideal geeignet für den liturgischen Charakter dieses Lobgesangs. Der Text „Magnificat anima mea Dominum“ (Meine Seele preist den Herrn) bildet den feierlichen Auftakt des marianischen Gesangs, der in der täglichen Vesper gesungen wird.


    Gombert gestaltet diesen ersten Vers mit klar strukturierter Polyphonie. Die Stimmen treten in enger Imitation auf, fließen ruhig ineinander und bauen ein dichtes, aber transparentes Klanggewebe. Die Musik erhebt sich nicht in Jubel, sondern entfaltet sich in innerer Sammlung und erhabener Ruhe – ein Lobpreis ohne Überschwang, getragen von kontemplativer Kraft.


    Deutsche Übersetzung:


    "Meine Seele preist die Größe des Herrn."


    Dieser erste Satz gibt den Ton für das gesamte Werk an: Es ist ein Lob, das nicht laut, sondern tief ist. Gomberts Musik bringt diese Haltung vollendet zum Ausdruck – sie lädt nicht zum Triumph, sondern zur Betrachtung. Das „Magnificat“ beginnt bei ihm nicht mit einem Ruf, sondern mit einem Gebet aus der Stille, das sich langsam entfaltet.


    Track 3: Magnificat I (Primi Toni)

    Zweiter Vers: „Quia respexit humilitatem ancillae suae“


    In diesem Vers vertont Nicolas Gombert einen der persönlichsten Abschnitte des Magnificat: Maria spricht von der Niedrigkeit ihrer selbst und davon, dass Gott auf sie geschaut hat. Es ist ein stilles, inneres Staunen über die göttliche Erwählung. Im dorischen Modus (primi toni) entfaltet Gombert diesen Vers in einer verhaltenen, tief empfundenen Polyphonie, die ganz auf den geistlichen Gehalt des Textes ausgerichtet ist.


    Die Musik ist zurückgenommen, aber präzise geführt. Die Stimmen setzen nacheinander ein, greifen sich auf, imitieren sanft – nichts drängt sich in den Vordergrund. Gombert lässt der Ehrfurcht Raum. Die Struktur bleibt klar, der Ausdruck gesammelt.


    Deutsche Übersetzung:


    "Denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut;

    siehe, von nun an werden mich alle Geschlechter selig preisen."


    Diese Passage ist in Gomberts Vertonung kein Ausbruch des Stolzes, sondern eine musikalische Verneigung vor der Demut Marias. Die Musik reflektiert die Spannung zwischen dem Irdisch-Kleinen und dem Göttlich-Großen – und tut dies mit stiller Tiefe, nicht mit lauter Geste.


    Track 4: Magnificat I (Primi Toni)

    Dritter Vers: „Et misericordia eius a progenie in progenies“


    In diesem Vers seines ersten Magnificat, das im dorischen Modus (primi toni) steht, setzt Nicolas Gombert musikalisch die zentrale Aussage über Gottes dauerhaftes Erbarmen um. Der Text spricht davon, dass sich Gottes Barmherzigkeit über alle Generationen hinweg erstreckt – eine Botschaft der Hoffnung und Verlässlichkeit.


    Gombert begegnet dieser Aussage mit einer ruhig fließenden, klangvollen Polyphonie. Die Stimmen imitieren sich gegenseitig in gemäßigtem Tempo, sodass ein Gefühl von Zeitlosigkeit und Beständigkeit entsteht. Die Musik wirkt weder starr noch aufgeregt, sondern offen und getragen. Der dorische Modus verleiht ihr eine ernste Klarheit, die ideal zu dieser Aussage passt.


    Deutsche Übersetzung:


    "Und sein Erbarmen gilt von Generation zu Generation

    allen, die ihn fürchten."


    In der musikalischen Ausdeutung dieses Verses zeigt sich Gomberts Gespür für geistliche Tiefe: Seine Musik eilt nicht, sondern verweilt – wie ein stiller Blick zurück durch die Geschichte des Glaubens. Der Klang wird zum Ausdruck der fortdauernden göttlichen Gegenwart, die über alle Zeiten hinweg trägt.


    Track 5: Magnificat I (Primi Toni)

    Vierter Vers: „Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles“


    In diesem Vers seines ersten Magnificat, komponiert im dorischen Modus (primi toni), vertont Nicolas Gombert den berühmten Gedanken der göttlichen Umkehrung: Die Mächtigen werden gestürzt, die Demütigen erhöht. Diese Worte Marias bringen die radikale Gerechtigkeit Gottes auf den Punkt – und Gombert findet dafür eine musikalische Form, die kraftvoll und gleichzeitig maßvoll bleibt.


    Die Polyphonie ist lebendig, aber nicht aufgeregt: Beim „Deposuit potentes“ sinken die Stimmen merklich ab – eine klangliche Geste des Sturzes. Beim „et exaltavit humiles“ heben sich die Linien wieder an, ohne Pathos, aber mit klarem musikalischem Zeichen. Der dorische Modus verleiht der Vertonung dabei eine erdige Würde, die auf Ausgewogenheit statt Dramatik setzt.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt

    und die Niedrigen erhöht".


    Diese musikalische Umsetzung ist kein Triumphgesang, sondern ein ernsthaftes Bekenntnis zur Gerechtigkeit Gottes. Gombert deutet den Text nicht moralisch oder politisch, sondern geistlich: Die Musik wird zum Spiegel göttlichen Wirkens, in dem menschliche Maßstäbe nicht mehr gelten. Der Wechsel zwischen Tiefe und Höhe in der Musik bringt genau das auf stille, eindrucksvolle Weise zum Ausdruck.


    Track 6: Magnificat I (Primi Toni)

    Fünfter Vers: „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“


    In diesem Track vertont Nicolas Gombert den fünften Vers seines ersten Magnificat, das im ersten Kirchenton (primi toni / dorisch) steht. Der Text spricht von der treuen Zuwendung Gottes zu Israel, seinem Volk, in Erinnerung an das gegebene Heilversprechen. Der Gedanke der göttlichen Barmherzigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Magnificat – und hier findet er seine klare Formulierung.


    Musikalisch gestaltet Gombert diese Passage mit einer ruhigen, sehr ausgewogenen Polyphonie. Die Stimmen entfalten sich in gleichmäßigem Fluss, in enger Imitation und klarem Aufbau. Der dorische Modus gibt der Musik einen festen, würdevollen Charakter, ohne Schwere – eine Klanggestalt des vertrauensvollen Glaubens.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er hat sich seines Dieners Israel angenommen

    und an sein Erbarmen gedacht."


    Gomberts Tonsatz ist hier getragen und innig, mit einer feierlichen Ruhe, die den Text nicht überhöht, sondern ihn durchleuchtet. Es ist ein musikalisches Bekenntnis zur Treue Gottes – kein lauter Jubel, sondern eine stille Vergewisserung des Glaubens, musikalisch verankert in klarem Satz und ernstem Ton.


    Track 7: Magnificat I (Primi Toni)

    Sechster Vers: „Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto“


    Mit diesem Track endet Nicolas Gomberts erstes Magnificat, komponiert im ersten Kirchenton (primi toni / dorisch). Der Schlussvers – die sogenannte kleine Doxologie – bringt den marianischen Lobgesang in den überzeitlichen Rahmen des dreifaltigen Gotteslobes. In der Liturgie beschließt das Gloria Patri jedes Magnificat und lenkt den Blick vom persönlichen Lob Marias hin zur ewigen Herrlichkeit der Trinität.


    Gomberts Vertonung dieses Verses ist von ruhiger Feierlichkeit geprägt. Die Polyphonie bleibt eng geführt, die Imitationen wohlgeordnet, die Stimmführung ausgeglichen – ein würdevoller, nicht überhöhter Schluss. Der dorische Modus verleiht dem Klang eine ernste Festlichkeit, die weder düster noch überschwänglich ist, sondern gesammelt und erhaben.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."


    In Gomberts musikalischer Sprache wird dieses „Ehre sei“ nicht zum bloßen Abschluss, sondern zu einem stillen Hinübergleiten in die Ewigkeit. Der Lobpreis endet nicht – er klingt weiter, jenseits des letzten Akkords. Dieses Gloria bildet den krönenden Abschluss eines Magnificat, das in seiner ganzen Struktur die Tiefe und Schönheit liturgischen Denkens und Komponierens in der Hochrenaissance offenbart.


    Track 8: Anonymus – Antiphon zur ersten Vesper des Allerheiligenfestes (Reprise)

    „O quam gloriosum est regnum“ – Wiederholung nach dem Magnificat


    Diese Antiphon gehört zur liturgischen Vesper des Hochfestes Allerheiligen (1. November). Der Text „O quam gloriosum est regnum“ wird traditionell vor dem ersten Psalm gesungen – und nach dem Magnificat feierlich wiederholt. Diese Reprise verleiht der Vesper einen geschlossenen, meditativen Rahmen und bringt die Hoffnung auf das ewige Leben noch einmal in den Mittelpunkt.


    Die Musik stammt von einem anonymen Komponisten und ist vermutlich im Stil der franko-flämischen Renaissance gehalten: mehrstimmig, ruhig fließend und feierlich, aber nicht überladen. Die Vertonung strahlt Erhabenheit und Zuversicht aus – eine musikalische Vision der himmlischen Herrlichkeit.


    Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:


    O wie glorreich ist das Reich,

    in dem alle Heiligen mit Christus sich freuen!

    In weißen Gewändern bekleidet,

    folgen sie dem Lamm, wohin es auch geht.


    Diese Antiphon ist ein Lobgesang auf die Vollendung der Heiligen, auf das Ziel des Glaubens. Ihre Wiederholung nach dem Magnificat unterstreicht noch einmal, wohin der Weg führt, den Maria im Magnificat im Glauben beschreibt: zur Gemeinschaft mit Christus im ewigen Licht. Die Musik trägt diese Botschaft in ruhiger Feierlichkeit – ein Moment liturgischer Sammlung und Hoffnung.



    Track 9: Anonymus – Große Antiphon zum 18. Dezember: „O Adonai“


    Diese Antiphon ist die zweite der berühmten sieben „O-Antiphonen“, die vom 17. bis 23. Dezember jeweils in der Vesper vor dem Magnificat gesungen werden. Sie richten sich in Erwartung des kommenden Messias an Christus selbst und sind durch ihre poetische Dichte und prophetische Bildsprache besonders eindrucksvoll. Die Antiphon vom 18. Dezember trägt den Titel „O Adonai“ und ruft Christus als Herrn und Gesetzgeber Israels an – als den, der sich Mose im brennenden Dornbusch offenbarte.


    Die Musik dieses Tracks stammt von einem anonymen Komponisten, ist aber im Stil der Hochrenaissance gehalten, mit schlichter, feierlicher Mehrstimmigkeit. Sie verleiht dem kurzen liturgischen Text eine Atmosphäre ehrfürchtiger Erwartung und andächtiger Hoffnung.


    Deutsche Übersetzung:


    "O Herr und Führer des Hauses Israel,

    du bist dem Mose im flammenden Dornbusch erschienen

    und hast ihm auf dem Sinai das Gesetz gegeben:

    Komm, um uns mit ausgestrecktem Arm zu erlösen."


    Track 10: Magnificat II (Secundi Toni)

    Erster Vers: „Magnificat anima mea Dominum“


    Diese Vertonung ist Teil von Nicolas Gomberts zweitem Magnificat-Zyklus, der im zweiten Kirchenton (secundi toni, also hypodorisch) steht. Der zweite Modus klingt in der Regel etwas milder, nach innen gewandt und warm. Gombert bleibt seiner kompositorischen Handschrift treu: Er verbindet eine dichte, eng gewobene Polyphonie mit sanfter Klangfülle und rhythmischer Ruhe – ideal geeignet, um die kontemplative Tiefe des marianischen Lobgesangs musikalisch auszudrücken.


