Ich melde mich aus dem Urlaub vom Gardasee.
Am Tag vor der Abreise durfte ich noch eine meiner Lieblingsopern erleben - Bizets "Perlenfischer". Ich hatte diese Oper vor nicht allzu langer Zeit szenisch in Innsbruck gesehen und kenne die Musik gut aus verschiedenen älteren Gesamtaufnahmen - meine liebste darunter mit S. Lemeshev als Nadir (Moskau, 1950).
Ich muss gestehen, dass ich mich vor allem auf die Oper gefreut habe, weil sie konzertant aufgeführt wurde. Die Inszenierung in Innsbruck war nämlich wieder äußerst mühsam gewesen. Der Chor, die teilweise recht aggressiven Eingeborenen, waren dort zu Akkordarbeitern einer modernen Fabrik verkommen. Diesmal traten alle Herrschaften in Abendkleidung auf und vor allem die wunderschöne Aida Garifullina gab darin eine ausgezeichnete Figur ab.
Nun aber zur Aufführung: Die Musik – das ist natürlich Geschmackssache – hat mich sehr schnell wieder für sich eingenommen. In ihrer Exotik und Leidenschaft finde ich sie schöner (wenn auch nicht genialer) als jene von Bizets „Carmen“. Nach dem weltberühmten Duett Zurga/Nadir im Ersten Akt fragte ich mich unweigerlich: „Wie kann man so schöne Musik schreiben?“ Es ist wunderbar, das Orchester, den Dirigenten, den Chor und die Solisten gemeinsam auf der Bühne zu sehen und mitzuerleben, wie das alles zu einer Einheit verschmilzt.
Javier Camarena, der wirklich über brillantes Stimmmaterial verfügt, sang im Duett wunderbar – ich war schon sehr gespannt, ob er die gefürchtete Arie im Ersten Akt bewältigen würde. Leider tat er das nicht. Kenner der Oper werden ihm keinen Vorwurf machen, sie ist quasi unsingbar, wenn sie nicht transponiert wird. Ich jedenfalls kenne keine völlig zufriedenstellende Version in der Originaltonart. Die Tenöre zu Bizets Zeiten müssen noch ganz anders gesungen haben. Der Applaus nach der Romanze war dann auch eher mau, denn Camarena sang (leider) wirklich sehr unrein.
Domingos Zurga war – wie immer bei seinen Baritonrollen – ein Kapitel für sich. Ich möchte das nicht kommentieren. Zweifellos kann sich der Mann immer noch einer starken Bühnenpräsenz rühmen und es ist beeindruckend, wie seine angejahrte Stimme im Großen Festspielhaus immer noch klingt und schwingt. Trotzdem stelle ich hier ein Zitat von Domingo selbst ein. 1981 erklärte der Spanier, dass er mit 50 als Sänger aufhören würde und beantwortete die Frage, ob er weitersingen würde, wenn die Stimme noch intakt sei: „Auch dann nicht. Ich habe letztes Jahr in Wien eine »Fledermaus« dirigiert mit Hans Beirer. Der ist fast siebzig. Das finde ich furchtbar.“ So kann sich eine Meinung ändern …
Aida Garifullina als Leila wirkte zart und verführerisch. Kein Wunder also, dass sich die beiden Männer in sie verlieben. Sie sang makellose Koloraturen und man gewöhnte sich gut an ihre Stimme, die anfangs ein wenig schneidend wirkte. Dirigent Minarsi, Orchester und Chor wirkten gut in Form, man ging durchaus beseelt nachhause.
Drei Fragen an die Tamino-Experten:
Ist die Romanze des Nadir live singbar?
Was soll man von Domingo als Bariton halten?
Hat man es heute als Sopran leichter, eine Weltkarriere zu starten, wenn man gut aussieht?