Ravel: Gaspard de la Nuit

  • Wie sagt man,


    um Bach zu zitieren - Ich habe genug. Aber die

    Mihaela Ursuleasa CD habe ich mir doch noch (gebraucht) bestellt......

  • Problematisch daran erscheint mir aber nicht nur dieses, sondern vor allem das Sich-Verbohren in diesen Aspekt, was die Gefahr beinhaltet, dass der für diesen Thread relevante Fragenkomplex, nämlich die vom Komponisten intendierte musikalische Aussage-Intention, völlig aus dem Blick gerät und nicht die gebotene Beachtung findet.

    Der Einwand ist völlig berechtigt, lieber Helmut.


    Analysen haben die Schwäche, dass sie sich zu verselbständigen drohen und dann sowohl mit dem, was man tatsächlich hört, reichlich wenig zu tun haben, als auch wenig zur eigentlich Sinnerschließung beitragen. Sich in der Analyse an dem zu orientieren, was man tatsächlich hört, ist eine kritische Forderung an die Analyse und ein "phänomenologisches" Prinzip. Formuliert hat das etwa der russische Musiktheoretiker und Komponist Boris Assafjew, was ich als Phänomenologe natürlich in meinem Buch zitiert habe. :)

    Und da findet er nun zu "Ondine" Kommentare wie diesen:

    "Je acht Zweiunddreißigstel bilden eine Gruppe; man kann sie metrisch als 3 + 3 + 2 auffassen oder die zweite Hälfte als manuelle Umkehrung der ersten. Für den Interpreten, der diese motivische Spielfigur in der Tonstärke ppp mir absoluter Egalität auszuführen weiß, ist alles weitere schon gewonnen, sofern er der Versuchung widersteht, das Poème zur Etüde zu machen - die ältere französische Klaviertradition neigt dazu - und das Tempo "Lent" in "Animé" zu verzerren. "

    Jetzt ist es mir klar, dass die Diskussion hier großenteils ein Aneinander-Vorbeireden war. Die Alternative Dreiergruppen oder Vierergruppen ist nämlich gar keine der rhythmischen, sondern eine der motivisch metrischen Analyse.


    Die Motivspiegelung orientiert sich am Metrum, weil Ravel zwei Viergruppen zu einer Quasi-Phrase durch einen Balken zusammengefasst hat: (((-) (´--)) ((´) (-- ´))). Da ist dann die Quasi-Phrase 4 + 4. Die komplette Phrase (also bezogen auf die 8, Ravels durchgezogenen Balken) kann man dann auch motivisch aufteilen in 3 + 3 + 2. Dann ist das Metrum ebenso symmetrisch 8 + 8 (die 4/4-Taktgruppen metrisch unterteilt in zweimal 2/4).


    Meine Analyse war nicht metrisch-motivisch, sondern rhythmisch mit dem Anapäst. Dann ist die Bezugsgröße auch die 8er Gruppe und man erhält 2 + 3 + 3. Im Rhythmus-Kapitel bei Jankelevich steht, dass sich der Rhythmus bei Ravel vom Metrum emanzipiert. In der Diskussion wurde einfach beides (Rhythmus und Metrum) nicht klar auseinandergehalten. Wenn man das unterscheidet, dann hat man - Analysekomplexität - drei Einteilungen.


    Die Frage ist nun tatsächlich, was man davon hört. Die Analyse kann natürlich auch das Hören beeinflussen. Wenn man sich eher am durchlaufenden Triller orientiert, hört man gar keine Gruppen. Was man hört, liegt letztlich auch am Hörer.


    Und natürlich ist es ein Unterschied, ob man sich der Sache als Spieler oder als Hörer nähert. Wenn man das übt, dann muss man diese komplexe Struktur erst einmal in den Kopf kriegen. Und dann sucht man primär nach Gruppen, was man als Hörer eher weniger braucht. :hello: :)


    Dazu später mehr!


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich empfinde die Aufnahme der leider sehr jung an einer Hirnblutung verstorbenen außergewöhnlichen Pianistin als ein klangliches Wunder. Sehr individuell gelingt ihr IMO eine eher melodiöse Formulierung der 32tel Figuren der rechten Hand.

    Lieber Siamak,


    schön, dass Du auch nochmals nachhörst. Pogorelich werde ich mir mit Ondine auch nochmals anhören.


    Das ist wirklich tragisch! Die Aufnahme wollte ich mir schon länger besorgen. Das muss ich wohl endlich tun.


    Eigentlich muss man um diese strukturellen Gegebenheiten der Faktur doch gar nicht wissen, und ich habe auch starke Zweifel, ob das Operieren mit Kategorien der literaturwissenschaftlichen Metrik für das Verständnis der Musik etwas zu erbringen vermag.

