Ravel: Gaspard de la Nuit

  • Auf dieser Seite ist auch das Aufnahmedatum vermerkt:


    "June 4, 1968 in Lugano, Teatro Kursaal" - auf der LP selbst steht "1968".

    Sehr verdienstvolle Seite. Bei mir in der Sammlung steht "ABM Vol. 5" von Rococo-Records, eine Aufnahme -wie ich dank dieser Seite jetzt weiß- vom 22.03.1969 aus Helsinki. Die Aufnahme aus Lugano ist ganz gut beschaffbar (für Plattenliebhaber jedenfalls). Ist der Unterschied zwischen den beiden Recitals eklatant?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich mache mir das als Laie, aber immerhin doch engagierter Hörer, etwas einfacher. Es gibt Einspielungen, die mich überzeugen, manchmal kürzer, manchmal länger. Wenn mir etwas über dreißig oder sogar fünfzig Jahre bei regelmäßigem Hören gefällt, gehe ich davon aus, dass etwas dran sein muss. Es kann sein, dass mir irgendwelche Interpretationen nach einiger Zeit dann doch zu oberflächlich vorkommen ....

    Das wirklich Gute bewährt sich. Selbst wenn man sich von den Aufnahmen entfernt, mit denen man die Werke kennenlernte durch das Kennenlernen von immer wieder neuen, so kommt man letztlich immer wieder auf die alten prägenden - wenn sie denn überragend waren - zurück. So jedenfalls meine Erfahrung.

    Bei Hamelin habe ich nun trotz der technischen Fehler, von denen einer sogr in der Interpretation angelegt sein mag, neue und überraschende Linien gehört. So etwas gefällt mir beim ersten Hören fast immer. Selbstverständlich höre ich die eiserne Klarheit bei Michelangeli. Ich habe allerdings keine Idee im Hinterkopf, dass es nur eine einzige Interpretation geben müsste, die dem Werk gerecht würde, bin also ein Verfechter von mehreren Interpretaionen, denen ich etwas abgewinnen kann.

    Ich kenne wahrscheinlich zu viele - und darunter auch viele sehr gute - Interpretationen von dem Werk, dass mir da bei Hamelin etwas überraschend Neues aufgefallen wäre. ^^ Insgesamt ist das eine sehr geschlossene Darstellung, die aber Ravel irgendwo im Kontext der Spätromantik verortet, was ja auch Hamelins spezielles Repertoire ist, womit er sich profiliert hat. Er ist auch immer verbindlich und nie flach - poetisch und einnehmend empfindsam gespielt ist das unzweifelhaft. Insofern ärgert mich diese Interpretation in keiner Weise, wie es etwa die von Ivo Pogorelich tut. "Dem Werk gerecht werden" ist schon ein weiteres Streufeld, wo man dann die Frage nach dem "mehr oder weniger" stellen kann bei der Berücksichtigung aller Aspekte. Letztlich finde ich z.B. Martha Argerichs Interpretation wesentlich bedeutender als die von Hamelin. Sie tappt eben nicht in die Falle der Romantisierung, wohl bedingt durch ihren Lehrer Friedrich Gulda, der auch ganz ausgezeichnet ist bei Gaspard de la nuit - in etlichen Aspekten ABM nicht unähnlich. Martha Argerich macht aus Gaspard de la nuit ein impressionistisches Fest von Valeurs. Das ist musikalisch und pianistisch einfach märchenhaft gut, so dass ich mir eigentlich jeden ihrer Mitschnitte immer gerne und mit großer Neugier anhöre - ich habe nicht nur die Studioaufnahme bei der DGG, sondern (fast) alle Konzertmitschnitte. Natürlich kann man sich da fragen, ob das nicht in tieferem Sinne an Ravel vorbei geht und auf einem ästhetischen Missverständnis beruht. Nur sind die Qualitäten so überragend (und das ist eben letztlich kein rückwärts gewandter, sondern auch ein sehr "moderner" Ravel) und sie setzt ihr Konzept so konsequent und mit einem so großen Können um, dass die Argerich-Interpretation allein deshalb unverzichtbar ist. Gerade weil die Umsetzung so überragend ist, führt so eine interpretatorische Auffassung dann dazu, dass man sich die tieferen Interpretationsfragen überhaupt stellt und stellen kann. Und das spricht für sich.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Sehr verdienstvolle Seite. Bei mir in der Sammlung steht "ABM Vol. 5" von Rococo-Records, eine Aufnahme -wie ich dank dieser Seite jetzt weiß- vom 22.03.1969 aus Helsinki. Die Aufnahme aus Lugano ist ganz gut beschaffbar (für Plattenliebhaber jedenfalls). Ist der Unterschied zwischen den beiden Recitals eklatant?

