Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Zitat

    Original von musicophil


    Dann hast Du übersehen, daß für mich die historische Perspektive ein sehr wichtiges Bestandteil für eine Operausführung ist.


    Und ist der Bezug zur Gegenwart in der ein Werk zur Aufführung kommt kein wichtiger Bestandteil?

  • Zitat

    Original von Der-wonnige-Laller


    Und wann schadet man der Musik mehr? Wenn ich die Gesangslinien durch eine Übersetzung entwerte oder wenn die Handlung um Zeit und Lokation geändert wird. Nach meiner Meinung deutlich im letzten Fall.


    Hier stimme ich mit Dem-Wonnigen-Laller überein, daß eine Übersetzung, weil bei einer Übersetzung sich ja auch das Klangbild mit verändert. Nehmen wir ein Beispiel:


    Amore -> Liebe


    Erstens wird hier aus 3 Silben eine Verkürzung auf zwei Silben vorgenommen, und dann ändert sich noch das "A" am Anfang zu einen "I". Das klingt anders, und paßt dann meist auch nicht mehr zur zum Text komponierten Musik.


    Anders ist es mit dem szenischen. Da ist typischerweise keine 100% Ausarbeitung vorgegeben, sondern Hinweise, wie Du selbst ja auch anderer Stelle schon mal erwähnt hattest. Damit ist dort dann ja auch die Freiheit größer, weil weniger starre Infos vorliegen.


    OK, ich belasse es jetzt erstmal hierbei, viel davon wurde ja auch schon gesagt...


    Matthias

  • Zitat

    Original von Siegfried


    Lieber Paul,
    ich hoffe, daß kein Regisseur deine Bemerkung als Steilvorlage benutzt und in die Tat umsetzt. Das wäre fatal. 8o


    Oder höchst spannend, wenn es gelingen sollte! Es wäre aber in diesem speziellen Fall sicherlich fast unmöglich, daß wirklich stringent und damit dann auch stimmig hinzubekommen, da stimme ich dann wieder problemlos zu... ;-)


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    genau das erscheint mir, und anscheind auch Dem-Wonnigen-Laller als nicht zwingend!


    Daher ist für mich Dein Argument eben noch nicht stichhaltig. Ja, ich verstehe, was Du meinst, versuche aber zu hinterfragen und damit dann auch zu verstehen, warum dir dieser eine kleine weitere Abstraktionsschritt zuwider ist, während Du ja sogar "Übersetzungen" erlauben würdest.


    Ich verstehe die Gründe, so wie Du sie angeführt hast, noch nicht. Sind das eher "Axiome" oder sind das "Herleitungen" aus anderen Axiomen, um es mal mathematisch auszudrücken.


    Lieber Matthias,


    Auch zu Dir sage ich


    Zitat

    Original von musicophil
    Dann hast Du übersehen, daß für mich die historische Perspektive ein sehr wichtiges Bestandteil für eine Operausführung ist. Ist das keine Begründung?


    Wenn Du willst, kannst Du das als ein Axiom betrachten. Warum wurde damals die Oper/Operette (denn auch dafür gilt es) komponiert. Oder vielleicht sollte die Frage lauten "Warum wurde ein derartiges Libretto geschrieben?".


    Nimm "Das Land des Lächelns". Paßt jene "chinesische" Musik in Süd Amerika? Nur weil ein Regisseur meint, es passiert was wichtiges dort, und er versucht uns das zu deuten. Oder Irak.
    Und obwohl mein Beispiel der Entführung kein schönes Beispiel ist, ist Deine Widerlegung - es tut mir Leid - wirklich irreal.


    Der größte Fehler, der ein Regisseur machen kann, ist m.E versuchen die politischen/wirtschaftlichen/sozialen/usw Umstände von heute in einem bereits Jahrhunderte/Jahrzenhnte existierenden Werk hinein zu interpretieren.
    Oder wenn er es eine derartige Interpretation gibt, obwohl das Werk "nur" als Unterhaltung geschrieben war. Beispiel: "Doktor und Apotheker" von Dittersdorf.


