Der 'Minimal Music'-Thread

  • Mit der Minimalmusik wurde meines Erachtens innerhalb der "Moderne" ein sehr wichtiges tonales Gegengewicht zur atonalen und seriellen Musik geschaffen.


    Neben der obenstehenden sehr ausführlichen Auflistung einschlägiger minimalistischer Werke gibt es - wie auch bereits erwähnt - viele minimalistische Ansätze in der Filmmusik, insbesondere seit Mitte der1990 er Jahre zu beobachten.


    Erst die Minimalmusik macht meiner Meinung nach in Kombination mit einschlägigen tradierten weiteren tonalen Kompositionsprinzipien und äusserst sparsam eingesetzten dissonanten Klängen, wie sie in der atonalen Musik typisch sind wirklich zukunftweisende Musik möglich.


    Für Interessierte: Der japanische Komponist Ryuichi Sakamoto hat auf diesem Gebiet auch mindestens ein wunderschönes Werk geschaffen:


    Es handelt sich dabei um sein Album "Discord". Dieses ist im Prinzip eine 4 - sätzige Symphonie, wobei die minimalistischen Pattern um ein für diesen Komponisten so typisches japanisches Lokalkolorit bereichert. wurde.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Zitat

    Original von Aquarius
    Mit der Minimalmusik wurde meines Erachtens innerhalb der "Moderne" ein sehr wichtiges tonales Gegengewicht zur atonalen und seriellen Musik geschaffen.


    Minimalismus als Gegengewicht zum Serialismus zu verstehen halte ich für einen Denkfehler. Reichs Minimalismus der 60er ist der seriellen Musik sehr ähnlich darin, dass lange Abläufe ermöglicht durch einfache Konstruktionen mit wenigen Punkten, an denen der Komponist Entscheidungen zu treffen hat, einfach ablaufen. Dass beim Minimalismus ein mehr oder weniger tonales Material nach strengen Vorschriften oder Spielregeln, die ihrerseits mit Tonalität nichts zu tun haben, organisiert wird, ist zwar nicht unwichtig, macht den Minimalismus aber nicht zu einem "tonalen Gegengewicht" - es ist überhaupt die Frage, ob man Reichs Werke tonal nennen darf, ich glaube eher nicht.


    Außerdem muss immer mal wieder betont werden, dass Serialismus und Minimalismus zwei Strömungen unter vielen anderen sind, die in den 50er bis 70er Jahren relevant sind. In den 80ern scheinen mir beide nur mehr von recht untergeordneter Bedeutung zu sein. Kommerzielle Ausläufer in der Filmmusik sind womöglich geradezu ein Zeichen für Bedeutungsverlust.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    - es ist überhaupt die Frage, ob man Reichs Werke tonal nennen darf, ich glaube eher nicht.


    Ich glaube auch eher nicht. Funktionsharmonisch gesehen (und nicht nur das) sehen wir in Tonalität die Existenz eines Zentrums auf den Musik aufbaut und zu der sie auch hinstrebt, wenn ich das mal so salopp formulieren darf :)


    Das Repetitive als Prinzip besitzt IMO kein Zentrum - denn wo ein Zentrum ist, muß auch irgendwo Randgebiet, anderweitiges sein. Die harmonische Fokussierung ist bei Reich aber so stark, daß es gar nichts anderes gibt außer einem Zentrum.
    Übertrieben ausgedrückt: Wenn ich ständig zwei Akkorde wiederhole, gibt es - harmonisch und melodisch gesehen - nicht viel anderes.
    Insofern glaube ich sollte man den Begriff bei Reichs Musik eher vermeiden.


    :hello:
    Wulf

  • Da man - strenggenommen - in der Tat unter Tonalität auf oktatonische Tonleitern beruhende Komposition versteht und die Minimalmusik ja nachweislich oftmals weniger als acht Töne in ihren zu Pattern verwobenen sich wiederholenden Tonfolgen verwendet muss ich Kurzstückmeister gemäss dieser Definition schon Recht geben.


    Darum versuche ich da mal anders heranzugehen:


    Minimalmusik verwendet in erster Linie auf Harmonien beruhende Klangfolgen gepaart mit ebenso geführten Rhytmusfiguren als Grundlage ihres auf phasenverschobener Repitition beruhenden Kompositionsprinzips.


    Dabei bedient sie sich unter anderem auch Techniken der indischen klassischen Musik.


    Kürzlich habe ich mal die Gelegenheit gehabt eine Aufnahme vom Gesang der Buckelwale zu hören. Desweiteren konnte ich im Nürnberger Tiergarten Notendiagramme von typischen Buckelwalgesängen und Delfingesängen sehen.


    Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Hiermit haben wir wohl eine zweite mögliche Quelle für die Minimalmusik gefunden. Zumindest klingt das ähnlich.


    Es ist bekannt, dass in der Natur ( auch in der biologischen Natur des Menschen ) nur den Harmoniegesetzen gehorchende Tonfolgen letztendlich als positiv empfunden werden...


    Die Oktatonik oder auch Tonalität regelt diese Harmonien über die Tonleitern.


    Bei der Minimalmusik sorgt die Einfachheit der verwendeten Töne fast automatisch für Harmonie: So ist bekannt, dass beispielsweise pentatonische Musik (wurde sehr häufig in indischen Ragas verwendet) immer automatisch den Gesetzen der Harmonie gehorcht.


    Kommt es zum Einsatz von Mehrklängen ( bei Philip Glass ist dies sehr häufig der Fall ), so sind diese - zumindest bei diesem Komponisten - durchwegs harmonisch aufgebaut. Da muss er also zusätzlich die Regeln der Tonalität mit berücksichtigt haben.


    Streng genommen könnte man somit die Minimalistik als harmonischen Sonderfall der seriellen Musik werten.


    Kurzum: Unter Berücksichtigung von obenstehenden Informationen möchte ich die Minimalmusik nicht mehr als definitionsgemäss tonales, sondern als harmonisches Gegengewicht zur atonalen und somit dem biologisch begründeten Hörgefallen verpflichtende besondere Spielart der seriellen Musik werten.

    alle Menschen werden Brüder ...

    Einmal editiert, zuletzt von Aquarius ()

  • Lieber Aquarius,


    ich kenne mich bei den Buckelwalen nicht aus und möchte nur anmerken, dass oft Dinge ähnlich erscheinen, die nichts miteinander zu tun haben, oder auch, dass Dinge nur in einem Aspekt ähnlich scheinen (Ligeti-Stücke, die manche Hörer an Bienenschwärme erinnern), dieser Aspekt aber kein besonders grundlegender für das entsprechende Werk sein muss (selbes Beispiel, eine "summende" Klangfläche ist noch lange kein Bienenschwarm).


    lg vom alten Unbekehrbaren
    ksm
    ;)

  • Zitat

    Original von Aquarius
    Unter Berücksichtigung von obenstehenden Informationen möchte ich die Minimalmusik nicht mehr als definitionsgemäss tonales, sondern als harmonisches Gegengewicht zur atonalen und somit dem biologisch begründeten Hörgefallen verpflichtende besondere Spielart der seriellen Musik werten.


    Hallo aquarius!


    Verstehst Du in diesem Zusammenhang "harmonsich" nun als Synonym für wohlklingend oder im Sinne der Musikwissenschaft??


    :hello:
    Wulf

  • Leider habe ich von Akustik nicht so viel Ahnung. Aber im Physikunterricht habe ich damals irgendetwas von Harmonielehre mitbekommen. Und demnach gibt es strenge Vorgaben, wie sich die Tonhöhen zusammenklingender Töne zu verhalten haben, damit sie für das menschliche Ohr als harmonisch empfunden werden. Hat auch irgendetwas mit Obertönen usw zu tun. Naja ich meinte mit Harmonie schon diese Sache.


    Unbeachtet dessen hinterlassen alle vom Fachmann als harmonisch eingestufte Klangereignisse einen wohlklingenden Eindruck auf mich.


    Sorry für diese schwammige Antwort, aber ich bin eben kein Akustiker und schon gar nicht praktizierender Musiker.

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  • Wieder einmal möchte ich diesen Thread etwas beleben. In einem anderen Thread habe ich unlängst über eines DER Schlüsselwerke des frühen Minimalismus geschrieben: Terry Riley - In C.


    Zu finden ist das Posting hier: >>>draufklicken<<<



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Zitat

    Original von Chorknabe
    Wem übrigens dieser Stil gut gefällt, sollte sich unbedingt mit dem ebenfalls polnischen Komponisten Wojciech Kilar beschäftigen (ich werde ja nicht müde seinen Namen hier zu verbreiten :D).


    Ich bin ja hocherfreut, dass diesen Namen ueberhaupt jemand erwaehnt und kann nur zustimmen: Unbedingt empfehlenswert.


    Zu P. Glass: In neuerer Zeit hat man tatsaechlich das Gefuehl, er hat sich ein wenig festgefahren, was allerdings nichts daran aendert, dass ich ihn (wegen seiner frueheren Werke) immer noch sehr bewundere. Eines seiner interessanten Werke, was eigentlich eher selten erwaehnt wird, finde ich z.B. "The Photographer", v.a. deshalb, weil hier sehr interessant mit der menschlichen Stimme gearbeitet wird (singen moechte ich das selbst allerdings eher nicht ;) ). Wenn man dagegen z.B. den relativ neuen Soundtrack zu "The Illusionist" hoert, liegen da Welten zwischen.


    Leider momentan eher wenig Zeit, aber hocherfreut ueber diesen Thread, vielleicht spaeter mehr ...

  • Da faellt mir gerade noch ein: Was ist eigentlich mit Karl Jenkins? Moegen hin oder her, aber von der Wiederholung von Patterns her und der Art und Weise, wie z.B. geloopt wird (v.a. in frueheren Werken), finde ich, dass er durchaus auch in den Bereich Minimal Music gehoert ...

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  • Zitat

    Original von Eponine
    Da faellt mir gerade noch ein: Was ist eigentlich mit Karl Jenkins? Moegen hin oder her, aber von der Wiederholung von Patterns her und der Art und Weise, wie z.B. geloopt wird (v.a. in frueheren Werken), finde ich, dass er durchaus auch in den Bereich Minimal Music gehoert ...


    Uff..ob man Jenkins beim Minimal einordnen kann, halte ich für fraglich..


    Ich denke, Jenkins kommt eher aus dem Unterhaltungsmusik-Ecke. Musik mit repetativem und reduziertem Charakter kann man hier zu Hauf finden, und möglichweise stammen die Usprünge davon wiederum zum Teil von der Minimal Music der 60er und 70er ab. Aber mittlerweile hat sich das ganze gerade im elektronischen bereich derart entwickelt, dass der repetative Charakter nunmehr ein fester Bestandteil der U-Musik geworden ist und keinen echten Bezug mehr zum Schaffen von Reich, Riley und co hat.


    Deswegen, und so möchte ich meine Ausführungen zu einem Abschluss bringen, denke ich: nein.
    :P



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Ich glaube, dass ich bereits an anderer Stelle gesagt habe, dass man die sogenannte Techno - Musik ( allen voran die dafür als Pioniere geltenden "Kraftwerk" und auch Tangerine Dream ) durchaus auch als eine "U-Musik - Variante" der Minimalmusik bezeichnen könnte. Finden sich doch gerade dort sehr viele Klang- und Rhythmusmuster wieder. Bisweilen gibt es da sogar richtige Obertonmusik, sprich die Klangmuster entstehen durch entsprechend verfremdete elektronisch erzeugte Töne. Dennoch, und da muss ich dem "Chorknaben" beipflichten kann man diese "Anwendung" natürlich - insbesondere was die künstlerische Qualität betrifft - nicht mit den einschlägigen Grössen der Minimalmusik vergleichen.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Hallo,
    gerade entdecke ich den Thread 8o


    Hier passt sogar Keith Jarrett rein, besonders in den Sunbear Konzerten finden sich immer mal wieder längere Minimal Themen.


    Auch gut zu hören Michael Torke, die frühen Orchesterwerke wie Ash,Book of Proverbs, Adjustable Wrench oder Run, sind erweiterte MM.


    Stephen Montague, Behold A Pale Horse f. Orgel ist auch minimalistisch.


    Wilhelm Middelschulte, Toccata 'Ein Feste Burg Ist Unser Gott'
    hat mich fast aus dem Sessel gehauen, der Anfang ist genial.


    :hello:
    embe

  • Bei Keith Jarret fällt mir gleich das Label ECM ein.


    Da gibt es wohl noch mehrere Künstler, die dort Musik verlegen, die durchaus zumindest teilweise minimalistisch klingt.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Zitat

    Original von Aquarius
    Ich glaube, dass ich bereits an anderer Stelle gesagt habe, dass man die sogenannte Techno - Musik ( allen voran die dafür als Pioniere geltenden "Kraftwerk" und auch Tangerine Dream ) durchaus auch als eine "U-Musik - Variante" der Minimalmusik bezeichnen könnte. Finden sich doch gerade dort sehr viele Klang- und Rhythmusmuster wieder.


    Das ist so wohl richtig. Aber dazu muss gesagt werden, das genannte Künstler die elektronische Musik erst so richtig bekannt gemacht haben und sich dabei eben an den Stilmitteln des Minimalismuss bedient haben. Das ganze hat sich jedoch mit seiner ganz eigenen Dynamik gut 30 Jahre lang entwickelt und ist daher seinen Kinderschuhen und auch seinen Ursprüngen einfach entwachsen.




    Zitat

    Original von embe
    Hier passt sogar Keith Jarrett rein, besonders in den Sunbear Konzerten finden sich immer mal wieder längere Minimal Themen.


    Stimmt! Bei einigen seiner Werke habe ich das auch "beobachtet". In gleichem Atemzug kann man übrigens auch Yann Tiersen nennen.


    Zitat

    Original von embe
    Auch gut zu hören Michael Torke, die frühen Orchesterwerke wie Ash,Book of Proverbs, Adjustable Wrench oder Run, sind erweiterte MM.


    Stephen Montague, Behold A Pale Horse f. Orgel ist auch minimalistisch.


    Wilhelm Middelschulte, Toccata 'Ein Feste Burg Ist Unser Gott'
    hat mich fast aus dem Sessel gehauen, der Anfang ist genial.


    Danke für die vielen Tips, das meiste kenne ich noch gar nicht.



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Hallo, "Minimal-Experts"


    Ich kenne so gut wie gar nichts.


    Ich weiß, daß Nyman, Thiersen und auch Pärt dazugehören, bzw. davon beeinflußt sind.
    Pärt mag ich, Nyman und Thiersen kenne ich nur von der Filmmusik
    ( Greenaway, The Piano, Amelie..)


    Könnt ihr mir etwas für Einsteiger empfehlen, um mal einen Überblick, bzw. Einstieg zu bekommen?


    Jederzeit bereit, meinen Horizont zu erweitern
    zeichne ich hochachtungsvoll
    und begierig auf eure Antworten
    with my hand on my heart


    Juli

    Audio ergo sum

  • Hallo Juli,


    also ich bin ganz sicher kein Experte - aber auch sehr fasziniert von dieser Strömung.
    Die meines Erachtens sehr wohl ein Teil der klassischen Musik ist und eine der wichtigsten Strömungen der neuen Musik ist.


    Ich hab ja das Glück, dass das internationale Minimal Music Festival in Kassel stattfindet.
    Ich denke wenn man diese Konzerte live besucht dann hat man sehr schnell einen Zugang dazu.
    Manchmal gibt es auch Einführungen.


    (Ich hab mir da auch eine wunderbare CD mit Konzertmitschnitten zugelegt).


    Ein Vertreter der für die MinimalMusic sehr wichtig ist, ist Steve Reich.
    Das Octet (1979) ist ziemlich toll.


    Ist wohl auch eines seiner berühmtesten Kompositionen und auch gleichzeitig ein Paradebeispiel für die MinimalMusic



    Ich will deshalb demnächst noch diese CD hier haben:



    darauf sind wohl einige der wichtigsten Werke von Reich versammelt, allerdings in verkürzter Form.
    Es gibt ja einige Werke die fast bis zu einer Stunde dauern.
    Bei einigen Werken ist ja der Sinn dieser, den Zuhörer in Trance zu versetzen, da fast wie bei archaichen religiösen Gesängen bestimmte Phrasen stets wiederholt werden - mit minimalen Veränderungen.
    Deshalb ist diese CD auch nur dazu geeignet die Formensprache / die Musik ansich etwas besser kennen zulernen, die "Hypnose" fällt dabei allerdings flach.



    :hello:

  • Hallo Lullist,


    Erstmal danke für den Tip!
    Mir geht´s ja auch um einen Einstieg, in-Trance-fallen muss nicht unbedingt dabeisein! ;)
    ( "Wie war die Musik, Juli?" "....öh....äh...weiß nicht...wo bin ich?")


    Aber,wenn dir, als Freund und Kenner der Alten Musik das gefällt, dann besteht die Chance, daß es mir vielleicht auch zusagt. Ich bin ja ansonsten musikgeschmacklich auch nur vor 1750 anzutreffen.
    Wird also Zeit, daß ich meinen Horizont mal erweitere!
    Mit Neuer Musik habe ich mich bis jetzt noch nie beschäftigt, weil ich das Meiste, vor allem aber atonale Musik, furchtbar häßlich finde!
    Aber Minimal Music hört sich interessant an.
    Ich werde mir also den Steve Reich bei nächster Gelegenheit mal besorgen und anhören.


    LG
    Juli

    Audio ergo sum

  • Dies ist ein guter Einstieg in minimalistische Musik für Klavier solo.




    Es wird an etlichen Stücken, zB gerade Yann Thiersen, sehr deutlich, wie leicht minimalistische Musik in Kitsch abgleiten kann. Anderseits zeigen die Werke von Glass, Pärt, Adams und anderen, was minimalisitsche Musik leisten kann.


    Bei Nyman empfehle ich einen Blick auf seine Streichquartette:


  • MinimalMusic ist ja selten atonal, eigentlich sehr harmonisch.
    Es gibt auch innerhalb der MinimalMusic soviele Facetten, von sehr schwer verdaulichen Brocken bis hin zu Stücken, die man sich am Strand anhören könnte :D


    Generell mag ich die Musik zwischen 1825 - 1920 nicht besonders, danach geht es wieder los. Ich mag auch das atonale.
    Genauso ist es bei mir übrigens auch in der Malerei. Bis zum Klassizismus eröffnen sich mir immer Welten, aber die ganze Malerei der Romantik weckt in mir nur das Grausen. Für mich geht es dann erst um 1920 wieder mit richtiger Kunst los :stumm:


    :hello:

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  • Das ist interessant!


    Die Romantik liegt also in der weitesten Ferne!
    Mir geht es ähnlich: Romantische Musik kann ich überhaupt nicht mehr ertragen, dabei war meine erste Klassik-LP Tschaikowskijs Pathetique.
    Aber so geht es ja vielen.
    Was die Malerei anbetrifft mag ich auch entweder die ganz alten Meister der Renaissance und des Frühbarock oder aber Moderne Malerei, gerne auch abstrakte.
    Mir ist einfach dieses Pathos der Romantiker ziemlich zuwider, sowohl gestalterisch als auch musikalisch.
    Gut, daß Geschmäcker verschieden sind!
    De gustibus non est disputandum.


    Juli

    Audio ergo sum


  • Ich kann Robert Stuhr nur beipflichten! Eine grandiose Box, die eine Fülle von Neuentdeckungen enthält. Gerade der ausführende Pianist Jeroen van Veen legt mit seinen 24 Preludes auf 2 CD eine Musik hin, die allein das (schon so nicht sehr viele) Geld für die Box wert wäre.
    Vielleicht zählt Robert Stuhr das zwar auch zum Kitsch, er nennt den Mann ja nicht explizit, aber allein zu zeigen, in einem fast zehnminütigen Werk, welche schwebende Stimmung man mit einem 7/8-Takt erzeugen kann, finde ich persönlich genial.


    Wie seht Ihr das?

    Jeanquirit


    Unterhaltungsmusik ist, wenn man sich dabei unterhalten kann.
    Hanns Eisler

  • Zitat

    Original von Juli
    Könnt ihr mir etwas für Einsteiger empfehlen, um mal einen Überblick, bzw. Einstieg zu bekommen?


    Ich kempfehle zum Einstieg folgende CD:



    Hier sind Werke von John Adams, Philip Glass, Steve Reich und David C. Heath enthalten. Abgesehen von Heath, von dem ich sonst nichts kenne, und der auch nicht recht auf diese CD passt, sind auf der CD damit schon mal 3 ganz wichtige Größen und der Minimal Music vertreten. Zudem ist die CD mit ca 6,- EUR auch noch überaus preiswert. Perfekt also zu kennenlernen.




    Um nach dem lauschen obiger CD noch tiefer in den Minimalismus einzutauchen, empfehle ich zudem die zuerst eine weitere Beschäftigung mit den wichtigsten Vetretern (und Begründern) dieser Musikrichtung:


    Steve Reich



    Zwei wichtige und vergleichsweise lange Werke von Reich, der eine ganz eigenen Ton- und Rhythmussprache gefunden hat. Von reich ist überhaupt nahezu alle Werke uneingeschränkt zu empfehlen. Abraten hingegen möchte ich von Remixed, da hier seine Werke (nicht von Reich selbst!) stark elektronisch verfremded sind. Sicher interessant aber zum Kennenlernen ungeeignet wie ich finde.



    John Adams



    Diese CD gibt einen guten Überblick über das Schaffen von Adams. Waren frühe Werke noch sehr stark minimalistisch, hat Adams bei späteren Werken die Stilmittel des Minimalismuss zwar intensiv verwendet, aber nicht zum Mittelpunkt seiner Werke gemacht. Sein Harmonielehre ist dafür ein gutes Beispiel.



    Terry Riley



    Rileys Werk In C ist eines der wichtigsten Werke des frühen Minimalismus. Seine großen Freiheiten an Instrumentation, Anzahl der Musiker und die Aufführung der Musik selbst machen jede Aufführung einzigartig und damit spannend. In In C wird die Idee der "Pattern"-Musik, ein typisches Stilmittel des Minimalismus, sehr konsequent umgesetzt. Die obigen Aufnahmen kann ich uneingeschränkt empfehlen, es gibt jedoch noch viele weitere Aufnahmen von dem Stück, jede mit ihrem eigenen Charme. Später mehr dazu an dieser Stelle/Thread.



    Philip Glass



    Glass ist bis heute aktiv, und während seiner langen Schaffensperiode auf dem Gebiet der Minimal Music seit den späten 60ern seinem Stil sehr treu geblieben. Oben 2 CDs mit interessanten und beisielhaften Werken von ihm.




    Diese Werke sollten Dir in jedem Fall einen sehr intensiven Einblick in die Minimal Music geben können. Weitere Komponisten wie Nymann, Thiersen, Otte, Gorecki, Kilar und viele viele andere bedienen sich ebenfalls gerne bei den minimalistischen Stilmitteln, gehören jedoch nicht zu den "Aktivisten der ersten Stunde".



    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Vielen Dank euch allen!


    Da habe ich ja schon jede Menge Empfehlungen.
    Und jetzt bin ich langsam richtig neugierig auf die Musik geworden!


    LG
    Juli

    Audio ergo sum

  • Hallo, Juli!


    Dank an den Chorknaben für die vielen Links und Hinweise. Viel weiter oben hatten wir bereits das Vergnügen. :hello:


    Nur ein ganz kurzer Senf von mir:


    Ich höre auch immer wieder gerne etliche der genannten Werke, am liebsten die "Music for eighteen musicians" von Steve Reich, in der man eine Stunde lang verschwinden kann :angel:, oder die attraktiven Violinkonzerte von John Adams und Peter Michael Hamel.


    Wenn Du aber nicht gerade ein ausgeprägtes Faible für Popmusik hast, würde ich Dir Glass' "Glassworks" nicht empfehlen. Das ist schon arg flach. Reizvoll erscheint mir seine Filmmusik zu solchen Experimental-Öko-Streifen wie "Koyaanisquaatsi" (Schreibung ohne Gewähr, hab jetzt keine Lust, nachzuschauen), da hat die Flachheit mehr Methode!


    Kilars Klavierkonzert gefällt mir sehr, der Gorecki-Hit wäre lang zu diskutieren ... :yes:


    Abraten möchte ich noch von dem triefenden Klavierkonzert für den "Piano"-Film von Michael Nyman. Dagegen ist ja Tschaikowsky swingende Spätbarockmusik. :D


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • ich habe lange überlegt, möchte aber an dieser Stelle doch auch noch einen recht brauchbaren weiteren Hörtip loswerden:



    RYUICHI SAKAMOTO: Discord


    Dieses Album ist quasi eine 4 sätzige Symphonie, bei denen der Komponist eine musikalische Idee bis ins letzte Detail fein durchdacht und konsequent durchführt.


    Sakamoto halte ich sowieso für einen sehr interessanten zeitgenössischen Komponisten und Musiker. In seiner fernöstlichen Heimat ist er sowohl als Popkomponist, als auch als Film- / "Klassik"-komponist äusserst beliebt.


    Hierzulande dürfte er den meisten wohl nur als Filmkomponist bekannt sein.


    Im obenstehenden Werk hat er einen ( unter anderem im Rahmen seiner popmusikalischen Erfahrungen via eigener Technostücke übrigens ) meines Erachtens meisterhaften Beitrag zur - im weiteren Sinne gefassten - Minimalmusik abgeliefert.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • WolfgangZ


    Zitat

    "Koyaanisquaatsi"


    An den Film kann ich mich auch noch erinnern, muß aus den 80ern sein.
    Koyaanis...heißt, glaube ich, soviel wie: Leben aus dem Gleichgewicht; ist aus irgendeiner Indianersprache.
    Na ja, war halt damals die Ökobewegung!


    Zitat

    Abraten möchte ich noch von dem triefenden Klavierkonzert für den "Piano"-Film von Michael Nyman. Dagegen ist ja Tschaikowsky swingende Spätbarockmusik.


    So, du magst also das "Piano" nicht! :D
    mein Sohn hat mal eins der Stücke von Nyman gespielt: "the heart asks for pleasure first" oder so ähnlich. das Stück, daß sie am Strand spielt.
    Schon ein bisserl kitschig, aber für Filmmusik ganz nett!
    Lieber mag ich allerdings Thiersen, die Musik für Peter Greenaways Filme.
    My favourite: The cook, the thief, his wife and her lover!



    Aquarius


    Zitat

    Sakamoto halte ich sowieso für einen sehr interessanten zeitgenössischen Komponisten und Musiker. In seiner fernöstlichen Heimat ist er sowohl als Popkomponist, als auch als Film- / "Klassik"-komponist äusserst beliebt.


    Kennst du Sakamotos "Life"?
    da wirkt angeblich der Dalai Lama mit, vor allem aber ein von mir sehr geschätzter Countertenor: Daniel Taylor
    ich kenne die Musik aber nicht, kannst du etwas dazu sagen?


    LG
    Juli

    Audio ergo sum


  • Noch stärker als die Film-Musik zu Koyaanisquaatsi, finde ich die zu dem biographischen Film Mishima von Paul Schrader - dem Drehbuchautoren von "Taxi Driver" - wenn man den Film "Truman Show" kennt, weiß man wo Glass bei sich selbst kopiert hat.


    Ansonsten möchte ich auch Steve Reich ans Herz legen - mit Sicherheit der versierteste und intelligenteste Vertreter der MinimalMusic. Glass war IMO anfangs interessant, tritt inzwischen aber nur noch auf der Stelle. Reich hat
    seine Kompositonstechniken und ästhetischen Sichtweisen einer ständigen Kontrolle unterzogen. Das Resultat ist eine Vielseitigkeit, wie sie bei kaum einem anderen Komponisten der Minimal Music anzutreffen ist - und doch ist es immer unverkennbar Reich. Bei ihm spielt auch der Rhythmus eine große Rolle.


    Die Music für 18 musicians ist eines seiner längsten Werke - ob sie sich als Einstieg eignet....ich würde eher davon abraten. (Wenn es die gleiche Länge sein soll dann das geniale Drumming - und zwar unbedingt in der Besetzung durch das Ictus Ensemble - das Werk wurde mal als Ballett" aufgeführt!!).


    Ansonsten finde ich die Counterpoint-Reihe als Einstieg gut - die Dauer nicht zu lang, das harmonische und rhythmische Gerüst nicht mehr so starr, wie in der Anfangsphase (Höhepunkt: Piano Phase): z.B. New York Counterpoint.


    Für vokalphile Ohren ist Tehillim geeignet: eines der besten Werke von Reich. Zunächst nur über den durch klatschende Hände erzeugten Rhytmus Sopranstimmen in rhythmisch freier Entwicklung und nur dem Text verbunden. Anschließend verdichtet sich das Geschehen zunehmend.


    Nyman ist mir nicht nur ein "bisserl" zu kitschig - wenn ich Kitsch haben will, dann höre ich Holms Tränen lügen nicht - das ist unverhohlener Kitsch :stumm::D

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