Wie soll man Musik konsumieren?

  • Wenn wir hier das Disktutieren verlassen und ans Überzeugen gehen wollen, möchte ich auf ein probates Hilfsmittel hinweisen, zu dem es auch eine Anleitung gibt. Mancher erkennt aber auch schon intuitiv den Wert


    ikea-kloppe.jpg



    Leider weiß ich nicht, ob dieses wertvolle Tool noch im Sortiment ist. Dilettanten möchte ich die technische Bedienung nicht vorenthalten



    cd61a32a044b509e589cd70c0ef9d89d.jpg

  • Ich gebe ja zu, dass es unfair ist. Zu Dir kann man im Netz lesen, was Du studiert hast, was nicht, bei mir sieht man es nicht. Also ist es nicht sehr intelligent von Dir, mir gegenüber den Musikwissenschaftler spielen zu wollen, der nicht mit dem Dilettanten diskutiert.

  • Es ist jedenfalls ein Witz, zu behaupten, die Musikwissenschaft könne nicht mit dem Werk zurechtkommen, weil sie verschiedene Fachbegriffe verwendet und uneins ist, wo wenn nun Seiten- oder Nebenthema beginnt. Auch ein Musikwissenschaftler wird es über sich bringen, der Meinung zu sein, dass mehrere Stellen als Beginn eines Formteiles in Frage kommen. Und wenn das Stück Sonatenhauptsatzform und Form der Mehrsätzigkeit überlagert, dann wird man natürlich nach den entsprechenden Formteilen suchen müssen, wenn man das Ding bespricht.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Es ist jedenfalls ein Witz, zu behaupten, die Musikwissenschaft könne nicht mit dem Werk zurechtkommen, weil sie verschiedene Fachbegriffe verwendet und uneins ist, wo wenn nun Seiten- oder Nebenthema beginnt.

    Du hast noch nicht mal das Buch von Gut gelesen! Gut selbst listet die verschiedenen wirklich sehr weit (!) divergierenden Auffassungen in dieser Frage alle auf! Bei den Analysen einer Beethoven-Sonate z.B. finden sich solche extremen Auffassungsunterschiede eben nicht. Warum wohl?


    So, und nun bin ich raus aus diesem Thread!

  • Amen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Was heißt jetzt "warum wohl" und was hat das mit meiner Kritik an Deinem Text zu tun? Ich habe nun den Eindruck, dass Du nicht damit zurecht kommst, wenn etwas mehrdeutig bleibt. Dabei unterschiebst Du das ja gerade der Musikwissenschaft.

  • Hallo, ich schlage vor, daß ihr beiden ein virtuelles Bier miteinander trinkt, eine Nacht schlaft und morgen weiter diskutiert.

    Es macht Spaß, das zu lesen. Prost!!!!!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich habe ein virtuelles Bier getrunken und den Aufsatz nochmal etwas wohlwollender (und komplett) gelesen und mich weniger an Formulierungen wie "musikwissenschaftliche Schulmeisterei" gestoßen.

    :angel:

    In Bezug auf "wie soll man Musik konsumieren" stellt sich ja hier wohl die Frage, ob man beim Hören der h-moll-Sonate oder der Faust-Sinfonie sich einen Faust etc. imaginieren soll.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • In Bezug auf "wie soll man Musik konsumieren" stellt sich ja hier wohl die Frage, ob man beim Hören der h-moll-Sonate oder der Faust-Sinfonie sich einen Faust etc. imaginieren soll.

    Jeder Rezipient baut sich einen eigenen Kontext für das Hören. Ich lese aber aus dem Thread, dass durch das zusätzliche Lesen von Faust oder Dante sich bestimmte Eigenheiten der Musik leichter erschließen lassen. Dem stimme ich umunwunden zu.


    Die Frage der Harmonien ist spezifischer. Was kann man nun hören und was nicht? Aber jede Musitheorie bezieht sich im Endeffekt doch auf das Hören. Was ich nicht hören kann, da scheint es mir nicht sinnvoll zuviel Theorie hineinzustecken. ;) Aber natürlich erschließt sich manches erst nach wirklich häufigem Hören. Man darf nicht immer das schnelle Erfolgserlebnis erwarten. Umgekehrt scheint es mir auch so, dass viele Stücke, die mir anfangs gut gefallen haben, mit der Zeit ihren Reiz verlieren.