    Weiter will ich nichts mehr hierzu sagen, denn sonst wiederhole ich nur Argumente.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    omissis....
    Der größte Fehler, der ein Regisseur machen kann, ist m.E versuchen die politischen/wirtschaftlichen/sozialen/usw Umstände von heute in einem bereits Jahrhunderte/Jahrzenhnte existierenden Werk hinein zu interpretieren.
    omissis......
    LG, Paul


    Dieser Meinung kann ich mich nur voll und ganz anschließen und beende damit auch meine Beiträge in diesem Thread.:boese2:


  • Noch eine Antwort, und nicht, weil ich das letzte Wort haben will, sondern weil es mir eben leider immer noch nicht klar ist... ;-(


    Herbert stellt abschliessend noch fest:

    Zitat

    Ich schließe mich auch Paul's Meinung an,


    ohne Hoffnung auf Erkenntnis der Verfechter


    des s.g. Regietheaters.


    Also erst einmal zu Herbert: Diese Antwort verstehe ich noch weniger. Bisher versuchen wir herauszufinden, was die jeweiligen Bewertungsmaßstäbe sind, und was davon unumstößlich ist, und was ggfls. "zur Disposition" stehen kann. Und es geht doch nicht darum, jetzt hier die Regietheaterverfechter zur Rausgabe von Erkenntnissen zu zwingen... ;-)


    Zurück zu Paul:


    Ja, chinesische Musik paßt nach Südamerika, denn auch dort finden sich Chinesen. Das wäre nun aber zu einfach... ;-)


    Zum folgenden Satz möchte ich noch speziell etwas anmerken:

    Zitat

    Original von musicophil
    Der größte Fehler, der ein Regisseur machen kann, ist m.E versuchen die politischen/wirtschaftlichen/sozialen/usw Umstände von heute in einem bereits Jahrhunderte/Jahrzenhnte existierenden Werk hinein zu interpretieren.


    Hier sehe ich etwas anderes, als Du:


    Willst Du mir damit sagen, daß ich heute mir kein Urteil über Hitler's Mein Kampf erlauben darf, bzw. es unter heutigen Gesichtspunkten nicht analysieren darf, nur weil es vor über 70 Jahren geschrieben wurde? Müssen wir nicht sogar die Interpretationen immer wieder neu machen, um uns zu vergegenwärtigen, was aus den "falschen Voraussetzungen" geworden ist?


    Oder anders gefragt: Willst Du damit das Lernen aus der Geschichte verbieten?


    Oder anders gesagt: Darf ich das Wahlrecht für Frauen nicht zulassen, nur weil es in alten Gesetzen verboten, bzw. nicht erlaubt war? Haben wir nicht auch das recht, und ggfls. sogar die Pflicht, altes mit neuen Augen anzusehen, um überprüfen zu können, ob das, was da drin steht, entwder heute noch gültig sein kann/darf/soll/muß, oder ob es "überholt" wurde, oder ggfls. sogar geändert werden muß?


    Oder nochmal anders gesagt. Darf ich Erkenntnisse, die griechische Philosophen vor tausenden von Jahren hatten, heute nicht mehr neu unter neuen Aspekten betrachten, bloß weil sie vor tausenden von Jahren geschrieben wurden?


    Ist ein Satz, wie: "Cogito, ergo sum" heute nicht auch in "absolutistischer Interpretation" auf Computer anwendbar? Müssen wir uns nicht heute mit einem Begriff wie "Denken" auseinandersetzen, und zwar unter ganz anderen Aspekten, als das "die Alten damals" getan haben, um feststellen zu können, ob diese Aussagen auch heute noch gültig sind?


    Was ichhiermit sagen will, und evtl. hilft es auch Herbert: Ich denke sehr wohl, daß eine Interpretation unter heutigen Gesichtspunkten notwendig ist, um feststellen zu können, ob es noch aktuell ist, und uns heute etwas geben kann.


    Mit Deinem Argument dürften heute bei Barockmusik z.B. wohl so gut wie kein Vibrato auf Streichinstrumenten gespielt werden, und ein Cello müßte auf einer Viola da Gamba gespielt werden. Ja, es gibt die Verfechter dieser richtung, aber auch Künstler haben gesagt; "Was kümmert mich seine Geige, wenn der Geist über mich kommt?"


