Elsa Dreisig - Silberstimme aus Frankreich

  • Am letzten Sonntag, 5.11.2023, brachte ARTE eine Aufzeichnung von den Salzburger Festspielen 2023. Auf dem Programm stand EIN DEUTSCHES REQUIEM von Johannes Brahms. Die Ausführenden waren: der WIENER SINGVEREIN und die WIENER PHILHARMONIKER unter der musikalischen Leitung von CHRISTIAN THIELEMANN. Als Solisten wirkten mit: ELSA DREISIG (Sopran) und MICHAEL VOLLE (Bariton).


    Durch die Sendung bin ich erstmals auf die 1991 in Paris geborene Elsa Dreisig aufmerksam geworden,

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    deren silberner Sopran mich spontan an Irmgard Seefried, die den Part 1954 unter Bruno Walter (CBS) gesungen hat, und auch an die junge Spanierin Pilar Lorengar (die m.W. diese Partie, zumindest nicht auf Tonträger gesungen hat) denken ließ. Nachdem sie die ersten Worte Ihr habt nun Traurigkeit gesungen hatte, war mein spontaner Gedanke: Die junge Frau sieht nicht nur bezaubernd aus, sie singt auch so!


    Beide Eltern der Sängerin hatten beruflich mit der Oper zu tun, die Mutter ist dänischer Herkunft, der Vater Franzose. Elsa Dreisig führt den Familiennamen der Mutter.


    Nach dem Musikstudium, zuerst in Lüttich und danach in Lyon, setzte sie ihre Ausbildung am Conservatoire de Paris fort und ging schließlich, zur Abrundung ihrer Gesangsausbildung, für ein Jahr an die Hochschule für Musik in Leipzig. An der dortigen Oper erfolgte 2013 ihr Bühnendebüt in Lortzings Der Wildschütz. Bereits 2015 wechselte zur Berliner Staatsoper Unter den Linden, zunächst ans Opernstudio und ab 2017 als festes Ensemblemitglied. Schon bald sang sie dort in Mozarts Zauberflöte sowohl die Papagena als auch die Pamina. Im Sommer 2017 engagierte sie Sir Simon Rattle für den Sopranpart in Haydns Schöpfung mit den Berliner Philharmonikern, die das Werk in verschiedenen Städten, wie Salzburg, Luzern, Paris und natürlich Berlin aufführten. Ein Jahr später trat sie in der Berliner Staatsoper als Violetta in Verdis La Traviata auf und feierte große Erfolge. 2018 sang sie in Paris die Lauretta in Gianni Schicchi, die Zerlina in Mozarts Don Giovanni und die Elvira in Bellinis Puritaner. In den Jahren 2020 bis 2022 mußte Elsa Dreiser, wie viele ihrer Kollegen, wegen Covid 19 eine Zwangspause einlegen, mit einer Ausnahme: Bei den Salzburger Festspielen 2021 sang sie die Fiordiligi in Così fan tutte, obgleich sie selber erkrankt war.


    Nach der erzwungenen Corona-Auszeit trat sie mehrfach an verschiedenen Orten, vornehmlich in Rollen von Opern von Donizetti, auf. Beim Festival in Aix-en-Provence sang sie 2022 die Rolle der Salome (in französisch) in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss. Die meisten Musikkritiker waren sich allerdings einig, daß ihre Stimme für diese schwere Partie (noch) nicht ideal war. Dafür wurde sie im Sommer 2023 als Juliette in Gounods Oper Romeo et Juliette einhellig gefeiert.


    Ihr Auftritt bei den diesjährigen Salzburger Festspielen (im Brahms-Requiem, wie oben beschrieben) war ebenfalls von Erfolg gekrönt. Und das mit Recht, wie ich mich selber am vergangenen Sonntag überzeugen konnte. Ihr Auftritt war einer der Höhepunkte der Aufführung, und sie wurde vom Publikum entsprechend gefeiert. Die Bariton-Partie sang übrigens Michael Volle. Eine gute Leistung, die aber (für mich) kein Ersatz war für mir von früher bekannte Sänger, wie Dietrich Fischer-Dieskau (EMI 1955, Kempe und EMI 1961, Klemperer), Eberhard Waechter (DGG 1964, Karajan) und George London (CBS 1954, Bruno Walter).


    Jedenfalls war ELSA DREISIG für mich eine echte Bereicherung, und ich kann dieser jungen, vielversprechenden Künstlerin für die Zukunft nur ganz viel Erfolg wünschen. Eine Entdeckung!