    In diesem Track wird der erste Vers des Magnificat polyphon vertont. In der Liturgie wird das Magnificat in sogenannter alternatim-Praxis gesungen, d. h. die ungeraden Verse werden kunstvoll mehrstimmig komponiert, während die geraden im schlichten gregorianischen Stil erklingen. Gombert greift also hier den Eröffnungsvers auf, in dem Maria Gott lobt für sein gnädiges Eingreifen in ihr Leben.


    Deutsche Übersetzung des 1. Verses:


    "Meine Seele preist die Größe des Herrn."


    Dieser erste Vers ist der feierliche Auftakt des ganzen Lobgesangs und entfaltet in Gomberts Vertonung einen ruhigen, doch klanglich reichen Beginn, der den inneren Jubel Marias in kunstvoller Mehrstimmigkeit hörbar macht. Der Satz ist nicht dramatisch, sondern getragen und ehrfürchtig – er öffnet Raum für das Göttliche, das sich im Menschlichen offenbart.


    Track 11: Magnificat II (Secundi Toni)

    Zweiter Vers: „Quia respexit humilitatem ancillae suae“


    Dieser Track enthält den zweiten polyphon vertonten Vers aus Gomberts Magnificat II im zweiten Modus (secundi toni). Es handelt sich um einen der emotional tiefsten Momente im gesamten Text: Maria bekennt in aller Demut, dass Gott auf ihre Niedrigkeit geblickt hat – ein zentrales Motiv des Magnificat.


    Gombert setzt diesen Vers mit seiner typischen klanglichen Dichte und Imitationstechnik. Die Musik ist ruhig, dabei ausdrucksstark und verweilt förmlich auf der ehrfürchtigen Haltung Marias. Der zweite Modus, leicht introvertiert und sanft, verleiht der Passage eine besondere Zartheit und Würde.


    Deutsche Übersetzung:


    "Denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut;

    siehe, von nun an werden mich alle Geschlechter selig preisen."


    Der Satz lebt vom Kontrast zwischen der menschlichen Kleinheit und der göttlichen Erwählung. Gombert bringt diesen Spannungsbogen zum Klingen: In der Musik spiegelt sich einerseits Marias tiefe Demut, andererseits die große Würde, die ihr durch die Erwählung zuteilwird. Der musikalische Ausdruck bleibt verhalten und edel – ein Moment der stillen Erhebung.


    Track 12: Magnificat II (Secundi Toni)

    Dritter Vers: „Et misericordia eius a progenie in progenies“


    In diesem Track vertont Nicolas Gombert den dritten polyphonen Abschnitt seines zweiten Magnificat im zweiten Modus (secundi toni). Der Text spricht von der Barmherzigkeit Gottes, die sich über Generationen hinweg erstreckt – ein zentrales Motiv biblischer Theologie und marianischer Frömmigkeit.


    Gombert behandelt diesen Vers mit der ihm eigenen dichten Polyphonie: Die Stimmen verschlingen sich in kunstvoller Imitation, wobei die Musik nicht nur innere Andacht vermittelt, sondern auch einen überzeitlichen Charakter entfaltet – so, wie der Text von der fortdauernden Gnade Gottes spricht. Die ruhige Tonart des zweiten Modus unterstützt diesen Eindruck von Zeitlosigkeit und Beständigkeit.


    Deutsche Übersetzung:


    "Und sein Erbarmen gilt von Geschlecht zu Geschlecht denen, die ihn fürchten."


    Der musikalische Charakter dieser Passage ist feierlich und zugleich tiefgründig. Es ist kein triumphaler Lobpreis, sondern ein kontemplatives Staunen über Gottes Güte durch die Jahrhunderte. Gomberts Musik verweilt auf der Idee des „Erbarmens“, lässt die Stimmen fließen und sich umschließen – als würde die göttliche Barmherzigkeit selbst musikalisch greifbar werden.


    Track 13: Magnificat II (Secundi Toni)

    Vierter Vers: „Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles“


    Dieser Abschnitt gehört zu den eindrucksvollsten und kraftvollsten Momenten im gesamten Magnificat-Text: Er beschreibt, wie Gott die Ordnung der Welt umkehrt – die Mächtigen stürzt er vom Thron, die Niedrigen erhöht er. Nicolas Gombert vertont diesen Vers im Rahmen seines Magnificat II im zweiten Kirchenton (secundi toni) und bringt dabei die kontrastreichen Aussagen des Textes klanglich zur Geltung.


    Gombert nutzt seine charakteristische Polyphonie und Imitationstechnik, um Bewegung, Dramatik und innere Spannung zu erzeugen. Der musikalische Satz ist intensiver als in den vorangegangenen Versen – hier spürt man einen Wechsel in der Ausdruckskraft: Die „potentes“ (die Mächtigen) sinken musikalisch ab, während die „humiles“ (die Demütigen) sich klanglich erheben. Trotz dieser Dynamik bleibt der Gesamtcharakter des Werkes kontemplativ und ausgewogen, wie es dem zweiten Modus entspricht.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er stürzt die Mächtigen vom Thron

    und erhöht die Niedrigen."


    Gomberts Musik verleiht diesen Worten eine fast szenische Qualität – und doch bleibt sie liturgisch eingebettet, streng polyphon und formal ausgewogen. Es ist ein musikalisches Bild der göttlichen Gerechtigkeit, wie sie Maria in ihrem Lobgesang preist: machtvoll, doch zugleich barmherzig und still.


    Track 14: Magnificat II (Secundi Toni)

    Fünfter Vers: „Suscepit Israel puerum suum“


    In diesem Track vertont Nicolas Gombert den Vers „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“, den vorletzten Vers des Magnificat. Der Text bezieht sich auf Gottes treues Handeln an seinem Volk Israel – ein Rückblick auf die Heilsgeschichte, in der Gott seine Barmherzigkeit immer wieder neu offenbart.


    Die Vertonung dieses Verses steht im zweiten Kirchenton (secundi toni), der für seine ruhige, nach innen gekehrte Klanglichkeit bekannt ist. Gombert entfaltet den Satz in seiner typischen, dichten Polyphonie, jedoch mit einer gewissen Sanftheit und Wärme. Die Musik wirkt wie ein geborgener Rückzug in den Trost der göttlichen Treue. Die Stimmen umfließen einander gleichmäßig, es gibt keine scharfen Kontraste, sondern eine Art musikalisches Umhülltsein – ganz im Sinne des Textes.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er hat sich seines Knechtes Israel angenommen,

    und an sein Erbarmen gedacht."


    Gomberts Musik verleiht diesem Vers einen leisen, dankbaren Nachklang. Sie ist nicht triumphal, sondern voller stiller Gewissheit: Gott handelt treu, wie er es verheißen hat. Gerade in dieser Schlichtheit entfaltet sich die Tiefe seiner Komposition.


    Track 15: Magnificat II (Secundi Toni)

    Sechster Vers: „Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto“


    Mit diesem Track endet Nicolas Gomberts Magnificat II im zweiten Kirchenton (secundi toni). Die Vertonung des „Gloria Patri“ – der sogenannten kleinen Doxologie – bildet den feierlichen Abschluss eines jeden Magnificat und verbindet das Lob Marias mit dem dreifaltigen Lobpreis Gottes. Es ist der Moment der höchsten Erhebung und des Übergangs von der persönlichen Marien-Stimme zum allgemeinen, zeitlosen Lob der ganzen Kirche.


    Gomberts Vertonung dieses Abschnitts ist kunstvoll und ausgewogen. Er bleibt dem polyphonen Stil treu, aber die Musik gewinnt an Weite und Feierlichkeit. Der zweite Modus verleiht der Passage eine ruhige Größe – keine ekstatische Steigerung, sondern eine klangvolle Bestätigung göttlicher Größe und Ewigkeit.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."


    Diese Schlussdoxologie ist nicht nur musikalisch das Ende, sondern auch inhaltlich die Vollendung des Magnificat: Sie hebt den Blick vom persönlichen Geschehen Marias hin zur ewigen Herrlichkeit Gottes. Gomberts Satz wirkt wie ein ruhiger, leuchtender Schlussakkord – ein würdiges Ende eines geistlichen Kunstwerks voller Tiefe.


    Track 16: Anonymus – Große Antiphon zum 18. Dezember (Reprise)

    „O Adonai“ – Wiederholung zum Abschluss der Vesper


    Diese Antiphon ist die Wiederholung der großen „O-Antiphon“ „O Adonai“, die bereits am 18. Dezember als Teil der Adventsvesper erklang (vgl. Track 9). In der traditionellen Vesper-Liturgie wird die Antiphon nach dem Magnificat erneut gesungen – als klanglicher Rahmen und meditativer Abschluss.


    Die Reprise gibt dem feierlichen Ruf nach dem kommenden Erlöser Nachdruck. Der Text erinnert an Gottes Offenbarung im Alten Bund und verbindet sie mit der Erwartung des Messias. Die anonyme Vertonung folgt dem Stil der Zeit: mehrstimmig, aber schlicht gehalten, ehrfürchtig und kontemplativ.


    Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:


    "O Herr und Führer des Hauses Israel,

    du bist dem Mose im flammenden Dornbusch erschienen

    und hast ihm auf dem Sinai das Gesetz gegeben:

    Komm, um uns mit ausgestrecktem Arm zu erlösen."


    Diese kurze Wiederaufnahme ist musikalisch und spirituell ein Moment der Sammlung. Sie verweist noch einmal auf die große Erwartung des Advents – auf das Licht, das kommen soll. Als Reprise schließt sie die Vesper musikalisch ab, nicht in lauter Freude, sondern in stiller, ernster Hoffnung.


    Track 17: Anonymus – Antiphon zur ersten Vesper der Geburt des Herrn (25. Dezember)
    „Tecum principium“


    Diese Antiphon gehört zur ersten Vesper des Hochfestes der Geburt Christi (Nativitas Domini, 25. Dezember) und wird traditionell vor dem Psalm 110 (Vulgata: Psalm 109) gesungen. Der Text hat alttestamentliche Wurzeln und wurde in der christlichen Liturgie als prophetische Ankündigung Christi verstanden – als ewigen Sohn, gezeugt vor aller Zeit, König und Priester in Ewigkeit.


    Die Vertonung in diesem Track stammt von einem anonymen Komponisten, ist aber im Stil der späten Renaissance gehalten: ruhig, ausgewogen und ehrfürchtig. Die Musik betont das Majestätische des Textes, ohne dramatisch zu sein – sie vermittelt eine feierliche Stille, passend zur Vesper am Heiligen Abend.


    Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:


    "Dir gehört die Herrschaft am Tage deiner Macht,

    im Glanz der Heiligen:

    aus dem Schoß, vor dem Morgenstern, habe ich dich gezeugt."


    Der Text (aus Psalm 110,3) spricht vom ewigen Ursprung des Sohnes Gottes – „vor dem Morgenstern“ – und deutet die Geburt Christi als Offenbarung eines bereits existierenden, göttlichen Königtums. Die Musik unterstreicht diesen Gedanken mit einem ruhigen, festlichen Ton, der nicht auf äußere Wirkung zielt, sondern auf inneres Verstehen.


    Track 18: Magnificat III (Tertii et Octavi Toni)

    Erster Vers: „Magnificat anima mea Dominum“


    Mit diesem Track beginnt Nicolas Gomberts dritte Vertonung des marianischen Lobgesangs, das Magnificat III, das er einer besonderen modalen Kombination widmet: dem dritten und achten Kirchenton (tertio et octavo tono). Diese seltene Verbindung lässt darauf schließen, dass Gombert hier sowohl den herb-ernsten Charakter des phrygischen Modus (3. Ton) als auch die weit gespannte Festlichkeit des hypomixolydischen Modus (8. Ton) miteinander kombiniert.


