Dietrich Fischer Dieskau - eine Referenz

  • Ich dachte plötzlich: "Da rechts unten. Da steht was. Könnte es sein?"


    Das Tracklisting gab Auskunft. Es ist meine LP. Und tatsächlich Decca (Theophilus!!).



    Track 11 ist die bewußte Arie. CD-Nummer = 475 7169.


    LG, Paul

  • Sagitt meint:


    Ich erwähne mal ein paar Aufnahmen mit DFD , die kaum zu überbieten sind:


    1. Winterreise mit Moore, 1955
    2. Dichterliebe mit Demus 1958
    3. Matthäus-Passion mit Richter 1959.


    In diesen drei Aufnahmen setzt DFD allerhöchste Maßstäbe. Perfekte Stimmbeherrschung und Interpretation. Ich habe immer wieder auch mit Sängern über die ein oder andere Aufnahme gesprochen. Und Sänger lagen auf den Knien vor einem solchem Können=Kunst.

  • Vielen Dank an Paul,Ulli und Theophilus!!! :jubel::jubel::jubel:
    Wenn ich jetzt noch die zugehörigen Noten bekomme, was sich wohl als ebenso schwere Aufgabe herausstellen wird, bin ich rundum zufrieden ;)


    Mfg Richard

  • Zitat

    Original von sagitt
    1. Winterreise mit Moore, 1955
    2. Dichterliebe mit Demus 1958
    3. Matthäus-Passion mit Richter 1959.


    In diesen drei Aufnahmen setzt Dietrich Fischer-Dieskau allerhöchste Maßstäbe.


    Da kannst Du nach meinem Erachten auch noch die Zykli "Die Schöne Müllerin" und "Schwanengesang" hinzufügen, die um jener Zeit aufgenommen wurden. Genau weiß ich es nicht mehr, aber ich dachte Anfang 60. Jahre.
    Zusammen mit der Winterreise waren diese Zykli damals bei Electrola (= HMV = EMI) erschienen.
    Dagegen war Dichterliebe eine DGG-LP. Die MP, dachte ich, war eine Archiv-Ausgabe (also auch DGG).


    LG, Paul

  • hallo Rienzi,


    kann ich Dir nur zustimmen.
    Ich hatte mir die 3er Cd " Salzburg Recitals mit FI DI '62 - 65 gekauft.
    Einmal angehört, dann nie wieder !
    Diese Art des Singens, absolut nicht mein Geschmack.
    Im Gegenteil : Ich interessierte mich aufgrunddessen eine Zeitlang nicht mehr für Schubert Lieder, bis ich manche in der Interpretation Karl Erbs hörte.
    Was ein Unterschied!


    Gruß

    " Gott segne das ehrbare Künstlertum"

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  • Alfred schrieb:


    Zitat

    Oft werden hiebei Stilmerkmale Fi-Dies ins Treffen geführt (beispielsweise sein "Sprechgesang")...


    Als jemand ,der die "Klangrede" von Haus aus schätzt, gefiel mir dieses häufig kritisierte Stilmerkmal immer ganz besonders an ihm, schon als Kind.
    Die geistige Durchdringung des Materials verband er mit dem musikantischen Zugriff des Vollblutmusikers und einem wunderschönen Timbre.


    Ich kenne niemanden, der alleine schon durch die Art und Weise der Ausprache deutscher Worte derart interpretierend gewirkt hat.
    Als Kind waren seine hochexpressiven Aufnahmen für mich der Anlass, selbst Musiker werden zu wollen.
    Ich kann mich gut an seine Kreuzstabskantaten und seine Schubert Lieder ( unter vielen: Nähe des Geliebten, Die schöne Müllerin, Winterreise, Schwanengesang) erinnern.


    Neuerdings schwärme ich auch für seinen Papageno unter Böhm.
    Vielleicht hätte ich nie Sänger werden können, weil ich schon als Jugendlicher zu sehr durch seine Art beeinflusst war, um noch Eigenes entwickeln zu können.


    Den oft gehörten Vorwurf der Überinterpretation lasse ich innerhalb der mir bekannten Aufnahmen nur bei den Liebeslieder-Walzern von Brahms gelten.
    Etwas mehr Einfachheit wäre hier mitunter angebrachter gewesen, zumal er dort als Bass im Ensemble mit Mathis, Fassbinder und Schreier sang.


    Ich mag die enorme Dichte seines Ausdruckswillens. Er bietet in nur wenigen Takten oft mehrere Deutungsschichten an, erst die offensichtliche und dann noch die darunter verborgene.


    Wer einmal einen Knabensopran hören will, der wie Fischer-Dieskau klingt, dem sei BWV 58 von der TELDEC-Gesamtaufnahme empfohlen.
    Dass der Fi-Die das riesengrosse Vorbild des Seppi-Kronwitters war, hört man dort überdeutlich - leicht amüsant, aber irgendwie auch toll.