    Lieber Helmut,


    das hat mit der Geschichte der Musiktheorie zu tun. Musikalische Rhetorik, Musik ist "Klangrede und Tonsprache" (Mattheson). Dann überträgt man die sprachliche Rhythmisierung auf die Musik, orientiert sich am Sprechtonfall. Ravels Ondine ist ein typisches Beispiel, wie stark Komponisten von dieser Denkweise noch um 1900 geprägt sind - obwohl sich die rhetorische Tradition eigentlich weitgehend aufgelöst hat. Er denkt nach wie vor Phrasen, obwohl das hier ja gar keine wirklichen Phrasen (= Melodien) sind. Man kann das was er da schreibt ja in (2+2) = 4 und (4 + 4) = 8 einteilen. Dann hat man die Struktur einer Riemannschen 8taktigen Periode, obwohl das keine ist. ^^ Die Frage ist, ob das für das Hören noch eine Rolle spielt. Michelangeli spielt einen "dynamischen" Rhythmus, so habe ich das immer gehört. Da ist dann der Versuch, das tatsächlich Gehörte (!) als eine einfache Betonungsrhythmik darzustellen, schon ziemlich konstruktiv um nicht zu sagen Krampf. Man kann es - je nach Analysestandpunkt kann man so ziemlich alles begründen - nur entspricht das dann nicht mehr dem, was man tatsächlich auch hört.

    Eigentlich muss man um diese strukturellen Gegebenheiten der Faktur doch gar nicht wissen, und ich habe auch starke Zweifel, ob das Operieren mit Kategorien der literaturwissenschaftlichen Metrik für das Verständnis der Musik etwas zu erbringen vermag. Es genügt, meint ein einem professionellen Pianisten wohl ziemlich dümmlich erscheinender Laie wie ich, die Zweiunddreißigstel-Figuren im Anschlag möglichst egalitär, also absolut gleichförmig zu behandeln, dies in einem ausgeprägten Legato und dreifachen Piano, dabei stets die Anweisung "très doux et très expressif" beachtend, um Ravels aus der dem Stück zugrundeliegenden literarischen Quelle hergeleiteten Aussage-Intention gerecht zu werden.

    Deswegen hatte ich in meiner rhythmischen Analyse den Anapäst herausgestellt, weil dieser jambisch-einheitliche Rhythmus dieses Bemühen, einen gleichförmigen Triller zu spielen, durch seine Homogenität unterstützt. Was ist die "Aussage-Intention"? - klar, das ist die entscheidende Frage. Das herauszubekommen gestaltet sich dann aber natürlich etwas umständlicher... ;)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Man kann das was er da schreibt ja in (2+2) = 4 und (4 + 4) = 8 einteilen. Dann hat man die Struktur einer Riemannschen 8taktigen Periode, obwohl das keine ist.

    Es ist vor allem deshalb keine, weil die Vierer- bzw. Achtergruppen nicht aus Takten sondern aus 32steln bestehen. Die Einleitung ist eineinhalb Takte lang, das Thema fäng sechstaktig an (vier Vierer und zwei Dreiertakte), um dann in seinem zweiten Teil von 4/4 über 3/4 auf 2/4 zu verkürzen, was zusammen 19 Viertel ergibt. Bei so etwas wäre Riemann aller Voraussicht nach vom Stuhl gefallen.


    Da ist dann der Versuch, das tatsächlich Gehörte (!) als eine einfache Betonungsrhythmik darzustellen, schon ziemlich konstruktiv um nicht zu sagen Krampf. Man kann es - je nach Analysestandpunkt kann man so ziemlich alles begründen - nur entspricht das dann nicht mehr dem, was man tatsächlich auch hört.

    Nein, man kann keineswegs alles begründen, weil die 32stel irregulär (also nicht in der Logik der notierten Vierergruppen) zwischen Akkorden und Einzeltönen wechseln. Das ermöglicht bestimmte Strukturen, aber nicht "so ziemlich alles" (anders als z.B. bei Stockhausens Klavierstück 9). Und "konstruktiv" ist es nicht, über die möglichen Strukturen nachzudenken, sondern wäre es, eine von diesen Strukturen durch Akzentuierung zu betonen. Die Kunst besteht darin, den Hörern alle Möglichkeiten offen zu lassen. Nicht das, was "man" hört, ist durch die Musik determiniert, sondern die Uneindeutigkeit verschiedener, aber definierter Möglichkeiten. Dass auch tatsächlich verschiedene Hörer bei dieser Einleitung verschiedene Strukturen hören, hat ja u.a. die Diskussion hier gezeigt.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Es ist vor allem deshalb keine, weil die Vierer- bzw. Achtergruppen nicht aus Takten sondern aus 32steln bestehen. Die Einleitung ist eineinhalb Takte lang, das Thema fäng sechstaktig an (vier Vierer und zwei Dreiertakte), um dann in seinem zweiten Teil von 4/4 über 3/4 auf 2/4 zu verkürzen, was zusammen 19 Viertel ergibt. Bei so etwas wäre Riemann aller Voraussicht nach vom Stuhl gefallen.

    Vielleicht wäre es ratsam, wenn Du Dich mal bemühst einfach verstehend nachzuvollziehen, was der Andere gesagt bzw. gemeint hat. Natürlich ist das keine 8taktige Periode im Riemannschen Sinne, weil keine Phrase, keine Melodie. Nur hätte Ravel auch darauf verzichten können, durch die Notierung von Balken Gruppen so (Phrasen analog!) symmetrisch zusammenzufassen, die in der Ausführung als Triller in dieser Weise sowieso nicht mehr hörbar sind. Das zeigt, dass er eben noch in solchen Kategorien denkt bzw. diese Jahrhunderte alte Tradition der musikalischen Rhetorik auch bei ihm noch wirksam ist.