    Der erste Vers „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) wird hier mehrstimmig polyphon gesetzt. Gombert entfaltet diesen Satz in seiner charakteristisch dichten Stimmführung mit fließender Imitation und ausgewogener Klangarchitektur. Die Musik wirkt dabei zugleich innig und majestätisch – ein würdiger Auftakt für ein Werk, das zwischen Demut und himmlischem Glanz vermittelt.


    Deutsche Übersetzung:


    "Meine Seele preist die Größe des Herrn."


    In dieser Vertonung klingt der erste Jubel Marias nicht triumphal, sondern tief verinnerlicht. Die Musik öffnet einen Raum des geistigen Lobes, in dem die Stimme der Gottesmutter durch viele verschlungene Linien zugleich persönlich und stellvertretend für die ganze Kirche spricht.


    Track 19: Magnificat III (Tertii et Octavi Toni)

    Zweiter Vers: „Quia respexit humilitatem ancillae suae“


    In diesem Track vertont Nicolas Gombert den zweiten Vers seines dritten Magnificat im Modus „Tertii et Octavi Toni“, einer ungewöhnlichen Kombination aus dem phrygischen (3. Ton) und dem hypomixolydischen (8. Ton). Diese Tonarten spiegeln sich auch in der Musik wider: Gombert verbindet hier eine tiefe Innerlichkeit mit klanglicher Weite.


    Der Text, den Maria spricht, ist einer der innigsten des ganzen Lobgesangs: Sie bekennt die eigene Demut und zugleich das große Wunder der göttlichen Erwählung. Gomberts Vertonung zeichnet diesen geistigen Bogen nach: mit dichter Polyphonie, aber auch mit bewusst gesetztem Raum für Empfindung. Die Stimmen verschlingen sich nicht wie in manch anderen seiner Werke, sondern bewegen sich etwas freier, wodurch die Aussage klar und eindringlich bleibt.


    Deutsche Übersetzung:


    "Denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut;

    siehe, von nun an werden mich alle Geschlechter selig preisen."


    Die Musik bringt das Ergriffensein Marias zum Ausdruck: nicht pathetisch, sondern in einer würdevollen, bewegten Ruhe. Gombert macht hier keine Theaterszene, sondern ein kontemplatives Bild der Erwählung – in leiser Größe.


    Track 20: Magnificat III (Tertii et Octavi Toni)

    Dritter Vers: „Et misericordia eius a progenie in progenies“


    In diesem Track vertont Nicolas Gombert (ca. 1495–1560) den dritten Vers seines Magnificat III, das im phrygischen und hypomixolydischen Modus (tertio et octavo tono) steht. Diese besondere Kombination verleiht dem Werk einen ungewöhnlichen Charakter: auf der einen Seite tiefgründig und ernst, auf der anderen festlich und lichtvoll. Genau diese Mischung passt zum Vers, den Gombert hier in kunstvoller Mehrstimmigkeit gestaltet: Es geht um das bleibende Erbarmen Gottes durch alle Generationen hindurch.


    Gomberts Musik bewegt sich ruhig und gleichmäßig, mit sanfter Imitation und feinem Stimmverlauf. Der Text erhält durch die Musik eine zeitlose Weite, ohne dabei distanziert zu wirken – vielmehr ist sie getragen von einem Gefühl der Verlässlichkeit, wie es der Inhalt ausdrückt.


    Deutsche Übersetzung:


    "Und sein Erbarmen gilt von Generation zu Generation

    allen, die ihn fürchten."


    In dieser Passage zeigt Gombert, wie tief geistliche Musik wirken kann, ohne laut zu werden. Die Musik drängt sich nicht auf, sondern trägt. Sie hüllt den Text in einen ruhigen Klangraum ein, der über Jahrhunderte hinweg zu sprechen scheint – ein musikalisches Sinnbild für Gottes bleibende Treue.


    Track 21: Magnificat III (Tertii et Octavi Toni)

    Vierter Vers: „Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles“


    In diesem Track vertont Nicolas Gombert einen der zentralsten Verse des Magnificat – den machtvollen Wendepunkt, an dem Maria das Handeln Gottes an der Weltordnung beschreibt. Der Kontrast zwischen Sturz und Erhöhung, zwischen Hochmut und Demut steht im Mittelpunkt.


    Musikalisch bringt Gombert diesen Gegensatz mit großer Ausdruckskraft zum Tragen. Der phrygisch-hypomixolydische Modus (tertio et octavo tono) bietet ihm dafür ein ideales Klangfeld: Der phrygische Ton verleiht der Vertreibung der Mächtigen eine gewisse Herbheit, während der achte Ton in der Erhöhung der Niedrigen zu leuchten beginnt. Die Polyphonie ist kunstvoll verdichtet, doch klar strukturiert – wie ein musikalisches Gleichnis über göttliche Gerechtigkeit.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt

    und die Niedrigen erhöht."


    Gomberts Satz lebt von Bewegung: Er arbeitet mit klanglichen Gegensätzen, mit Abstiegen und Aufschwüngen in den Stimmen. Und dennoch bleibt alles im Rahmen liturgischer Würde – kein Theater, sondern ein stilles Nachdenken über die Umkehrung menschlicher Maßstäbe im Licht göttlichen Handelns.


    Track 22: Magnificat III (Tertii et Octavi Toni)

    Fünfter Vers: „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“


    In diesem Track vertont Nicolas Gombert den fünften und inhaltlich abschließenden Teil des Magnificat-Textes vor der Doxologie. Der Vers richtet den Blick zurück auf die Heilsgeschichte: Gott hat sich seines Volkes Israel angenommen – aus Treue, nicht aus Pflicht. Der Ton des Textes ist ruhig, dankbar und in tiefer Erinnerung verwurzelt.


    Gomberts Vertonung im kombinierten 3. und 8. Modus (tertio et octavo tono) spiegelt diese Grundhaltung wider. Der phrygische Modus bringt eine gewisse Nachdenklichkeit mit sich, der achte Modus sorgt für Weite und ein sanftes Strahlen. In Gomberts Händen wird der Satz zu einem musikalischen Gebet – ohne Pathos, aber voller Innerlichkeit. Die Polyphonie wirkt wie ein Gewebe aus Erinnerung und Vertrauen.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er hat sich seines Dieners Israel angenommen,

    und an sein Erbarmen gedacht."


    In diesem Vers wird die Verbindung zwischen Gottes Treue und der Geschichte seines Volkes hörbar gemacht. Gombert lässt die Musik nicht in großen Gesten aufgehen, sondern formt einen behutsamen, warmen Schlussbogen, der bereits auf das „Gloria Patri“ vorbereitet.


    Track 23: Magnificat III (Tertii et Octavi Toni)

    Sechster Vers: „Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto“


    Mit diesem Track endet Nicolas Gomberts dritte Magnificat-Vertonung im phrygisch-hypomixolydischen Modus (tertio et octavo tono). Die abschließende Doxologie, das „Gloria Patri“, krönt das Werk mit einem dreifaltigen Lobpreis: Vater, Sohn und Heiliger Geist werden gemeinsam gepriesen – eine liturgische Formel, die das Magnificat stets abschließt und es aus der Zeitlichkeit des biblischen Geschehens in die Ewigkeit überführt.


    Gomberts Vertonung ist in diesem letzten Abschnitt besonders feierlich und ausgeglichen. Die Stimmführung bleibt kunstvoll verwoben, doch das Klangbild weitet sich – ein stilles Leuchten durchzieht den Satz. In der Kombination aus phrygischem Ernst und hypomixolydischer Helligkeit klingt die Musik wie ein ruhiges „Amen“ zur Größe Gottes.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."


    Die Musik klingt nicht triumphal aus, sondern gefasst und gesammelt – in tiefer liturgischer Würde. Gomberts Doxologie ist kein Schluss im weltlichen Sinn, sondern ein Hinübergleiten in die zeitlose Anbetung, wie sie dem Wesen dieses Lobgesangs entspricht.

  • Das Interesse an Alter Musik ist im Forum eher gering.

    Zumindest hat die alte Musik mehr Mitlesende als Mitschreibende. Persönlich höre ich gerne und durchaus häufig alte Musik (nicht alles, was ich höre, poste ich auch), ich gebe aber auch gerne zu, daß ich als katholisch sozialisierter Christ das Magisch-Mystische dieser alten Musik sehr zu schätzen weiß. Aber mir fehlt bei weitem die Sachkenntnis, mich entsprechend kompetent zu äußern. Gomberts "Musae Jovis" werde isch später auflegen: die gezeigte LP-Box habe ich nämlich.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Nicolas Gombert: Geistliche Werke

    Teil II.


    Track 24: Anonymus – Antiphon zur ersten Vesper der Geburt des Herrn (Reprise)

    „Tecum principium“ – Wiederholung nach dem Magnificat


    Diese Antiphon ist die Reprise der festlichen Antiphon „Tecum principium“, die in der ersten Vesper zum Hochfest der Geburt Christi (25. Dezember) gesungen wird (vgl. Track 17). In der Vesper wird diese Antiphon vor und nach dem Magnificat wiederholt – sie rahmt den marianischen Lobgesang musikalisch und inhaltlich ein. Diese Wiederholung bringt die Kernaussage noch einmal eindringlich zur Geltung: Die Herrschaft Christi ist von Ewigkeit her, im Glanz der Heiligen, gezeugt vor dem Morgenstern.


    Die anonyme Vertonung ist stilistisch klar und feierlich. Die Musik bleibt schlicht, mehrstimmig, aber nicht überladen. Der Fokus liegt auf dem meditativen Charakter und dem ehrfürchtigen Ausdruck des Textes – ideal geeignet für die ruhige, andächtige Atmosphäre der Christvesper.


    Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:


    "Dir gehört die Herrschaft am Tage deiner Macht,

    im Glanz der Heiligen:

    aus dem Schoß, vor dem Morgenstern, habe ich dich gezeugt."


    Die Wiederholung der Antiphon nach dem Magnificat ist nicht bloße Formalität, sondern hat liturgisch-symbolische Bedeutung: Sie betont den ewigen Ursprung des göttlichen Königtums, das in der Geburt Christi offenbar wird. In dieser musikalischen Reprise findet die Vesper ihren würdevollen Abschluss – still, lichtvoll, festlich.


    Track 25: Anonymus – Antiphon zur Vesper am Samstag vor Palmsonntag

    „Jerusalem, surge“


    Diese Antiphon gehört zur liturgischen Vesper des Samstags vor Palmsonntag, also unmittelbar vor dem Beginn der Karwoche. Der Text ist dem Buch Baruch (5,5) entnommen und wird als prophetischer Ruf verstanden: Jerusalem, die Stadt Gottes – und im weiteren Sinn das Volk Gottes oder die Kirche selbst – wird aufgerufen, sich zu erheben, die Höhe zu suchen und das kommende Heil zu schauen.


    Die Vertonung stammt von einem anonymen Komponisten. Sie ist musikalisch schlicht gehalten, mehrstimmig, aber ohne überladene Polyphonie. Der Ton ist getragen, zurückhaltend und kontemplativ – eine musikalische Vorbereitung auf das kommende Leiden Christi, nicht in dramatischer Form, sondern in stiller Erwartung.


    Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:


    "Jerusalem, steh auf

    und tritt hervor in die Höhe,

    und sieh die Freude, die dir von deinem Gott kommt."


    Die Musik dieser Antiphon verzichtet bewusst auf große Effekte – sie ist wie ein stiller Ruf an das Herz des Hörers. Sie lädt ein zur Sammlung, zum Aufblick – und zur inneren Bereitschaft, den Weg durch die Passion hin zur Auferstehung mitzugehen. Als Einleitung zur letzten Vesper vor dem Palmsonntag ist sie sowohl klanglich als auch spirituell von großer Wirkung.