    Lieber Thomas,


    das kanadische Rococo-Label ist ja das, wogegen ABM mal wegen der Verbreitung von Raubkopien prozessierte. Das ist allerdings Geschichte, denn all diese Mitschnitte sind heute legal verbreitet (das ABM-Document-Center in ABMs Geburtsstadt Brescia sorgt auch dafür). Das Helsinki-Konzert (ist in der Aura-Box enthalten) enthält die Kuriosität, dass ABM zu Beginn von Reflets dans l´eau einen dicken Fehler macht. Ausgerechnet - wo er das Stück tausend mal gespielt hat und diese Stelle absolut harmlos ist. Wohl war er irgendwie kurz abgelenkt. Eine Konzentrationsschwäche. Er selbst sagte mal (Humor hatte ABM!): "Man wäre ein großer Esel zu glauben, im Konzert könne nicht etwas Schreckliches passieren." Dagegen die Lugano-Aufnahme ist absolut fehlerlos (wohlgemerkt ist das ein Konzertmitschnitt!) und von einer schier unglaublichen Perfektion und Ausgefeiltheit. Ein Wunder von Konzentrationsfähigkeit und Selbstkontrolle bei diesem immens schwierigen Stück! Dazu noch klangtechnisch hervorragend. Ich verstehe nicht, warum sie kaum veröffentlich wird. Der Vatikan-Mitschnitt dagegen ist doch aufnahmetechnisch sehr mäßig, es gibt ihn aber in zahlreichen CD-Ausgaben. Was natürlich sehr schade ist. Noch bedauerlicher ist, dass ABM nicht Gaspard de la nuit zusammen mit den Debussy-Preludes Heft II in Bielefeld damals für die DGG aufgenommen hat. Aber da wurmt man sich über seine Skrupel genau so wie bei Krystian Zimerman, den ABM sehr hoch schätzte und der ihm in dieser Hinsicht (leider!) sehr ähnlich ist. Wenn Du die LP bekommen kannst, besorge sie Dir unbedingt! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Hallo


    für mich bleiben zwei Studio-Aufnahmen des Gaspard prägend und Referenz, so unterschiedlich sie auch sind: Pogorelich (DG) und Gavrilov (EMI) !


    LG Siamak

  • 47240949hd.jpg



    Die von Holger gezeigte HuntCD beinhaltet anscheinend eine Aufnahme aus Helsinki, die Luganoaufzeichnung ist auf der Memories Doppel CD.


    ABM

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  • Die von Holger gezeigte HuntCD beinhaltet anscheinend eine Aufnahme aus Helsinki, die Luganoaufzeichnung ist auf der Memories Doppel CD.

    Lieber Karl,


    die Verwirrung haben die fehlerhaften Angaben auf diesen Mitschnitten gestiftet. Die Hunt-CD ist definitiv identisch mit der LP und der Nuova Era-CD. Es ist die Aufnahme aus Lugano. Nur sind da - ich habe gerade geschaut - die Angaben verwirrend falsch: HUNT CD 904, es steht im Klappentext Lugano (!) 1969. Die Jahreszahl ist falsch, das muss natürlich 1968 heißen. (Bei Nuova Era steht richtig "Lugano 1968") Die Aufnahme aus Helsinki habe ich gar nicht und auch nicht die aus New York. Bei der Discographie haben sie dann gedacht, wenn die Jahreszahl "1969" ist, muss das die Aufnahme aus Helsinki sein. Ist sie aber nicht! ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Karl,


    gerade beim Durchsehen entdeckt:


    Ravel: Gaspard de la Nuit


    Da hast Du die Bilder der Arcadia-CD eingestellt, die mit der HUNT-CD wohl identisch ist. Auch da steht fälschlich "Lugano 1969" (statt richtig "1968"). Da wurden die fehlerhaften Daten offenbar übernommen, weil man keine genauen Angaben hatte (typisches Problem von "Raubkopien" ^^ ) .


    Schöne Grüße

    Holger

  • Die Eintragungen in der Diskographie sind einfach fehlerhaft. Es handelt sich da um die Aufnahme aus Lugano!

    Was bedeuten würde, dass auf der von mir genannten RoCoCo-Platte der Lugano-Mitschnitt ist?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Wie lange ist denn Ondine in der Aufnahme aus Lugano 1968?

    Ich habe den Überblick verloren.


    Das Praga-Remastering ist aus dem Jahr 1960 (Prag).


    Ich dachte, ich habe die von Holger genannte Nuova Era Ausgabe, aber dabei scheint es sich um die 1987-Vatikan-Ausgabe zu handeln, die von Aura veröffentlicht wurde.


    Laut https://pianistdiscography.com…p?workSENT=942&PIANIST=31 gibt es auch keine Nuove Era Ausgabe des Lugano-Konzertes oder wie soll die aussehen?


    Mich macht es immer ein bisschen nervös, wenn die vermeintlich interessantesten Ausgabe NICHT verfügbar sind.

    Da gibt es ein paar Spezialisten hier im Forum, die dafür eine Vorliebe haben ;-)


    Viele Grüße

    Christian

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  • Da gibt es ein paar Spezialisten hier im Forum, die dafür eine Vorliebe haben

    Ist zuweilen schwierig, weil auf den Platten selbst teilweise nichts vermerkt ist. Auf meiner Rococo-Platte ist nur das Programm genannt, kein Aufnahmedatum und -Ort. Inlay? Fehlanzeige, hatten die nicht immer. Die Aufnahmen stammen alle aus einer Zeit der Halb-Illegalität, teilweise von Privatleuten verfügbar gemacht. Insofern können wir hier nur gemeinsam Wissen zusammentragen. Bis vorhin dachte ich auch, dass meine Platte ein Helsinki-Mitschnitt sei und frage mich jetzt: von wann und wo ist der Debussy auf der A-Seite?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Ich habe allerdings keine Idee im Hinterkopf, dass es nur eine einzige Interpretation geben müsste, die dem Werk gerecht würde, bin also ein Verfechter von mehreren Interpretaionen, denen ich etwas abgewinnen kann.