  • Es gibt auch das Fach "Gehörbildung", in dem man systematisch trainiert wird, tonale Musik analytisch zu hören. Das Hören wird dort natürlich erst durch Theorie möglich.

  • Die Theorie kann man dann aber knapper oder ausführlicher behandeln, von vielen wird sie trotzdem wenig beachtet oder "etwas beiseite" geschoben. Wirklich konzentriertes Hören bringt einen fast immer weiter...

  • Wie sehen das Komponisten. Zumindest der schweizer Komponist Dieter Ammann gibt Auskunft in einem Gespräch.


    Zitat von Dieter Ammann

    ....Ansonsten habe ich ziemlich anders geartete Musik im Kopf; das kann eine Improvisation über ein Bluesschema oder eine barocke Quintfallsequenz sein – jedenfalls alles Musik, die aus dem Stegreif innerlich vorstellbar ist, und meist nicht viel «Konstruiertes» in sich trägt. Es würde mich sowieso einmal interessieren, ob es Komponisten gibt, die «unter der Dusche» in derselben Tonsprache singen oder pfeifen, in der sie komponieren. ....

    Zu finden auf der Seite https://www.dissonance.ch/CH-Komponisten/Ammann/Ammann.html

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Bei meinen Feldversuchen mit dem Komponisten Stefan Prins bin ich auf dieses interessante Interview gestoßen. Er spricht hier über viele Fragen, wie ändert sich das Publikum, wie komponiert man, wie rezipiert man heute (natürlich immer auf ihn selbst bezogen)? Am Ende gibt der 42-Jährige Tipps für junge Komponisten :).


    Das ist wirklich eine ganz andere Welt, als zum Beispiel die akustische Welt eines Wolfgang Rihm oder auch Helmut Lachenmann. Er philosophiert auch über 5G-Netze. das hätte ich kaum im Kontext von Kunst erwartet. Was ist die Bedeutung von Lautsprechern beim Komponieren?


    Angesichts meiner Schwierigkeiten mit der Komposition Generation Kill, ein erhellendes Interview und ein kleiner Hinweis, wohin die Musik gehen könnte.


  • Hier ein paar sehr kurze Einleitungen zu den Themen Serialismus, Spektralismus, Neue Komplexität und Minimalismus und wie man da hinhören kann. Nicht sehr lang, tut auch nicht weh und in Grenzen unterhaltend.





  • Wollte das erste anhören, da mich interessiert, wie man serielle/dodekaphone Musik hören soll. Bin beim ersten Beispiel ausgestiegen. Weberns op. 10 ist nicht zwölftönig! Und die einleitende Erklärung mit "Komponieren, ohne das ein Ton wiederkommt, bevor alle anderen dran waren" ist ja auch eher falsch.

  • Wollte das erste anhören, da mich interessiert, wie man serielle/dodekaphone Musik hören soll. Bin beim ersten Beispiel ausgestiegen. Weberns op. 10 ist nicht zwölftönig! Und die einleitende Erklärung mit "Komponieren, ohne das ein Ton wiederkommt, bevor alle anderen dran waren" ist ja auch eher falsch.

    Ich fand die Idee sehr nett (wie Du ja offensichtlich auch) und die Ausführung etwas mittelmäßig. Dass Weberns Op. 10 nicht dodekaphon ist, wusste ich nicht. Danke für den Hinweis. Wenn Du dir die 4 kleinen Filmchen mal auf Fehler ansehen könntest, fände ich super. Ich verlasse mich sonst auf falsche Information, was ich partout nicht leiden mag.


    Ist ja gerade überhaupt ein aktuelles Thema ...

  • Unter serielle Musik wird verschiedentlich auch Zwölftonmusik (dodekaphonische Musik) subsummiert, welche dann zur ersteren eine Untergruppe darstellt. Ich habe mir zu beiden Begriffen einige Definitionen herausgesucht und dazu die vermeintlich passenden Werke hergenommen und angehört. Das Fach Musik hatte ich bis zum Abitur. Schon damals habe ich mich erstaunt, dass die zugehörigen Werke der oft genannten Schönberg, Webern, Berg sowas von stilistisch, evtl. auch "strukturell" verschieden sind, aber auch die Werke eines einzelnen von ihnen. Jedenfalls hört sich dieses alles nicht nach Ordnung und Kategorie an. Ist ja fast sonnenklar.