    Anders gesagt: Einige Künstler waren sich sehr wohl darüber bewußt, daß das, was sie schaffen, evtl. noch gar nicht aufgführbar ist. Haben sie es deswegen gelassen, etwas zu schaffen?


    OK, viele weitere bekannte Argumente, ich lasse es jetzt auch mal, sie weiter zu wiederholen...


    Auch, wenn ich immer noch nicht so ganz verstehe, warum Deine Axiome für Dich Axiome sind...


    Matthias

  • Bei jeder guten Oper geht es meines Erachtens letztlich um Beziehungen und Konflikte zwischen Menschen, innerhalb eines Menschen, zwischen Kulturen, innerhalb einer Kultur usw..
    Für mich stellt sich deshalb die Ausgangsfrage so dar – welchem Inszenierungsstil gelingt es eher diese Hintergründe des Werkes aufzudecken und zu verdeutlichen?


    Grundsätzlich kann dies theoretisch beiden Stilen gelingen. Allerdings ist es auch meine Erfahrung, dass werktreue Inszenierungen häufig von den Tiefenschichten eines Werkes ablenken – zu sehr ziehen sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf Äußeres (schönes Bühnenbild und Kostüme usw.). Außerdem erwecken sie den Anschein, dass das, was auf der Bühne geschieht gar nichts mehr mit den Menschen von heute zu tun hat – „so war das früher halt“. Das sehe ich aber gerade anders: Die großen Opernwerke zeichnen sich doch dadurch aus, dass sie auch die modernen Menschen noch tangieren. Es dreht sich doch schließlich um die großen Themen wie Liebe, Eifersucht, Rache, Macht usw..
    Provokative Inszenierungen gelingt es meines Erachtens deutlich besser, die oben angesprochenen Konflikte offen zu legen und nicht hinter dem historischen Gewand zu vernebeln. Außerdem machen sie sehr wohl deutlich, dass das, was auf der Bühne geschieht, auch den Menschen von heute noch etwas angeht. Nur so macht Oper als Kunst meines Erachtens Sinn.


    D.h. aber auch, wo provokative Inszenierungen nur Selbstzweck sind, sind sie nutzlos.


    Und noch eine Anmerkung am Rande: Werktreue Inszenierungen gehen meiner Erfahrung nach meist mit einer sehr schlechten Personenführung einher. Es hat oft den Eindruck, dass die Regie sich auf schöne Bild verlässt – mir reicht das dann schon gar nicht.

  • Nachdem ich nun viele Fragen gestellt hatte, und wenig zu meiner eigenen Meinung gesagt habe, wollte ich es tun, muß aber feststellen, daß Andreas so ziemlich genau das geschrieben hat, was ich auch schreiben wollte.


    Wie war Zustimmung in NewsGroups früher?


    "+1"


    Matthias

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  • Eines möchte ich doch nochmal festhalten: ein Begriff wie "Werktreue" ist gänzlich untauglich. Eine zeitgemässe Inszenierung ist keine "nichtwerkgetreue" Produktion, das ist Quatsch.


  • Und welche Erkenntnis sollte das sein? Dass die einen Recht und die anderen Unrecht haben? Ich dachte, dass wir zumindest über diesen banalen Trugschluss bereits hinaus sind.........
    lg Severina :hello:

  • Lieber Andreas!
    Woher die Erkenntnis daß 'werktreue' Inszenierungen mit schlechterer Personenführung konform gehen.
    Das kommt doch nur auf den Regisseur,aber nicht auf die Inszenierung an.
    Ich glaube ,daß man ohnehin oft Regie mit Inszenierung verwechselt.
    Dabei spreche ich nicht von der Selbstinszenierung mancher Regisseure.
    Was mich am modernen 'Regietheater'stört, ist,wenn ich vor lauter Nachdenken über das,was mir der Regisseur sagen will kaum mehr auf die Musik höre. Das hat aber nichts damit zu tun,daß man durchaus auch 'modern' in Szene setzen kann.
    Nur sollte man nicht aus Mozarts Figaro ein Ibsendrama machen.Das war es nie und sollte es auch nie sein.(Das ist natürlich nur meine ganz subjektive Meinung)
    Bei Wagners 'Ring' ist das schon etwas anderes,sicher aber nicht bei den Meistersingern. Auch da kann man natürlich modernisieren.Wieland Wagner hat das ja wirklich perfekt vorgemacht.
    Die Bühne entrümpeln ,von Plüsch und Bärenfell befreien,ich denke dagegen ist niemand,aber die Bühne wieder vollstopfen mit nicht zur Handlung passenden Utensilien und Kostümen.Ist das der richtigeWeg?