    Da bin ich im Prinzip ganz bei Dir. Der Begriff der "Interpretation" ist grundsätzlich problematisch, weil er zum Beispiel außer acht lässt, dass es möglich und legitim ist, eine Partitur auch "gegen den Strich" zu lesen. Ich bin aber ein großer Anhänger davon, den "Strich" trotzdem zu kennen, weil eine entgegengesetzte Lesart meist erst aus dieser Spannung funktioniert. Schaut man z.B. auf den Anfang von Ondine, dann stellt man fest, dass in der Oberstimme das besagte Übereinander von zwei entgegengesetzten metrischen Ordnungen wirkt, also eine mit quasi grafischer Klarheit komponierte Uneindeutigkeit. Das nach eineinhalb Takten links einsetzende Thema steht dazu in extremem Kontrast: Ravel schreibt nicht nur ausdrücklich "très doux et très espressif" sondern wählt auch eine andere Tonart (gis-moll statt Cis-Dur), eine andere Bewegungsart und einen entgegengesetzten Charakter, außerdem ist das Thema metrisch vollkommen klar. Die Oberstimme ist wegen ihrer besonderen Struktur aber nicht einfach nur eine vorbereitende "Begleitung" für das "Hauptthema" sondern ihrerseits genauso "Hauptsache". Damit wäre für mich klar, dass man beide Elemente möglichst trennscharf gegeneinander setzt, damit sie gegeinander und ineinander wirken können. Naheliegend ist dann natürlich, die Rechte mit mechanischer Präzision und gläsern transparent zu spielen und die Linke "très espressif" und durchaus mit romantischer Phrasierung. Allerdings ist das zwar naheliegend aber keineswegs zwingend: Man könnte z.B. auf die Idee kommen, den Kontrast gerade umzudrehen, also dem flirrenden Anfang Ausdruck und innere Ordnung zu verleihen, indem man der Uneindeutigkeit die Logik einer Phrase entgegensetzt (immerhin beginnt das Stück auftaktig; man könnte also zum ersten Volltakt hin phrasieren), um dann das Thema links kühl, streng und stabil dagegen zu setzen. Oder man könnte dem Thema das Verlangen nach romantischem Espressivo bewusst verweigern, es gewissermaßen unter den Zwang der mechanischen Rechten stellen und beides kühl und streng spielen, um die Auswirkung des Anfangs auf das Thema zu betonen. Ob irgendetwas davon funktioniert oder nicht, kann sich natürlich nur in der Praxis zeigen. Sicher wären auch noch ganz andere Lösungen möglich, aber mir fehlt die Fantasie, dass darunter auch eine sein könnte, die beide Elemente romantisch espressiv deutet. Auch das (also dass mir die Fantasie fehlt) ist natürlich kein Beweis dafür, dass es nicht möglich ist. Bei Hameling scheint es mir jedenfalls nicht gelungen zu sein.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Bis vorhin dachte ich auch, dass meine Platte ein Helsinki-Mitschnitt sei und frage mich jetzt: von wann und wo ist der Debussy auf der A-Seite?

    Der obige youtube-Mitschnitt des Helsinki-Konzerts ist ohne Bild und somit kein Beweis.


    Wie bereits von Karl verlinkt, wird auf https://pianistdiscography.com…cinfoSENT=7252&PIANIST=31 für dieses Konzert ein Programm mit dem Gaspard angeführt.

    Und genau für dieses Konzert mit diesem Programm (also mit Gaspard) findet sich auch ein youtube-Video:

  • Mit dieser ABM-Aufnahme des Gaspard könnte ich noch aufwarten, sie stammt allerindgs aus London:


    Michelangeli-GCL22.jpg


    Bemerkenswert, dass diese Serien einstmals an italienischen Kiosken zu kaufen war, in Deutschland wohl eher undenkbar sowas.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Was bedeuten würde, dass auf der von mir genannten RoCoCo-Platte der Lugano-Mitschnitt ist?

    Christian hat diese Frage vielleicht gelöst, lieber Thomas.

    Der obige youtube-Mitschnitt des Helsinki-Konzerts ist ohne Bild und somit kein Beweis.


    Wie bereits von Karl verlinkt, wird auf https://pianistdiscography.com…cinfoSENT=7252&PIANIST=31 für dieses Konzert ein Programm mit dem Gaspard angeführt.

    Und genau für dieses Konzert mit diesem Programm (also mit Gaspard) findet sich auch ein youtube-Video:

    Interessant, lieber Christian! Da diese Einstellung vom ABM-Document-Center ist, wird das auch stimmen. Interessant ist das folgende Youtube-Video, wo sich der, der das eingestellt hat, des Aufnahmedatums nicht ganz sicher ist:


    Arturo Benedetti Michelangeli - Piano recital - Lugano, 1968 (youtube.com)


