ZitatAuch Haydn ist ein Verfechter modernsten Regietheaters. Gegen den sind die heutigen Regisseure richtige Waisenknaben. Haydn hat ganze Arien (in fremden Opern) durch Eigenkompositionen ersetzt, größere Teil gestrichen, etc., das sollte sich heute mal ein Regisseur erlauben...
Ich denke da liegt ein ziemliches Missverständnis vor, das Argument läuft ins Leere.
Zumal es sich hierbei um ein völlig legitimes Vorgehen im Opernbetrieb des 17. und 18. Jahrhunderts handelt.
Soetwas findet man bei fast allen Komponisten dieser Zeit.
Das hat aber mit Regietheater absolut gar nichts zu tun, sondern damit, dass man eine Oper dem jeweiligen Aufführungsort entsprechend arrangiert.
Denn nicht an allen Opernhäusern wurde z.B. Ballett geschätzt, standen Sänger mit den gleichen Fähigkeiten zur Verfügung usw.
Außerdem entschied das nicht der Regisseur, sondern der "Dirigent" der die jeweilige Oper aufführte.
Beliebt war das vor allem in der venezianischen Oper des 17. Jahrhunderts.
Man fügte beliebige Instrumentalstücke oder Arien ein, da das Publikum bei jeder Aufführung auch etwas neues erwartete.
Allein von Cavallis "Giasone" der am häufigsten gespielten Oper des 17. Jahrhunderts sind 12 (!) verschiedene Versionen erhalten.
Einzig Lullys Opern waren lange tabu, aber als man Marin Marais ehren wollte, indem man den Sturm aus der "Alcyone" in Lullys "Alceste" einfügte und dafür Lullys Sturm strich, war auch dieses Tabu gebrochen.
Die Version von Lullys "Persee", die 1770 an der Hofoper in Versailles gegeben wurde um die Hochzeit der Erzherzogin Marie Antoinette mit den Dauphin zu feiern, ist nur noch in Teilen mit der ursprünglichen Fassung von 1682 gleich.
Im Lauf der Jahrzehnte wurden Tänze, Chöre, Rezitative und Airs von unterschiedlichen Komponisten mitaufgenommen.
(Damals kam das einem Ritterschlag für den Komponisten gleich)
Nichts war im Opernleben des 17. und 18. Jahrhunderts so beliebt wie Pasticcios.
Man denke nur an die furiose Aufführung der Oper "Artaserse" von J.A. Hasse in London, mit Zusatzarien von Porpora und Broschi (dem Bruder Farinellis) der in dieser Oper auch noch auftrat.
Oder an die Opera Ballets, am liebsten verwendete man Actes de Ballets von mehreren Komponisten, da man vor allem die stilistische Vielfalt liebte.
Oder ein anderes Beispiel: die Bühnenmusik "The Tempest"
lange Zeit Purcell zugeschrieben, Heute weiß man, dass eine Vielzahl von Komponisten hier Werke beigesteurt haben (freiwillig und unfreiwillig..)
Es gibt da einfach keine Fassung die man als DEN Tempest bezeichnen könnte.
Ich kenne kaum ein Werk das so massive Unterschiede in den Fassungen der verschiedenen Jahrzehnte aufweist, wie diese Bühnenmusik.
Diese Vorstellung des unantastbaren Werks ist erst durch Wagner, bzw. durch das 19. Jahrhundert entstanden.
Das gab es vorher nur vereinzelt.
Das Problem mit den meisten Regisseuren ist jedoch, dass sie einfach nicht das musikalische Wissen haben um soetwas geschmackvoll Heute noch umzusetzen, jedenfalls habe ich das bisher nicht erlebt.
(meine persönliche Meinung)
Aus diesem Grund machen das die Musiker selbst.
Die Einspielungen und Aufführungen der Opern Cavallis z.B. durch René Jacobs bestehen z.T. bis zu 30 % aus Fremdmaterial !
Aber auch damals scheint man den Regisseuren soetwas eher selten anvertraut zu haben.
Händel führte bei seinen Opern allein die Regie.
Lully hatte den grandiosen Vigarani, aber auch er hatte immer das letzte Wort.
An seiner Musik durfte niemand etwas zu seinen Lebzeiten streichen oder hinzufügen, da musste sich die Inszenierung an der Musik ausrichte, nicht umgekehrt.
Aber es gab im 18. Jahrhundert die Anfänge des modernen Ausdruck-Tanzes - und der wurde gnadenlos verspottet, aber von einem Teil des Publikums sehr geschätzt.
Noverre stieß auf rigerose Ablehnung bei der konservative Partei des französischen Adels, denn Noverre setzte sich ja gegen das höfische Ballett ein.
In Wien und Stuttgart war er jedoch wieder sehr erfolgreich.
Jedoch verunstaltete er keine bestehenden Werke, sondern ließ für seine Ideen neue Werke komponieren.