    LG Lotosblume

  • Liebe Lotosblume,


    was die Personenführung angeht, sind das natürlich nur subjektive Erfahrungen. Aber bei so mancher Met-Inszenierung oder Wolfgang Wagner Regie geht es mir doch recht steif zu. Sollte aber nur eine Randbemerkung sein.


    Nun zu wichtigerem:
    Natürlich sollte die in der Oper die nunmal nicht ganz unwichtige Musik :baeh01: nicht hinter der Inszenierung zurücktreten - aber auch nicht umgekehrt. Ebenso finde ich, dass eine Inszenierung schon dem aufmerksamen Zuschauer die Chance geben sollte, dass sie sich erschließt. Wenn alle am Ende nur rätseln, macht das auch keinen Sinn.


    Na ja - ohne jetzt wieder auf einzelne Werke einzugehen - ABER: Der Figaro bietet doch einiges an modernen Themen: Die Beziehungen sind instabil; die schöne, heile Welt zerbricht; jeder macht irgendwie sein Ding, aber die entscheidenden Personen reden kaum miteinander.....das ist nicht nur Spass.
    Und die Meistersinger - hier treffen Altes und Neues aufeinander. Man versteht sich nicht, es kommt zu Konflikten (das kennt man doch auch hier - oder?? :baeh01:); es geht um Versöhnung und deren Preis für alle; es geht auch um Akzeptanz und Ignoranz......das ist nicht nur historisches Nürnberg.


    Wenn eine "moderne" Inszenierung diese Beziehungen und Konflikte mit ungewöhnlichen Kostümen oder Bühnenbild besonders prägnant herausarbeitet, finde ich das aboslut legitim und nützlich. Zumal sie damit oft die Aktualität dieser Themen unterstreicht
    Wenn es dabei aber nur um Selbstdarstellung geht und nicht mit dem Werk in Einklang zu bringen ist, halte ich das auch nicht für den richtigen Weg.

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas ()


  • Nach dem Einwurf von Alviano, dem ich zustimme, muß ich, denke ich, nach nochmaligem Lesen, etwas konkreter bezüglich meiner Meinung werden:


    Wichtig ist mir der erste Teil von Andreas' Aussage: Es geht um Menschen und ihre Beziehungen zu- und untereinander. Und dabei geht es nicht nur um die Hintergründe des Werkes, sondern um Dinge, die man auch "allgemein" herausziehen kann, um etwas davon zu "lernen".


    Ich denke, kann aber nun überhaupt nicht für Andreas sprechen, daß er mit "werkgetreu" das meint, was an anderer Stelle als das bezeichnet wurde, was den "Nicht-Regielis" (man, mir fällt das Wort, was dort geprägt wurde, nicht mehr ein...Ah, gefunden: "Staubis") gefällt. So jedenfalls habe ich den Satz: "dass werktreue Inszenierungen häufig von den Tiefenschichten eines Werkes ablenken" interpretiert. Oder, um es "drastischer" auszudrücken: Reines Kostümtheater kann das verdecken, was zwischen den Personen passiert (weil es sich dann auf das Niveau einer "Modenschau" begibt, und nur Äußerlichkeiten, oder anders gesagt: Hüllen darstellt). Damit wäre es sogar noch, jedenfalls für mich, unbrauchbarer als "Selbstinszenierungen" eines Regisseurs, denn bei der Selbstinszenierung bleibt immerhin in den besten Fällen noch eine Aussage über den Regisseur und seine Auffassung, wie er sich vom "Mainstream" absetzen kann, übrig, die u.U. dann genutzt werden könnte, um etwas über den Stand der Kulturpräsentation oder den Stand der Kultur insgesamt ableiten zu können...