    Da fehlt nun ausgerechnet Gaspard de la nuit. Aber wenn man dies mit dem Helsinki-Programm von 1969 vergleicht, gibt es eine gewisse Deckung, wenn man Gaspard de la nuit ergänzt (den Schumann). Vielleicht wurde das volle Programm unvollständig aus dem Radio mitgeschnitten, was hier bei Youtube erscheint? So gehe ich davon aus (jedenfalls spricht viel dafür), dass er in beiden Fällen ein ähnlich gewichtetes Programm gespielt hat, also wohl doch zwei Aufnahmen existieren aus Lugano und Helsinki 1968 und 1969. Aufnahmetechnisch unterscheiden sich die Mitschnitte aus Helsinki aber deutlich von denen aus Lugano. In Lugano sind das qualitativ sehr hochwertige Aufnahmen des Rundfunks der italienischen Schweiz. Die aus Helsinki sind da aufnahmetechnisch deutlich schwächer, jedenfalls nach den bei AURA veröffentlichten Mitschnitten zu urteilen. Insofern glaube ich nicht, dass man sie verwechseln kann (dazu kenne ich sie auch im Detail zu gut, jedenfalls die Lugano-Aufnahme - die aus Helsinki habe ich nicht, die muss ich mir nachher zuhause bei Youtube anhören, dann bin ich schlauer!). ^^ :)

    Das Dumme ist, dass die Nuova Era CD (wo noch Scarlatti, Debussy draufgepackt ist von ganz anderen Aufnahmen) keinerlei Daten hat, auch keine Produktionsziffer. Auch Bilder habe ich keine im Netz gefunden. Vielleicht gelingt es mir ja noch, was ausfindig zu machen ... ^^


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Ich kenne wahrscheinlich zu viele - und darunter auch viele sehr gute - Interpretationen von dem Werk, dass mir da bei Hamelin etwas überraschend Neues aufgefallen wäre. ^^ Insgesamt ist das eine sehr geschlossene Darstellung, die aber Ravel irgendwo im Kontext der Spätromantik verortet, was ja auch Hamelins spezielles Repertoire ist, womit er sich profiliert hat.

    Sicher eine Erklärung für den romantischen Ansatz!

    Er ist auch immer verbindlich und nie flach - poetisch und einnehmend empfindsam gespielt ist das unzweifelhaft. Insofern ärgert mich diese Interpretation in keiner Weise, wie es etwa die von Ivo Pogorelich tut.

    Die Einspielung von Pogorelich verstehe ich nicht. Ich verliere da häufig den Zusammenhang trotz unbestreitbaren Könnens Pogorelichs in der Anschlagstechnik.


    Ob irgendetwas davon funktioniert oder nicht, kann sich natürlich nur in der Praxis zeigen. Sicher wären auch noch ganz andere Lösungen möglich, aber mir fehlt die Fantasie, dass darunter auch eine sein könnte, die beide Elemente romantisch espressiv deutet. Auch das (also dass mir die Fantasie fehlt) ist natürlich kein Beweis dafür, dass es nicht möglich ist. Bei Hameling scheint es mir jedenfalls nicht gelungen zu sein.

    Vielen Dank für die ausfühlriche Erklärung. Ich habe mir jetzt die Noten besorgt! Ohne wird man sicher nicht weiterkommen, zumal ja ein Teil Deiner Argumentation gerade sein Gewicht aus den Bezeichnungen Ravels bezieht. Ich konnte allem folgen und habe gleich für mich auch eine Erklärung für die "neuen und überraschenden" Linien gefunden. Es liegt eben daran, dass er eben keinen klanglichen Kontrast aufbaut, sondern eigentlich die Stimmen ineinanderfließen lässt. Jetzt bin ich nun doch gespannt, wie lange das in meinen Ohren hält ... Wenn man mehr weiß hört man plötzlich auch anders .. :(

  • Arturo Benedetti Michelangeli - Piano recital - Lugano, 1968 - YouTube


    Nochmals dazu:


    Damals in Düsseldorf spielte ABM vor der Pause wie in diesem Mitschnitt zu Beginn die Chopin-Sonate. Darauf folgten beide Hefte der Images von Debussy. Nach der Pause war das Programm Ravel: erst Valses nobles et sentimentales und dann Gaspard de la nuit.


    1968 in Lugano hat er nach dem Chopin den Schumann gespielt - Faschingsschwank aus Wien. Das ist eine Konzerthälfte. Dann, für das Programm nach der Pause, kommt in diesem Mitschnitt nur noch Childrens Corner. Da fehlt das "Hauptstück" sozusagen, das reicht offenkundig nicht für eine Konzerthälfte. Childrens Corner entspricht von Anforderungen und Ausmaßen in etwa den Valses nobles... und da würde dann Gaspard de la nuit passen. Darüber könnte natürlich Jemand Auskunft geben, der im Archiv des Rundfunks in Lugano beschäftigt ist. ^^

  • Obwohl klanglich bescheiden, ist der Anfang von ONDINE aus Helsinki beeindruckend (ab 1:14:53)!

    Hier sind die beiden "grundverschiedenen metrischen Modelle" (Ch.Köhn) sehr gut zu hören.

  • 47247925wn.jpg


    Die Arkadia Aufnahme vom Gaspard habe ich mir heute mal wieder angehört und danach die mit Gavrilov - sicherlich mehr bekannt durch Chopin (EMI Red Line - Etudes & Ballades).


    Kann ich jedem nur empfehlen, diesen Hörvergleich zu machen.


    Bei Odine geht das für mich noch in Ordnung, aber schon bei "Le Gibet" ist es vorbei.


    Da hören wir ständig eine Totenglocke in der abendlichen Dämmerung beim Anblick eines Gehängten.