    Fischer-Dieskau, DER Jahrhundersänger ?
    Unbedingt JA :yes: :yes: :yes: :jubel: :jubel: :jubel:


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo Glockkenton,
    Du hast meine !00% Zustimmung.Herrlich sind vor allem die
    frühen Aufnahmen von "Schwanengesang"und "Winterreise".
    Es gibt auch sehr schöne Opernaufnahmen aus der frühen
    Zeit Fischer-Dieskaus,z.B.: Die sizilianische Vesper,Königskinder,
    Gianni Schicchi,Ein Maskenball,Falstaff, oder Palästrina.
    Alles Rundfunkaufnahmen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Auch ich kann meine Begeisterung für Fischer-Dieskau nicht verhehlen, so grundsätzliche Vorwürfe wie den des Überinterpretierens (was soll das überhaupt bedeuten?) kann ich nur als klein angesichts des überragenden Künstlertums des Jahrhundert-Baritons betrachten.
    Natürlich gefallen auch mir keineswegs alle (mir bekannten) Aufnahmen nicht gleich gut. So kann ich mich mit seinen Loewe-Aufnahmen weniger anfreunden, sein Telramund ist m.E. auch nicht ideal geraten. Sonst kenne ich keinen zweiten Sänger, der in einem so riesigen Repertoire durchweg auf so hohem Niveau singen konnte, fast immer den richtigen Ton traf und dennoch immer unverkennbar blieb.


    Gruß Dieter

  • In diesem Zusammenhang darf man auch nicht vergessen, was dieser Sänger für die Musik des 20. Jahrhunderts geleistet hat. Bei zahlreichen Komponisten war er indirekt (Brittens "War Requiem") oder ganz direkt der Impulsgeber. Ich denke dabei an Opern wie Henzes "Elegie für junge Liebende" und Reimanns "Lear" ebenso wie an Liederzyklen, etwa Brittens "Songs and Proverbs".
    Außerdem hat sich FiDi beispielhaft für entlegenere Bereiche der Musik des 20. Jahrhunderts eingesetzt, etwa für das Liedschaffen Othmar Schoecks, aber auch für Pfitzner und Hindemith.

    ...

  • Zudem wurden ihm zahlreiche Stücke des 20.Jahrhunderts gewidmet zum Beispiel von Rihm und Reimann.


    Über den Menschen Dieskau habe ich aber die letzte Zeit wieder viel nachgedacht.Anstoß war dazu sein Buch "Musik im Gespräch" in dem er sich oftmals sehr von oben herab über verschiedene Sachverhalte äußert.Dies bestätigt mir schon den etwas von vielen besagten Eindruck, dass er sehr von sich eingenommen ist und auch Fehler (unpassende Rollen oder Aufnahmen etc.) nicht zu gibt.
    Oder ist es seine souveräne Art, die dies hervorruft.


    Zudem hat mich die Tatsache überrascht, dass Dieskau selber gar nicht die gesamten Schubert und Wolflieder aufnehmen wollte, sondern von der Grammophon dringlich gebeten wurde. Er war der Meinung, dass man mit einer Gesamtaufnahme aller Lieder den Komponisten schadet da somit auch schwächere Lieder aufgedeckt werden.
    Eine interessante Überlegung wie ich finde....


    Ich lass diese paar Gedanken jetzt mal offen und etwas unkommentiert stehn und hoffe auf angeregtes Diskutieren.

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  • Zitat

    Original von richard logiewa
    Zudem hat mich die Tatsache überrascht, dass Dieskau selber gar nicht die gesamten Schubert und Wolflieder aufnehmen wollte, sondern von der Grammophon dringlich gebeten wurde. Er war der Meinung, dass man mit einer Gesamtaufnahme aller Lieder den Komponisten schadet da somit auch schwächere Lieder aufgedeckt werden.
    Eine interessante Überlegung wie ich finde....


    Hallo Richard,


    Wieder ein schlagender Beweis, daß Dieskau sich gut bewußt ist/war, was er singt/sang. Seine Textinterpretation ist tadellos. Und daraus folgt die Konklusion "Er ist sich gut bewußt wie er singt/sang".
    Daß er (richtige) Akzente anbringt und gut prononziert singt, soll man ihn weder verübeln noch maniriert nennen.
    Warum wollte Wunderlich erst später Lieder singen? Weil Textinterpretation so schwer ist.


    LG, Paul

  • In anderen Threads wurde ja ziemlich wild auf den armen FiDi eingeprügelt; dennoch schätze ich seinen Papageno und erst Recht seine Schubert-Lied-Interpretationen (Winterreise, Müllerin etc.)
    Leider hat er sich zu dieser schrecklichen Einspielung des Macbeth hinreißen lassen, weswegen er mir als Verdi-Sänger seit dem Erwerb der entsprechenden CD ziemlich suspekt ist :stumm:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Barezzi
    In anderen Threads wurde ja ziemlich wild auf den armen FiDi eingeprügel


    Hallo Stefan,


    Das siehst Du falsch. Fast einstimmig wurde seine Interpretation als Papageno unter Böhm verurteilt. Und diejenigen, die auch die Fricsayaufnahme kennen, loben fast allen, wie er dort Papageno verkörpert.
    Von Opern im algemeinen war die Meinung, kurz zusammenfassend, es gibt Rollen die er ganz gut spielen konnte, und Rollen die ihm nicht so lagen.