    Track 26: Magnificat IV (Quarti Toni)

    Erster Vers: „Magnificat anima mea Dominum“


    Mit diesem Track beginnt Nicolas Gomberts vierte Vertonung des Magnificat, komponiert im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch). Dieser Modus hat einen verinnerlichten, ruhigen Charakter, der sich besonders gut für den Ausdruck marianischer Demut und spiritueller Sammlung eignet.


    Der erste Vers – „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) – wird hier von Gombert polyphon gestaltet. Die Musik eröffnet das Werk mit einer feierlich-gelassenen Atmosphäre: Die Stimmen setzen nacheinander ein, greifen das Thema imitierend auf und schaffen einen Klangraum, der ruhig strömt, ohne statisch zu sein. Es ist eine Musik des stillen Lobes, nicht des äußeren Triumphs.


    Deutsche Übersetzung:


    "Meine Seele preist die Größe des Herrn."


    Gomberts Vertonung legt diesen ersten Vers als inneren Auftakt an. Es ist kein lauter Jubel, sondern ein feines, kontemplatives Erheben der Seele. Der hypophrygische Modus verleiht der Musik dabei eine milde Tiefe, die sich nicht in emotionalen Extremen verliert, sondern eine stille, aber eindrucksvolle Eröffnung des gesamten Werkes bildet.


    Track 27: Magnificat IV (Quarti Toni)

    Zweiter Vers: „Quia respexit humilitatem ancillae suae“


    In diesem Track setzt Nicolas Gombert (ca. 1495–1560) sein Magnificat IV im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) mit dem zweiten Vers fort. Dieser Vers ist einer der zentralen Aussagen des Magnificat: Maria spricht von der Niedrigkeit ihrer selbst – und zugleich von der Größe Gottes, der sie erwählt hat. In Gomberts Vertonung verschmelzen Demut und Erhöhung zu einem einzigen musikalischen Ausdruck.


    Der hypophrygische Modus verleiht der Komposition eine besondere Würde und Zurückhaltung. Die Polyphonie ist eng geführt, aber nicht überladen, die Stimmen scheinen sich gegenseitig zu stützen und zu umarmen. Es entsteht eine Musik der stillen Dankbarkeit und der staunenden Anerkennung göttlicher Gnade.


    Deutsche Übersetzung:


    "Denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut;

    siehe, von nun an werden mich alle Geschlechter selig preisen."


    Gomberts Vertonung ist hier wie ein leises inneres Licht: keine klangliche Selbstdarstellung, sondern ein musikalisches Sich-Verneigen vor der Demut Marias – und vor dem Wunder, das sich in ihr erfüllt hat. Die Musik atmet tiefe Ehrfurcht, ohne in starre Feierlichkeit zu verfallen.


    Track 28: Magnificat IV (Quarti Toni)

    Dritter Vers: „Et misericordia eius a progenie in progenies“


    In diesem Abschnitt seines vierten Magnificat greift Nicolas Gombert den Gedanken der kontinuierlichen göttlichen Barmherzigkeit auf. Der Text spricht davon, dass Gottes Erbarmen sich durch alle Generationen zieht – eine Aussage voller Trost und Zuversicht. Der vierte Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) verleiht dieser Passage eine milde Ernsthaftigkeit, wie geschaffen für das Thema der göttlichen Treue.


    Musikalisch arbeitet Gombert mit einer ausgewogenen, klaren Polyphonie: Die Stimmen entfalten sich in ruhigen Wellen, fast meditativ. Die Imitationen sind weniger dicht als in anderen Magnificat-Vertonungen, was der Aussage Weite und Würde verleiht. Die Musik scheint sich über die Zeit hinweg zu dehnen – ein klanglicher Ausdruck des Gedankens: von Generation zu Generation.


    Deutsche Übersetzung:


    "Und sein Erbarmen gilt von Generation zu Generation

    allen, die ihn fürchten."


    Gomberts Satz vermittelt eine Art musikalische Verlässlichkeit – nichts drängt, nichts eilt. Die Musik scheint aus dem Innersten der Kirche zu kommen: ruhig, getragen, gewiss. So wird dieser kurze Vers zu einem Höhepunkt stiller Glaubensgewissheit – unaufdringlich, aber tief berührend.



    Track 29: Magnificat IV (Quarti Toni)

    Vierter Vers: „Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles“


    Dieser Vers gehört zu den markantesten Passagen des Magnificat: Maria beschreibt, wie Gott die Mächtigen vom Thron stürzt und die Demütigen erhöht. Es ist eine Aussage über die radikale Umkehrung weltlicher Machtverhältnisse – ein göttlicher Akt der Gerechtigkeit. In seiner Vertonung im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) findet Nicolas Gombert eine feine Balance zwischen Kraft und innerer Ruhe.


    Gombert behandelt diesen Gegensatz nicht dramatisch, sondern mit einer ruhig fließenden, aber wirkungsvoll abgestuften Polyphonie. Die musikalischen Linien sinken spürbar ab beim „Deposuit potentes de sede“ und steigen auf bei „et exaltavit humiles“. Dennoch bleibt alles im Rahmen liturgischer Würde – das Geschehen wird betrachtet, nicht theatralisch dargestellt.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt

    und die Niedrigen erhöht."


    Die Musik vermittelt hier keine Revolte, sondern die stille Kraft des göttlichen Handelns. Gomberts Tonsatz ist ein musikalisches Gleichnis: Die Ordnung der Welt wird in der Stille des Glaubens aufgerichtet. Der hypophrygische Modus unterstützt das mit seinem zurückhaltenden Ernst – die Musik ist fest, aber nicht hart, klar, aber nicht aufdringlich.


    Track 30: Magnificat IV (Quarti Toni)

    Fünfter Vers: „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“


    Im fünften Vers seines Magnificat IV richtet Nicolas Gombert den Blick auf die treue Zuwendung Gottes zu seinem Volk Israel. Der Text ist von tiefer Dankbarkeit getragen: Gott hat sich seines Volkes erinnert – nicht aus Pflicht, sondern aus Barmherzigkeit. Diese innere Bewegung bringt Gombert in einer mild leuchtenden Polyphonie zum Ausdruck, eingebettet in den vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch), der sich durch seine ruhige, nachdenkliche Klangfarbe auszeichnet.


    Die Stimmen bewegen sich behutsam, wie von innen her gelenkt. Keine Eile, keine scharfen Kontraste – sondern eine klangliche Geborgenheit, die den Gedanken des Erinnerns und Sich-Annehmens musikalisch nachzeichnet. Die Imitationen sind fein verwoben, aber nicht kompliziert – sie tragen die Bedeutung, ohne sie zu überdecken.


    Deutsche Übersetzung:


    "Er hat sich seines Dieners Israel angenommen

    und an sein Erbarmen gedacht".


    Dieser Satz ist das geistige Herzstück des Lobgesangs – und Gomberts Musik macht daraus ein Gebet in Tönen. Sie vermittelt nicht Aufbruch oder Bewegung, sondern Stille, Treue und innere Wärme – ein musikalischer Ausdruck des göttlichen Erinnerns, das zugleich heilend und hoffnungsvoll ist.


    Track 31: Magnificat IV (Quarti Toni)

    Sechster Vers: „Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto“


    Mit diesem Track findet Nicolas Gomberts viertes Magnificat seinen feierlichen Abschluss. Die kleine Doxologie, das Gloria Patri, ist fester Bestandteil jeder Magnificat-Vertonung und bringt den marianischen Lobgesang in die Gegenwart der Dreifaltigkeit. Im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) entfaltet Gombert diesen Schluss in einer ruhigen, ausgewogenen Polyphonie, die ganz auf den geistlichen Charakter des Textes ausgerichtet ist.


    Die Musik wirkt still und gesammelt, zugleich aber licht und würdevoll. Die Stimmen steigen auf in einem Klangbild, das nicht nach außen drängt, sondern sich nach innen vollendet. Die Imitation ist klar, aber nicht überladen – die Struktur bleibt durchsichtig, wie ein bewusstes Atemholen am Ende eines geistlichen Weges.


    Deutsche Übersetzung:


    "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

    wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."


    Diese Vertonung des Gloria Patri ist keine klangliche Explosion, sondern ein sanftes, ehrfürchtiges Verlöschen – wie das Verhallen eines Gebets in einem stillen Kirchenraum. Es ist ein würdiger, kontemplativer Schluss eines Magnificat, das von tiefer innerer Haltung geprägt ist.


    Track 32: Anonymus – Antiphon zur Vesper am Samstag vor Palmsonntag

    „Jerusalem, surge“ – Wiederholung nach dem Magnificat


    Diese Antiphon ist die Wiederaufnahme der eindrucksvollen Vesper-Antiphon „Jerusalem, surge“, die bereits zuvor in der Liturgie gesungen wurde (vgl. Track 25). In der Vesper des Samstags vor Palmsonntag wird sie traditionell nach dem Magnificat erneut angestimmt. Diese liturgische Wiederholung hat eine symbolische Funktion: Sie verstärkt den prophetischen Ruf und rahmt den Lobgesang Marias klanglich und geistlich ein.


    Die Vertonung stammt von einem anonymen Komponisten und ist musikalisch schlicht, aber wirkungsvoll. Die Musik bewegt sich in ruhiger Mehrstimmigkeit, ohne Dramatik – getragen von einem inneren Ernst und einer würdigen Erwartung. Sie vermittelt eine Haltung der Sammlung, wie sie dem Übergang in die Karwoche angemessen ist.


    Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:


    "Jerusalem, steh auf

    und tritt hervor in die Höhe,

    und sieh die Freude, die dir von deinem Gott kommt."


    Diese Reprise betont nochmals den spirituellen Aufbruch: Das leidende Jerusalem, Sinnbild der Menschheit, soll sich erheben – nicht aus eigener Kraft, sondern im Licht der bevorstehenden Erlösung. Die Musik verweilt in diesem Gedanken, ruhig und schlicht, aber mit innerer Spannung.


    Nicolas Gombert: Geistliche Werke

  • "Je suis déshéritée" – Von der Chanson zur geistlichen Erhebung, Nicolas Gombert und seine Messe "Je suis déshéritée“



    Die Missa "Je suis déshéritée“ von Nicolas Gombert zählt zu seinen sogenannten Parodiemessen, die auf bereits existierenden musikalischen Vorlagen beruhen – in diesem Fall auf der gleichnamigen Chanson „Je suis déshéritée“ ("Ich bin enterbt") von Jean Richafort (um 1480 – ca. 1547).


    Die Chanson könnte etwa so geklungen haben:



    Die Messe dürfte etwa um 1530 entstanden sein, in jener produktiven Phase, in der Gombert für die habsburgische Kapelle unter Karl V. tätig war. Sie gehört zu jenen Kompositionen, in denen Gombert seine Meisterschaft in der dichten, gleichmäßig fließenden Polyphonie voll entfaltet.


    Die Chanson „Je suis déshéritée“ ist ein klagendes Liebeslied, das in der ersten Person vom Verlust, vom „enterbt sein“ im übertragenen Sinn spricht – ein emotional aufgeladener Text, den Gombert als Grundlage für seine geistliche Messe wählte. In der Tradition der Parodiemesse übernimmt Gombert melodische und rhythmische Elemente aus der Vorlage, verarbeitet sie jedoch in seinem ganz eigenen idiomatischen Stil weiter. Dabei geht es ihm nicht um eine bloße Adaption, sondern um eine geistige Umdeutung: Der weltliche Ausdruck von Verlassenheit verwandelt sich unter seinen Händen in eine spirituelle Klangrede.