    Bitte kein schönes Klavierspiel, der Ton der Glocke muss kühl und kalt kommen.


    Und beim Scarbo geht es doch nicht um die Demonstration der Klaviertechnik, ich will einen spürbar gelebten Alptraum hören und empfinden.


    ABM ist hier qualitativ so weit entfernt von Gavrilov, und der ist ja wirklich kein Durchschnittspianist.

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  • Mit dieser ABM-Aufnahme des Gaspard könnte ich noch aufwarten, sie stammt allerindgs aus London:



    Bemerkenswert, dass diese Serien einstmals an italienischen Kiosken zu kaufen war, in Deutschland wohl eher undenkbar sowas.

    ... die LP habe ich auch noch, glaube ich, lieber Thomas! :)

    Obwohl klanglich bescheiden, ist der Anfang von ONDINE aus Helsinki beeindruckend (ab 1:14:53)!

    Hier sind die beiden "grundverschiedenen metrischen Modelle" (Ch.Köhn) sehr gut zu hören.

    Obwohl ich das von ihm in und auswendig kenne, raubt mir das mal wieder den Atem. :hail: Ein toller Mitschnitt - würde ich auf CD haben wollen. Technisch zusammengestückelt - Scarbo ist deutlich klarer als Ondine und Le Gibet. Die ersten beiden Teile mit Hintergrundgeräuschen - ist das mit mäßiger Übersprechdämpfung aus dem Radio aufgenommen? Aber die Klangqualität ist durchaus passabel - die ästhetischen Qualitäten von ABMs Spiel kann dieser Mitschnitt trotz Mängeln sehr gut vermitteln. Es gibt kleine aber merkliche Unterschiede zu Lugano, ansonsten derselbe Interpretationsansatz. Le Gibet hat mich bei diesem Mitschnitt am tiefsten beeindruckt - so und nicht anders denke ich da nur... (Eine bemerkenswerte harmonische Linie bei den Akkordverschmelzungen am Schluss kommt allerdings nur in Lugano heraus.) ABM liebte Finnland und die Finnen, weil sie so nett zu ihm waren. Dort soll er auch krank gespielt haben, um kein Konzert absagen zu müssen. Man merkt irgendwie, dass er sich da sehr wohl fühlt. ^^


    Die Nuova-Era CD (Nr. 2218) mit dem Lugano-Mitschnitt ist bei mir verfärbt und weist auf der Rückseite gefährliche Auflösungsspuren auf. Vielleicht lässt sie sich gar nicht mehr abspielen. Ich habe sie auch schon ewig nicht mehr gehört, weil von minderer Qualität der Überspielung (wohl eine schlechte Kopie). Die HUNT-CD dagegen ist tadellos.


    Zum Rhythmus sage ich morgen noch etwas.

    ABM ist hier qualitativ so weit entfernt von Gavrilov, und der ist ja wirklich kein Durchschnittspianist.

    Da stimme ich Dir voll zu, lieber Karl! :)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Der Rhythmus von Ondine


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    P.S. Es muss natürlich klassischer Anapäst heißen! :!:


    Richtigstellungen hier (und genauere Analyse):


    Ravel: Gaspard de la Nuit


    Ravel: Gaspard de la Nuit


    Der Rhythmus, den Ravel hier notiert, ist eigentlich klar erkennbar. Es ist ziemlich eindeutig und unzweideutig ein klassischer Daktylus. (Anapäst, s.u.!)


    Beispiel Stefan George Das Jahr der Seele


    Es lacht in dem steigenden jahr dir

    Der duft aus dem garten noch leis.


    Die zweite Zeile enthält genau den Rhythmus von Ondine:


    - ´- - ´ - - ´


    Mit Auftakt den Rhythmus geschrieben:


    ( - ´) ( - - ´ ) (- - ´ )


    Dass das von Ravel auch genau so und nicht anders gemeint ist, zeigt der Notentext. Zwei Vierergruppen sind jeweils mit einem Balken zusammengefasst, was genau eine daktylische Zeile ergibt und davon im Takt dann zwei hintereinander:


    (( - ´ ) (- - ´) ( - - ´)) (( - ´) (- - ´) ( - - ´ ))


    Die Aufteilung 3 - 3 - 2 widerspricht erst einmal der Notentextnotierung und sie ergibt auch gar keinen Rhythmus. Zum Rhythmus gehört das Fließen (griech. rhythmos kommt von rhei = "fließen"). So aufgeteilt kann man nämlich wenn man es versucht nicht durchgehend 32tel spielen. Eine andere Frage ist natürlich, wie man das hören kann. Durch die Dichte der Tremolos kommt es zu einer Verschleierung und Verschmelzung der rhythmischen Struktur, und da kann die Gestaltwahrnehmung auch andere Gruppierungen herausgliedern wie eben 3 - 3 - 2.