    Die Wahl der Analysemethode ist Methodendenken. Dabei konstruktive Substruktionen zu vermeiden, und die Maßstäbe der Beschreibung allein aus dem Gegebenen zu entnehmen, also dem, was man beschreibt (hier: dem tatsächlich Hörbaren), ist die Methode der Phänomenologie und keine Selbstverständlichkeit. Sonst hätte man das als Methodenprinzip nicht eigens formulieren müssen.

    Nein, man kann keineswegs alles begründen, weil die 32stel irregulär (also nicht in der Logik der notierten Vierergruppen) zwischen Akkorden und Einzeltönen wechseln. Das ermöglicht bestimmte Strukturen, aber nicht "so ziemlich alles" (anders als z.B. bei Stockhausens Klavierstück 9). Und "konstruktiv" ist es nicht, über die möglichen Strukturen nachzudenken, sondern wäre es, eine von diesen Strukturen durch Akzentuierung zu betonen. Die Kunst besteht darin, den Hörern alle Möglichkeiten offen zu lassen. Nicht das, was "man" hört, ist durch die Musik determiniert, sondern die Uneindeutigkeit verschiedener, aber definierter Möglichkeiten. Dass auch tatsächlich verschiedene Hörer bei dieser Einleitung verschiedene Strukturen hören, hat ja u.a. die Diskussion hier gezeigt.

    Auch das geht wieder an dem, was ich meine, vorbei. Mir ging es darum, verschiedene Beschreibungsebenen zu unterscheiden und gerade nicht, Mehrdeutigkeiten in der Wahrnehmung zu bestreiten. Ich hatte ausdrücklich begründet, dass der Notentext hier nichts (!) determiniert, nur muss man das nur gelesen und zur Kenntnis genommen haben. Zweifellos war meine Begründung komplex und man muss selbstverständlich in der Lage sein, solch einer komplexen Begründung auch zu folgen, was natürlich nicht selbstverständlich ist.


    Diese Diskussion führe ich jetzt auch nicht weiter, denn sie ist unfruchtbar. Da hat Helmut Hofmann zu Recht eingewendet, dass dies nichts mehr zum Sinnverständnis beiträgt. Analysen haben nur Sinn, wenn man dadurch besser versteht, was man hört und einen Gewinn davon hat. Hier ist schließlich kein Seminar für Musikwissenschaft, sondern Liebhaber von Ravels Musik wollen sich diese besser verständlich machen.

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  • Nein, nein so habe ich das nicht verstanden! Diese Frage hat allerdings Christian B. hier gestellt und ich habe diese Idee ein wenig weiter entwickelt. Auch in dem von mir verlinkten Buch wurde Bertrands Geschichte teilweise analysiert, allerdings nicht die Sprache. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass ein Komponist nicht nur von dem Inhalt, sondern auch von der Form des literarischen Werkes inspiriert werden kann. Das ist ein wenig off the topic und erstmal nur ein Gedankenspiel…

    P.S. Habe mir übrigens Bertrands Buch auf deutsch und französisch bestellt. Konnte die Versuchung nicht wiedersehen.

    Das ist in der Tat auch eine interessante Betrachtung, der man natürlich nachgehen kann.


    Es gibt glaube ich nur eine deutsch-französische Ausgabe und die ist vergriffen. Wo hast Du sie denn bekommen? :hello:

  • Es gibt glaube ich nur eine deutsch-französische Ausgabe und die ist vergriffen. Wo hast Du sie denn bekommen?

    Gibt's in der Übersetzung von Reiner G. Schmidt ganz normal unter der ISBN 978-3935978071 zu bestellen. Habe ich mir im vergangenen Jahr zugelegt, als wir uns über ABM Spiel des Gaspard austauschten.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Denn die Musik steht hier in Verbindung mit der Textdichtung, die im Notentext (den ich natürlich habe, die Originalausgabe von Durant/Paris) ja auch abgedruckt ist.

    Ich hatte das Literatur-Thema nur wegen dieser für mich unklaren Anspielung aufgegriffen.

  • Gibt's in der Übersetzung von Reiner G. Schmidt ganz normal unter der ISBN 978-3935978071 zu bestellen. Habe ich mir im vergangenen Jahr zugelegt, als wir uns über ABM Spiel des Gaspard austauschten.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Danke, lieber Thomas. Ich weiß nicht, ob man das aber noch bekommen kann. Ich werde es mal versuchen! :) :hello:

  • Ich hatte das Literatur-Thema nur wegen dieser für mich unklaren Anspielung aufgegriffen.

    Die Anspielung ergibt sich ja aus dem Titel Gaspard de la nuit: Trois poèmes pour piano d'après Aloysius Bertrand.