    Gruß,


    Matthias


  • Hallo, Lotusblume,


    ich möchte mal auf den folgenden Satz von Dir eingehen:


    Zitat

    Was mich am modernen 'Regietheater'stört, ist,wenn ich vor lauter Nachdenken über das,was mir der Regisseur sagen will kaum mehr auf die Musik höre.


    Ist nicht gerade das "gezwungen-werden", das sich "neu" mit dem Stück auseinandersetzen müssen, gerade eine der besten Leistungen, die eine Regie oder Inszenierung hervorbringen kann? Daß ich "neue Erkenntnisse" erlange? Die Musik ist uns inzwischen doch recht bekannt, auch aufgrund der Reproduktionstechnologien. Die Musik können viele von uns bei vielen Stücken doch schon auswendig, zumindest aber mitpfeifen...


    Nun aber dann in einer Aufführung durch "Provokation", "Verstärkung", "Rücknahme", halt Regie und Inszenierung vom "Kuschelfaktor" getrennt zu werden, um mich neu mit dem Stück anzufreunden, und dabei die Freundschaft ggfls. noch neu zu vertiefen, das ist doch das, was gutes Regietheater ausmachen soll.


    Wenn ich kuscheln will, gehe ich ins Bett... ;-) In einer Opernaufführung will ich "etwas erleben" (OK, nicht daß ich im Bett nichts erlebe, aber das gehört nun nicht hierhin!), will ich eine "Auseinandersetzung mit dem Werk", will ich nicht bloß "ein paar schöne Stunden" haben, sondern etwas von dem, was den Autor des Werkes bewegt hat, was ihn dazu gebracht hat, das Stück zu schreiben, mitbekommen, will herausfinden, was der Autor mir sagen wollte über das, was er als "allgemeingültig" oder "dauerhaft wichtig für die Nachwelt" erachtet hat.


    Dabei sind Kostümfeste nicht notwendig...


    OK, ich hoffe, ich habe klar machen können, was mir wichtig ist...


    LG,


    Matthias

  • Hallo Pfuetz,


    nachdem nun schon mehrfach auf den von mir gewählten Begriff "werktreue" eingegangen wurde, will ich dazu nochmal Stellung nehmen.


    Ich habe mich wohl mißverständlich ausgedrückt, indem ich einfach den Begriff übernommen habe. Ich meine damit tatsächlich, dass von Dir so beschriebene "Kostümtheater". Dies ist meines Erachtens ganz und gar nicht werktreu.
    Wir sind da, denke ich durchaus sehr ähnlicher Meinung.
    ich hätte besser von der "sogenannten werktreue" gesprochen!!!!

  • Zitat


    Original von Pfuetz
    will ich eine "Auseinandersetzung mit dem Werk", will ich nicht bloß "ein paar schöne Stunden" haben, sondern etwas von dem, was den Autor des Werkes bewegt hat, was ihn dazu gebracht hat, das Stück zu schreiben, mitbekommen, will herausfinden, was der Autor mir sagen wollte über das, was er als "allgemeingültig" oder "dauerhaft wichtig für die Nachwelt" erachtet hat.


    Hallo Matthias,
    ich gehe ja mit vielem, was Du zu diesen
    Thread einbringst, konform. Jetzt möchte ich aber doch mal intervenieren. Vertrittst Du denn allen Ernstes die Meinung, allein durch die Inszenierung würde sich die Botschaft der Autoren resp. Komponisten erschließen? In diesem Falle wäre das Werk ja nebensächlich und das Schauspiel oder die Oper könnte auch pantomimisch aufgeführt werden, da die Zuschauer ja den Text und die Musik kennen. Oder habe ich da etwas falsch verstanden.


    LG :hello:


    Emotione


  • Emotione,


    um Dich zu beruhigen, und Deine erste Frage gleich zu beantworten: "Nein!" Und die Antwort auf die zweite Frage ist ein klares "Ja!", auch wenn Du das "?" am Ende der zweiten Frage vergessen hattest... ;-)


    Ich erhoffe mir durch die "Unterstützung mit Hilfe der Inszenierung/Regie" weitere Zugewinne an Erkenntnis. Es ist absolut notwendig, ebensosehr auf Text (Libretto) und Musik (Notentext) zu achten, als auch zu wissen, was wann warum mit welcher Zielsetzung gemacht wurde (auch wenn manche Künstler nicht in der Lage sind oder waren, diese Informationen selbst beisteuern zu können).