    Der Beginn von Ondine lässt allerdings die Frage offen, ob man einen Rhythmus überhaupt hören soll. Es gibt eine Gruppe von Interpreten, die hier (und das kann man durch den Text der Dichtung begründen) nur ein leises "Flimmern" ohne rhythmische Akzente hören will: der sanft von Mondstrahlen beschienene fast stille See im Mondlicht, wo das Licht auf der Wasseroberfläche nur leise flimmert. Dafür spricht, dass die "rhythmisierende Interpretation" unmöglich ein ppp realisieren kann und Akzente setzt, die gar nicht notiert sind. Aber eindeutig ist das eben nicht zu beantworten, welche Sicht "richtig" ist. Ich bin auch für die "rhythmisierende" Lesart von Michelangeli. Die Begründung dafür sieht allerdings komplizierter aus. Allein durch eine "positivistische" Analyse der Struktur des Notentextes kann man das m. E. nicht begründen, da muss dann die semantische, musikhermeneutische Ebene hinzukommen.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Die Aufteilung 3 - 3 - 2 widerspricht erst einmal der Notentextnotierung und sie ergibt auch gar keinen Rhythmus. Zum Rhythmus gehört das Fließen (griech. rhythmos kommt von rhei = "fließen").

    Die Aufteilung 3-3-2 ist z.B. in osteuropäischer Volksmusik und im Jazz elementar. Das ist dann nach Deiner Definition also alles "Musik ohne Rhythmus". Nach Platon ist Rhythmus "die Ordnung der Bewegung". Heutzutage bezeichnet man damit einfach generell die Struktur bzw. den Ablauf der musikalischen Zeit. Der Satz "Die Aufteilung 3-3-2 ergibt auch gar keinen Rhythmus" widerspricht offensichtlich beidem. In Bezug auf die Balkensetzung hattest Du übrigens im Falle des langsamen Satzes des G-Dur-Konzertes genau umgekehrt argumentiert und behauptet, Ravel habe dort einen Walzer-Rhythmus gemeint und nur "aus Pedanterie" Zweier-Gruppen geschrieben.


    So aufgeteilt kann man nämlich wenn man es versucht nicht durchgehend 32tel spielen.

    Warum das? Natürlich kann man das. Das ist doch gerade der Witz der Stelle: Man kann beide rhyhthmische Strukturen denken, spielen und hören.


    Allein durch eine "positivistische" Analyse der Struktur des Notentextes kann man das m. E. nicht begründen, da muss dann die semantische, musikhermeneutische Ebene hinzukommen.

    Warum "muss" sie das? Weil Dr. Kaletha das verlangt?

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Der Beginn von Ondine lässt allerdings die Frage offen, ob man einen Rhythmus überhaupt hören soll.

    Das ist eben genau die Frage.

    Es gibt eine Gruppe von Interpreten, die hier (und das kann man durch den Text der Dichtung begründen) nur ein leises "Flimmern" ohne rhythmische Akzente hören will: der sanft von Mondstrahlen beschienene fast stille See im Mondlicht, wo das Licht auf der Wasseroberfläche nur leise flimmert.

    Das entsprach meiner poetischen Fantasie an dieser Stelle. Allerdings scheinen mir solche Bilder bestenfalls musikalische Krücken zu sein. Es ist ja so, dass wahrscheinlich jeder die Poesie anders empfindet.


    Ich bin auch für die "rhythmisierende" Lesart von Michelangeli.

    Also siehst Du es ja auch anders.



    Die Begründung dafür sieht allerdings komplizierter aus. Allein durch eine "positivistische" Analyse der Struktur des Notentextes kann man das m. E. nicht begründen, da muss dann die semantische, musikhermeneutische Ebene hinzukommen.

    Es könnte eine musikhermeneutische Begründung geben für das rhythmisierende Spiel, obwohl Du ja oben eher das Gegenteil aus der Dichtung abzuleiten versucht hast.


    Aber am Ende zählt doch nur die Musik. Eine musikhermeneutische Begründung für sein Klavierspiel kann ja keine musikalische Notwendigkeit sein. Das würde ja alle Interpreten dazu zwingen, gleichzeitig noch Philosophen zu werden :)

  • Die Aufteilung 3-3-2 ist z.B. in osteuropäischer Volksmusik und im Jazz elementar. Das ist dann nach Deiner Defitinion also alles "Musik ohne Rhythmus". Nach Platon ist Rhythmus "die Ordnung der Bewegung". Heutzutage bezeichnet man damit einfach generell die Struktur bzw. den Ablauf der musikalischen Zeit. Der Satz "Die Aufteilung 3-3-2 ergibt auch gar keinen Rhythmus" widerspricht offensichtlich beidem. In Bezug auf die Balkensetzung hattest Du übrigens im Falle des langsamen Satzes des G-Dur-Konzertes genau umgekehrt argumentiert und behauptet, Ravel habe dort einen Walzer-Rhythmus gemeint und nur "aus Pedanterie" Zweier-Gruppen geschrieben.

    Hier geht es aber nicht um osteuropäische Musik und um Jazz, sondern um Ravel. Die Notentextnotierung spricht nun mal eindeutig dafür, dass Ravel hier einen Daktylus komponiert hat. Er ist offenbar gebildet genug, dass er weiß, was so ein Versmaß ist. Das darf man unterstellen. Vierergruppen sind nunmal eindeutig notiert und nicht Dreiergruppen. Mit Bezug auf die Pedanterie ist das hier genau so ein Fall. Wenn man der Auffassung ist wie viele Interpreten, dass man hier eigentlich gar keinen Betonungsrhythmus hören soll, sondern eine homogene, flirrende Klangfläche, ist Ravels rhythmische Notierung auch hier Pedanterie.