    Die Stücke sind demnach eine "Tondichtung" im Anschluss an Bertrand. Sie sind natürlich keine "Symphonische Dichtung", also Programmmusik im engeren Sinne. Selbst da ist die Beziehung ja so, dass die Musik nicht einfach einen Text "illustriert", sondern selbständig ist und aus dem Bezug von Musik und Text ein "Drittes" entsteht. Wenn man Gaspard de la nuit als "musikalischen Impressionismus" versteht, dann gibt die Musik sowas wie ein "Bild" von Bertrands Dichtung. Dann kann man fragen: Was aus Ravels sehr selektiver Lektüre dieser Dichtung geht in dieses musikalische Bild ein und was nicht? Er liest diese romantische Dichtung ja auch aus zeitlicher Distanz, rezipiert sie also nicht im Sinne eines Romantikers des 19. Jhd. Bei Le Gibet ist das noch deutlicher. Die Musik enthält anders als die Dichtung gar nichts von "Schauerromantik". So kommt man dem "poetischen Inhalt" dieses Klaviergedichts dann (vielleicht) näher. Einige Gedanken dazu werde ich noch äußern.


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Das ist in der Tat auch eine interessante Betrachtung, der man natürlich nachgehen kann.


    Es gibt glaube ich nur eine deutsch-französische Ausgabe und die ist vergriffen. Wo hast Du sie denn bekommen? :hello:

    Ich habe eine französische Ausgabe bestellt, die findet man überall, und eine (gebraucht bei Medimops) im Jahr 1978 erschiene Übersetzung von Jürgen Buchman. Das besondere an dieser älteren Ausgabe sind die Illustrationen von Rembrand, Callot, Delacroix und Blery.

  • Die Anspielung ergibt sich ja aus dem Titel Gaspard de la nuit: Trois poèmes pour piano d'après Aloysius Bertrand.

    Bei Le Gibet ist das noch deutlicher. Die Musik enthält anders als die Dichtung gar nichts von "Schauerromantik". So kommt man dem "poetischen Inhalt" dieses Klaviergedichts dann (vielleicht) näher.

    Betrands Text hatte ich mir vor Jahren mal besorgt, aber Du hattest das so formuliert, als würden die rhythmischen Besonderheiten sich direkt dem Text verdanken, aber so war es wohl nicht gemeint.


    In Le gibet kann man aber schon Schauerromantik wahrnehmen, finde ich?


    Viele Grüße, Christian

  • Nur hätte Ravel auch darauf verzichten können, durch die Notierung von Balken Gruppen so (Phrasen analog!) symmetrisch zusammenzufassen, die in der Ausführung als Triller in dieser Weise sowieso nicht mehr hörbar sind. Das zeigt, dass er eben noch in solchen Kategorien denkt bzw. diese Jahrhunderte alte Tradition der musikalischen Rhetorik auch bei ihm noch wirksam ist.

    Der Grundpuls in "Ondine" geht ab dem ersten Themeneinsatz bis zum Schluss bei wechselnden Taktarten in Vierteln. Dass die darüberliegenden 32stel in Achtergruppen notiert sind, hat nichts mit Riemannschen 8er-Perioden zu tun (die es in diesem Stück wie gesagt nicht gibt), auch nichts mit der "Tradition der musikalischen Rhetorik", sondern es zeigt einfach, dass Ravel rechnen und korrekt 32 durch 4 teilen konnte. Du hast doch selbst angemahnt, einfache Erklärungen komplizierten vorzuziehen.

    Es gibt auch in diesem Stück keine Triller, und so sehr ich mich auch bemühe, "verstehend nachzuvollziehen", was Du statt dessen gemeint hast, wenn Du "Triller" schreibst: Ich weiß es nicht.


    Diese Diskussion führe ich jetzt auch nicht weiter

    :hahahaha:

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
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    (Theodor W. Adorno)

  • So steht es im Cover einer CD, die ich heute erhalten habe.


    Von wem stammt diese persönliche Notiz?

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    Der Ausspruch stammt von Mihaela Ursuleasa, die ich mir neben Claudio Arrau die letzten Tage noch genau angehört habe.


    Vielen Dank an Siamak #119 für den Tip, der Kauf hat sich mehr als gelohnt, weil er die unterschiedlichen Herangehensweisen zum Thema Klassische Musik damit überdeutlich herausstellen konnte.

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  • In diesem Thread ist so alles drin, was es über Musik zu sagen gibt.


    Da reden die Ausführenden miteinander über Musiktheorie und das Technische an sich, der interessierte Außenstehende kann nur staunen, was es da alles zu sagen und zu diskutieren gibt.


    Schade wäre nur, wenn sich dadurch mancher von der Musik abwendet, weil er von all dem so gut wie gar nichts versteht und weiß.


    Ihm sei gesagt, das brauchst und musst du nicht verstehen um ein Liebhaber Klassischer Musik zu werden!


    Musik sollte nicht nur im Kopf stattfinden, hier beginnt es zwar, leider endet es aber hier auch bei so manchem Vortragenden.


    Gerade der Gaspard zeigt dies mehr als deutlich auf.


    Da kann ein Pianist praktisch alles richtig machen und trotzdem kommt nichts dabei heraus als belangloses Spiel auf höchstem technischen Niveau.