    Stilistisch ist die Messe typisch für Gombert: Sie ist von einer engmaschigen, fast lückenlos verwobenen Polyphonie geprägt, in der klare Gliederungen und homophone Passagen rar sind. Die Stimmen sind gleichberechtigt und führen ein intensives imitatorisches Gespräch miteinander. Gombert verzichtet weitgehend auf markante Kadenzpunkte, was den Eindruck eines kontinuierlich fließenden musikalischen Gewebes verstärkt. Dennoch gelingt es ihm, über subtile klangliche Verdichtungen und harmonische Wendungen emotionale Höhepunkte zu setzen – besonders eindrucksvoll im „Agnus Dei“, das in seiner klanglichen Dichte eine fast kontemplative Wirkung entfaltet.


    Der Chanson-Tonfall bleibt durch die ganze Messe hindurch spürbar, doch erfährt er eine deutliche Überhöhung. Gombert reduziert die in der Chanson typischen Wiederholungen, erweitert die Motive und fügt sie in ein größeres kompositorisches Gefüge ein. Besonders im „Kyrie“ ist die Eröffnungsgeste der Vorlage gut erkennbar, doch wird sie hier auf eine Weise paraphrasiert, die zugleich Respekt vor dem Original und eigene kreative Handschrift verrät. Auch das „Credo“ zeigt Gomberts Kunst der Verinnerlichung: Trotz der Textfülle bleibt er seinem dichten, syllabenunabhängigen Stil treu, wodurch eine außergewöhnlich intensive musikalische Ausdeutung des Glaubensbekenntnisses gelingt.


    Einspielungen dieser Messe sind heute eher selten, doch das Ensemble Beauty Farm hat sie in einer exzellenten Aufnahme auf der CD „Gombert: Masses & Motets“ (erschienen bei Musique en Wallonie) vorgestellt. Auch das Hilliard Ensemble hat sich Gomberts Messvertonungen mit beeindruckender Klarheit und klanglicher Transparenz gewidmet.


    Die Messe "Je suis déshéritée“ ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Art und Weise, wie in der Renaissance profane und sakrale Sphären miteinander verwoben wurden – nicht als Gegensatz, sondern als wechselseitige Bereicherung. In Gomberts Händen wird ein weltliches Liebeslied zur Grundlage eines spirituellen Klangraums, der in seiner Dichte und Komplexität kaum eine vergleichbare Entsprechung kennt.

  • Motette „Dicite in magni“



    „Dicite in magni“ ist eine Motette von Nicolas Gombert. Das Werk gehört zu Gomberts umfangreichem geistlichen Œuvre, das sich durch besonders dichte Stimmführungen, subtile Klangschichtungen und eine weitgehend durchgehende Polyphonie auszeichnet.


    Die Motette „Dicite in magni“ basiert auf einem liturgischen Text, der aus der Offizien- oder Festtagstradition stammen könnte, speziell in Verbindung mit Heiligenfesten.


    Der vollständige Text lautet:


    "Dicite in magni voce laetitiae:

    exaltetur Dominus in corde nostro.

    Cantemus et exsultemus ei,

    quia cum Domino manet misericordia,

    et in Deo nostro redemptio magna."


    Auf Deutsch lässt sich das sinngemäß übersetzen als:


    "Verkündet mit großer Freude:

    Der Herr sei in unserem Herzen erhoben.

    Lasst uns ihm singen und frohlocken,

    denn beim Herrn wohnt das Erbarmen,

    und bei unserem Gott ist große Erlösung."


    In dieser Motette setzt Gombert seinen typischen Stil ein: Das Werk entfaltet sich in einem kontinuierlichen Fluss von Imitationen, wobei jede Stimme eigenständig und doch eng mit den anderen verwoben ist. Charakteristisch sind die häufigen Einsätze der Stimmen in kurzen Abständen, was einen sehr „vollen“, beinahe orchestralen Klang erzeugt. Homophone Abschnitte – also Stellen, in denen alle Stimmen gemeinsam rhythmisch agieren – treten kaum auf und dienen eher punktueller Akzentuierung als struktureller Gliederung.


    Besonders bemerkenswert an „Dicite in magni“ ist die Art, wie Gombert die Freude und das Lob Gottes nicht durch äußere Mittel wie schnelle Tempi oder auffällige rhythmische Figuren ausdrückt, sondern durch die innere Dichte und Wärme des Klanges. Der Lobpreis wird gleichsam ein Teil des vielschichtigen Klangraumes, was der Motette eine fast kontemplative Tiefe verleiht.


    Über die genaue Entstehungszeit der Motette gibt es keine exakten Angaben, doch angesichts von Stil und Quellenlage dürfte sie zwischen 1520 und 1540 entstanden sein, in Gomberts Hauptschaffensperiode, als er als Sänger und Komponist in der Kapelle Karls V. tätig war.


  • Nicolas Gombert (um 1495 - 1560)

    Geistliche Werke - Magnificats 5 bis 8

    The Tallis Scholars unter der Leitung von Peter Phillips (* 1963)

    Aufnahme: 2001


    Teil I.


    Track 1: Anonymous – Antiphon zur zweiten Vesper, Fronleichnam


    Den feierlichen Auftakt bildet eine Antiphon eines unbekannten Komponisten für die Zweiten Vespern des Fronleichnamsfestes (Corpus Christi). Diese schlichte, doch ausdrucksvolle Komposition entfaltet sich in ruhiger, modaler Klangsprache, getragen von sanften, sich wiegend bewegenden Linien. Die Stimmen fügen sich in enger, aber unaufdringlicher Imitation zusammen, wodurch ein kontemplativer, fast schwebender Klangteppich entsteht.


    Der Text, der vermutlich der bekannten Antiphon „O sacrum convivium“ entstammt, fasst das Geheimnis des Fronleichnamsfestes in wenigen, tief empfundenen Worten zusammen:


    Lateinischer Text:


    "O sacrum convivium,

    in quo Christus sumitur;

    recolitur memoria passionis eius;

    mens impletur gratia,

    et futurae gloriae nobis pignus datur."


    Deutsche Übersetzung:


    "O heiliges Gastmahl,

    in dem Christus empfangen wird;

    das Gedächtnis seines Leidens wird erneuert;

    die Seele wird mit Gnade erfüllt,

    und uns wird das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit gegeben."


    Die Musik umhüllt diesen Text mit einer schlichten, feierlichen Würde. Keine dramatischen Effekte stören die Andacht – vielmehr zieht die Musik den Hörer in eine Atmosphäre stiller Anbetung hinein, die sowohl die tiefste Demut als auch die große Hoffnung der gläubigen Seele widerspiegelt. So bildet diese Antiphon eine perfekte Einstimmung auf die nachfolgenden Magnificat-Vertonungen Gomberts.


    Track 2: Nicolas Gombert – Magnificat 5 (Quinti Toni) – 1. Magnificat:


    Mit dem fünften Magnificat im Quinten Ton (Quinti Toni) entfaltet Nicolas Gombert ein weiteres Meisterwerk seiner polyphonen Kunst. Schon im eröffnenden Abschnitt, dem ersten „Magnificat“, zeigt sich Gomberts charakteristische Dichte des Satzes: Die Stimmen verweben sich in engmaschiger Imitation, ohne dabei an Klarheit zu verlieren. Der Text „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) wird nicht bloß verkündet, sondern regelrecht durchwoben von einer feierlichen, fast kontemplativen Klangfülle.


    Gombert verzichtet auf plakative Effekte; stattdessen entwickelt er eine kontinuierliche melodische Bewegung, in der sich jede Stimme organisch aus der anderen zu entfalten scheint. Die Musik atmet eine stille Majestät, getragen von subtilen rhythmischen Nuancen und einem behutsamen Spiel mit Dissonanzen, die immer kunstvoll eingebunden und aufgelöst werden. Die Modalfärbung des Quinten Tons verleiht dem Werk eine leicht dunkle, edle Klangfarbe, die sich ideal für den feierlichen Lobgesang eignet.


    In dieser Vertonung spiegelt sich Gomberts reife Meisterschaft wider: Er erreicht eine vollkommene Balance zwischen intensiver polyphoner Dichte und der notwendigen Transparenz, die es erlaubt, den bedeutungsvollen Text trotz aller Stimmverflechtung wahrzunehmen.


    Track 3: Magnificat 5 (Quinti Toni) – 2. Quia Respexit:


    Im zweiten Abschnitt des fünften Magnificats widmet sich Gombert den Worten „Quia respexit humilitatem ancillae suae“ („Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen“). Die Musik atmet hier eine tiefe Demut und stille Innigkeit, die der Aussage des Textes vollkommen entspricht. Gombert gestaltet diesen Abschnitt mit einer feinfühligen, zurückgenommenen Polyphonie, in der sich die Stimmen zart umeinander ranken.


    Die Imitationen sind noch enger geführt als im eröffnenden Magnificat-Teil, doch bleibt der Fluss der Musik stets ruhig und getragen. Charakteristisch ist die sanfte Bewegung in kleinen Tonschritten, die eine gewisse demütige Gebundenheit ausdrückt. Die Harmonik bleibt modal und weich, ohne scharfe Kontraste, wodurch die Kontemplation des Textes vertieft wird.


    Besonders beeindruckend ist, wie Gombert es versteht, das Wort „humilitatem“ – die Demut – auch musikalisch nachzuzeichnen: durch dezente Zurückhaltung, sparsame Spannungen und eine Klanglichkeit, die den Zuhörer in eine Atmosphäre leiser Andacht versetzt.


    Track 4: Nicolas Gombert – Magnificat 5 (Quinti Toni) – 3. Et misericordia:


    Im dritten Abschnitt des fünften Magnificats vertont Gombert die Worte „Et misericordia eius a progenie in progenies timentibus eum“ („Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten“). Hier gewinnt die Musik an innerer Bewegung und Wärme: Die Stimmen entfalten sich in lebendiger Polyphonie, wobei Gombert eine subtile Erhöhung der Intensität gestaltet, die den Gedanken der göttlichen Barmherzigkeit spürbar macht.


    Im Vergleich zu den vorherigen Abschnitten ist das Klangbild hier leicht heller und weiter gespannt. Die Melodien steigen häufiger an und es entstehen kleine Wellen von Aufschwung, die eine Ahnung der tröstlichen und überströmenden Gnade vermitteln. Dennoch bleibt Gomberts Handschrift erkennbar: Die Polyphonie ist dicht und fließend, ohne je in Überladenheit abzugleiten.


    Gerade in der musikalischen Behandlung der Worte „a progenie in progenies“ – von Generation zu Generation – lässt Gombert die Stimmen in kunstvoll verschobenen Einsätzen kreisen, als wolle er die Zeitlosigkeit der göttlichen Gnade musikalisch darstellen.


    Track 5: Nicolas Gombert – Magnificat 5 (Quinti Toni) – 4. Deposuit potentes de sede:


    Mit dem Abschnitt „Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles“ („Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Demütigen erhöht“) erreicht Gomberts Vertonung einen Moment kraftvoller Dramatik. Ganz ohne äußere Theatralik entfaltet er die Wucht dieser Worte in einer besonders dichten, drängenden Polyphonie. Die Stimmen greifen energisch ineinander, imitieren einander in enger Folge und erzeugen ein Gefühl des stetigen Vorrückens, fast wie ein musikalisches Heranrollen einer unaufhaltsamen Bewegung.


    Gombert arbeitet hier mit stärkeren rhythmischen Impulsen und etwas markanteren melodischen Konturen, besonders auf dem Wort „Deposuit“ („er hat gestürzt“), wo fallende Linien den Sturz der Mächtigen bildhaft nachzeichnen. Im anschließenden „et exaltavit humiles“ kehrt sich die Bewegung um: Aufsteigende Linien symbolisieren das Emporheben der Demütigen. Doch alles geschieht mit der für Gombert typischen feinen Zurückhaltung und kunstvollen Stimmverflechtung – eine musikalische Umsetzung voller Innerlichkeit und Tiefe, die dem geistlichen Charakter des Textes vollkommen gerecht wird.