    Warum das? Natürlich kann man das. Das ist doch gerade der Witz der Stelle: Man kann beide rhyhthmische Strukturen denken, spielen und hören.

    Ich kann das jedenfalls nicht - ich verlängere automatisch die "2" und dann holpert es. Der Interpret sollte sich beim Einstudieren tunlichst am Daktylus orientieren, so wie er notiert ist, die eventuellen Doppeldeutigkeiten ergeben sich dann durch die Ausführung und das Hören von selbst. Von vornherein in Dreiergruppen denken sollte man also nicht. Das sagt nunmal der Notentext.

    Warum "muss" sie das? Weil Dr. Kaletha das verlangt?

    Das ist mal wieder der typische Pöbel-Stil von Christian Köhn. :cursing: Das war ein Versuchsballon von mir. Genau das passiert, was ich erwartet habe. Deshalb beende ich hiermit die Diskussion. Und auch in Zukunft gibt es keine Diskussionsbeiträge mehr von mir. Wie das hier zeigt, war meine Entscheidung in dieser Frage genau richtig. Und die Polemik ist natürlich pure Ignoranz in böswilliger, rein polemischer Absicht. Denn die Musik steht hier in Verbindung mit der Textdichtung, die im Notentext (den ich natürlich habe, die Originalausgabe von Durant/Paris) ja auch abgedruckt ist. Es ist also keine Marotte von mir, diesen hermeneutischen Bezug herzustellen. Aber natürlich geht es von Dir hier wieder mal einzig und allein darum - absolut respektlos - mich für dumm zu verkaufen.


    Hinweis an die Moderation. Wenn das Tamino-Forum möchte, dass ich hier Beiträge schreibe, sollte sie sich um einen den Maßstäben des Respekts und der Anständigkeit genügenden Diskussionsstil bemühen. Wenn das nicht der Fall ist, dann ziehe ich mich eben zurück. Punkt. Das war mein letztes Wort! :cursing: :cursing: :cursing: :cursing: :cursing: :cursing:

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  • Liebe und werte Kollegen, könnten wir die Emotionen wieder in den Griff bekommen? ... und bitte auch den Stil!


    Ich bin leider versucht, Teile zu löschen, was ich wirklich ausgesprochen ungerne tue! Es ist auch für das Konversationsklima hilfreich, nicht gleich bei kleinen Nadelstichen sofort mit einer Armee anzurücken ...


    In diesem Sinne fände ich es ganz persönlich wertvoll, den Versuch, uns der Ondine zu nähern, fortzusetzen und eventuell schon ausgegrabene und geschärfte Kriegsbeile zu begraben :cheers:



    Vielleicht noch eine Bitte: Wenn jeder der Kollegen noch einmal in seinen eigenen Text geht und versucht seinen Beitrag ohne Angriffe zu formulieren könnte ich mir vielleicht spätere Moderationstätigkeit sparen.... ;)

  • Vierergruppen sind nunmal eindeutig notiert und nicht Dreiergruppen.

    Wie gesagt: Beim Klavierkonzert hattest Du kürzlich genau umgekehrt argumentiert. Dort sei ein Walzer gemeint, obwohl Zweiergruppen notiert sind. Es ist nicht meine Schuld, wenn Du Dir wieder einmal selbst widersprichst.


    Ich kann das jedenfalls nicht - ich verlängere automatisch die "2" und dann holpert es.

    Dass Du das nicht kannst, beweist genau was? Ich z.B. kann das problemlos, und andere haben hier ja auch schon bestätigt, dass sie das können.


    Das ist mal wieder der typische Pöbel-Stil von Christian Köhn

    Nein, es ist eine ernst gemeinte Frage. Du sagst, "die semantische, musikhermeneutische Ebene" "muss" zur Analyse des Notentextes hinzukommen, und ich frage, warum sie das "muss".


    Aber noch einmal zu Deiner Analyse:

    Ich weiß nicht genau, was Du mit "ziemlich eindeutig und unzweideutig" meinst (und wo der Unterschied zwischen beidem ist), aber bei Deiner Deutung unterschlägst Du die Kleinigkeit, dass Ravel die Vierergruppen gerade nicht auftaktig beginnt. In Deinem Textbeispiel wäre also die Betonung "Der duft aus dem garten noch leis". Dein Daktylus funktioniert also nur mit einer falschen Betonung oder alternativ mit einem hinzufantasierten Auftakt.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Wenn ich mich mal als Halblaie (Musikliebhaber und Ex-Deutschlehrer) einmischen darf:


    Der Rhythmus 3+3+2 ist mir vor allem etwa bei Milhaud aufgefallen, im Finalsatz von Scaramouche, der Brasileira. Ein Samba-Rhythmus? Auch bei Bernstein, meine ich, findet er sich immer mal wieder. Osteuropäische Rhythmen sind ja oft sogar noch komplexer.


    Ansonsten meine ich doch, dass Rhythmus eine musikalische Kategorie schlechthin darstellt und auch in keinem Gegensatz steht zu musikalischem Fluss. So argumentiert, wären doch gerade die diffizilsten Rhythmen schlichtweg keine Rhythmen. Was hätte das für einen Sinn? Ich denke an Messiaens typische Nachklapp-Notenwerte, ich denke natürlich an Ligeti. Wenn man so argumentieren würde, dann könnte man auch behaupten, ein "hässliches" Kunstwerk sei "nicht ästhetisch" - was ja auch immer wieder geschieht auf einer ganz naiven Ebene. Man kläre mich gerne auf - aber ich bin jetzt ein wenig erstaunt, freilich kein Philosoph, Pianist oder Musikwissenschaftler.