    Die 3 Teile des Gaspard vermitteln jeweils eine Stimmung, die es herauszuarbeiten gilt.


    Weiblicher Reiz und Verlockung, ein bedrohlich wirkendes unbehagliches Szenario, ein Alptraum, aus dem man nicht herauskommt.


    Das kann wohl jeder mit eigenen Gefühlen und Emotionen verbinden, das kennt man als Mensch.


    Ursuleasa hat ihren eigenen Zugang zu diesem Werk gefunden, sie spielt es - erinnert mich dabei etwas an Patricia Kopatchinskaja mit Beethovens Violinkonzert - so ganz anders wie ich es gewohnt bin.


    Aber ich muss gestehen, das ist nicht mein Ding. Sie macht oft kleine Pausen oder verändert überraschend die Lautstärke, wodurch folgende Einzelpassagen recht deutlich herausgestellt werden, was mir allerdings auf Grund der Häufigkeit übertrieben gemacht vorkommt.


    Individuell und auch interessant, gehört damit schon in die Sammlung.


    Claudio Arrau habe ich einfach mitgekauft, da Siamak sich lobend über ihn geäußert hat.


    Eine Nähe zu ABM konnte ich allerdings nicht erkennen.


    ABM schafft eine Strenge und Distanz zwischen dem Werk und dem Hörer, das macht Arrau nicht.


    Aber: Arrau verblüfft mich auf das Angenehmste.


    Arrau erzeugt in jedem der drei Teile eine Stimmung, die dem zugrundeliegenden Text gerecht wird. Man merkt recht bald, dass er den Kern des Werkes durchdrungen hat und dies mit seinem ihm eigenen Stil zu Gehör bringt.


    Wunderbar gespielt trotz einiger Fehlgriffe in dieser Liveaufnahme. Ein Muss für Kenner.

  • Da reden die Ausführenden miteinander über Musiktheorie und das Technische an sich, der interessierte Außenstehende kann nur staunen, was es da alles zu sagen und zu diskutieren gibt.

    Ich finde gar nicht, dass viel über Musiktheorie gesprochen wurde. Es wurden viele Noten gezeigt, die für mich als Laien durch die Erklärungen sehr viel Profil gewonnen haben. Hätte ich allein auf die Noten geschaut, hätte ich keine Chance zum Verständnis gehabt. Also Danke dafür noch einmal an alle Beitragenden!



    Schade wäre nur, wenn sich dadurch mancher von der Musik abwendet, weil er von all dem so gut wie gar nichts versteht und weiß.

    Ich sehe das als Angebot, zum tieferen Verständnis der Struktur dieser Musik. Es gibt da doch keine Verpflichtung, oder? Wen es nicht wirklich interessiert, der kann seinen Ravel natürlich auch so wie bisher hören ... :)



    Da kann ein Pianist praktisch alles richtig machen und trotzdem kommt nichts dabei heraus als belangloses Spiel auf höchstem technischen Niveau.

    Ganz ehrlich kenne ich keine völlig belanglosen Einspielungen des Gaspard. Natürlich sagen mir manche nicht so zu und andere wiederum nehmen mich gefangen, ich würde aber nie sagen, dass diejenigen, die mir nicht gefallen, belanglos sind.


    Eine Grundvoraussetzung, um so ein Urteil zu fällen, ist dann doch immer das verstehende Nachvollziehen, was ich bei Einspielungen, die mir nicht zusagen, weniger gewillt bin zu tun ;)


    Wenn wir schon über Geschmack sprechen... :)



    Ursuleasa hat ihren eigenen Zugang zu diesem Werk gefunden, sie spielt es - erinnert mich dabei etwas an Patricia Kopatchinskaja mit Beethovens Violinkonzert - so ganz anders wie ich es gewohnt bin.


    Aber ich muss gestehen, das ist nicht mein Ding. Sie macht oft kleine Pausen oder verändert überraschend die Lautstärke, wodurch folgende Einzelpassagen recht deutlich herausgestellt werden, was mir allerdings auf Grund der Häufigkeit übertrieben gemacht vorkommt.


    Ich habe mir die Aufnahme der Ondine von Ursuleasa auch schon angehört (nur gestreamt, daher auch keine Kenntnis vom Booklet) und kann Deinen Eindruck etwas nachempfinden. Ich empfinde die Betonung des Melodiösen als zu plakativ, so, als stünde die Undine schon an der Rampe und der Rest wäre begleitender Zierrat. Undine ist eine geheimnisvolle Gestalt im Nebel .... ;) Da kann dann die Melodie noch so schön sein, das ist mir zu einfach gedacht.... Ich empfinde die geistige Durchdringung des Materials schon als ästhetisch relevant und bei Ursuleasa als zu gering ...



    Claudio Arrau habe ich einfach mitgekauft, da Siamak sich lobend über ihn geäußert hat.

    Arrau habe ich leider nicht, das nehme ich als eine Empfehlung, weil Arrau wirklich alles Plakative abgeht ...



    Ihm sei gesagt, das brauchst und musst du nicht verstehen um ein Liebhaber Klassischer Musik zu werden!