    Track 6: Nicolas Gombert – Magnificat 5 (Quinti Toni) – 5. Suscepit Israel:


    Im abschließenden Abschnitt „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“ („Er hat sich seines Knechtes Israel angenommen und seiner Barmherzigkeit gedacht“) führt Gombert sein fünftes Magnificat zu einem stillen, zugleich feierlichen Abschluss. Die Musik atmet hier eine tiefe Ruhe und Geborgenheit. Die Stimmen entfalten sich in sanfter, fast schwebender Polyphonie, die das Bild des behutsamen Erbarmens Gottes wunderbar einfängt.


    Auffällig ist die besonders enge Textverklammerung: Die Einsätze der Stimmen erfolgen eng aufeinander, die Nachahmung bleibt unmittelbar und intensiv, was der Bitte um göttliches Eingreifen eine drängende Innigkeit verleiht. Im harmonischen Verlauf entstehen warme, milde Klangräume, in denen Dissonanzen behutsam integriert und gelöst werden – ein Spiegel der göttlichen Gnade, die Gombert musikalisch ebenso subtil wie eindrucksvoll darstellt.


    Mit dem „recordatus misericordiae suae“ klingt das Werk nicht in äußerer Triumphgeste, sondern in einer Stimmung stiller Dankbarkeit und tiefem Vertrauen aus – ganz im Geist der geistlichen Dichtung, die Gombert mit unvergleichlicher Meisterschaft zum Klingen bringt.


    Track 7: Nicolas Gombert – Magnificat 5 (Quinti Toni) – 6. Gloria Patri:


    Mit dem abschließenden Gloria Patri („Ehre sei dem Vater“) bringt Gombert sein fünftes Magnificat zu einem festlichen und würdevollen Höhepunkt. Ohne den intimen, dichten Stil der vorangegangenen Abschnitte aufzugeben, verleiht er diesem Lobpreis eine leicht gesteigerte Strahlkraft. Die Stimmen greifen in engmaschiger Imitation ineinander, doch zugleich öffnet sich der Klangraum in einem behutsamen Aufschwung, der den Text von der ewigen Herrlichkeit des Dreieinigen Gottes musikalisch nachzeichnet.


    Besonders kunstvoll gestaltet Gombert die Steigerung hin zum „et in saecula saeculorum“ („von Ewigkeit zu Ewigkeit“), wo die Musik in sanfter Weise an Breite und Feierlichkeit gewinnt. Die Harmonik bleibt modale und leicht schwebende Klanglichkeit, sodass der Satz nicht in übermäßige Pracht umschlägt, sondern ein feines, strahlendes Leuchten bewahrt.


    Mit diesem Gloria Patri schließt Gombert sein fünftes Magnificat in einer Atmosphäre voll stiller Größe, die die tiefe Frömmigkeit und die kompositorische Raffinesse des gesamten Werks noch einmal eindrucksvoll zusammenfasst.


    Track 8: Anonymous – Antiphon for Second Vespers, Corpus Christi (Reprise):


    Zum Abschluss der Folge von Magnificat und Antiphonen erklingt erneut die Antiphon für die Zweiten Vespern des Fronleichnamsfestes, diesmal in einer feierlichen Wiederaufnahme. Die anonyme Komposition kehrt in leicht veränderter, oft noch gesammelterer Gestalt zurück und rahmt das Magnificat musikalisch ein.


    Die Wiederholung dieser Antiphon unterstreicht den liturgischen Charakter der Aufführung und ruft die Zuhörer in Erinnerung an das zentrale Thema des Fronleichnamsfestes: die Gegenwart Christi in der Eucharistie. Die Musik bleibt schlicht und würdevoll, mit ruhigen Linien und sanfter, modaler Harmonik, sodass der Eindruck einer stillen, innigen Verehrung bewahrt wird.

    Durch die Reprise wird ein klanglicher Bogen über das gesamte Werk gespannt, der die spirituelle Geschlossenheit und den meditativen Charakter der Vesperfeier auf eindrucksvolle Weise abrundet.


    Track 9: Anonymous – Antiphon zur ersten Vesper, Feste der Heiligen Jungfrau Maria:


    Lateinischer Text:


    "Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum:

    benedicta tu in mulieribus,

    et benedictus fructus ventris tui."


    Deutsche Übersetzung:


    "Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir;

    gesegnet bist du unter den Frauen,

    und gesegnet ist die Frucht deines Leibes."


    Mit dieser Antiphon für die Ersten Vespern an den Festtagen der seligen Jungfrau Maria öffnet sich ein neuer klanglicher Raum von feierlicher Andacht. Die anonyme Komposition ist schlicht und doch von großer innerer Schönheit: Die Linien der Stimmen sind ruhig geführt, die Melodik bewegt sich in sanften Wellen, und die modale Klangsprache verleiht dem Werk eine zeitlose, innige Würde.


    Der Text – typisch für marianische Feste – preist die Erwählung und den Schutz Mariens und drückt zugleich das Vertrauen der Gläubigen in ihre Fürsprache aus. Musikalisch spiegelt sich dies in einer Klanggestalt wider, die getragen und weit wirkt, jedoch nie in Schwere verfällt. Die Imitationen sind locker gesetzt, die Stimmen bleiben nah beieinander, sodass ein Eindruck geschlossener Gemeinschaft entsteht.


    Diese Antiphon bildet einen stillen, anrührenden Auftakt zu den marianischen Festvespern, bei denen sich Freude und Demut auf natürliche Weise miteinander verbinden.


    Track 10: Nicolas Gombert – Magnificat 6 (Sexti et Primi Toni) – 1. Magnificat:


    Mit dem ersten Abschnitt seines sechsten Magnificats, das kunstvoll zwischen dem sechsten und dem ersten Ton changiert, führt Nicolas Gombert seine Hörer erneut in die Welt dichter, fein gewebter Polyphonie. Die Vertonung der Worte „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) beginnt in zurückhaltender Festlichkeit, getragen von ruhigen, weichen Imitationen zwischen den Stimmen.


    Gomberts Kompositionsweise entfaltet sich hier in einer beeindruckenden Balance: Trotz der Komplexität der Stimmverflechtungen bleibt der Satz klar und transparent. Die Musik strömt in einem gleichmäßigen, fast unaufhörlichen Fluss dahin, ohne scharfe Zäsuren oder auffällige Kontraste – ganz im Sinne seiner tiefen, meditativen Klangwelt.


    Besonders bemerkenswert ist, wie Gombert die Übergänge zwischen den Modi gestaltet: Unmerklich gleitet die Musik zwischen der ernsteren Färbung des sechsten Tons und der helleren Klangwelt des ersten Tons, was eine subtile Spannung und Lebendigkeit erzeugt. Dadurch erhält diese Einleitung eine besondere Farbigkeit, die zugleich gesammelt und erhaben wirkt.


    Track 11: Magnificat 6 (Sexti et Primi Toni) – 2. Quia Respexit:


    Im zweiten Abschnitt des sechsten Magnificats, bei den Worten „Quia respexit humilitatem ancillae suae“ („Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen“), wendet sich Gombert einer intimen, stillen Klangsprache zu. Die Musik wirkt hier noch inniger und zurückhaltender als im eröffnenden Magnificat, mit einer eng geführten Polyphonie, die fast wie ein einziges, atmendes Gewebe erscheint.


    Die Imitation der Stimmen ist besonders fein und engmaschig gestaltet. Gombert legt besonderes Gewicht auf die musikalische Umsetzung des Wortes „humilitatem“ (Demut), indem er fallende Linien und eine ruhig dahinfließende Harmonik einsetzt, die die tiefe Bescheidenheit des Textes nachempfinden lässt. Der Wechsel zwischen den Modi – der sanfte Übergang vom sechsten zum ersten Ton – bleibt subtil spürbar und verleiht der Musik eine zarte Beweglichkeit, ohne die ruhige Grundstimmung zu stören.


    In dieser Passage zeigt sich Gomberts Kunst, aus dem schlichten Lobpreis eine spirituelle Meditation zu formen, die den Hörer in eine Atmosphäre demütiger Ehrfurcht eintauchen lässt.


    Track 12: Magnificat 6 (Sexti et Primi Toni) – 3. Et misericordia:


    Im dritten Abschnitt „Et misericordia eius a progenie in progenies timentibus eum“ („Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten“) weitet Gombert den musikalischen Raum sacht, ohne die kontemplative Grundhaltung zu verlassen. Die Stimmen entfalten sich in ruhig kreisender Imitation, wobei Gombert die Idee der fortdauernden göttlichen Gnade durch die ununterbrochene Bewegung der Polyphonie eindrucksvoll spiegelt.


    Charakteristisch für diesen Abschnitt ist die ruhige Intensität: Keine plötzlichen Aufschwünge oder dramatischen Kontraste, sondern ein beständiges Fließen, das sich aus der inneren Bewegung der Stimmen speist. Der Wechsel zwischen sechstem und erstem Ton bleibt dabei ein feines stilistisches Mittel, um den Text musikalisch zum Leben zu erwecken: Die Klangfarben wechseln unmerklich, wie eine Erinnerung daran, dass Gottes Barmherzigkeit in allen Zeiten gegenwärtig ist.


    Die Dichte der Stimmführung erzeugt ein sanftes, leuchtendes Klangbild, das in sich selbst ruht und den Hörer einlädt, in die tröstliche Botschaft der göttlichen Güte einzutauchen.


    Track 13: Magnificat 6 (Sexti et Primi Toni) – 4. Deposuit potentes de sede:


    Mit dem kraftvollen Vers „Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles“ („Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Demütigen erhöht“) bringt Gombert einen markanten Kontrast in sein sechstes Magnificat. Ohne die innere Ruhe seiner Tonsprache zu verlieren, gestaltet er hier eine subtil gesteigerte Dramatik: Die Stimmen treten etwas energischer auf, die rhythmische Bewegung wird lebhafter, und die melodischen Linien erhalten eine stärkere Profilierung.


    Besonders das Wort „Deposuit“ wird musikalisch unterstrichen durch absteigende Figuren, die den Sturz der Mächtigen bildhaft nachvollziehen. Im Gegensatz dazu hebt sich das „exaltavit humiles“ mit aufsteigenden melodischen Linien ab, wodurch Gombert das göttliche Handeln nicht nur textlich, sondern auch klanglich erfahrbar macht.


    Trotz dieser intensiveren musikalischen Gestaltung bleibt die Atmosphäre von feierlicher Würde geprägt – keine grelle Theatralik, sondern ein Ausdruck tiefer spiritueller Wahrheit, wie sie Gombert mit seiner meisterlichen Stimmkunst zu gestalten versteht.


    Track 14: Magnificat 6 (Sexti et Primi Toni) – 5. Suscepit Israel:


    Im Abschnitt „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“ („Er hat sich seines Knechtes Israel angenommen und seiner Barmherzigkeit gedacht“) kehrt Gombert zu einer besonders innigen, fast tröstenden Klangsprache zurück. Die Musik strömt in ruhigem Fluss dahin, die Stimmen umschlingen sich sanft in dichten, aber dennoch transparenten Imitationen.


    Der Gedanke der göttlichen Fürsorge wird hier nicht in lauten Gesten, sondern in einer zarten, fast wiegenden Polyphonie ausgedrückt. Die Bewegungen der Stimmen sind fließend und weich, kleine motivische Anklänge tauchen auf und vergehen wieder, wie eine musikalische Erinnerung an Gottes unvergessliche Barmherzigkeit.


    Durch die feine Balance zwischen dem dunkleren Charakter des sechsten Tons und den helleren Anklängen des ersten Tons entsteht eine Atmosphäre, die zugleich von Ernsthaftigkeit und hoffnungsvoller Zuversicht geprägt ist – ein wunderbar stimmiger Höhepunkt des spirituellen Bogens, den Gombert in seinem sechsten Magnificat spannt.