    Die Aussage indessen, "Komponieren, ohne dass ein Ton wieder kommt, bevor nicht.... " kenne ich seit langem, scheint mir dabei ein nur teilweise angewandtes Prinzip innerhalb der 12 T-Musik zu sein. Mit blossem, aber auch wiederholten Hören kann man nicht viel wiedererkennen, bzw. schwerlich die Sachen untereinander vergleichen und einordnen. Natürlich hilft "Hören" dennoch beträchtlich.


    Korrigiert mich, wenn ich auf dem Holzweg bin !

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Korrigiert mich, wenn ich auf dem Holzweg bin !

    Lieber Damiro ich bin der Falsche, das zu tun ... Mich interessiert die Frage auch. Allerdings scheint es ja bei vielen sog. Regeln in der Musik selten so zu sein, dass sie immer hundertprozentig eingehalten werden. Anders, als bei den vier Filmchen oben, die ich aufgrund ihre Idee originell fand, schätze ich den Chanel von Samuel Andreyev. Er hate einen 7-Minüter zur "Atonalität" gemacht ..


  • Es gibt auch von Andreyev einen Beitrag über die Musik, die im im Leben etwas bedeutete und immer noch tut. Hier kommen Fragen des Musikhörens ganz natürlich zur Sprache.


  • Der Unterschied von Zwölftonmusik und serieller Musik: Serielle Musik serialisiert nicht nur die Tonhöhen wie Zwölftonmusik, sondern dehnt das Prinzip der Serialisierung auch auf alle anderen musikalischen Parameter wie Dynamik, Klangfarbe usw. aus. Deshalb kann serielle Musik auch Geräsche verwenden, die keine festgelegte Tonhöhe haben, weil die Serialität umfassend ist und so auch Geräusche "grammatikalisch" erfasst werden und damit Musik sein können. :)

  • Ja, Holger, das ist da auch kaum definitionsfremd mit den nichtharmonischen oder gemischten (elektron.) Geräuschen/Tönen. Das mit den Vogelstimmen bei Messiaen (und einiges andere) führe dann zu einer Einordnung seiner Musik in entsprechende serielle "Kästchen" .


    Da er (u.a.) einer meiner "emotionalen" "tiefgrabenden" Lieblingskomponisten ist, höre ich ihn mit Freuden weiterhin, nähere ich mich ihm auch rational soweit als möglich oder auch zufällig. Wahrscheinlich berühren seine Töne, Klänge, liturgische Mitteilungen/ Anmutungen subversiv und unbestimmt meine nur teilrationale Existenz.

    Jetzt, im Moment, merke ich auch, dass es ihm vermutlich ähnlich geht wie mir. Nur dass er eine Antwort auf sein/ mein Fragen hat, nämlich die Komposition, das Orgel- und Klavierspiel und alles was dazu gehört, zuvor die Eingebung/ Idee/ Verlangen/ Glauben an die Phänomene unserer Existenz als Musiker, etc. . Die magische Kirchenhalle von St. Trinite und Austern oder Fricandeau am Place de l`Opera, oder auch ringsherum greifen ineinander, sind nur 300 m auseinander. ;)

  • Unter serielle Musik wird verschiedentlich auch Zwölftonmusik (dodekaphonische Musik) subsummiert, welche dann zur ersteren eine Untergruppe darstellt.

    Genau, ich glaube, dass vor allem im Englischen "serial" gerne für dodekaphone und serielle Musik (im Sinne von solcher, die (auch) andere Parameter mit Reihen organisiert) verwendet wird.

    Zitat

    Die Aussage indessen, "Komponieren, ohne dass ein Ton wieder kommt, bevor nicht.... " kenne ich seit langem, scheint mir dabei ein nur teilweise angewandtes Prinzip innerhalb der 12 T-Musik zu sein.

    Die "Regel" ist Unsinn, sie wird praktisch nie angewendet. Sonst würde ja stets dieselbe Tonfolge immer wieder und wieder durchlaufen.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Das mit den Vogelstimmen bei Messiaen (und einiges andere) führe dann zu einer Einordnung seiner Musik in entsprechende serielle "Kästchen" .

    Messiaen gehört nur wegen einer kurzen Klavier-Etüde ins "serielle Kästchen", die Vögel singen ja nicht nach Reihen ...