    Musik sollte nicht nur im Kopf stattfinden, hier beginnt es zwar, leider endet es aber hier auch bei so manchem Vortragenden.

    Ich glaube kaum, dass es Pianisten gibt, die keine emotionale Beziehung zur Musik haben, die sie spielen. Das halte ich aus statistischen Gründen für absolut unwahrscheinlich. Die ganzen Mühen und Anstrengungen ohne persönlichen Bezug .... !


    Es kann aber gut sein, dass man an die eine oder andere Interpretation nicht herankommt, weil man sie nicht versteht. Dann sind natürlich Formulierungen wie zu abgehoben oder zu intellektuell wohlfeile Begriffe, um das möglicherweise eigene Unverständnis zu kaschieren. Ich frage in solchen Fällen nach, um besser zu verstehen. Die Erklärung mit den Noten hat mir bei der Undine nun sehr geholfen. Das ergibt so eine Art Kalibrierung beim Hören und plötzlich entwickeln sich dann auch andere Emotionen ....


    Rezeption ist ein kompliziertes Gebiet. Man wird nicht ohne gedankliches Nachvollziehen Werken der Dimension eines Gaspard gerecht werden können. Und mich würde es wundern, wenn zusätzliches Nachdenken den Weg da verbauen würde.

  • Zwei Beiträge habe mich dazu veranlasst, diese Platte zu kaufen:



    Ich empfinde die Aufnahme der leider sehr jung an einer Hirnblutung verstorbenen außergewöhnlichen Pianistin als ein klangliches Wunder. Sehr individuell gelingt ihr IMO eine eher melodiöse Formulierung der 32tel Figuren der rechten Hand.


    Ursuleasa hat ihren eigenen Zugang zu diesem Werk gefunden, sie spielt es - erinnert mich dabei etwas an Patricia Kopatchinskaja mit Beethovens Violinkonzert - so ganz anders wie ich es gewohnt bin.


    Aber ich muss gestehen, das ist nicht mein Ding. Sie macht oft kleine Pausen oder verändert überraschend die Lautstärke, wodurch folgende Einzelpassagen recht deutlich herausgestellt werden, was mir allerdings auf Grund der Häufigkeit übertrieben gemacht vorkommt.

    Aber ich muss gestehen, das ist nicht mein Ding. Sie macht oft kleine Pausen oder verändert überraschend die Lautstärke, wodurch folgende Einzelpassagen recht deutlich herausgestellt werden, was mir allerdings auf Grund der Häufigkeit übertrieben gemacht vorkommt.

    Persönlich bin ich bei AcomA02, was die Wahrnehmung dieser Platte betrifft. Die Beschreibung von Karl ist allerdings durchaus korrekt, übertrieben und gemacht kommt es mir allerdings nicht vor . Beim Gaspard geht sie von den drei Gedichten aus und setzt deren Stimmung um, "Ondine" hat sie noch die Geschichte hinter der Geschichte im Kopf. Offen gestanden ziehe ich die Aufnahme der von ABM (Lugano, mittlerweile eingetroffen :jubel:) vor. ABM spielt Ondine sehr kraftvoll, um nicht zu sagen laut, Mihaela Ursuleasa erzeugt ein irrlichtendes Nachtstück. Die Spielzeiten von ABM habe ich nicht, Alexandre Tharaud ist in jedem der drei Teile mind. eine Minute schneller unterwegs, sein Spiel wirkt zuweielen auf seltsame Art und Weise unbeteiligt. Ursuleasa gönnt sich und dem Hörer genügend Erzählzeit, ohne daß es langsam wirkt. "Scarbo" muss ich noch genauer nachhören, da steht mir die 1948er Aufnahme von Samson Francois im Wege (seine erste Platte, noch Schellack für DECCA; nur "Scarbo", aber die hat's in sich). Ursuleasa liefert eine der Stimmung nach entgegengesetzte Zeichnung des Gnoms. Da muss ich noch genauer zuhören, was sie zu erzählen hat.


    Liebe Grüße vom Thomas:hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Offen gestanden ziehe ich die Aufnahme der von ABM (Lugano, mittlerweile eingetroffen :jubel: ) vor. ABM spielt Ondine sehr kraftvoll, um nicht zu sagen laut, Mihaela Ursuleasa erzeugt ein irrlichtendes Nachtstück.

