Vieles von dem, was Giselher geschrieben hat, trifft auch auf mich zu: als junger Mensch hat mich Wagner sehr stark angesprochen - über das Werk kam ich zum dahinterstehenden Komponisten, beschäftigte mich mit dem Leben Richard Wagners und mit der Analyse seiner Opern.
Tolle Musik, tolle Stoffe - aber der Komponist? Keiner, mit dem ich gerne Kaffee getrunken hätte. Politisch fragwürdig, in seinem Antisemitismus widerlich.
Für mich prägend war sicher die Begegnung mit Hans-Peter Lehmann, der mir, dem 17-jährigen, Peter Wapnewskis "traurigen Gott" empfahl und mit mir u. a. über den "Parsifal" sprach. "Erlösung dem Erlöser" bedeute nichts anderes, als das Wagner den jüdischen Christus von seinem Jude-sein erlösen wolle. Eine Sicht, die sich mir tief eingegraben hat.
Wie beruhigend war Martin Gregor-Dellin, der Wagners Antisemitismus herunterredete. Konnte der Mann, der solche Musiktheaterwerke erschaffen hat, wirklich schlecht sein?
Und gab es nicht auch Pierre Boulez, der nicht nur Opernhäuser in die Luft sprengen wollte, sondern der Meinung war, dass die Linken sich den "Parsifal" nicht wegnehmen lassen dürften?
Wagner geniessen, aber Zelinsky richtig finden, da passte was nicht.
Eine lange Phase mochte ich mir keinen Wagner anhören - nach der glühenden Verehrung folgte eine grosse Distanz.
Losgelassen hat mich das nie. Langsam fing ich wieder an, mich mit Wagner beschäftigen: Weiners "Antisemitische Phantasien" fanden den Weg in meine kleine Büchersammlung zum Thema Wagner.
Gewiss, Wagner ist einer der grossen Komponisten, gerade auch, weil sein Werk so vieldeutig ist. Dass sich im Werk allerdings nichts von dem finden würde, was den Menschen RW so fragwürdig erscheinen lässt (Edwin argumentiert in diese Richtung)... allein, mir fehlt der Glaube.