    Ich habe es schon des Öfteren gesagt: Oper ist mit die komplexeste Kunstform, die es gibt, und als solche "leider" auch mit "Wissen" nur zu erschliessen (pbrixius hat dass sehr schön hier:
    Wieviel muß man kennen, um urteilen zu dürfen? beschrieben).


    Klarer?


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    Oper ist mit die komplexeste Kunstform, die es gibt, und als solche "leider" auch mit "Wissen" nur zu erschliessen (


    Das sehe ich nicht so, Matthias. Wo bleibt da das Gefühl? Ich habe viele Opern in meiner Kinder- und Jugendzeit gesehen und gehört. Mich hat das alles von der rein emotionalen Seite angesprochen. Die Hintergrundinformationen habe ich mir erst nach und nach angelesen und so neue Aspekte entdeckt. Dennoch: Oper ist und wird niemals eine reine Wissensstudie sein - und für mich sowieso nicht.


    LG,


    Christoph

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  • Christoph,


    erschliessen ist etwas anderes als geniessen oder ansprechen, und somit widerspricht sich Deine Aussage nicht mit meiner... ;-) Und ich bin weit davon entfernt, Oper als eine rein mathematische Übung zu betrachten... ;-)


    Ja, mir ging es ja ähnlich (wie hier auch anderswo nachzulesen ist), ich fing mit dem "Genuß" an, und dann kam die "Arbeit"...


    Und zum Sprachgebrauch hier eine lustige Glosse, oder Buchbesprechung, zwar OT, dennoch:


    http://www.zeit.de/online/2007/35/lexikon-sprachverirrung


    Gruß,


    Matthias

  • Zitat

    Original von Emotione
    [QUOTE]
    Hallo Matthias,
    ich gehe ja mit vielem, was Du zu diesen
    Thread einbringst, konform. Jetzt möchte ich aber doch mal intervenieren. Vertrittst Du denn allen Ernstes die Meinung, allein durch die Inszenierung würde sich die Botschaft der Autoren resp. Komponisten erschließen? In diesem Falle wäre das Werk ja nebensächlich und das Schauspiel oder die Oper könnte auch pantomimisch aufgeführt werden, da die Zuschauer ja den Text und die Musik kennen. Oder habe ich da etwas falsch verstanden.


    Hallo Emotione,
    dazu möchte ich auch etwas sagen:
    Es geht hierbei meiner Meinung nach nicht um ein Entweder-Oder.
    Bei der Oper muss alles passen. Das gilt schon für die Werkentstehung. Komposition und Libretto sind aufeinander abgestimmt. Ich habe z.B. oft schon den Vorwurf gehört, dass die Opern von R. Strauss oft deswegen problematisch sind, weil sich Strauss der Tiefe der Libretti oft nicht bewußt war (s. Hofmannsthal).
    Die Bedeutung des Textes sollte sich also durch die Musik erschließen, aber auch umgekehrt.


    Ähnliches erwarte ich auch von aktuellen Inszenierungen. Bühnenbild, Personenführung, Musik usw. müssen abgestimmt werden. Wenn sich auf der Bühne und im Orchester bspw. das Drama des "Ringes" abspielt, finde ich es einfach nicht stimmig, wenn auf die Personen steif wie Statuen rum stehen oder das Bühnenbild eine nette Landschaft entwirft. Genauso wäre es aber auch, wenn hier die Musik gemütlich vor sich hin pletschern würde.


    Es muss halt alles stimmen - das macht Oper für mich aus (muss man allerdings vom reinen Opernhörern, wie es uns heute möglich ist, sehr unterscheiden).

  • Hallo Christoph.


    Zitat

    Wo bleibt da das Gefühl? Ich habe viele Opern in meiner Kinder- und Jugendzeit gesehen und gehört. Mich hat das alles von der rein emotionalen Seite angesprochen. Die Hintergrundinformationen habe ich mir erst nach und nach angelesen und so neue Aspekte entdeckt. Dennoch: Oper ist und wird niemals eine reine Wissensstudie sein - und für mich sowieso nicht.


    Da möchte ich mich voll und ganz anschließen.


    Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Freunde "moderner" - im Gefolge von Rideamus': "texterhellender" Inszenierungen vorwiegend Menschen sind, die beruflich mit klassischer Musik zu tun haben und sich freuen, wenn sie bei Inszenierungen entweder längst gewonnenes Wissen wiederentdecken - indem dieses durch die Inszenierung überdeutlich pointiert wird - oder dieses erweitern können (im Sinne der dann ja längst schon eingeschlagenen Interpretationsrichtung). Da geht es doch dann darum sich an seinem Vorverstehen und Besserverstehen zu ergötzen, weniger darum große Kunst zu genießen.


    Dass es bei klassischer Musik im Allgemeinen und Opern im Besonderen immer (auch) um zugegebenermaßen u. U. anspruchsvolle Unterhaltung geht - für Menschen, die in ihrem beruflichen Alltag eben normalerweise nicht über Partituren brüten -, wird dann vergessen. Und es wird auch vergessen, dass es diese Menschen sind, die es (gerne) anderen talentierteren Menschen finanziell ermöglichen, ihre ganze Kraft und alle nötige Zeit der Musik zu widmen. Hin und wieder und, in einer Zeit, in der die klassische Kunst geradezu im freien Raum produziert werden kann (wg. Subventionen), sogar auch des Öfteren wird die aus der wechselseitigen Abhängigkeit von Kunstschaffenden und -rezipienten resultierende Verpflichtung gegeneinander leider verdrängt. (Natürlich will ich nicht vergessen machen, dass auch die Kunstgenießenden ihre Verpflichtung gegenüber den Künstlern oft genug vernachlässigt haben!)

    Viele Gruesse.
    Holger.

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Ich finde, Du ziehst die Grenze zu scharf. Auch wenn man genießt, erschließt sich so manches.


    P.S.: Du liest die Zeit?


    In der Schärfe liegt die Würze?


    Quatsch beiseite: Natürlich hast Du recht! Aber das kommt ja auch daher, daß unser Gehirn sich damit befaßt, und selber "schließt", und das selber schliessen kommt durch die Dinge in Gange, die man früher erlebt oder erschlossen hat... Oder anders gesagt: Ich würde, ohne Globalisierungs"mitnahme"kenntnisse nix zu afrikanischer Musik sagen können, weil ich dort nicht sozialisiert wurde, und daher mir das Ganze total fremd wäre. Oder anders gesagt: Es gibt immer noch Schriften (Hiroglyphen), die unentschlüsselbar sind, obwohl sie auch von Menschen stammen. Problem: Uns fehlt der Kontext. Ähnliches gilt für sämtliche Form von "Bildung": Viele Leute unterschätzen beim Musikhören die Wirkung, die die akustische Umweltverschmutzung (Kaufhaus, Radio, etc.) auf sie und Ihren Zugang zur Musik hat, gewaltig. Sie glauben, es sei Ihre Ur-eigenste Gefühlswelt. Quatsch! Jeder mensch ist geprägt durch das, was um ihn herum passiert ist. Und das gilt eben auch für die Musik, das Musikverständnis...


    Matthias


    P.S.: Ja, ich versuche es (Problem ist zeitlicher Natur, und tamino klaut mir da schon wieder mehr von der eh schon spärlichen Zeit...).. Obwohl ich etwa z.Z. mal wieder ein halbes Jahr hinterherhinke... Zum Glück gibt's nun den täglichen Newsletter... ;-)

  • Hallo Andreas,


    da sind wir uns doch völlig einig. Ich selbst, die ich in meiner Jugend ja nur plüschiges "Standtheater" erlebt habe, möchte solche Inszenierungen nicht mehr sehen. Meine Bemerkung zur Aussage von Matthias bezog sich nur darauf, dass ich aber auch ein Kunsterlebnis haben möchte. Wie Du richtig betonst, es muss halt alles stimmen. Wenn ich aber da sitze und nur analysiere, fehlt mir dieses.


    Herzliche Grüße


    Emotione


  • Ein paar kurze Anmerkungen, und ich entschuldige mich, daß ich den ganzen Text zitiere...


    1.) Ich habe beruflich überhaupt nix mit Musik zu tun... ;-) Sondern mit "Computern"... ;-)
    2.) Ich habe aber einen Vater, der Deutsch- und Musiklehrer an einem Wiesbadener Gymnasium war. Und da kommt viel von der Prägung her. Mein Bruder ging aber eher auf "kontra"...
    3.) Warum sollte Kunst nicht unterhalten dürfen?
    4.) Ja, man kann auf ganz unterschiedlichen Ebenen Glück erfahren, "rein emotional", "rein intellektuell", oder eben auch "wild gemischt dazwischen"...
    5.) Und: das Eine darf und soll doch das Andere nicht ausschliessen!


    Matthias

  • Hallo Matthias.


    Ich habe an dich gar nicht gedacht.


    Es passiert ja leider bei der Internetkommunikation relativ schnell, dass man sich missversteht (oder allzu genau versteht!). - Das meine ich jetzt aber auch ganz allgemein - obwohl ich mir auch nicht 100%ig sicher bin, ob du zur Partei der Texterheller gehörtst (im Sinne wie ich diese verstehe!).

    Viele Gruesse.
    Holger.

  • Zitat

    Original von Holger
    Hallo Matthias.


    Ich habe an dich gar nicht gedacht.


    Es passiert ja leider bei der Internetkommunikation relativ schnell, dass man sich missversteht (oder allzu genau versteht!). - Das meine ich jetzt aber auch ganz allgemein - obwohl ich mir auch nicht 100%ig sicher bin, ob du zur Partei der Texterheller gehörtst (im Sinne wie ich diese verstehe!).


    Ich denke, ich kann beidem etwas abgewinnen, was ja auch meine Position im Cellini Thread zeigte (und dabei wollte ich den Stölzl doch ruhen lassen!). Bei den Dingen, die ich schon kenne, bin ich aber von der texterhellenden Fraktion, und nur TamTam und Kostümfest des tamTam oder Köstumfestes wegen, dafür ist mir dann doch die Zeit und das Geld zu schade... (und vorbereiten kann man sich sehr gut auf dem Weg zur Arbeit oder zurück, viele Leute unterschätzen diese "ungenutze" Zeit, die man sehr wohl sehr internsiv noch nutzen kann. Und wenn es nur zum Anhören der Musik nutzt...)


    Matthias


  • Das trifft auf mich schon mal nicht zu.
    Obwohl ich in dieser Diskussion hier ja scheinbar eher den Freunden von sogenanntem Regietheater zuzuorden bin, muss ich gestehen, daß ich beruflich nie etwas mit Musik zu tun hatte - ja, ich verstehe von Musiktheorie ungefähr soviel, wie von chinesischen Schriftzeichen. Warum sollte aber eine Inszenierung, die nicht traditionell ist, weniger Emotionen auslösen oder jemanden ein Stück nicht verstehen lassen ? Ich habe oft das Gegenteil erlebt. An meinem 16. Geburtstag habe ich eine "moderne" Inszenierung von Elektra erlebt. Bis dato kannte ich bloß Hänsel und Gretel, Zar und Zimmermann und die Zauberflöte (in traditionellen Aufführungen). Ich hatte weder Ahnung von Strauss, Hofmannsthal, dem Elektra-Stoff oder davon, daß Musik und Theater so sein könnte. Ich war sofort von dem ganzen gefangen und habe auf Anhieb die wichtigsten Züge dieser Tragödie erfassen können - und das trotz Textunverständlichkeit und moderner Regie. Die Folge war, daß ich diese Inszenierung innerhalb von 1 1/2 Jahren ewta acht Mal besucht, den Text gelernt habe und immer weiter in die Materie eingedrungen bin - und das sowohl auf emotionaler wie auch auf kognitiver Ebene. Ich glaube auch, daß eben dieses Erlebnis mir letzlich die Tür zu einem neuen, tieferen Erleben und Verständnis von Musik/Theater geöffnet hat.
    Ich glaube also, daß ein Schlüsselerlebnis, sowie ein Begreifen der verschiedenen Ebenen in der Oper (auch Neulingen) nicht nur in "traditionellen" Inszenierungen vorbehalten ist. Hier wird ja immer gerne behauptet, "moderne" Regie würde die Stücke immer unkenntlich machen - besonders für solche Leute, die das Stück nicht kennen.

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