    Inzwischen sind einige Recitals mit der Sängerin erschienen, die ich aber noch nicht kenne (aber bald kennenlernen werde), z.B. diese:

       Miroir(S)


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo Nemorino,

    vergangenes Wochenende hatte ich das Glück, Elsa Dreisig in München als Gräfin Almaviva in der Hochzeit des Figaro erleben zu dürfen. Ich bin überzeugt, dass wir von dieser Sängerin noch großes erwarten dürfen. An diesem Abend war sie die einzige Sängerin an die ich mich nicht erst gewöhnen musste. das soll keineswegs heißen, die anderen seien schlecht gewesen, ich bin einfach ein bisserl wählerisch beim Timbre, aber dass ich so von der ersten Note an im siebten Himmel schwebe passiert mir denn doch nicht so häufig.


    Danke für das Erstellen dieses Threads. Ich bleibe gespannt und Hoffnungsvoll auf seine weitere Entwicklunug

    Beste Grüße

    Niklas

  • Hallo Niklas,


    vielen Dank für Deine Rückmeldung!

    vergangenes Wochenende hatte ich das Glück, Elsa Dreisig in München als Gräfin Almaviva in der Hochzeit des Figaro erleben zu dürfen.

    Das freut mich sehr für Dich, leider ist München für mich schwer (besser gesagt, gar nicht) erreichbar, Hin- und Rückfahrt ca. 1100 km! Die Entwicklung des Threads über die Künstlerin wird wahrscheinlich nicht weit gedeihen. Die Opern- und Gesangsfreunde im Tamino-Forum sind rar geworden. Noch vor einigen Jahren gab es auf diesem Gebiet lebhafte Diskussionen. Umso mehr freut es mich, daß mit Dir ein neuer Interessent hier Einzug gehalten hat. Es kann also nur besser werden.


    Wie war übrigens die Aufführung? Wo fand sie statt, im National- oder Prinzregententheater? Auch die Inszenierung würde mich interessieren. Mir wurden die letzten Opernbesuche, und die liegen schon ein paar Jährchen zurück, durch unsinnige Bühnenbilder und Kostüme total vergällt. Da bleibe ich lieber zu Hause.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo Nemorino,


    Vielen Dank für die Blumen, ja das habe ich leider auch feststellen müssen. Aber es wird schon werden. und 1100km ist wirklich sehr weit, das ist ja schom ein veritabler Urlaub.


    Die Aufführung war im Nationaltheater und hat mir sehr gut gefallen. Das Dirigat war sehr spritzig und schneller als jedes, das ich bis dato gehört habe. In den Ensembles (z. B. "Susanna, or vi sortite!") fand ich hat das hervorragend funktioniert und ich habe selten in einer Oper so viel lachen müssen. Im Briefduett und dem Duett Susanna und Conte hätte ich mir ein bisschen mehr Ruhe gewünscht, aber das ist Jammern auf höchstem Niveau.


    Die eine Sache die mir stellenweise wirklich auf die Nerven ging waren die von allen Sängern angebrachten, die melodische Linie durchbrechenden zusätzlichen Ornamentierungen. Das mag ich bei Mozart einfach nicht, es ist kein Donizetti oder Bellini.


    Die Regie war sehr modern aber ich fand es sehr witzig. Mein persönlicher Lieblingsmoment war, als Susanna im 2. Akt aus dem Kabinett wiederauftauchte und der verzweifelnden Gräfin mit den Worten "Das können Sie drehen wie sie wollen" (con uomin, Signora, Girate, Volgete) einen Joint hinhielt.


    Elsa Dreisig, um den Bogen zurück zu schlagen, war für meine Begriffe ein absolutes Highlight des Abends. Sie hat die Gräfin sehr viel selbstsicherer angelegt als ich es gewohnt bin zu sehen und zu hören. (An einer Stelle hat sie dem Grafen die mitgebrachte Axt zum Aufbrechen des Kabinetts entrissen!) Dabei ein Wunderschönes Timbre. In den Arien war sie aber wieder sehr zart und verwundbar, was den Schluss nahelegt, dass die Gräfin einfach eine harte äußere Fassade präsentiert um ihren inneren Schmerz zu übertünchen. Szenisch und Stimmlich hatte sie eine tolle Chemie mit Louise Alders Susanna, ihre Stimme kam im Vergleich sehr viel Damenhafter daher, was die Beziehung der Figuren Musikalisch sehr schön illustriert. Den Grafen von Huw Rendall Montague hat sie Stimmlich etwas erschlagen aber der war generell etwas auf der leiseren Seite.