    Track 15: Magnificat 6 (Sexti et Primi Toni) – 6. Gloria Patri:


    Mit dem abschließenden „Gloria Patri“ („Ehre sei dem Vater...“) findet Gomberts sechstes Magnificat seinen festlichen, zugleich würdevollen Abschluss. Die Musik strahlt eine stille Größe aus: Ohne äußere Übersteigerung, allein durch die Verdichtung und leise Aufweitung der Polyphonie, verleiht Gombert diesem Schlussjubel seine Kraft.


    Die Stimmen greifen eng ineinander, die Bewegungen sind belebt, aber nie aufdringlich. Besonders der Übergang zu „et in saecula saeculorum“ („von Ewigkeit zu Ewigkeit“) wird mit einer sanften Steigerung gestaltet, die sich wie ein inneres Aufblühen entfaltet. Hier gelingt es Gombert meisterhaft, den Gedanken der ewigen Ehre und Herrlichkeit nicht in lauter Triumphgestik, sondern in einer tiefgründigen, ruhigen Feierlichkeit auszudrücken.


    Das „Amen“ am Ende wird in der für Gombert typischen Art in die fließende Polyphonie eingebettet und rundet das Werk in einer Atmosphäre von Frieden und erfüllter Andacht ab – ein würdiger Schlusspunkt eines Magnificats, das in seiner Dichte und Innerlichkeit zu den schönsten Beispielen spätfrühhumanistischer Vokalkunst gehört.


    Track 16: Anonymous – Antiphon zur Ersten Vesper, Feste der Heiligen Jungfrau Maria, (Reprise):


    Lateinischer Text (typisch für marianische Vespern)


    "Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum:

    benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris tui."


    Deutsche Übersetzung:


    "Sei gegrüßt, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir;

    gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes."


    Zum Abschluss kehrt die Antiphon der Ersten Vespern zu Ehren der seligen Jungfrau Maria noch einmal zurück. Diese Wiederaufnahme rundet den Zyklus auf stille, fast meditative Weise ab. Die schlichte Schönheit der Musik, mit ihrer klaren, ruhigen Linienführung und der modalen Klangsprache, erhält durch die Reprise einen besonders feierlichen Charakter.


    Die erneute Darbietung wirkt dabei nicht wie eine bloße Wiederholung, sondern wie ein bewusster Rückblick: In der erneuten Begegnung mit dem vertrauten Klang entfaltet sich ein Gefühl von Vollendung und innerem Frieden. Der Lobpreis Mariens, der in dieser Antiphon Ausdruck findet, wird damit in einen größeren, spirituellen Zusammenhang gestellt, der weit über den einzelnen Moment hinausweist.


    So schließt sich ein musikalischer Bogen, der die Tiefe, Würde und innige Frömmigkeit dieser ganzen Folge von Magnificats und Antiphonen auf eindrucksvolle Weise zusammenfasst.


    Track 17: Anonymous – Antiphon zur Ersten Vesper, St. Maria Magdalena, 22. Juli:


    Lateinischer Text:


    "Maria ergo accepit libram unguenti nardi pretiosi,

    et unxit pedes Iesu, et extersit capillis suis, et domus impleta est ex odore unguenti."


    Deutsche Übersetzung:


    "Maria nahm ein Pfund kostbares Nardenöl,

    salbte die Füße Jesu und trocknete sie mit ihrem Haar,

    und das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt."


    Mit dieser Antiphon für die Ersten Vespern am Fest der heiligen Maria Magdalena (22. Juli) wird ein neuer, feiner Akzent gesetzt. Die anonyme Komposition zeichnet sich durch eine schlichte, zugleich eindringliche Melodik aus, die die Gestalt der Maria Magdalena – Sinnbild für Reue, Hingabe und Erlösung – musikalisch einfängt.


    Die Musik bewegt sich in ruhigen Bögen, getragen von einer modalen Harmonik, die einen warmen, ernsten Klangraum schafft. Im Gegensatz zu den marianischen Antiphonen, die eher von einer stillen, freudigen Verehrung geprägt sind, liegt hier eine gewisse Schwere in der Musik, die auf die existenzielle Tiefe der Heiligen verweist. Die Stimmen bleiben nah beieinander, ihre Linien verschmelzen zu einem sanften, aber dichten Klanggewebe, das den Text meditativ trägt.


    Diese Antiphon öffnet somit einen Moment stiller Einkehr und tiefer innerer Bewegung – eine Hommage an eine Heilige, deren Lebensweg von Umkehr und inniger Liebe geprägt war.


  • Nicolas Gombert (um 1495 - 1560)

    Geistliche Werke - Magnificats 5 bis 8

    The Tallis Scholars unter der Leitung von Peter Phillips (* 1963)

    Aufnahme: 2001


    Teil II.


    Track 18: Nicolas Gombert – Magnificat 7 (Septimi Toni) – 1. Magnificat:


    Mit dem ersten Abschnitt seines siebten Magnificats im siebten Ton öffnet Nicolas Gombert ein neues Kapitel seiner großen Lobgesänge. Schon bei den Worten „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) entfaltet sich ein besonders kraftvolles und lichtes Klangbild, getragen von einer klaren, würdevollen Polyphonie.


    Gomberts Behandlung des siebten Tons – traditionell ein eher strahlender, weitgespannter Modus – zeigt sich in weiten melodischen Bögen, lebendigen Imitationen und einer subtilen rhythmischen Energie, die den Lobgesang wie von innen her aufleuchten lässt. Die Stimmen sind eng miteinander verwoben, doch die Textur wirkt etwas luftiger als in seinen dichten früheren Magnificats, was dem Werk eine besondere Frische und Offenheit verleiht.


    Dabei bleibt Gomberts Handschrift unverkennbar: die kontinuierliche Bewegung, die fließenden Übergänge zwischen den Stimmen und die sorgfältige Gestaltung der Textaussage im musikalischen Ausdruck. Dieses eröffnende „Magnificat“ strahlt eine feierliche Freude und eine stille Erhabenheit aus – ein eindrucksvoller Auftakt zum siebten Magnificat-Zyklus.


    Track 19: Magnificat 7 (Septimi Toni) – 2. Quia Respexit:


    Im zweiten Abschnitt des siebten Magnificats, bei den Worten „Quia respexit humilitatem ancillae suae“ („Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen“), wendet sich Gombert einer stilleren, innigeren Klangwelt zu. Obwohl der siebte Ton grundsätzlich eine eher helle Grundfärbung besitzt, gestaltet Gombert diesen Teil mit einer feinen, beinahe scheuen Zurückhaltung, die den Inhalt des Textes eindrucksvoll widerspiegelt.


    Die Stimmen bewegen sich in sanften, eng gesetzten Imitationen, ohne scharfe rhythmische Konturen, sodass ein fließender, fast schwebender Gesamteindruck entsteht. Besonders auffällig ist die Gestaltung der Melodielinien auf dem Wort „humilitatem“: Gombert lässt die Melodien behutsam absinken, um die Demut musikalisch nachzuzeichnen.


    Trotz aller Innigkeit bleibt die Musik von einer inneren Weite geprägt – eine stille Verneigung vor der Barmherzigkeit Gottes, eingefangen in einer wunderbar ausgewogenen Polyphonie, die ohne Überladenheit auskommt und doch eine tiefe spirituelle Dichte erreicht.


    Track 20: Magnificat 7 (Septimi Toni) – 3. Et misericordia:


    Mit dem Abschnitt „Et misericordia eius a progenie in progenies timentibus eum“ („Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten“) entfaltet Gombert eine Musik von ruhiger, stetiger Bewegung. Die Stimmen sind enger verwoben als zuvor, was die Vorstellung der fortdauernden göttlichen Barmherzigkeit in eine dichte, fließende Klangsprache fasst.


    Trotz der komplexen Stimmführung bleibt der musikalische Ausdruck klar und durchscheinend. Die Imitationen sind fein abgestimmt, und die Übergänge zwischen den Einsätzen der Stimmen geschehen beinahe unmerklich, was der Musik eine stille, fast unaufhörliche Strömung verleiht. Diese kontinuierliche Bewegung deutet die Beständigkeit und Ewigkeit der göttlichen Gnade an.


    Der siebte Ton verleiht diesem Abschnitt eine leichte, fast schwebende Helligkeit, sodass der Satz trotz aller inneren Dichte eine gewisse Offenheit bewahrt. Gombert verbindet hier meisterhaft eine tiefe spirituelle Aussage mit einer subtilen, niemals aufdringlichen musikalischen Gestaltung.


    Track 21: Magnificat 7 (Septimi Toni) – 4. Deposuit potentes de sede:


    Im vierten Abschnitt des siebten Magnificats, bei den Worten „Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles“ („Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Demütigen erhöht“), bringt Gombert eine spürbare Verdichtung und kraftvolle Bewegung in sein Werk. Die Musik gewinnt an rhythmischer Energie, doch ohne je ihre stille Würde zu verlieren.


    Die Bildhaftigkeit des Textes wird subtil, aber wirkungsvoll in Klang umgesetzt: Auf „Deposuit“ – dem Sturz der Mächtigen – folgen melodische Abwärtsbewegungen, während auf „exaltavit humiles“ – der Erhöhung der Demütigen – sanft aufsteigende Linien antworten. Dieses Wechselspiel von Fall und Aufstieg bleibt stets in das dichte polyphone Gewebe eingebettet und wird nie zu vordergründiger Illustration.


    Trotz der gesteigerten inneren Dramatik bewahrt Gombert die fließende Kontinuität des Satzes. Die Stimmen bleiben eng verzahnt, die Klangfläche bleibt ruhig atmend, und der siebte Ton verleiht der Musik eine helle, fast leuchtende Grundierung, die die spirituelle Tiefe des Textes fein unterstreicht.


    Track 22: Magnificat 7 (Septimi Toni) – 5. Suscepit Israel:


    Im fünften Abschnitt des siebten Magnificats, bei den Worten „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“ („Er hat sich seines Knechtes Israel angenommen und seiner Barmherzigkeit gedacht“), kehrt Gombert zu einer ruhigen, innigen Klangsprache zurück. Die Musik strahlt hier eine besondere Wärme und Geborgenheit aus, ganz im Einklang mit dem tröstlichen Inhalt des Textes.


    Die Stimmen verschmelzen in dichter, aber sehr sanft geführter Polyphonie. Die Bewegungen sind weich, die Imitationen eng und fließend, sodass ein Bild beständiger, fürsorglicher Zuwendung entsteht. Auf textwichtigen Worten wie „suscepit“ und „misericordiae“ legt Gombert feine klangliche Akzente, ohne dabei je die Ruhe des Satzes zu stören.


    Der siebte Ton schenkt dem Abschnitt eine lichte, friedvolle Grundierung, die die Idee der bewahrenden göttlichen Barmherzigkeit wunderbar spürbar macht. Mit behutsamer Meisterschaft entfaltet Gombert hier eine Musik, die stille Dankbarkeit und tiefes Vertrauen in das Handeln Gottes ausstrahlt.


    Track 23: Magnificat 7 (Septimi Toni) – 6. Gloria Patri:


    Mit dem abschließenden „Gloria Patri“ („Ehre sei dem Vater...“) bringt Gombert sein siebtes Magnificat zu einem festlichen, zugleich in sich ruhenden Abschluss. Die Musik gewinnt hier spürbar an Weite und innerem Glanz, doch bleibt die Gestaltung stets getragen von jener stillen Erhabenheit, die Gomberts Stil so unverwechselbar macht.


    Die Stimmen entfalten sich in lebendiger Imitation, wobei das Klangbild heller und etwas freier wirkt als in den vorhergehenden Abschnitten. Besonders im „et in saecula saeculorum“ („von Ewigkeit zu Ewigkeit“) öffnet sich der musikalische Raum in einer sanften, strahlenden Bewegung, die die Ewigkeit des göttlichen Lobes musikalisch nachempfindet.