  • Zu der Klavieretüde kann ich nichts sagen, ich glaube auch, dass du mit konsequenter Logik nicht weiter kommst, sondern den seriellen Begriff weit fassen musst, damit eine nennenswerte Anzahl von Werken und Komponisten überhaupt zusammen kommt, die man darunter subsummieren will, kann, muss.

    Das mit den Vögeln würde ich vordergründig bejahen, aber jeder einzelne Laut eines Vogels besteht nicht nur aus EINER Frequenz. So kann man z.B. das Timbre eines Sängers physikalisch analysieren und hat dann ein ganzes Frequenzspektrum bei jedem einzelnen gesungenen Ton.....Die Musik von Messiaen bräuchte also weitere oder weiter gefasste Begriffe, um seine Musik zu erklären. Doch spielen zwingend auch weitere Begriffe wie Dynamik, Rhythmus u.v.m. eine Rolle, wie du weisst. :)


    Ach, und deine # 115 stimmt natürlich !

  • Messiaen gehört nur wegen einer kurzen Klavier-Etüde ins "serielle Kästchen", die Vögel singen ja nicht nach Reihen ...


    Hier eine Liveeinspielung von Cantéyodjayā aus dem Jahre 1993



    Ich finde das Stück, seriell oder nicht, beeindruckend.



    Die "Regel" ist Unsinn, sie wird praktisch nie angewendet. Sonst würde ja stets dieselbe Tonfolge immer wieder und wieder durchlaufen.


    Ich habe das damals (a bisserl her ist's scho ...) so verstanden, dass man eine Basisreihe definiert (auf die das von Damiro erwähnte Kriterium zutrifft) und dann diverse Operationen damit macht (So: à la fugue) Anders als in der Klassik ist damit das Stück dann nicht harmonisch fundiert sondern durch die "Reihe". Natürlich wiederholen sich im Laufe des Stückes dann auch Töne 'mal schneller als nach 11 Tönen :).

  • Messiaens für den Serialismus wichtiges Stück ist "Mode de valeurs et d'intensités" aus den "Quatre Études de rythme" (1949/50), da er mit dem Umgang mit den Parametern in diesem Stück auf andere Komponisten einen großen Einfluss ausübte. Goeyvaerts schrieb dann 1951 mit der Sonate für 2 Klaviere sein erstes serielles Stück, dem Stockhausen, mit dem er in Kontakt stand, unmittelbar folgte. In den nächsten Jahren wurden sehr viele serielle Stücke geschrieben. Vorweggenommen wurde das allerdings in Amerika ein paar Jahre früher durch Milton Babbitt.

    Die Vögelstimmen haben mit Serialismus nichts zu tun.

    Auch die Analyse von Frequenzspektren hat mit Serialismus nichts zu tun, solche Analysen wurden als Ausgangspunkte für den Spektralismus verwendet, eine Richtung, die um 1980 wichtig wurde.

    Freilich war das Wissen um die Bedeutung der Frequenzspektren für die frühe serielle elektronische Musik wichtig, da man dem Ziel, auch die Farbe durch Reihen zu steuern, sich ganz nahe gekommen wähnte - die Ergebnisse waren aber wohl nicht ganz so zufriedenstellend wie erhofft - man vergleiche etwa Stockhausen "Studie II" und Koenig "Essay" mit Stockhausens Kombinationen elektronischer Klänge mit aufgenommenen Klängen ("Gesang der Jünglinge") und live gespielten Instrumenten ("Kontakte"), die ja quasi in Bezug auf serielle Durchorganisation einen "Rückfall" darstellen.

    Selbst mit diesen Begriffen kreativ werden halte ich für keine so gute Idee.

    ;)

  • Ich habe das damals (a bisserl her ist's scho ...) so verstanden, dass man eine Basisreihe definiert (auf die das von Damiro erwähnte Kriterium zutrifft) und dann diverse Operationen damit macht (So: à la fugue) Anders als in der Klassik ist damit das Stück dann nicht harmonisch fundiert sondern durch die "Reihe". Natürlich wiederholen sich im Laufe des Stückes dann auch Töne 'mal schneller als nach 11 Tönen :).

    Genau. Da in der Reihe selbst aber kein Ton wiederholt wird, sondern jeder nur einmal vorkommt, ist "Jeder Ton kommt erst wieder, wenn alle anderen dran waren" auch hier falsch. In der Reihe kommen die Töne nämlich gar nicht wieder.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose