Die wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts

  • Jetzt lasst es mal gut sein. Der Thread zielt auf die wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und nicht auf die spezifischen oder pauschal verurteilten Verständigungsschwierigkeiten von neuer Musik oder die Relevanz ihrer Hörerzahl, sei es in Darmstadt oder bundesweit.


    Offenbar liegen die Reizschwellen von Verächtern und Verteidigern der sogenannten Neuen Musik, die ja jetzt auch schon bis zu einem Jahrhundert alt sein kann, ähnlich niedrig wie bei den Gegnern und Anhängern "progressiver" Inszenierungen, und wer sich auch nur entfernt dem Verdacht aussetzt, dem "anderen" Lager zuzuneigen oder gar anzugehören, wird gleich mal prophylaktisch aggreddiert.


    Haben wir das wirklich nötig?


    :hello: J. R. II

  • Lieber Jacques,

    Zitat

    Offenbar liegen die Reizschwellen von Verächtern und Verteidigern der sogenannten Neuen Musik, die ja jetzt auch schon bis zu einem Jahrhundert alt sein kann, ähnlich niedrig


    Sie liegen nicht besonders niedrig. Schau Dir mal an, was die "Klassiker" aufführten, als ich es wagte, Brahms zu molestieren. Und dabei packte ich nicht annähernd das Vokabular aus, das Rappy verwendete...


    Das Ärgerliche ist, immer wieder mit den identischen, nachgewiesener Maßen völlig unhaltbaren Vorurteilen konfrontiert zu sein. Wenn Du zum 500. Mal einen Satz liest wie

    Zitat

    Zitat Rappy
    Ja natürlich, mir ging es ursprünglich auch nur um die Reihentechnik, der ich Popularität absprechen wollte.


    der sozusagen von J bis e ein Vorurteil transportiert, dabei aber deutlich macht, daß der Schreiber sich nicht ansatzweise mit Reihentechnik auseinandergesetzt hat (sonst wüßte er, daß es tonale Reihentechniken gibt), dann werden die Nerven allmählich dünner.


    Es geht nicht um eine normale Diskussion, sondern um das unbeirrte Festhalten an falschen Ansichten. À la: "Die Welt ist eine Scheibe." - "Nein, schau sie Dir aus dem Weltraum an, sie kommt eindeutig einer Kugel am nächsten." - "Ich weiß nicht, ich war noch nie im Weltraum, auf den Fotos könnte es auch eine Scheibe sein." - "Aber die Physik hat nachgewiesen, daß die Erde eine Kugel ist." - "Soll das heißen, daß sich die Physiker noch nie geirrt haben?" usw. usw.
    Ist das wirklich die Form von Diskussion, die wir anstreben?


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Ist das wirklich die Form von Diskussion, die wir anstreben?


    :hello:


    Eben. Deswegen sollte man sie auch lassen, wenn die Standpunkte klar sind, und dazu wurden sie doch oft genug variiert.


    Also zurück zu den wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Schließlich kann man (d. h. jeder) auch mal eine andere Meinung stehen lassen und nur die eigene mit Begründung (und ohne Kommentar zur subjektiv falschen) dagegen setzen.


    Ich jedenfalls habe das Vertrauen in die meisten hier, dass sie ihre eigenen Schlüsse ziehen können und sähe es höchst ungern, wenn man zunehmend den Schluss zieht, die Diskussion einfach nicht mehr weiter verfolgen zu wollen. Die (außer im Gebrauch des Sarkasmus) schwindende Beteiligung an diesem Thread legt die Befürchtung nahe, dass das hier gerade geschieht.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Noch ganz kurz:


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Das Ärgerliche ist, immer wieder mit den identischen, nachgewiesener Maßen völlig unhaltbaren Vorurteilen konfrontiert zu sein. Wenn Du zum 500. Mal einen Satz liest wie


    der sozusagen von J bis e ein Vorurteil transportiert, dabei aber deutlich macht, daß der Schreiber sich nicht ansatzweise mit Reihentechnik auseinandergesetzt hat (sonst wüßte er, daß es tonale Reihentechniken gibt), dann werden die Nerven allmählich dünner.


    Doch, vielleicht noch nicht genug (bin ja noch jung), aber vielleicht schon mehr als du denkst. Dass Komponisten tonal schreiben und Reihentechnik anwenden, habe ich sogar schon erwähnt (im Zusammenhang mit A. Berg z. B.), wo habe ich denn das Gegenteil behauptet?
    Wir sollten erst definieren, ab wann etwas "populär" ist, nach meinem Maßstab für Popularität ist streng serielle Musik nicht populär und ich sehe darin kein Vorurteil.
    Eigentlich habe ich gar nicht beabsichtigt "aggressives" Vokabular verwendet, und in ein Lager einordnen lassen wollte ich mich auch nicht (eher außenstehend beobachten), aber von Wulf habe ich mich dann etwas angegriffen gefühlt.
    Aber ich diskutier einfach nächstens nicht mehr mit, schon gut (bin ja eh noch zu jung und kenne mich zu wenig aus um ernstgenommen zu werden).


    Nun zurück zu den wichtigsten Komponisten...

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Gottfried von Einem :jubel:


    ist allein mit seinen Opern schon, für mich, ein wichtiger Komponist des 20. Jahrhunderts.


    Z.B. "Der Besuch der alten Dame" eine Oper die wegen allzu großen Singschauspieler - Mangels kaum aufgeführt wird.


    Man sollte Anja Silja dazu überreden.


    Habe es noch aus der WSO mit Christa Ludwig und Eberhard Waechter so gut in Erinnerung.


    (Außerdem bin ich mit Lotte Ingrisch heute noch befreundet).


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello: :hello:

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  • Einem ist, bei aller Wertschätzung, eher eine lokale Größe. Er hat zwei wirklich gute Opern geschrieben, nämlich "Dantons Tod" und "Der Pozeß". Die "Alte Dame" lebt meiner Meinung nach allzu sehr vom Libretto, hat auch ein paar Längen. Interessant wäre es, "Jesu Hochzeit" nocheinmal auszuprobieren, die sehr kompakte Oper (rund 90 Minuten Spieldauer bei zwei Akten) ist stärker, als man gemeinhin annimmt, Lotte Ingrischs Libretto ist obendrein sehr schön, über weite Strecken wirklich Dichtung.


    Man muß Einem auch ein anderes Kompliment machen: In einer Zeit, in der kaum noch herkömmliche Opern komponiert wurden (es war die "Antioper" en vogue), schrieb er ganz herkömmliche Opern mit Lust auf Effekt und sangbare Melodien.


    Dennoch fiele es mir schwer, Einem als einen der Top-Komponisten des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen. Das handwerkliche Können dazu hatte er, aber er befleißigte sich zunehmend einer altmeisterlichen Art, in der er Bruckner und Mahler mit Synkopen à la Blacher mischte und immer nostalgischer wurde. Wären es "50 Komponisten des 20. Jahrhunderts, die man kennen sollte", dann hätte Einem auch bei mir einen Fixplatz.


    Einen solchen hat er bei mir übrigens als Erzähler von Anekdoten. Ich kenne niemanden, der Pointen besser zu setzen wußte als er.


    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin Baumgartner,

    Zitat


    Die nicht serielle Reihenkomposition hingegen wird ebenfalls modifiziert: Bei Henze dient die Reihe als Reservoir für Motive und Harmoniefolgen, andere Komponisten wie Swiridow und Ustwolskaya entwickeln zwölftönige Felder


    Du bist ein Trottel! Du kennst den Swiridow nicht vom Walentin Silwestrow auseinander, den Du gemeint hast. Bedank' Dich bei Holger Sambale, der Dich auf Deinen Lapsus aufmerksam gemacht hat!
    Hiermit geschehen.
    Der Dank nämlich! :D
    :hello:

    ...

  • na, wie wär's mit einer neuen runde?
    wir waren doch bei der mission impossible mit 36 namen.
    ich mache einen ganz neuen versuch und gewichte vor allem das frühe 20. jahrhundert schwerer:


    mahler, strauss, reger, busoni
    janácek, scriabin
    debussy, ravel
    puccini, de falla
    sibelius, nielsen


    schönberg, berg, webern
    bartòk, strawinsky
    varèse, ives
    schostakowitsch, prokofieff
    hindemith, weill


    messiaen, zimmermann
    cage, ligeti, xenakis
    boulez, nono, stockhausen


    reich, kagel
    rihm, lachenmann, grisey


    ... mal sehen, wer mir jetzt warum eine überzieht.
    8)

  • Hoch vergeistigt intellektuellerweis' dieser Thread ... das werde ich in einigen stillen Stunden dann doch mal alles lesen müssen.


    Aber meinst Du wirklich, ohne Grisey, Xenakis, Busoni oder de Falla wäre die Musikgeschichte zusammengebrochen?


    Und wenn schon de Falla, dann wären Elgar, Walton, Vaughan Williams, Bax doch wohl eher unverzichtbar, nicht wahr?


    Die vier Briten wären vielleicht noch diskutabel, aber dass Britten auf der Liste fehlen soll, ist (mir) unvorstellbar.


    Bernd Alois, Udo, Walter, Heinz Werner oder welcher Zimmermann?


    Ich bin ja schon still, hab davon sowieso keine Ahnung und gehe in erster Linie danach, was mir da gefällt (gut, dazu gehört Strauss nicht gerade, aber ohne den geht so eine Liste vermutlich doch nicht). Von daher disqualifiziere ich mich mit diesem minderwertigen Vorgehen selbst. Aber auf der Grundlage Deiner sehr schön strukturierten Liste, die ich jetzt mal frecherweise Dein Einverständnis voraussetzend übernehme, sähe das dann für mich etwa so aus:


    mahler, strauss, reger
    Elgar, Walton, Vaughan Williams
    janácek, scriabin
    debussy, ravel
    puccini
    sibelius, nielsen


    schönberg, berg, webern
    bartòk, strawinsky
    Britten
    varèse, ives
    schostakowitsch, prokofieff
    hindemith, weill


    messiaen, b. a. zimmermann
    cage, ligeti
    boulez, nono, stockhausen


    reich, kagel
    rihm, lachenmann = 36


    So, jetzt ist der Thread auf dem Niveau, wo ich vielleicht gerade noch mit komme - und ich schweige fürderhin zu dem Thema stille.
    :hello:

  • So, jetzt ist der Thread auf dem Niveau, wo ich vielleicht gerade noch mit komme - und ich schweige fürderhin zu dem Thema stille.


    hallo ulrich,
    inwiefern ist denn das niveau jetzt anders?
    ja, mit dem britten muss ich noch wärmer werden, ist mir nach dem posten auch aufgefallen, dass das ohne briten kurios ist.
    :D
    aber ohne spanier ist's auch kurios.
    zimmermann ist natürlich bernd alois. und nielsen ist carl.
    mit walton hast du einen komponisten, den ich bislang bei weitem nicht so hoch geschätzt hätte. ich werde ihn aber sicher demnächst wieder mal hören, habe ohnehin gestern an ihn gedacht.
    ;)
    übrigens sind die intellektuellen kämpfer ohnehin alle ausgewandert - ob es aber darum nun gemütlicher wird, ist fraglich, schließlich erregen komponisten wie cage oder stockhausen ja mitunter aggressionen. außerdem nehme ich an, dass viele das ansinnen des threads für ziemlichen quatsch halten. also durchaus konfliktpotenzial auch ohne besserwisserei.

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  • Die Niveau-Bemerkung zielte eigentlich weniger auf den Thread, als auf meine eigene eher Musikwahrnehmung, die letztlich doch eher intuitiv als intellektuell funktioniert ...


    ... aber auch darauf, dass das Einstellen von vier Briten zwar die Reaktion auf die zuvor bestehende britenfreie Zone war, aber doch auch ein Schnellschuss. Zu Recht weist Du ja darauf hin, dass de Falla repräsentativ für die Spanier stehen sollte. Genauso fehlt aber auch Polen (nicht unbedingt Gorecki, aber vielleicht doch Szymanowski). Ob der französische Beitrag mit "nur" Boulez, Varese und Messiaen angemessen gewichtet ist, mag gefragt werden. Den baltischen Beitrag, z. B. Tüür, finde ich nicht unbedeutend. Die nordische Musikgeschichte hat nicht bei Sibelius und Nielsen Halt gemacht, vielleicht wäre hier an Salonen zu denken.


    Es fehlt mir auch eine Integrationsfigur für die Schnittstelle zur populären Musik, wie wäre es hier mit Bernstein.


    Insgesamt erstaunt mich etwas, wie sehr meine Überlegungen von den nationalen Zuordnungen ausgehen. Bei den Briten finde ich das absolut zutreffend, bei den Spaniern vom volkstypischen Charakter dieser Musiken her ebenso folgerichtig. Aber sonst könnte der Ansatz schon fragwürdig sein.


    So oder so - die Beschränkung auf 36 dürfte eine Totgeburt sein ... :S


    für ziemlichen quatsch halten


    ?(

  • ja, mit dem britten muss ich noch wärmer werden, ist mir nach dem posten auch aufgefallen, dass das ohne briten kurios ist.


    Ob andererseits just das War Requiem geeignet ist, einen Meister des kurzen Stücks in britophile Britten-Euphorie zu katapultieren, mag als immerhin offene Frage empfunden werden ...

  • Also Namen schreibt man eigentlich selbst in Kleinschreibesprachen groß...
    Diese Art Listen hat sich ja schon lange als problematisch erwiesen. Zuletzt zeigt sich wieder einmal, was der KSM wohl schon vor Jahren mal in einem ähnlichen thread meinte, dass es eher noch schwieriger wird, wenn man 20 oder 30 nennt, anstatt 10. Elgar ist nun ein Komponist, den ich (von seiner eher lokalen Bedeutung und Beliebtheit abgesehen), ungeachtet seiner Lebenszeit so fest im 19. Jhd. "gespeichert" habe, dass ich auf den hier gar nicht gekommen wäre.
    Eine Nationenquote finde ich auch problematisch. Rachmaninoff hat länger im 20. Jhd. gewirkt, ist wohl auch nicht schlechter (dabei sehr viel populärer) als Elgar, aber weil Russland schon gut vertreten ist, soll der draußen bleiben?
    Sind die Amerikaner nach Ives schon vertreten: Copland, Carter usw.? Lateinamerikaner: Revueltas, Ginastera (Australier gibt es auch, aber da kenne ich keinen), Armenier: Khatchachurjan, Fernost: Yun, Takemitsu
    Soweit ich die Musik kenne, fallen mir auf dem Niveau von Elgar, Walton etc. (oder eher darüber) noch ein dutzend oder mehr Komponisten ein: Pfitzner, Zemlinsky, Roussel, Poulenc, Dutilleux, Honegger, Martin, Martinu, Kodaly, Enescu, Krenek, Schulhoff, K.A. Hartmann (ist Weill wirklich so viel wichtiger als diese letzten drei?) u.v.a.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Naja, Rachmaninov hatte ich eher draußen gelassen, weil ich ihn nicht so richtig wichtig finde. Chatchaturian auch nicht wirklich.


    Ohne Elgar wäre die Last Night of the Proms überhaupt nicht denkbar, daraus ergibt sich ja schon seine Bedeutung. Nicht wahr? 8) Elgar ist aber ein gutes Beispiel für zweierlei:


    Erstens: Obwohl er die absolute Mehrzahl seiner bedeutenden Werke nach 1899 geschrieben hat, z. B. Sinfonien 1908/1911/1933, Violinkonzert 1910, Cellokonzert 1919, Dream of Gerontius 1900, sowie zwischen 1901 und 1907 Pomp and Circumstance Marches (Scherz), ist seine Tonsprache bis zuletzt - darauf weist Du völlig zu Recht hin - der Spätromantik verpflichtet. Und sie ist - so empfinde ich es - ohne den in die Zukunft vorausweisenden Entwicklungsanteil geblieben, der uns Komponisten wie Mahler, Bax und andere einigermaßen bruchlos dem 20. Jahrhundert zuordnen lässt.


    Zweitens: Die geografische (oder politische) Länderzuordnung ist hilfreich, um diejenigen Komponisten aus dem Gedächtnis abzurufen, die bei der Überlegung zu den wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts überhaupt in den Auswahlkreis einzubeziehen sein könnten - tödlich ist sie für die danach zu treffende Auswahl derjenigen, die dann tatsächlich diese wichtigsten Komponisten repräsentieren sollen. Deine Liste zeigt schon, zu welcher Schwemme dies führt.


    Und ja, tatsächlich, K. A. Hartmann, Zemlinsky, Poulenc, Dutilleux, Martinu, Martin, Kodaly - und so mancher anderer, sie sollten jedenfalls vor Weill in diesen engeren Kreis einbezogen sein.


    Warum macht es uns das 20. Jahrhundert so schwer mit der Auswahl, sehr viel schwerer, wie ich meine, als die vorhergegangene Zeit. Ich empfinde für die Zeit seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine ganz unglaubliche Vielfalt in der Spreizungsbreite, die uns die Musik seitdem zur Verfügung stellt. Das liegt nicht nur daran, dass sich Parallelwelten mit der populären Musik seit Beginn des Jazz manifestiert und einen regen Austausch zwischen den verschiedenen musikalischen Ebenen begründet haben. Die Spannbreite der Ausdrucksmittel ist seit dieser Zeit so ausgeufert, wir sind wirklich kulturell reich geworden, was dass angeht.


    Mir scheint, dass die individuelle Ausdruckswelt so vieler Komponisten sich in einer Weise entfaltet, als wirklich individuelle bedeutende Musiksprache sich zu Wort gemeldet hat, dass die Vernachlässigung auch nur einzelner dieser Komponisten nicht gerechtfertigt erscheint. Nach Mahler hat es möglicherweise nicht mehr die Titanen da ganz hoch droben gegeben (Bach, Beethoven, Brahms), die das Meer der Kleinmeister, die man notfalls auch mit einem Federstrich vernachlässigen konnte, so turmhoch überschatteten. Statt dessen gibt es eine erhebliche Menge von musiksprachlichen Individualisten, die ihre Kunst mit hoher Qualität und Vielfalt betreiben.


    Die Stockhausens und Nonos dieser Welt waren in ihrer Radikalität mit zunehmendem Zeitabstand vielleicht nur noch eine Fussnote der Musikgeschichte, um die herum so unendlich viel passierte. Möglicherweise ist die Frage nach den "bedeutendsten" Komponisten deshalb sogar dem Grunde nach fehl platziert.

  • Naja, Rachmaninov hatte ich eher draußen gelassen, weil ich ihn nicht so richtig wichtig finde. Chatchaturian auch nicht wirklich.

    Ich hätte sie auch draußen gelassen. Letzteren nannte ich, um einen Armenier für die Nationenwertung zu haben. ;) Von Walton kenne ich praktisch nichts. Aber mir ist eben nicht klar, warum Elgar wichtiger als Rachmaninoff sein sollte. Keiner ist besonders progressiv, aber Rachmaninoff ist um ein Vielfaches populärer, falls man das, was ja weiter oben im thread auch mal angeklungen war, für nicht ganz unwichtig hält.



    Zitat

    Zweitens: Die geografische (oder politische) Länderzuordnung ist hilfreich, um diejenigen Komponisten aus dem Gedächtnis abzurufen, die bei der Überlegung zu den wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts überhaupt in den Auswahlkreis einzubeziehen sein könnten - tödlich ist sie für die danach zu treffende Auswahl derjenigen, die dann tatsächlich diese wichtigsten Komponisten repräsentieren sollen. Deine Liste zeigt schon, zu welcher Schwemme dies führt.

    Ich befürchte eben, dass man dann zu einer Art falschen Rücksichtnahme kommen kann. Es ist eben nicht ausgemacht, ob England, Armenien, die Schweiz oder Argentinien überhaupt in den wichtigsten 20 oder 30 vertreten sein müssen.



    Zitat

    Und ja, tatsächlich, K. A. Hartmann, Zemlinsky, Poulenc, Dutilleux, Martinu, Martin, Kodaly - und so mancher anderer, sie sollten jedenfalls vor Weill in diesen engeren Kreis einbezogen sein.

    Das war von mir durchaus als offene Frage gemeint. Ich sehe keineswegs klar, dass die alle wichtiger sein sollten als Weill, aber eben auch der nicht klar wichtiger als diese. Weill ist immerhin einer der ganz wenigen Komponisten, für den der von Dir unten angesprochene Austausch mit populärer Musik von Bedeutung ist.



    Zitat

    Warum macht es uns das 20. Jahrhundert so schwer mit der Auswahl, sehr viel schwerer, wie ich meine, als die vorhergegangene Zeit. Ich empfinde für die Zeit seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine ganz unglaubliche Vielfalt in der Spreizungsbreite, die uns die Musik seitdem zur Verfügung stellt. Das liegt nicht nur daran, dass sich Parallelwelten mit der populären Musik seit Beginn des Jazz manifestiert und einen regen Austausch zwischen den verschiedenen musikalischen Ebenen begründet haben. Die Spannbreite der Ausdrucksmittel ist seit dieser Zeit so ausgeufert, wir sind wirklich kulturell reich geworden, was das angeht.

    Die extreme Vielfalt ist sicher richtig. Allerdings gibt es die teilweise auch schon vorher. Wie neulich in dem Klassik/Romantik-thread angesprochen, im 19. Jhd.: Rossini, Schumann, Berlioz, Chopin sind auch sehr unterschiedlich. Dennoch sind sie sozusagen als repräsentativ für unterschiedliche Stile ausgezeichnet und es ist sehr deutlich, dass Chopin in einer anderen Liga spielt als Field, Hummel, Moscheles Kalkbrenner usw.



    Zitat

    Nach Mahler hat es möglicherweise nicht mehr die Titanen da ganz hoch droben gegeben (Bach, Beethoven, Brahms), die das Meer der Kleinmeister, die man notfalls auch mit einem Federstrich vernachlässigen konnte, so turmhoch überschatteten. Statt dessen gibt es eine erhebliche Menge von musiksprachlichen Individualisten, die ihre Kunst mit hoher Qualität und Vielfalt betreiben.

    Teilweise ist das ein perspektivischer Effekt. Zu ihrer jeweiligen Lebenszeit überragten die Genannten auch nicht für alle Rezipienten den Rest turmhoch. Und ähnlich kann man m.E. schon jetzt sagen, dass (um Generationsgenossen zu nennen), Debussy oder Mahler Elgar ähnlich hoch überragen. Oder dass Bartok erheblich bedeutender als sein Freund Kodaly ist.


    Mal abgesehen vom Threadtitel: Mahler als letzter "Titan" scheint mir eher eine Außenseiteransicht zu sein. Mich mag die Erinnerung täuschen oder das mag ein Artefakt typischer "Einführungen" ("Die Großen Komponisten") oder des Schulunterrichts sein. Aber als ich mit 14-15 klassische Musik kennenlernte, war Mahler (auch Bruckner) eher randständig. Die wurden irgendwie übersprungen. Dann eher noch Strauss' Eulenspiegel oder so etwas. Oder gleich von Wagner, Brahms, Dvorak, Tschaikowsky zu Debussy, Ravel, Strawinskij oder Bartok.


    viele Grüße


    JR

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  • Die Stockhausens und Nonos dieser Welt waren in ihrer Radikalität mit zunehmendem Zeitabstand vielleicht nur noch eine Fussnote der Musikgeschichte, um die herum so unendlich viel passierte. Möglicherweise ist die Frage nach den "bedeutendsten" Komponisten deshalb sogar dem Grunde nach fehl platziert.


    Öh - abgesehen davon, dass ich eher Bax für eine Fußnote halte als Nono oder Stockhausen - selbst wenn die Divergenz recht stark ist, heißt das ja nicht, dass alles, was da auseinanderdivergiert, gleich bedeutend ist. Und zum anderen habe ich nicht den Eindruck, dass nach 1990 so viel "ganz neue" Strömungen oder so ganz besonders unerhörte Stile entwickelt worden wären. Besonders zentrale Entwicklungen nach 1970 wären der Spektralismus (ja, Grisey gehört in eine 36er-Auswahl) und manch neue Zugangsweise zur Tradition, wobei mir die deutsche Variante, durch Rihm vertreten, die wichtigste scheint, aber ich muss zugeben, dass Tüür und Vasks mir gänzlich unbekannt sind - man kann ja nicht alles kennen, aber Vasks steht zumindest auf meiner unendlichen Wunschliste.


    Dass Weill den (von Dir eingeforderten) Brückenschlag zur "U-Musik" vertritt, hat ja schon Johannes geschrieben. Bezüglich Gershwin und Bernstein bin ich leider ziemlich unterbelichtet.


    Hartmann ist ja zweifellos ein bedeutender Komponist, der käme bei mir bei einer Verdopplung der Liste garantiert. Das Problem, dass immer einige weitere Komponisten auch in Frage kämen, hat man ja bei jeder beliebigen Menge an auszuwählenden Meistern. Ich kann jetzt auch 50 weitere Namen aufschreiben, die mir auch besonders am Herzen lägen. Allerdings hätten wir da wohl mehr Dissenz als bei den 36, da ich dann einige nennen würde, die im Musikleben kaum vorkommen, aber Pioniere der Moderne waren: Alois Hàba, Josef Matthias Hauer, Henry Cowell. Selbst diesen gegenüber erscheinen mir Bax und Walton vernachlässigenswert, obwohl die natürlich auch hervorragende Komponisten waren. (Und da sehe ich keinen Unterschied zu früheren Jahrhunderten, auch dort gibt es jeweils eine sehr große Fülle von hervorragenden Meistern.)


    Jedenfalls hat mir das Aufwärmen der Diskussion nun endlich den Anstoß gegeben, Britten wirklich schätzen zu lernen, hat sich also gelohnt.


  • Ich würde nun also Nielsen durch Britten ersetzen.
    8)

  • Also ich orientiere mich jetzt mal „wörtlich“ am Titel des Threads: Die „wichtigsten“ Komponisten des 20. Jh., und bemühe mich dabei, die wichtigsten und die „liebsten“ auseinander zu halten. Als ausgesprochener Gern-Hörer dieses Repertoires fällt mir das allerdings ziemlich schwer. Ich habe die früheren Beiträge zum Thema überflogen; es ist unmöglich, in der Kürze der Zeit alle Beiträge genau zu lesen, weshalb ich mich für eventuelle Dopplungen vorab entschuldige.

    Für mich ganz klar der bedeutendste Komponist des 20. Jh. ist ohne wenn und aber Arnold Schönberg. Mit seiner von ihm entwickelten Dodekaphonie (ob ihm oder J. M. Hauer die Ehre des „Erfinders“ gebührt, sei dahingestellt) setzte er die entscheidenden Impulse für die Musik des 20. Jh. sowohl für seine kompromisslosen Anhänger wie auch seiner radikalsten Gegner. Und dass sich selbst Strawinsky, den Schönberg in seinen „Satiren für Gemischten Chor“ noch als „Kleinen Modernsky“ verhöhnt hatte, in seinen späten Jahren der Reihentechnik (nicht ganz entsprechend der 12-Ton-Technik!) zuwandte, spricht ja wohl Bände. Ohne Schönberg ist Anton Webern nicht denkbar, der wiederum der Ausgangspunkt für Messiaen und die von seinem Klavierstück „Mode de valeurs…“ ausgehenden Entwicklung der Seriellen Musik werden sollte (Zitat Strawinsky: Weberns Musik ist sehr schön…). Dass die Serielle Musik in einer Sackgasse enden musste, erkannte am klarsten einer ihrer vormals eifrigsten Verfechter, nämlich Pierre Boulèz, der heute einer wichtigsten Dirigenten der aus damaliger Sicht „reaktionären“ Werken von Strawinsky, Bartok u.a. ist (Zitat: „Schönberg ist tot“). Dennoch hat die 12-Ton-Technik als solche bis zum heutigen Tag nicht ausgedient!

    Als bedeutendsten Vertreter der „Gegenrichtung“ des Serialismus sehe ich John Cage, weniger aufgrund seiner „Kompositionen“, als seiner theoretischen Überlegungen dazu. Sie haben die nachfolgenden Komponisten-Generationen mindestens in gleichem Maße beeinflusst wie die Serialisten in der (indirekten) Nachfolge Schönbergs. Ohne das Vordenken von Cage wären wesentliche Musikrichtungen, wie z.B. die „Minimal-Music“ eines Steve Reich oder Phil Glass, der „Tintinnabula-Stil“ eines Arvo Pärt, oder auch die „Aktions-Kunst“ eines Mauricio Kagel nicht denkbar.

    Ungeachtet der Bedeutung von Komponisten für die Musikgeschichte ganz allgemein bin ich aber auch der Meinung, dass man das „nationale“ Element dabei nicht ganz außer Acht lassen kann und darf, u.z. speziell bezogen auf die politische Situation in ihrem jeweiligen Umfeld. Beispielsweise mag Malipiero für die Musikgeschichte ganz allgemein weniger bedeutsam sein; für die italienischen Komponisten ist er es schon aufgrund seiner wesentlichen Tätigkeitszeit während der Mussolini-Ära allemal. Man denke auch an Schostakowitsch, der während der Stalin-Diktatur seine wesentlichen Werke für die Schublade schrieb, und es ist die Frage, ob sich der Hype, der um ihn in den letzten Jahren gemacht wird, nicht auch der „sensationellen“ politischen Entwicklung in der ehemaligen Sowjetunion verdankt (womit nichts gegen die kompositorische Qualität seiner Werke gesagt ist!). Und schließlich: Jede Nation ist doch stolz darauf, einen bedeutenden Komponisten dieser Zeit als Landsmann (oder –frau) benennen zu können: Ungarn – Kodaly/Bartok ; Tschechien – Kurtag; Frankreich – Messiaen/Boulèz; Polen – Penderecki/Szymanowsky; Baltikum – Pärt; England – Britten; USA – Gershwin usw. usw.


    Ich behaupte also mal - und provoziere dabei möglicher Weise - , dass Komponisten wie Bartok, Britten, Sibelius, Malipiero, Casella, Villa-Lobos, aber auch Hindemith, Orff, Egk, Fortner u.v.m. in ihrem unmittelbaren kulturellen und historischen Kontext zwar von Wichtigkeit sind, aber für die Musikgeschichte allgemein eine weitaus geringere Bedeutung besitzen als z.B. Schönberg, Webern, Messiaen, Boulez, Stockhausen, Nono, Berio, Kagel oder Ives und Cage oder Ligeti, Penderecki und Szymanowsky oder Prokofiew und Schostakowitsch. Aber um nochmals Missverständnissen vorzubeugen, sei hinzugefügt, dass die kompositorische Qualität der Werke der erstgenannten Komponisten natürlich außer Frage steht. So zählen beispielsweise Britten und Bartok zu meinen absoluten Lieblings-Komponisten des 20.Jh.
    Viele Grüße aus dem schönen Odenwald,
    harry

  • Tschechien – Kurtag


    Kurtág gehört mE auch nach Ungarn.
    Ansonsten freue ich mich, dass in Deiner Aufzählung unten fast nur Namen vorkommen, die ich auch gelistet hatte - außer:
    Penderecki und Szymanowsky
    Merkwürdig, ich hätte von den Polen am ehesten Lutoslawski gezogen.
    :hello:

  • Zitat

    Harry Bartok, Britten, Sibelius, Malipiero, Casella, Villa-Lobos, aber auch Hindemith, Orff, Egk, Fortner u.v.m. in ihrem unmittelbaren kulturellen und historischen Kontext zwar von Wichtigkeit sind, aber für die Musikgeschichte allgemein eine weitaus geringere Bedeutung besitzen als z.B. Schönberg, Webern, Messiaen, Boulez, Stockhausen, Nono, Berio, Kagel oder Ives und Cage oder Ligeti, Penderecki und Szymanowsky oder Prokofiew und Schostakowitsch.


    Nono, Berio, Kagel und Cage wage ich nicht zu beurteilen. Aber von den Komponisten aus der ersten Hälfte des 20. Jhds. hat Bartok ganz sicher eine musikhistorische Bedeutung, die eher mit Berg zu vergleichen ist als mit Schostakowitsch, Prokofieff oder gar Villa-Lobos.
    Meiner Erinnerung nach hat selbst ein Partisan wie Adorno Bartok schon akzeptiert als Stravinsky noch "Feind" gewesen ist. Und Dirigenten wie Boulez, die anscheinend zB Schostakowitsch wegen mangelnder Modernität (?) ignorieren, haben sehr viel Bartok gemacht.


    viele Grüße


    JR

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  • Ja, allerdings fehlt Berg ja auch in Harrys Liste.


    Ich denke, bei der zweiten Gruppe aus meiner Aufstellung kommen wir halbwegs zu einem Konsens:


    schönberg, berg, webern
    bartòk, strawinsky

    varèse, ives
    schostakowitsch, prokofieff
    hindemith, weill
    britten


    Ich würde dann eher noch Varèse fett machen, die meisten anderen hier eher Schostakowitsch, nehme ich an.


    Welches wäre das nächste Dutzend?
    Wenn wir Zemlinsky, Schreker, Rosslawetz, Kodaly, Szymanowski und Schoeck noch in die Scriabin-Gruppe geben, wären meine Vorschläge:



    milhaud, honegger, poulenc
    malipiero
    hauer, hàba
    ruggles, cowell, antheil
    eisler, krenek, dallapiccola, hartmann



    wobei mir klar ist, dass ich womöglich der einzige hier bin, der Hauer, Hàba, Ruggles, Cowell und Antheil kennt.
    ;(
    Ihr hättet sicher lieber Villa-Lobos, Martinů, Schulhoff, Orff, Gershwin, Copland und Pettersson, stimmt's?
    :huh:

  • Bist Du bei Deiner Liste inzwischen bei 128 angelangt?

    wobei mir klar ist, dass ich womöglich der einzige hier bin, der Hauer, Hàba, Ruggles, Cowell und Antheil kennt.

    Ihr hättet sicher lieber Villa-Lobos, Martinů, Schulhoff, Orff, Gershwin, Copland und Pettersson, stimmt's?


    ja ja ja ja nö
    nö nö nö nö nö nö nö


    Es ist ja nicht wirklich zielführend, wenn jeder, der mal ein Klecks aufs Papier gebracht hat, gleich wichtigster Komponist sein soll. Natürlich hat Martinu schöne Musik gemacht. Natürlich hat Antheil den wilden Mann raushängen lassen. Verhilft ihnen das gleich zu überproportionaler Bedeutung?


    Ich sehe ja ein, dass ich mit Elgar, Walton und Bax nicht durchdringe, obwohl die Last Night of the Proms ohne Land of Hope and Glory undenkbar ist. Aber warum habe ich dabei denn so ein schlechtes Gewissen? Weil ich das ungute Gefühl kaum wegdrücken kann, dass alles, was einen gewissen (spät-, post-, noch)romantischen Zug nicht verleugnet, im zwanzigsten Jahrhundert seine Lebensberechtigung ausdrücklich begründen muss.


    Was die in Deiner bisherigen dritten Gruppe dritte Zeile Zusammengefassten in ihrer Radikalität geleistet haben, duldet letzten Endes guten Gewissens kaum etwas neben sich. Oder?

  • Ach, wieso, bei einer 64er oder spätestens 128er-Liste wären doch Elgar, Delius und Vaughan-Williams auch im Boot.
    Und den Begründungszwang gibt es ja wohl immer, wenn irgendjemand besonders bedeutend sein soll.
    Bei unserer europäischen Fortschritts- oder Entwicklungs-Orientiertheit kommt dann eben ein besonders großes Gewicht bei Schönberg heraus. Ob das im Rückblick ein paar Jahrhunderte später auch noch so aussehen wird, können wir nicht beurteilen.
    (Elgar tritt ja eher gegen Brahms und Mahler an als gegen Schönberg.)
    Das mit der Radikalität von Boulez, Nono und Stockhausen relativiert sich ja schon, wenn man das Spätwerk von Boulez und Stockhausen anschaut, und die Zeiten, wo man Schostakowitsch für einen total minderwertigen Komponisten neben Nono ansah, sind ja auch vorbei. Aber dann gleich den Serialismus als unwichtige Sackgasse anzusehen (wie es wohl der "The-Rest-Is-Noise"-Autor Ross macht), schießt mE noch weiter übers Ziel hinaus. Es mag aber sein, dass meine Sicht der Dinge noch zu sehr in der glorreichen Zeit des Wiederaufbaus verhaftet ist und ich das Gewicht der Traditionsverweigerer überschätze (also doch Xenakis raus? ... och ...)


    Wir können uns fragen, wie das nun mit der Beurteilung von Reich und Glass resp. von Pärt und Gorecki ist. Dabei ist weniger die Frage interessant, ob das eine "Alternative" zu Cage und Stockhausen ist, als, was unsere Erfahrungen mit Cage und Stockhausen für Erwartungen an Reich, Glass und Pärt, Gorecki erzeugen. Wenn wir auf dem Standpunkt stehen, dass Cage und Stockhausen zu den bedeutendsten Komponisten gehören, wird uns faszinieren, was an den anderen konsequent, streng und konzeptionell ist. Somit werden Reich und Pärt bessere Chancen haben als Glass und Gorecki (ich beziehe mich besonders auf Reichs Werke zwischen 1965 und 1970, Pärts frühe Tintinnabuli-Werke und bei Glass und Gorecki auf die Werke der 70er oder 80er Jahre). Wenn man ältere Musik analysiert, wird man allerdings ähnliche Qualitäten meisterhaft finden, und ein "Aneinanderreihen von hübschen Einfällen" weniger goutieren. So circa funktioniert wohl die relative Abwertung von Glass und Gorecki, die ich nachvollziehen kann und die mir doch auch noch aktuell zu sein scheint - allerdings erkenne ich schon den jeweiligen Reiz und habe mich auch schon in Gorecki eingehört.
    ;)


    Zu den frühen Cluster-Komponisten: Bei Antheil erscheint mir weniger die Wildheit wichtig als die Meisterschaft, mit dem neuen Material zu gestalten, es nicht als Effekt einzusetzen sondern die Stücke aus dem anti-traditionellen Stoff zu entwickeln. Cowell, der vorangeht (und auch auf Bartok wirkte) bleibt in der kleinen Form verhaftet. Wie man da nun gewichten mag, ist mir unklar. Ebenso, ob nicht Komponisten wie Copland oder Gershwin durch ihre stilbildende Bedeutung nicht größeres Gewicht haben sollten (Copland wird im "The-Rest-Is-Noise"-Buch meines Wissens sehr gewürdigt).
    :hello:


  • Sun treader von Ruggles habe ich seit langem auf CD und auch schon mal gehört, aber nicht präsent. Von Hauer habe ich eine CD bei jpc bestellt, die ist aber noch nicht da. Von den anderen habe ich noch nie Musik gehört. Dito Malipiero. Bei Krenek und Eisler (außer Arbeiterlieder) bin ich mir nicht sicher (von denen habe ich immerhin mindestens je eine CD). Villa-Lobos kenne ich auch kaum, glaube aber nicht, dass der unbedingt rein muss. Was ich von Schulhoff gehört habe, fand ich größtenteils sehr beeindruckend. Von Orff kenne ich nur Carmina Burana, nicht die lt. Edwin besseren Werke. Hat mich allerdings auch nie gedrängt, das zu ändern. Von Copland kenne ich anscheinend auch die falschen Stücke, das finde ich ganz nette, aber doch recht flache, auf populär gemachte Musik. Zwei Petterson-CDs habe ich mal gekauft, als der überall im Netz so gehypt wurde, ich habe sie vermutlich nicht mehr als einmal angehört. War mir zu lang ;)
    Die aus meiner Sicht "harmloseren" Sachen des Neoklassizimus wie Poulenc finde ich auch nicht wirklich essentiell, bei Martinu kenne ich vermutlich noch zu wenig. Roussel gefällt mir besser, aber der gehört ja noch in die Skrjabin, Zemlinsky Generation.


    Ich habe u.a. deshalb auch keine Liste aufgestellt, weil ich, von ein paar zentralen Klassikern bis in die 1940er Jahre abgesehen, hier nicht wirklich einen Überblick und oft keine starke Meinung habe.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ja, früher war hier im Forum mehr los zur Moderne :)


    Mit dreißig Komponisten bin ich momentan überfordert. Ich fange einfach mal an. Bedeutend ist in einem möglicherweise objektivierbaren Sinne für mich ein Komponist, wenn er erheblichen Einfluss auf andere hatte. Was das Publikum so denkt, interessiert in diesem Zusammenhang wenig, sonst kämen Webber und Williams heraus und als bedeuntendstes Werk das Star Wars Thema.


    Um eine solche Liste mit Anspruch zu erstellen fehlt mir leider die Kompetenz, so dass ich meine Hörerfahrung und Bewertung und meine Vorstellung von musikalischem Einfluss zugrundelegen muss.


    Da fällt mir als erstes die zweite Wiener Schule ein


    Schoenberg

    Webern

    Berg


    wobei für mich persönlich tatsächlich Webern musikalisch noch einmal herausragt. Sein Einfluss war dann auch erst nach dem zweiten Weltkrieg unübersehbar.


    Dann die antipodischen Exoten


    Scelsi

    Xenakis


    Völlig verschiedene Kompositionsideen und beides kann mich in einen Sog ziehen. Scelsi scheint ziemlichen Einfluss auf die Bewegung der Spektralisten genommen zu haben. Im Detail bin ich überfragt.


    Unter den Serialisten


    Stockhausen

    Boulez

    Barraqué


    wobei ich tatsächlich mehr Zugang zum früheren Stockhausen habe. Ich habe allerdings so machen Wochentag mit Licht verbracht :)


    Für mich steht Stefan Wolpe in der ersten Reihe. Die Geschichte hat ihn fast unsichtbar gemacht, trotzdem sind seine Kompositionen in Amerika von einigem Einfluss gewesen.


    Wolpe


    dann ein paar Amerikaner


    Cage

    Feldman

    Carter


    Nancarrow


    völlig verschiedene Komponisten, die bis auf Nancarrow in regem Austausch mit Wolpe standen.


    Jetzt die großen Ungarn


    Bartók

    Ligeti


    die beiden sind in Stein ans Firmament gemeißelt. Dazu muss man nichts mehr sagen :)


    Bei den deutschen Komponisten


    Hindemith

    Hartmann

    Zimmermann

    Rihm


    wobei ich mit dem späten Hindemith schlechter als mit dem frühen kann. Hartmann steht für das innere Exil. Wieviel Einfluss seine Musik hatte, kann ich nicht beurteilen.


    Bei den Russen


    Schostakowitsch (vor allem wegen seiner Streichquartette)

    Weinberg (vor allem wegen seiner Streichquartette :)) und ja, je mehr man hört, fällt es leicht ihn von Schostakowitsch zu unterscheiden.

    Medtner (ich schließe mich hier dem Urteil Rachmaninoff an, was für Klaviermusik!)

    Ustvolskaja


    Bei den Franzosen


    Messiaen

    Dutilleux


    Mit der Zeit kommen in die Liste noch


    Krenek

    Skalkottas

    Maderna



    Nu sind es jetzt doch nicht so wenige


    28, wenn ich richtig gezählt habe. Damit hätte ich gar nicht gerechnet :)


    Die Auswahl hängt natürlich notgedrungen mit den eigenen Vorlieben zusammen. Ach, was waren das noch Zeiten als der Kollege Edwin Baumgartner hier noch herumgestritten hat :hello:!

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