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hier bei Ravel sind nunmal Vierergruppen notiert und keine Dreiergruppen (was er ja auch hätte tun können, warum hat er es denn nicht getan?). Also ist der Hinweis auf Messiaen usw. zwar interessant (in anderer Hinsicht passt er schon, wenn man den Thread nur durchliest, wird man finden, dass ich da vor 15 Jahren auf Messiaen hingewiesen hatte) aber hier unangebracht. Hermeneutisches Prinzip: Die naheliegende Erklärung ist erst einmal besser als die weit hergeholte, wenn sie ihre Erklärungsfunktion erfüllt. Und das tut sie hier.


    Bei der Sprache geht es letztlich auch um die leichte und mühelose Ausführbarkeit. Sprachwissenschaftler kennen das - Gesetze der Lautassimilation aus psychologisch-denkökonomischen Gründen. Der Daktylus, so wie er notiert ist, ist einfach als fließender Rhythmus viel leichter auszuführen als 3-3-2. Auch das ist Fakt. Das kann jeder ja mal versuchen, der ein bisschen Klavier spielen kann und sollte es eigentlich merken.


    Man kann bei - ´ - - ´ - - ´ auch einfach die Notierung nach Takt/Auftakt weglassen. Dann bleibt es trotzdem ein Daktylus. So ist die Notierung (durchgezogener Strich). Bei dem Tempo und der Tremolo-Dichte relativiert sich sowieso der Betonungsakzent.


    Bei Ravels G-Dur-Konzert gibt es eine Sinnwidrigkeit von Walzerrhythmus und rhythmischer Notierung. Darauf machen Ravel-Experten aufmerksam. Hier bei Ondine liegt eine solche Sinnwidrigkeit schlicht nicht vor, wenn man den Daktylus auch rhythmisch so herausspielt. Insofern ist der Vergleich unangebracht und mir damit wieder mal "beweisen" zu wollen, dass ich dumm bin, einfach nur töricht und nur Ausdruck von Eitelkeit, demonstrieren zu müssen, dass man alles besser weiß.


    Und damit Punkt und Ende. Ich sage nichts mehr zu dem Thema.

  • Hier bei Ravel sind nunmal Vierergruppen notiert und keine Dreiergruppen (was er ja auch hätte tun können, warum hat er es denn nicht getan?). Also ist der Hinweis auf Messiaen usw. zwar interessant (in anderer Hinsicht passt er schon, wenn man den Thread nur durchliest, wird man finden, dass ich da vor 15 Jahren auf Messiaen hingewiesen hatte) hier unangebracht.

    Du hattest behauptet, die Aufteilung 3-3-2 "ergibt keinen Rhythmus". Es überrascht nicht, dass Du Gegenbeispiele als "unangebracht" empfindest.


    Der Daktylus, so wie er notiert ist, ist einfach als fließender Rhythmus viel leichter auszuführen als 3-3-2. Auch das ist Fakt. Das kann jeder ja mal versuchen, der ein bisschen Klavier spielen kann und sollte es eigentlich merken.

    Erstens ist kein Daktylus notiert. Den kann man wie gesagt nur konstatieren, wenn man entweder einen Auftakt erfindet, der nicht da steht, oder falsche Betonungen annimmt. Zweitens kann ich ein bisschen Klavier spielen und kann nicht bestätigen, dass dieser Anfang in der gedachten Ausführung in Vierergruppen leichter zu spielen ist als bei der Aufteilung 3-3-2. Beides hat manuell Vor- und Nachteile: Bei Vierergruppen folgen die gedachten Schwerpunkte gleichmäßig aufeinander, liegen aber leider immer abwechselnd beim Akkord und beim einzelnen Ton auf dem fünften Finger, was die Gleichmäßigkeit des Anschlags erschwert. Bei der Version 3-3-2 hat man dieses Problem nicht, weil die (wieder nur gedachten) Schwerpunkte immer auf den Akkord fallen, dafür sind sie in ihrer Abfolge inegal. Beides finde ich alles andere als leicht, aber doch deutlich leichter als Deinen Vorschlag, einen Daktylus zu denken und dafür den Volltakt zum Auftakt umzudeuten. Es liegt auf der Hand, dass sich eine solche willkürliche Veränderung des Notentextes nicht mit dem Argument verträgt, dort seien aber nun mal Vierergruppen notiert.


    Hier bei Ondine liegt eine solche Sinnwidrigkeit schlicht nicht vor, wenn man den Daktylus auch rhythmisch so herausspielt. Insofern ist der Vergleich unangebracht und mir damit wieder mal "beweisen" zu wollen, dass ich dumm bin, einfach nur töricht und nur Ausdruck von Eitelkeit, demonstrieren zu müssen, dass man alles besser weiß.

    Das ist ein Zirkelschluss: Wenn man Deinen Daktylus rhythmisch herausspielt, ist er da. Ach was. Ansonsten hat hier niemand geschrieben, dass Du "dumm" bist, sondern ich habe Dir widersprochen. Es ist Dein Problem, dass das für Dich offensichtlich dasselbe ist.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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