    Sein Liedsingen, darüber wird unterschiedlich geurteilt. Manieriert oder nicht? Wie dort die Stimmen liegen, weiß ich nicht.


    LG, Paul

  • Hallo,
    man kann alle Rollen von Mozart,Verdi und anderen mit den
    verschiedensten Timbres interpretieren.Genauso wie es auch
    beim Schauspieler die unterschiedlichsten stimmlichen Typen
    gibt,z.B.Mephisto mit Gründgens,oder mit Ponto,völlig ver=
    schiedene Stimmen.So darf man auch Papageno,oder Don
    Giovanni als Bass und auch als Bariton besetzen.Bei Verdi gibt
    es den typischen italienischen Bariton,aber man kann auch
    dort ganz anders geartete Stimmen einsetzen.Es kommt da
    ganz auf die Gestaltung des Sängers an.Fischer-Dieskau
    hatte in Italien großen Erfolg,auch als Rigoletto.


    Dem eigenen Geschmack sind natürlich keine Grenzen gesetzt.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Das stimmt!
    Mir gefällt er auch als Wagner Sänger ganz gut mit Ausnahme des Wotan.Nur den Sachs hab ich noch nicht von ihm gehört.Vielleicht kann jemand was dazu sagen! Würde mich mal interessieren...
    Natürlich hat er nicht ein Volumen wie van Dam oder Struckmann etc...aber seine ganz klare Wortgestaltung finde ich gerade bei Wagner sehr wichtig.

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  • Hallo Richard,
    Du mußt davon ausgehen,daß in den späten Aufnahmen,die Stimme
    viel heller im Timbre geworden ist.Für Wotan,oder Sachs ist man an
    dunklere Heldenbariton-Stimmen gewöhnt.Fischer-Dieskau blieb
    immer ein lyrischer Bariton.Wenn einen das nicht stört,kann man
    sich auch die Verdi und Wagner-Aufnahmen mit Fi.Di.anhören.



    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo zusammen,


    wahrscheinlich bin ich doch aufgrund der Hörgewohnheiten auf den typisch italienischen Verdi-Bariton fixiert. Dazu kommt eben noch die wirklich unglückliche Figur, die FiDi im Macbeth unter Gardelli abgibt: er hatte wohl stimmliche Probleme und forcierte so sehr, dass er wie eine Karikatur der Rolle wirkte. Da das Pendant noch ein schlimmerer Ausfall war, konnte einem Gardelli nur Leid tun, das Dirigat war nämlich vorzüglich!


    Zitat

    Original von musicophil
    [Hallo Stefan,


    Das siehst Du falsch. Fast einstimmig wurde seine Interpretation als Papageno unter Böhm verurteilt. Und diejenigen, die auch die Fricsayaufnahme kennen, loben fast allen, wie er dort Papageno verkörpert.


    Hallo Paul,


    Mea culpa! :O :untertauch: Danke für die Korrektur!!! (ich fand den entsprechenden Thread nicht mehr und musste aus dem Kopf zitieren :wacky: ) Ich meinte den Böhm-Papageno, den ich auch gut finde, obwohl er hier schlecht wegkommt... Seine Schubert-Liedinterpretationen entsprechen eben auch meinem Geschmack...


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Natürlich vermisse ich das Singen (Interview 14.2.2003)


    I


    "Einer der größten Liedersänger ". So darf DFD genannt werden.
    Natürlich hatte er die Zeit an seiner Seite: Rundfunk, Schallplatte und nachher auch das Fernsehen haben eine große Verbreitung der Lieder und Opern des Interprets verursacht. Ohne ihn hätte ich vermutlich nie diese von ihm gesungene Musik hören können.


    Albert Dietrich Fischer-Dieskau wurde am 28. Mai 1925 in Berlin geboren, als jüngster von drei Söhnen. Er hatte das Glück, keine "Durchschnittseltern" zu haben. Sein Vater hatte an der Universität studiert und seine Mutter war Lehrerin. In seinem Elternhause war Musik ein selbstverständlicher Teil der Bildung.
    Trotz oder vielleicht dank der unruhigen Zeiten, in welchen Dieskau aufwuchs, hatte der junge Dieskau ein großes Interesse für Musik entwickelt. Als kleines Kind lernte er bereits von der Mutter Klavierspielen.



    Das Klavierspielen wurde während der Schulzeit fortgesetzt. Auch sang er immer; schon als Bub. Ab seinem 16. Jahr bekam er bereits Gesangsunterricht.



    1942, 17 Jahre alt, bekam er Unterricht von Hermann Weißenborn, Lehrer an der Berliner Musikakademie. Fischer-Dieskaus erstes öffentliches Konzert war 1942 im Zehlendorfer Gemeindehaus: "Winterreise", unterbrochen von Fliegeralarm.
    Aber dann schlug das Schicksal zu, denn die braune Kriegsmaschine brauchte ihn fürs Heer. Abrupt wurde sein Studium unterbrochen und er musste an die Front. Die Alliierten nahmen ihn 1945 in Italien gefangen, und deshalb wurden seine ersten "kompletten" Konzerte in einem amerikanischen Gefangenenlager gegeben, wo er zwei Jahre verblieb.



