Liebe Forianer,
Wie schon beim Thema Zauberflöte ("Die Zauberflöte - ein Machwerk?)
angekündigt möcht ich den dort begonnenen Weg weitergehen, und zusätzlich zu den Threads, welche Beurteilungen einzelner oder mehrerer Schalkplatten- resp. CD-Aufnahmen beinhalten, auch solche ins Leben rufen (oder von Euch ins Leben gerufen haben), welche sich mehr mit dem sozalen oder textlichen Umfeld verschiedener Werke befasst, seien es nun Einzelwerke oder Gruppen.
Die heutige Gruppe, ich nehme hier drei Werke als typische Vertreter, beinhaltet die sogenannten "Grusel- und Geisteropern" , wie sie im 19 Jahrhundert in Mode kamen. In etwa zur gleichen Zeit, vielleicht etwas früher schrieb Loewe seine Balladen, teilweise auch richtige Schauermärchen.
Die Idee zu diesem Thread kam mir, wie so oft, durch Anregung von Eurer Seite (wenngleich nicht ganz beabsichtigt :D). als jemand schrieb, er halte Webers Freischütz für verstaubt (oder so ähnlich jedenfalls). Ganz kann ich das nicht verstehen, akzeptiere es aber natürlich. Im Prinzip ist der "Freischütz" textlich gesehen das "modernste", will sagen "rationellste" der drei von mir als Beispiel herangezogenen Stücke, und zwar deshalb, weil all die bösen Weissagungen und überlieferten Schrecknisse, trotz alle Vorzeichen (Totenkrone, Bild fällt von der Wand etc.) eben nicht eintreten. (Kaspar muß allerdings dran glauben, ein dramaturgisch publikumswirksames Cliché, das vom Opernpublikum des 19. Jahrhunderts einfach erwartet wurde.- Der Bösewicht wird bestraft)
Wesentlich konservativer ist da schon das Libretto von Wagners "Fliegendem Holländer", welches der Komponist selbst, allerdings auf alten Quellen basierend schrieb.
Er entnahm die Geschichte Heinrich Heines "Die Memoiren des Herrn Schnabelewopski (1839)", der wieder eine alte hollandische Sage als Quelle hatte, ebenso übernahm er Anregungen aus Wilhelm Hauffs "Gespensterschiff (1826)
Hier gibt es eigentlich keine Verbindung zu "rationalen" Welt mehr, Senta hat ein vorbestimmtes Schicksal, in das sie sich willig fügt, ja dem sie sogar entgegeneilt. Der Kunstkniff besteht meiner Meinung nach darin, daß
dem Zuschauer suggeriert wird, Senta wäre die Erlöserin des "Holländers", in Wahrheit bezahlt sie seine " Erlösung", die nicht näher definiert ist, mit ihrem Leben. Wagner selbst war sich der Schwäche des Werkes in diesem Punkt durchaus bewusst, deshalb gibt es auch zumindest 2 Fassungen. Über eine 3. Änderung dachte er nach, realisiert wurde sie allerdings nie.
Aus heutiger Sicht müsste "Hoffmanns Erzählungen" jedoch das "altmodischeste" Stück dieser Gruppe sein.
Auch hier gibt es allerdings etliche Versionen, alle paar Jahre taucht neues Text- und Notenmaterial auf, so daß man sich die Frage Stellen muß: Wie lang ist diese Oper eigentlich wirklich ?)
Aber egal welche Fassung wir heranziehen, die Kernaussage bleibt immer gleich: Es ist alles vorbestimmet, man kann seinem Schicksal nicht entfliehen.(Ein Standpunkt der im 20. Jahrhundert radikal bekämpft wurde)
Während die beiden ersten Opern in längst vergangenen Zeiten spielen (Beide etwa um 1650) ist die Handlung, zumindest jedoch die Rahmenhandluing um etwa 1800 bis 1810 anzusiedeln (E.T.A.Hoffmann lebte von 1776-1829, er ist die Hauptfigur)
Während man die 3 Episoden der Binnenhandlung auch als Träume verstehen kann, ist die Rahmenhandlung sehr real.
Hoffmann verliert seine Geliebte erneut, diesmal ganz unspektakulär an seinen ewigen Widersacher, diesmal Rat Lindorff, weil sich seine Freundin vom völlig betrunkenen Hoffmann abgestoßen fühlt.
Alle 4 Geschichten (Die 3 Novellen der Binnenhandlung sind in großen Teilen von E.T. A Hoffman, aber auch Adalbert von Chamissos "Peter Schlehmihls wundersame Geschichte" wird verwendet) suggerieren , daß der Held sein Leben nicht frei gestalten kann, weil "böse Mächte"
(verkörpert durch Dr. Mirakel, Coppelius, Dapertutto (Dapertuttoist italienisch , heißt übersetzt "überall" und ist ein Synonym für den Teufel)
und letzlich Rat Lindorf, die üblicherweise immer vom selben Sänger darzustellen sind.)stets im letzten Augenblick sein Glück zerstören.
Diese Gedankengänge finden sich übrigens auch in italienischen Opern, ich nenne hier stellvertretend "Rigoletto" (Der ursprünglich "Der Fluch" hätte heißen sollen, oder an "Die Macht des Schicksals"
Alle genannten deutschen Opern benutzen volkstümlich klingende musikalische Elemente. Hoffmanns Erzählungen ist zwar eine französische Oper, jedoch sind die Textvorlagen eindeutig typische Produkte Deutscher Romantik, teilweise in Deutschland spielend (Rahmenhandlung= Nürnberg, Der Antonia-Akt ("Rat Crespel") spielt auch in Deutschland., sodaß ich sie thematisch ohne Zweifel der Deutschen Romantik zuordnen kann.
Warum hier eine oder die andere Oper als "altertümlich" empfunden wird
erschließt sich mir nur schwer, wenngleich ich solch eine Ansicht natürlich akzeptieren muß.
Aber macht nicht gerade das Altertümliche gerade den Reiz solcher Opern aus, dieses Verschwimmen zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Scheinwelt und Realität ? Märchen für Erwachsene gewissermaßen.
Beste Grüße aus Wien
Alfred