    Ich hoffe, Du hast Freude an meinem Bericht und dass der Thread wider erwarten noch großen Zulauf findet.

    Beste Grüße,

    Niklas

  • Lieber Niklas,


    ganz lieben Dank für Deinen ausführlichen Bericht. Es freut mich, daß Dir die Aufführung gefallen hat, und auch die Sängerschar Deinen Erwartungen entsprochen hat. Daß Elsa Dreisig eine wunderbare Gräfin dargestellt hat, glaube ich Dir aufs Wort.

    Ich habe "Die Hochzeit des Figaro" einmal in Köln gesehen, in vorsintflutlicher Zeit. Sie wurde damals noch deutsch gesungen (es muß wohl um 1970 herum gewesen sein). Die Inszenierung war traditionell, aber nicht verstaubt. Ich weiß den Namen des Regisseurs nicht mehr. Es könnte eventuell Patrice Chéreau gewesen sein, der für Köln einen Mozart-Zyklus entworfen hat. Doch ich bin mir nicht sicher, seine "Zauberflöte" habe ich in Köln ca. 1983 gesehen, sie war großartig. Durchaus nicht antiquiert, aber alles andere als revolutionär.


    Doch zurück zu Elsa Dreisig: Ich war ziemlich entsetzt, als ich las, daß sie letztes Jahr die Salome gesungen hat. Das scheint mir eine Partie zu sein, an der sich eine junge Sängerin mit schöner, aber nicht riesig voluminöser Stimme leicht überheben kann. Hoffentlich läßt sich Elsa Dreisig nicht frühzeitig vom heutigen Opernbetrieb verheizen. Es wäre jammerschade um diese herrliche Stimme, die m.E. wohl eher geeignet ist für Mimi, Musetta, Butterfly, Violetta, Gilda oder eben Mozart-Rollen. Man darf gespannt sein.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Sie sang 2020 in Salzburg die Fiordiligi. Man kann die ganze Aufführung hier sehen:



    In diesem Herbst singt sie an der Berliner Staatsoper.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • In diesem Herbst singt sie an der Berliner Staatsoper.

    .......und zwar bei den Berliner Barocktagen in Mozarts "Mitridate, re di Ponto" den Sifare!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Sie sang 2020 in Salzburg die Fiordiligi. Man kann die ganze Aufführung hier sehen:



    In diesem Herbst singt sie an der Berliner Staatsoper.

    Lieber Hans,

    danke für die Einstellung der Salzburger Così. Bei dieser Fernsehübertragung fiel mir die Ausnahmekünstlerin Elsa Dreisig erstmals auf. Ihre glockenreine Sopranstimme und ihr anmutiges Agieren auf der Bühne faszinierte mich auf Anhieb. Erfreulicherweise ist sie in den sozialen Medien auch sehr präsent und so hat sich ein schöner Austausch auf Instagram mit ihr ergeben. Lob und Kritik nimmt sie gleichermaßen gerne an und das zeichnet sie als eine Künstlerpersönlichkeit aus, der neben der Gegenwart auch die Zukunft gehört. Ihre Manon in Zürich war sehr überzeugend. Auf ihre Genfer Tudor-Rollen bin ich schon heute gespannt. Eine echte Bereicherung der Opernszene. Akustisch und optisch...

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Lieber Hans,

    danke für die Einstellung der Salzburger Così. Bei dieser Fernsehübertragung fiel mir die Ausnahmekünstlerin Elsa Dreisig erstmals auf. Ihre glockenreine Sopranstimme und ihr anmutiges Agieren auf der Bühne faszinierte mich auf Anhieb. Erfreulicherweise ist sie in den sozialen Medien auch sehr präsent und so hat sich ein schöner Austausch auf Instagram mit ihr ergeben. Lob und Kritik nimmt sie gleichermaßen gerne an und das zeichnet sie als eine Künstlerpersönlichkeit aus, der neben der Gegenwart auch die Zukunft gehört. Ihre Manon in Zürich war sehr überzeugend. Auf ihre Genfer Tudor-Rollen bin ich schon heute gespannt. Eine echte Bereicherung der Opernszene. Akustisch und optisch...

    Lieber Siegfried, ja, das ist eine ausgesprochen schöne Cosi - auch aller anderen Sängerinnen und Sänger wegen. Vielleicht schaffe ich es, Fr. Dreisig in Berlin zu hören. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

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