    1947 konnte er sein Studium bei Weißenborn fortsetzen. In diesem Jahre hatte er das Glück, im letzten Moment und ohne Probe, in Badenweiler einspringen zu dürfen. Da sang er Brahms’ "Deutsches Requiem". Ab diesen Moment kann man sagen, dass seine "Laufbahn" begann.
    Sein erster Liederabend wurde im Herbst 1947 in Leipzig gegeben, schnell gefolgt von einem sehr erfolgsreichen Auftreten im Berliner Titania-Palast.



    Als er Januar 1948 beim RIAS Berlin Schuberts "Winterreise" sang, wurde diese "Performance" aufgenommen. Die erste Aufnahme von vielen.
    Im Herbst 1948 wurde er als 1. Bariton an der Städtischen Oper Berlin engagiert. Da debütierte er als Posa in Verdis "Don Carlos" unter Ferenc Fricsay. Dieses Auftreten fand großes Beachten. Danach kamen Gastauftritte in Wien und München. 1949 sang er den Wolfram (Tannhäuser), natürlich in Berlin.
    In den anderen Musiktheatern wurde man aufmerksam auf den jungen, talentvollen Bariton. 1951 kamen Konzerte in England, Holland, der Schweiz, Frankreich, Italien sowie ein erstes Auftreten in Edinburgh. Auch kam bereits ein Auftreten bei den Salzburger Festspielen: Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen" unter Furtwängler. Kurz darauf sang er in den USA (?? nur eine Quelle erwähnte dies ??) und nachher beim Casalsfestival in Prades (Frankreich).
    Bayreuth, das so kritisch sein kann, engagierte den jungen Bariton bereits 1954 für Tannhäuser (Wolfram). Dort sang er jährlich bis 1961.
    1954 sang er auch in der Wiener Staatsoper (Falstaff). Ab 1957 würde er da sogar ein festes Mitglied des Ensembles sein (?? sind die Quellen hier zuverlässig; nur eine erwähnte es ??).
    1954 oder 1955 (die Quellen nennen verschiedene Jahre) fand seine erste Konzerttournee in die Vereinigten Staaten statt. Seine erster Liederabend in der Carnegy Hall (New York) geschah dagegen erst um zehn Jahre später (1964).



    1956 glänzte er als Almaviva (Mozarts "Figaros Hochzeit") während der Salzburger Festspiele, wo er bis in den frühen 70er Jahre auch jährlich kam. Auch in diesem Jahr wurde er von der Mailänder Scala für "Guillaume Tell" (Rossini)engagiert.
    1957 exzellierte er dort, als er unter Karajan Brahms’ Requiem sang. Als Opersänger konzentrierte Dieskau sich besonders auf Berlin (Deutsche Oper Berlin) und München (Bayerische Staatsoper).
    1959 erlebte Stockholm zum erstenmal das Auftreten des Sängers.
    Dieskau bekam von Kritikern großen Beifall für die detaillierten, von Einsicht zeugenden und phantasiereichen Interpretationen. Und für die beinahe unendlichen Schattierungen, die er mit seiner Stimme ausdrücken konnte.
    Aber auch "moderne" Komponisten und ihre Werken waren dem Sänger nicht fremd. 1963 sang er Danton in Dantons Tod von Gottfried von Einem (1918 –1996). Auch sang er einen gefeierten Barak in "Die Frau ohne Schatten" (Richard Strauss) als die Bayerischen Staatsoper wieder eröffnet wurde. Er sang in viele Uraufführungen: Werke von Benjamin Britten, Samuel Barber, Hans Werner Henze, Ernst Krenek, Witold Lutoslawski, Siegfried Matthus, Winfried Zillig, Gottfried von Einem und Aribert Reimann.
    Ein sehr ehrenhaftes Auftreten war beim Abschiedskonzert von Gerald Moore (20. Februar 1967). Da sangen Schwarzkopf, De los Angeles und Dieskau, begleitet von Moore.
    1973 wiederum begann er eine weitere Laufbahn als Dirigent, als er mit großem Erfolg für den erkrankten Otto Klemperer bei einer Schallplattenaufnahme von Brahms' "Die schöne Magelone" einsprang. Bis 1976 dirigierte er öfters, aber dann ließ er plötzlich den Taktstock in Ruhe.
    Am 31. Dezember 1992 beendete Dieskau seine 45-jährige Sängerlaufbahn.
    Seit 1993 hat er wieder das Dirigat ausgeübt.



    Die Liste ist lang und ich fasse es darum zusammen: neben sein "festes" Auftreten in Berlin und München war er zu Gast in der Wiener Staatsoper, Covent Garden, der Staatsoper Hamburg, den Festivals in Salzburg und Bayreuth, Japan und dem Edinburgh Festival.