    Die Aufnahme von Ursuleasa habe ich mir vorhin angehört, lieber Thomas. Bei Ondine geht sie in der Tat etwas in die romantisierende Richtung. Was auffällt ist, dass sie den rhythmisierten Tremolo nicht "durchzieht", also mit der melodischen Phrase mehr oder weniger beginnen und enden lässt. Das stört etwas die Wahrnehmung von zwei getrennten Ebenen. Die dynamischen Bezeichnungen bemüht sie sich sehr genau umzusetzen und trifft auch den "murmelnden" Tonfall. Die Melodie tritt dezent hervor - en dehors gespielt. Das gefällt mir wiederum gut. Allerdings fehlt mir etwas der großbogige dynamische Spannungsaufbau zum dramatischen Höhepunkt, was etwa Yevgeny Sudbin sehr gut hinbekommt. Le Gibet ist sehr langsam gespielt, dadurch bekommt die B-Dur-Oktave diesen insistierenden Effekt, die Penetranz und Hartnäckigkeit, einfach nicht. Das gefällt mir weniger. Beim Scarbo irritieren immer wieder die teilweise extremen Dehnungen des Tempos, die so nicht im Notentext stehen. Schon der Beginn ist doch arg zerdehnt. Da steht bei Ravel Modéré. Sie spielt den ersten Takt Très lent. Eine etwas eigenwillige Interpretation, manchmal fast ein bisschen brav, dann wieder extrovertiert, die insgesamt nicht so ganz schlüssig ist. Pianistisch aber sehr gut.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Da steht bei Ravel Modéré. Sie spielt den ersten Takt Très lent. Eine etwas eigenwillige Interpretation, manchmal fast ein bisschen brav, dann wieder extrovertiert, die insgesamt nicht so ganz schlüssig ist.

    Scarbo hinterlässt mich auch ratlos. Tatsächlich liefert Ursuleasa die langsamste Version des Gaspard aller mir bekannten Aufnahmen (ABM 2x, Francois, Haas, el-Bacha, Tharaud, Queffelec, Bachauer 2x, Grossevenor, Perlemuter, Ousset, Barto, was mir ad hoc so einfällt). Bei Scarbo bin ich überdies von der furios wütenden frühen Aufnahme von Samson Francois verdorben, daneben wirkt alles brav.


    Was mich dennoch für Ursuleasa einnimmt: sie ignoriert Hörgewohnheiten und bindet die Musik eng an die Gedichte. Undine ist die aus laufenden Regentropfen halluzinierte Nixe. Was ist da der Höhepunkt? Ich habe bei den letzten Hörsitzungne immer den Text von Bertrand daneben liegen gehabt und sehe den Höhpunkt von Ondine in der Zeile, in der Bertrand das Angebot Undines mit dem Satz ausschlägt "Ich liebe eine Sterbliche", offenbar im Fieberwahn hervorgebracht und so klingt es bei Ursuleasa, kurz bevor sie schrill auflacht und verschwindet mit einer ganz reizvollen Figur in der linken Hand, die so noch von Anne Quefellec gespielt wird, in dieser Deutlichkeit nur von Mihaela Ursuleasa. "Gibet" und "Scarbo" werden im Vortrag der Ursuleasa nachvollziehbar, wenn man die Textgrundlage als irritiertes, verstörtes, leicht ängstliches Fragen empfindet. "Mein Gott, was ist denn da?" Pause....Nachhören...."Ist es...." usw. Das erklärt den Duktus von "Gibet"

    Beim Scarbo irritieren immer wieder die teilweise extremen Dehnungen des Tempos, die so nicht im Notentext stehen.

    Da wirst Du sicherlich recht haben. "Scarbo" bekommt von Aloysius Bertrand noch einen Satz aus Hofmanns "Nachtstücken" vorangestellt, der mir für das Verständnis von "Scarbo" aufschlussreich scheint. "Er schaute unters bett, in den kamin, in den schrank: niemand. Er konnte nicht verstehen wodurch er eingetreten war, wodurch er entkommen" Auch hier: Hilflosigkeit gegenüber dem Übernatürlichen, Nichterklärlichen. Offenbar muss das bei der Lektüre des "Scarbo" mitgedacht werden.


    In dem Zusammenhang erinnere ich daran, dass der "Gaspard" eine Dichtung ist, die 1842 posthum veröffentlicht wurde, zur Zeit von Ravels Komposition also gut 65 Jahre alt und einen ganz anderen Zeit- und Gesellschaftsgeist atmet. "Gaspard" wurde zunächst überhaupt nicht rezipiert und erst im späten 19. Jh. durch Mallarmé ins Gespräch gebracht. Wenn ich Dich richtig verstehe betreffen Ursuleasas Eingriffe Veränderungen von Spielanweisungen? Das scheint mir fast legitim gegenüber dem bezogenen Text zu sein.


    Freilich, da bin ich störrisch: auf meine geliebten und vertrauten Aufnahmen lasse ich auch weiterhin nichts kommen. Aber die von Mihaela Ursuleasa hat mich sehr zum Nachdenken und Nachlesen gebracht. Was kann eine Platte mehr bewirken und erreichen?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Hallo Thomas,


    ich freue mich immer über eigenständige Beiträge, deren Sichtweise - egal in welcher Richtung - durch eine schlüssige Begründung für mich nachvollziehbar sind. Das schafft die Möglichkeit der Reflexion mit der eigenen Denkweise und dem eigenen Geschmack.


    Danke.


    Karl

  • In dem Zusammenhang erinnere ich daran, dass der "Gaspard" eine Dichtung ist, die 1842 posthum veröffentlicht wurde, zur Zeit von Ravels Komposition also gut 65 Jahre alt und einen ganz anderen Zeit- und Gesellschaftsgeist atmet. "Gaspard" wurde zunächst überhaupt nicht rezipiert und erst im späten 19. Jh. durch Mallarmé ins Gespräch gebracht. Wenn ich Dich richtig verstehe betreffen Ursuleasas Eingriffe Veränderungen von Spielanweisungen? Das scheint mir fast legitim gegenüber dem bezogenen Text zu sein.

    Lieber Thomas,


    genau da hast Du den wesentlichen Punkt erfasst! Was die Interpretation von Ravels Gaspard de la nuit so komplex macht, sind die verschiedenen Reflexionsebenen. Ravel liest diese romantische Dichtung mit der Brille einer Zeit, der die Romantik schon sehr fern ist. Es gibt natürlich Brücken - der Symbolismus - aber eben auch eine Perspektive, die neu durch die Musik ins Spiel kommt und den Reflexionsstand des Komponisten spiegelt Anfang des 20. Jhd. Man kann und soll natürlich Bezüge zum Text herstellen, nur ist dieses Stück dann eben doch nicht nur eine "Symphonische Dichtung" für Klavier. Was Ursuleasa bei Ondine macht ist, eine romantisch milde Mondscheinstimmung zu erzeugen wo Undine dann durch die murmelnden Wasser ihre leise Melodie singt. So kann man es auffassen - nur verschwindet dann viel von dem Beziehungsreichtum gerade von Ondine. Bei Le Gibet entfernt sich Ravel am weitesten vom Text. Da reicht es eben nicht nur, die Dichtung zu lesen. (Darüber wird zu lesen sein in meinem Kolumnenartikel, wenn ich ihn denn fertig habe. ;) ) Samson Francois, Michelangeli, Gieseking, Perlemuter, Monique Haas, Martha Argerich und noch einige andere Aufnahmen bleiben für mich die Spitze, Ursuleasa befindet da doch eher in der zweiten Reihe. Wirklich mit in die 1. Reihe gehört für mich die Aufnahme von Yevgeny Sudbin, die ich sozusagen neu entdeckt habe. Da ist Scarbo wirklich ein Alptraum. Das ist zudem klangtechnisch fantastisch. Man braucht allerdings einen SACD-Player für diese BIS-SACD (Hybrid), um vor allem die differenzierte und substanzeiche Basswiedergabe zu haben, die bei Sudbin wirklich "dämonisch" wird. Sudbin schreibt auch hier seinen Klappentext selbst und bezeugt einmal mehr, was für ein gebildeter, hoch reflektierter Musiker er ist. Worum es bei Ondine geht, hat er sehr gut erfasst - und so hört es sich bei ihm auch an:


    „Die so schillernde wie bösartige Nixe Ondine, die mit ihrem Gesang die Männer in ihr Reich auf den Meeresgrund lockt, ist von Ravel wunderbar eingefangen worden; seine Art, das Schimmern des Mondlichts auf dem See mit einem rhythmischen Zungenbrecher der rechten Hand zu beschwören (zwei Takte reinster pianistischer Alptraum!), ist ein Geniestreich. Auch wenn dieses Stück über alle notwendigen vokalen Eigenschaften verfügt (es ist schließlich Ondines Lied), hat es einen ziemlich distanzierten, kalten Charakter und sperrt sich übermäßiger Romantisierung. (Man darf nicht vergessen, dass Ondine die Seele fehlt, bis sie ein Menschenkind zur Welt bringt.)“



    Schöne Grüße

    Holger

  • Danke,


    da musste ich jetzt nachschauen - ich habe diese SACD - war bei Liszt eingeordnet. Werde ich heute noch anhören.

  • „seine Art, das Schimmern des Mondlichts auf dem See mit einem rhythmischen Zungenbrecher der rechten Hand zu beschwören (zwei Takte reinster pianistischer Alptraum!), ist ein Geniestreich.“ (Zitat Y. Sudbin)

    Kann vielleicht jemand die Noten dieser Passage einstellen?


    Viele Grüße, Christian

  • Kann vielleicht jemand die Noten dieser Passage einstellen?

    Ich nehme an, es ist die Anfangspassage gemeint, über die weiter oben diskutiert wurde.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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  • Ich nehme an, es ist die Anfangspassage gemeint, über die weiter oben diskutiert wurde.

    Das kann ich mir nicht vorstellen, in den weitere oben abgebildeten ersten 10 Takten (Beitrag #82) spielt die rechte Hand möglichst gleichförmig, ich vermag keine zwei (besondere) Takte mit einem "rhythmischen Zungenbrecher" zu erkennen.

  • Das kann ich mir nicht vorstellen, in den weitere oben abgebildeten ersten 10 Takten (Beitrag #82) spielt die rechte Hand möglichst gleichförmig, ich vermag keine zwei (besondere) Takte mit einem "rhythmischen Zungenbrecher" zu erkennen.

    Es soll zwar möglichst gleichmäßig klingen, aber was die Rechte spielt, ist alles andere als gleichmäßig und aus meiner Sicht mit "Rhythmischer Zungenbrecher" ganz gut beschrieben. Mit den zwei Takten sind vermutlich die beiden Einleitungstakte vor dem Themeneinsatz gemeint. Aber wenn Du eine bessere Idee hast, lasse ich ich mich gern überzeugen ;).

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)