    Das abschließende „Amen“ fügt sich nahtlos in den fließenden Satz ein, löst sich nicht in plakativer Geste auf, sondern vollendet das Werk in einer Atmosphäre von friedvoller Vollendung und zeitloser Feierlichkeit – ein würdiger, leuchtender Schlusspunkt eines Magnificats, das durch seine geistige Klarheit und kompositorische Kunst besticht.


    Track 24: Anonymous – Antiphon zur Ersten Vesper, Hl. Maria Magdalena, 22. Juli (Reprise):


    Lateinischer Text:


    "Maria ergo accepit libram unguenti nardi pretiosi,

    et unxit pedes Iesu, et extersit capillis suis, et domus impleta est ex odore unguenti."


    Deutsche Übersetzung:


    "Maria nahm ein Pfund kostbares Nardenöl,

    salbte die Füße Jesu und trocknete sie mit ihrem Haar,

    und das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt."


    Zum Abschluss dieser Vespern erklingt erneut die Antiphon zu Ehren der heiligen Maria Magdalena. Die Wiederaufnahme dieser schlichten, zugleich eindringlichen Komposition verstärkt den meditativen Charakter des gesamten musikalischen Zyklus.


    In der Reprise wirkt die Musik noch gesammelter, fast wie ein Echo der vorhergehenden geistlichen Betrachtung. Die ruhigen, modalen Linien entfalten sich in sanftem Fluss, getragen von einer tiefen inneren Ernsthaftigkeit, die die Gestalt der heiligen Magdalena in ihrer ganzen spirituellen Tiefe nachzeichnet.


    Diese abschließende Antiphon schließt den Bogen der musikalischen Vesper auf würdige und stimmungsvolle Weise: ein Moment der Stille, der inneren Einkehr und der verhaltenen Feier eines Lebens, das durch Umkehr und Liebe zu Gott seine Erfüllung fand.


    Track 25: Anonymous – Antiphon für die Ersten Vespern des Epiphaniefestes:


    Lateinischer Text:


    "Tribus miraculis ornatum diem sanctum colimus:

    hodie stella Magos duxit ad praesepium;

    hodie vinum ex aqua factum est ad nuptias;

    hodie in Iordane a Ioanne Christus baptizari voluit, ut salvaret nos. Alleluia."


    Deutsche Übersetzung:


    "Diesen heiligen Tag feiern wir, geschmückt mit drei Wundern: heute führte ein Stern die Weisen zur Krippe;

    heute wurde Wasser in Wein verwandelt bei der Hochzeit;

    heute wollte Christus sich im Jordan von Johannes taufen lassen, um uns zu retten. Halleluja."


    Mit dieser Antiphon für die Ersten Vespern des Epiphaniefestes öffnet sich ein feierlicher, zugleich kontemplativer Klangraum. Die anonyme Komposition trägt die Botschaft von der Offenbarung Christi an die Völker in einer schlichten, aber eindringlichen musikalischen Sprache.


    Die Musik bewegt sich in ruhigen Bögen, die Stimmen verweben sich in sanfter Imitation und schaffen eine Atmosphäre von stiller Feierlichkeit. Die modale Harmonik verleiht der Antiphon eine zeitlose Würde, während die zurückhaltende Dynamik die ehrfürchtige Stimmung des Festes unterstreicht.


    Die Themen von Licht, Führung und Anbetung, die im Epiphaniasfest eine zentrale Rolle spielen, spiegeln sich in der schwebenden, hellen Klanglichkeit wider. Ohne äußere Effekte entfaltet sich so ein musikalisches Bild der Ankunft des göttlichen Lichtes in der Welt.


    Track 26: Nicolas Gombert – Magnificat 8 (Octavi Toni) – 1. Magnificat:


    Mit dem ersten Abschnitt seines achten Magnificats im achten Ton beginnt Nicolas Gombert ein Werk von besonderer Helligkeit und freudiger Ruhe. Die Vertonung der Worte „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) entfaltet sich in einer weiten, offen strömenden Polyphonie, die dem Charakter des achten Tons – traditionell mit Klarheit und Festlichkeit verbunden – vollkommen entspricht.


    Die Stimmen bewegen sich mit sanfter Leichtigkeit umeinander, die Imitationen sind kunstvoll, aber unaufdringlich gesetzt. Gombert schafft es, die Dichte der Polyphonie mit einer besonderen Transparenz zu verbinden, sodass das Klangbild leuchtet und atmet.


    Der Lobpreis, der diesem Text innewohnt, wird nicht durch äußere Pracht, sondern durch eine tiefe innere Gelassenheit und Freude ausgedrückt. In dieser Eröffnung wird bereits spürbar, dass das achte Magnificat ein Werk von feierlicher Weite und harmonischer Ausgewogenheit sein wird.


    Track 27: Magnificat 8 (Octavi Toni) – 2. Quia Respexit:


    Im zweiten Abschnitt des achten Magnificats, bei den Worten „Quia respexit humilitatem ancillae suae“ („Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen“), zieht sich Gombert musikalisch leicht zurück und gestaltet eine Passage von zarter Innigkeit. Die Musik bleibt fließend und licht, doch tritt eine sanfte Nachdenklichkeit hinzu, die den Inhalt des Textes subtil nachzeichnet.


    Die Stimmen bewegen sich in eng verwobener Polyphonie, die Motivik bleibt schlicht und natürlich, sodass ein inniger, stiller Charakter entsteht. Besonders auf dem Wort „humilitatem“ – der Demut – verlangsamen sich die melodischen Bewegungen leicht, was die tiefe Bescheidenheit der Aussage in feine Klanglinien übersetzt.


    Obwohl der achte Ton eine grundsätzlich festliche Färbung besitzt, versteht es Gombert auch hier, den musikalischen Ausdruck an die demütige Haltung des Textes anzupassen, ohne die Grundhelligkeit seiner Tonsprache aufzugeben. So entsteht ein wunderbar ausgewogener Moment stillen Lobes und leiser Ehrfurcht.


    Track 28: Nicolas Gombert – Magnificat 8 (Octavi Toni) – 3. Et misericordia:


    Im dritten Abschnitt „Et misericordia eius a progenie in progenies timentibus eum“ („Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten“) entfaltet Gombert eine ruhig kreisende, sanft fließende Polyphonie, die die Unvergänglichkeit der göttlichen Barmherzigkeit eindrucksvoll widerspiegelt.


    Die Stimmen treten in enger, aber gleichmäßiger Imitation auf, was ein Bild von ununterbrochener Bewegung und beständiger Weitergabe entstehen lässt – ganz im Sinne der Textaussage. Die Melodien sind weich geführt, und trotz aller Dichte bleibt das Klangbild durchlässig und klar.


    Der achte Ton verleiht diesem Abschnitt eine lichterfüllte Wärme, die weder schwer noch erdrückend wirkt, sondern die Trostbotschaft des Textes in hellem Klang erstrahlen lässt. Gombert verbindet hier auf meisterhafte Weise polyphone Kunst mit einer tief empfundenen, aber unaufdringlichen Frömmigkeit.


    Track 29: Magnificat 8 (Octavi Toni) – 4. Deposuit potentes de sede:


    Im vierten Abschnitt des achten Magnificats, bei den Worten „Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles“ („Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Demütigen erhöht“), gestaltet Gombert einen kraftvollen, aber immer edel gebändigten musikalischen Moment.


    Die Stimmen entfalten sich in lebhafterer Bewegung als zuvor, ohne dass die Grundruhe der Komposition verloren geht. Auf dem Wort „Deposuit“ ist eine deutlich spürbare Abwärtsbewegung in den Melodien zu erkennen, die den Sturz der Mächtigen klanglich nachzeichnet, während „exaltavit humiles“ mit sanften Aufwärtslinien eine Gegenbewegung entwickelt – doch bleibt auch diese Bildhaftigkeit stets eingebettet in Gomberts feines polyphones Gewebe.


    Der achte Ton verleiht diesem Abschnitt eine klare, lichte Atmosphäre, sodass der musikalische Ausdruck nicht düster oder dramatisch wirkt, sondern eher als ein Akt göttlicher Gerechtigkeit in ruhiger Majestät erscheint. Gombert gelingt es auch hier, die spirituelle Tiefe des Textes mit einer zurückhaltenden, innerlich leuchtenden Musik einzufangen.


    Track 30: Magnificat 8 (Octavi Toni) – 5. Suscepit Israel:


    Im fünften Abschnitt des achten Magnificats, bei den Worten „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“ („Er hat sich seines Knechtes Israel angenommen und seiner Barmherzigkeit gedacht“), findet Gomberts Musik zu einer besonders stillen, warmen Innigkeit.


    Die Stimmen bewegen sich in sanften, gleichmäßigen Linien, die Polyphonie bleibt dicht, aber vollkommen durchlässig, wodurch ein schwebender, friedvoller Klang entsteht. Die ruhige, fast wiegende Bewegung der Stimmen verleiht diesem Abschnitt eine tröstliche Sanftheit, die die fürsorgende Liebe Gottes zu seinem Volk auf eindrucksvolle Weise hörbar macht.


    Der achte Ton sorgt dabei für eine lichte, hoffnungsvolle Grundstimmung, die in keiner Weise schwer oder erdrückend wirkt. Gombert entfaltet hier einen Klangraum, in dem die Themen Erinnerung, Treue und Barmherzigkeit eine tief empfundene, zugleich zurückhaltende musikalische Sprache finden.


    Track 31: Magnificat 8 (Octavi Toni) – 6. Gloria Patri:


    Mit dem abschließenden „Gloria Patri“ („Ehre sei dem Vater“) krönt Gombert sein achtes Magnificat in einer Atmosphäre von ruhiger Festlichkeit und innerer Strahlkraft. Die Stimmen entfalten sich in freier, heller Polyphonie, die den festlichen Charakter des achten Tons voll zur Geltung bringt, ohne die meditative Grundhaltung aufzugeben.


    Die Imitationen der Stimmen sind lebendig, aber nicht überladen; vielmehr entsteht ein stetiger, lichtdurchfluteter Klangstrom, der den Text in feierlicher, aber maßvoller Bewegung umkreist. Besonders das „et in saecula saeculorum“ („von Ewigkeit zu Ewigkeit“) wird in weiten melodischen Bögen gestaltet, wodurch die Ewigkeit des göttlichen Lobes eindrucksvoll hörbar wird.


    Das abschließende „Amen“ fügt sich organisch in das polyphone Gewebe ein und bringt das Werk in einer Geste stiller Vollendung zu seinem Ende – würdevoll, licht und getragen von einer tief empfundenen Frömmigkeit.


    Track 32: Anonymous – Antiphon für die Ersten Vespern des Epiphaniefestes (Reprise):


    Zum Abschluss erklingt erneut die Antiphon für die Ersten Vespern des Epiphaniefestes, die in ihrer schlichten Würde und klaren Linienführung die feierliche Stimmung des gesamten musikalischen Zyklus noch einmal aufgreift.


    In der Wiederaufnahme wirkt die Musik noch gesammelter, fast wie eine nach innen gekehrte Meditation über die Offenbarung Christi an die Welt. Die Stimmen verschmelzen in ruhiger Harmonie, die modale Klangsprache schenkt dem Satz eine zeitlose Erhabenheit, und die feine Imitation der Stimmen verstärkt den Eindruck einer beständigen, nie versiegenden Anbetung.


    So schließt sich der musikalische Bogen auf eine Weise, die Stille und Feierlichkeit miteinander vereint – ein leiser, zugleich strahlender Ausklang, der den Hörer in einer Atmosphäre von Frieden und geistiger Weite zurücklässt.


    Nicolas Gombert: Geistliche Werke - Magnificats 5 bis 8

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