    Insgesamt wurde er vier Mal Doktor hc (Oxford, Sorbonne, Yale und Heidelberg) und bekam 27 Unterscheidungen und 17 Preise für Schallplatten/CDs. Von vierzehn bedeutenden Vereinen (von Akademie der Künste Berlin bis American Academy of Arts and Sciences) ist er Mitglied. Davon sieben Mal Ehrenmitglied. Von der Internationalen Schubert-Gesellschaft ist er sogar Präsident. Und ihm wurde das Große Bundesverdienstkreuz verliehen (1974).
    Außerdem bekam er 2000 die Ehrenbürgerwürde von Berlin. Sowohl in München als Berlin wurde er zum Kammersänger ernannt.


    1960 fing er nebenher an zu malen, 1980 wurde die erste Ausstellung mit Fischer-Dieskaus Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen im Kunstverein Bamberg gezeigt.
    Er hat bereits 10 Bücher geschrieben. Sein (vor?)letztes Buch, über Hugo Wolf, ist Elisabeth Schwarzkopf gewidmet. Er verdankte ihr sehr viel Material, dass ihr Gatte gesammelt hatte.


    Bis Mitte der achtziger Jahre hatte er rund 3000 Lieder von etwa 100 Komponisten aufgenommen und wesentlich dazu beigetragen, dass das Kunstlied seinen bedeutenden Platz im Bewusstsein der Hörer behielt.


    II


    Dieskau heiratete 1949 die Cellistin Irmgard Poppen. Das Ehepaar bekam drei Söhne: der Bühnenbildner Mathias (1951); der Dirigent Martin (1954) und der Cellist Manuel (1963). Sie starb 1963 bei der Geburt des dritten Sohns.



    Interessant ist, dass es sogar eine Aufnahme von Dieskau gibt, bei welcher Poppen das Cello spielt. Eine von mir sehr geliebte LP, die leider noch immer nicht in toto auf CD gebracht wurde. Er singt darauf u.a. schottische Lieder von Haydn (!) im Duett mit Victoria de los Angeles.



    Es folgte eine kurze Ehe mit der Schauspielerin Ruth Leuwerik (1965-1967). Davon existiert ein Foto, nach der Eheschließung aufgenommen, auf der Hinterseite einer LP. Eine dritte Ehe (1968-1975) mit Christina Pugel-Schule, Tochter eines amerikanischen Gesangspädagogen, folgte. Heute ist Dietrich Fischer-Dieskau in vierter Ehe (seit 1977) mit der Sängerin Julia Varady verheiratet.



    Manuel, Solocellist beim Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, sagte einmal in einem Interview: Es lebe sich immer besser mit diesem berühmten Namen. Das war nicht immer so. Gerade in der Jugend- und Studienzeit kam er ebenso wenig wie seine Brüder darum herum, stets am großen Vorbild des Vaters gemessen zu werden.


    Dieskau selbst bemerkete: "A father can scarcely hope for more than a trusting friendship with his children. And I am glad that my sons, unlike those in Thomas Mann's family, do not need to jot down notes for future conversations in order to make sure that the flow of words is not dammed up too embarrassingly. We never lacked for things to talk about, especially when there were artistic experiences to be shared. And when we all took our places for an evening of chamber music, we always felt the greatest intimacy, such as non-musicians can only guess at. Whether Manuel is discussing questions of interpretation in the cello literature with me, or Martin, the conductor, brings into the discussion the interpretation of one or another orchestra leader, or Mathias, the stage designer, raises questions of stage space, or my own experiences on the concert stage serve as a negative or positive model, the exchange is always lively and fruitful. The success all three sons have earned makes my heart glad".


    Wenn die Kinder von ihrer Kinderzeit reden, erwähnen sie immer die langwierigen Abstinenzen ihres Vaters. Er, wiederum, erinnert sich ganz gut, was passierte, als er zu Hause war. Das Puppentheater, von ihm gebaut; die ersten Musikunterrichte; die ersten Klavierübungen. Zweifelsohne hat der Vater seine Söhne beeinflusst.



    Näheres über Dieskau findet man zuerst auf dieser Seite.


    Ich habe einige m.E. interessante Punkten aus Interviews von ihm selektiert:
    "Ich habe es immer als völlig unangebracht empfunden, wenn Kritiker über mich als den 'intellektuellen' Sänger schrieben. Wissen Sie, dass ich viele der Schubert-Lieder, die ich zusammen mit Gerald Moore auf Platte aufgenommen habe, nur flüchtig durchgesehen und dann vom Blatt gesungen habe?". Interpretation "Es ist doch nicht berechenbar, was sich während eines Liederabends in einem großen Saal ereignen wird. Kathleen Ferrier zum Beispiel. Sie kümmerte sich wirklich nicht um so etwas wie Deutung und Interpretation eines Stückes. Es war ihre Stimme, ihre pure Menschlichkeit, mit der sie das Publikum für sich eingenommen hat."


    Über dirigeren sagte er, als er gefragt wurde, ob er das beruflich ausüben wollte "Well, I don't want to build a career as a conductor, for God's sake. I also didn't want to do that when I started at the beginning of the 1970's" und " Up to now I have often remained a stand-in as a conductor". ?(


    Der Reporter fragte "When she criticizes pupils severely, Elisabeth Schwarzkopf always says that it may be cruel, but that things go the quickest that way...". Darauf antwortete Dieskau, lachend, "Well, she's not wrong about that".


    Und wieder danke ich Peter.


  • Hallo Herbert,


    ich wäre sehr neugierig, wie du diese These begründest - bitte bloß nicht mit der Tatsache, daß es im Opernbetrieb gang und gäbe ist, Sänger ohne Rücksicht auf ihr Stimmfach zu besetzen...


    so wie du es beschreibst ist es einfach nicht richtig! Man kann Sänger mit Schauspielern nicht vergleichen!
    Ein Sänger kann eine Rolle manchmal vom Tonumfang und vom Volumen her beherrschen, aber nicht, was die Länge der Partie, die Lage der Partie oder die Stilmittel (z.B: legato, oder Koloraturen) betrifft.


    (Unter Lage verstehe ich die "hauptsächlich verwendeten Tonhöhen" - also unabhängig von den Spitzentönen, kann eine Partie zu hoch liegen und einen Sänger dadurch zuviel Kraft kosten...)


    Zitat

    Zitat von Barezzi
    weswegen er mir als Verdi-Sänger seit dem Erwerb der entsprechenden CD ziemlich suspekt ist


    wer hat bitte FI-DI als Verdi Sänger bezeichnet? ?( :no:


    musicophil

    Zitat


    Der Reporter fragte "When she criticizes pupils severely, Elisabeth Schwarzkopf always says that it may be cruel, but that things go the quickest that way...". Darauf antwortete Dieskau, lachend, "Well, she's not wrong about that".


    X(
    im Interesse eines friedlichen Nebeneinander im Forum lasse ich das verbal unkommentiert...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo Herbert,

    Zitat

    man kann alle Rollen von Mozart,Verdi und anderen mit den verschiedensten Timbres interpretieren.


    Ich gebe Dir völlig recht.
    Außerdem freue ich mich, daß Du jetzt offenbar mit mir einer Meinung bist, daß man für die sogenannten Heldentenor-Rollen Wagners auch leichtere, heller timbrierte Stimmen wie beispielsweise die von René Kollo durchaus eine akzeptable Möglichkeit darstellen. :D


    Hallo Musicophil,

    Zitat

    When she criticizes pupils severely, Elisabeth Schwarzkopf always says that it may be cruel, but that things go the quickest that way...".


    Zweifellos.
    Nur, daß jemand, der es sich so leicht macht, unter keinen Umständen als Lehrer tätig sein sollte.
    Der einzige englische Kommentar, der mir dazu einfällt, ist das Wort "disgusting".


    Und nach diesem kurzen Exkurs schnell zurück zu FiDi, dem Meister der Manier.


    :hello:

    ...

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  • Zitat

    Original von tastenwolf
    wer hat bitte FI-DI als Verdi Sänger bezeichnet? ?( :no:


    musicophil


    X(
    im Interesse eines friedlichen Nebeneinander im Forum lasse ich das verbal unkommentiert...


    Hallo Tastenwolf,


    Da kommt noch ein letztes Teil. Und darin wird FiDi u.a. über "Verdi singen" zitiert.


    Ad Dein Zitat über ES und @ Edwin: ich versuche objektiv zu sein. Ich habe meine Meinung, Ihr habt Eure. Ich fand aber, daß ich Euch dieses Zitat nicht enthalten konnte. Und über dieses Thema wurde bereits ausführlich diskutiert.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von tastenwolf


    wer hat bitte FI-DI als Verdi Sänger bezeichnet? ?( :no:


    Na ja, er hat immerhin einige Einspielungen mit Verdi-Opern gemacht, von denen auch etliche massenweise unters Volk gebracht wurden...
    Daher muss man ihn schon in diesem Bereich kritisch beurteilen. Er ist ein Verdi-Sänger, da er Verdi singt :P ; aber mir ist ein typischer italienischer Bariton, der weniger lyrisch und kräftiger ist, lieber :D


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Sagitt meint:


    Fischer-Dieskaus Stärke war das lyrische Singen ( unübertroffen die leisen Leider aus der Dichterliebe, 1958 mit Demus). Wie bei allen lyrischen Stimmen fehlt ihnen dafür ein wenig die Stimmkraft. Dann müssen sie forcieren, der Stimmcharakter ändert sich, die Stimme ist nicht mehr schön. Man höre mal den Atlas von Fischer-Dieskau und von Quasthoff.
    Leider,ich schrieb es schon mal irgendwo hier, war Fischer-Dieskau nicht sehr selbstkritisch. Sonst hätte er Auftritte und Aufnahme unterlassen.

  • Hallo Sagitt,


    Könnte das (implizit) bedeuten, daß ein Sänger mit einer Stimme wie zB Quasthof nie das leise singen so beherschen kann wie zB Dieskau?


    LG, Paul

  • Sagitt meint:


    Interessante Frage, ich versuche mal eine Antwort und bitte mir die unscharfe Sprache nachzusehen,ich bin ja ein Dilettant. Fischer-Dieskau kann, wie andere sehr lyrische Sänger ( Blochwitz oder Protschka) den leisen Tönen eine besondere Färbung geben, sicher durch Beimischung von Oberstimme ( Hör ich ein Liedchen klingen aus der Dichterliebe). Wenn die Inhaber starker Stimmen leise singen, wird dies eher farblos, es ist eben ein vermindertes forte ( Quasthoff,Wunderlich,vergleiche mal das Lied Nr. 20 aus der Müllerin mit den genannten Sängern), dafür haben diese Sänger viel Stimmkraft. Ich kenne eigentlich keinen Sänger ( das gilt erst einmal nur für Männerstimmen) die beides perfekt beherrschen,lasse mich aber gerne belehren.

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  • Darf ich allen Fischer-Dieskau-Fans seine Einspielung von Othmar Schoecks Liederzyklus "Das stille Leuchten" empfehlen. Und dann wüßte ich gerne, was an dieser Aufnahme, die von einem gefeierten Liedersänger stamm, gut sein soll.
    - Er singt falsch, und zwar richtig falsch.
    - Er singt maniriert und verschleift die Töne.
    - Er singt jeden Halteton sforzato an, obwohl es nicht so notiert ist.
    - Jedes pianissimo wird zu einem von jedem Notentext freien Gesäusel, das wie eine Fischer-Dieskau-Parodie klingt.
    Ich weiß, der Mann hat große Verdienste, vor allem um die neue Musik, ich bin der Letzte, der das nicht anerkennt. Aber auch FiDi war kein unfehlbarer Heiliger, und jetzt Quasthoff gegen ihn auszuspielen, halte ich für unsinnig. Nicht, weil es Quasthoff schadet, sondern weil Quasthoff bis jetzt keine so jenseitigen Leistungen auf CD hingelegt hat, wie FiDi. Also: Was soll's?



    Hallo musicophil,

    Zitat

    Ad Dein Zitat über ES und @ Edwin: ich versuche objektiv zu sein. Ich habe meine Meinung, Ihr habt Eure. Ich fand aber, daß ich Euch dieses Zitat nicht enthalten konnte. Und über dieses Thema wurde bereits ausführlich diskutiert.


    Es ist mir unverständlich, warum Du, wenn Du über das Thema des geradezu widerlichen "Unterrichts" durch Schwarzkopf und FiDi nicht diskutieren willst, es erneut durch ein Zitat thematisierst.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Es ist mir unverständlich, warum Du, wenn Du über das Thema des geradezu widerlichen "Unterrichts" durch Schwarzkopf und FiDi nicht diskutieren willst, es erneut durch ein Zitat thematisierst.


    Hallo Edwin,


    Ich wollte, wie ich bereits schrieb, objektiv sein. Wenn man nur lobend über einen schreibt, obwohl bei Quellensuche sich zeigt, daß es Aussagen gibt, die vielleicht - gelinde gesagt - anfechtbar sind, soll man unbedingt auch darüber berichten. Aber ich hatte nie die Absicht eine neue Diskussion zu entfachen.
    Trenne, bitte, Botschaft vom Botschafter. Ich wollte den Vorwurf von Subjektivität vermeiden.


    Ich hoffe, Du kannst dies billigen.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Aber auch FiDi war kein unfehlbarer Heiliger, und jetzt Quasthoff gegen ihn auszuspielen, halte ich für unsinnig.


    Hallo Edwin,


    Erst jetzt bemerke ich diesen Satz. Das hast Du völlig falsch verstanden.
    Sagitt nahm zwei Aufnamen, um zu zeigen was FiDi und vergleichbare Stimmen nicht konnten. Und dann ist eine logische Frage meinerseits, ob das umgekehrt dann automatisch auch so ist.


    LG, Paul

  • musicophil:
    Vielen Dank für die interessante Präsentation, gut gemacht !


    sagitt:


    Zitat


    Original von Sagitt


    Man höre mal den Atlas von Fischer-Dieskau und von Quasthoff.


    Ich weiss nicht, an welche Aufnahme des "Schwanengesangs" Du hierbei gedacht hast. Mir liegt diejenige mit Alfred Brendel als Begleiter vor, die schon den etwas reiferen Fischer-Dieskau dokumentiert.
    In Ermangelung der Aufnahme Quasthoffs konnte ich in diese nur in Form von Internetkostproben hineinhören.
    Es ist zweifellos richtig, dass Quasthoff hier bei den Fortestellen unforcierter, "schöner" und mehr "auf Stimme" singt als Fischer-Dieskau.
    Andererseits höre ich bei den Quasthoff-Ausschnitten nicht so viele klangsprachliche Schattierungen wie bei Fischer-Dieskau heraus, obwohl Quasthoff das erste "unendlich" auch wunderbar wie eine grausame Ewigkeit klingen lässt ( damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Quasthoff ist für mich einer der Besten der Zeit nach Fischer-Dieskau, nur Robert Holl gefällt mir ähnlich gut, wenn man das vergleichen kann)


    Und könnte die Tatsache, dass Fischer-Dieskau sich viel näher an den Grenzbereich des "nicht mehr Schönen" und vielleicht schon "angestrengt Forcierten" heranwagte, nicht auch künstlerische Absicht gewesen sein?
    Mir würde es jedenfalls einleuchten, denn hier geht es ja um jemanden, der sich als unglückseligen Atlas sieht. Er muss das Unerträgliche, „ die ganze Welt der Schmerzen“ tragen.
    Dieses im Text zum Ausdruck gebrachte ächzende Leid wird in Fischer-Dieskaus Version m.E. am stärksten glaubhaft, weil er hier den Bereich des kultivierten Schönklangs bewusst verlässt und sich - genau wie der Atlas- schon so anhört, als wenn er dem Scheitern nahe wäre.
    Für mich ist das mehr als ein blosses Kaschieren von stimmlichen Ermüdungserscheinungen.
    Ich bezweifle, dass solche Annahmen bei ähnlicher Fällen immer zutreffen.


    Zum genannten "Atlas" ein konkretes Beispiel:
    Achten wir auf das zweite "unendliche Elend" beim Liedtext "...oder unendlich Elend".
    Fischer-Dieskau singt in meiner Aufnahme das zweite "Elend" mit einer Stimmfärbung und einer Aussprache, durch die jene ironische, zutiefst verbittere Selbstanklage des Dichters noch glaubhafter wird.
    Schubert ist für mich ein besonders grosser Meister, wenn es darum geht, das reale Grauen vor gähnenden seelischen Abgründen dem Musikhörer fühlbar zu vermitteln.
    Fischer-Dieskau überzeugt mich hier deswegen so sehr, weil er sich im Moment des Singens in die Rolle des Textdichters hineinlebt.
    So, wie er seinen Schubert singt, reisst er mich mit, lässt mich mitleiden oder sorgt zusammen mit Alfred Brendel dafür, dass ich z.B. beim "Doppelgänger" jedesmal eine furchtbare Gänsehaut bekomme.
    Durch eine solche Interpretation bekommen für mich die Lieder Schuberts eine zeitlose und starke Aussage, die mich als Gegenwartsmenschen berührt.
    Bei romantischen Liedern das interpretatorische Schwergewicht auf den stimmlichen Wohlklang bei textlicher Neutralität zu legen, würde mich zu sehr an die Beschaulichkeit des Biedermeiers erinnern und hätte mir deswegen in der Gegenwart des Jahres 2006 kaum noch etwas zu sagen.


    Vielleicht darf ich noch einen Aspekt zum Thema Indentifikation anführen:


    Als Kind dachte ich beim Anhören von Fischer-Dieskaus Aufnahmen immer, dass er tatsächlich derjenige ist, der z.B. "den Kreuzstab, den Kreuzstab gerne tragen" will.
    In der "Nähe des Geliebten" war er für mich derjenige, der an jemanden dachte, wenn "mit dumpfen Rauschen die Welle steigt".
    Im Duett mit Edith Mathis ( BWV 21) war er für mich derjenige, der einer verängstigten Seele zuruft: "ja, ich komme und erquicke" und dann später ihrer Verzweiflung entgegensetzte: ( diese/deine Seele)“... die soll leben!“
    Und bei der Winterreise war ich davon überzeugt, dass derjenige, den ich da singen hörte, selbst der Wanderer war.


    Nun, mit zunehmenden Alter wurde schliesslich auch mir klar, dass die Verhältnisse doch etwas anders sind...


    Jene einem guten Schauspieler nicht unähnliche Identifikation mit der Rolle vermag mich auch heute noch begeistern.
    Seine spezielle Art und Weise, dies mit musikalischen und deklamatorischen Mitteln umzusetzen, ist für mich immer noch vorbildhaft und glaubhaft.


    Dies als Manierismus abzutun, greift m.E. vor allem dann zu kurz, wenn es nur damit begründet wird, dass er der einzige gewesen sei, der bestimmte Dinge so und nicht anders gemacht habe.
    Interpretationskritik, die aus dem Werk heraus geübt wird, finde ich hingegen immer interessant.
    Grosse Interpreten zeichnen sich nun einmal auch durch ein deutliches und sehr authentisches Profil mit hohem Wiedererkennungswert aus.
    Natürlich kann das durchaus dazu führen, dass sie die Interpretationsgeschichte verändern.


    Neulich las ich in einer alten Rezension, dass jemand sein Examen nicht auf der "Glenn Gould-Hochschule für angewandtes Non-Legato" gemacht habe... :hahahaha:
    Es ist wie immer eine Frage des Standpunkts und des Geschmacks:
    Die einen sagen "Manierismus", und die anderen sagen "starkes persönliches Profil, durch das die Intentionen des Komponisten verdeutlicht werden".


    Ich neige bei Fischer-Dieskau zur zweiten Ansicht, ohne grundsätzlich abstreiten zu wollen, dass auch ein Künstler seines Ranges einige wenige Aufnahmen ggf. besser nicht gemacht hätte, wie möglicherweise das von Edwin genannte "Stille Leuchten" ,das ich leider nicht kenne.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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