Stilpluralismus der Gegenwart

  • Es geht hier nicht darum, Empfehlungen zu sammeln, sondern ein wenig über den Begriff "Stilpluralismus" nachzudenken.


    Er drückt aus, dass es keine übersichtliche Menge vorherrschender Stile in der Gegenwart gibt. Es soll also auf das unterschiedliche bis "unvereinbare" der Stile aufmerksam gemacht werden.


    Seit es den Stilpluralismus gibt, wechseln aber auch die Komponisten immer mal wieder ihren Stil - woraus resultiert, dass sie gar nicht "ihren Stil", sondern deren mehrere haben.


    Das führt mich zur Frage, was dann überhaupt noch ein Stil sein soll. Ich möchte drei in den 80er/90er-Jahren wichtige Stile (?) als Beispiel nehmen:


    "Neue Einfachheit" von Rihm, Bose, Müller-Siemens, Schweinitz. Die Komponisten trafen einander in den frühen 80er Jahren und stellten überraschende Gemeinsamkeiten fest in dem, was sie unabhängig voneinander produziert hatten. Ich erkenne Expressivität, Bezug auf Romantik/Expressionismus, Vorliebe für sehr hoch gesetzte Streicher, klare Brechung dessen, auf das sie sich beziehen.


    "New Complexity" (Ferneyhough) - ein kompositorischer Dekonstruktivismus, der sich nicht auf vorserielle Musik bezieht.


    "musique concrete instrumentale" (Lachenmann) - eine Musik in der Klangerzeugung und Geräuschtyp Grundlage des Komponierens ist.


    Bei den Gründervätern dieser Richtungen mögen das ja Stile gewesen sein. Und es mag viele Komponisten geben, die in deren Kielwasser plätschern, die aber keine Aussicht auf einen sonnigen Platz in der Musikgeschichte haben.
    :baeh01:


    Kann man daher zum Schluss kommen, dass gegenwärtig ein Stil maximal 10 Jahre lang als Stil existieren kann um dann nur noch als Bezugspunkt ein relatives Dasein zu fristen verdammt zu sein?

  • Ich glaube daß man aus heutiger Sicht noch gar nicht so recht über die stilistischen Entwicklungen der letzten 20-30 Jahre urteilen kann.


    "Neue Einfachheit", "Post(postpost....)moderne",
    "Neue Komplexität" - das sind doch alles nur Schlagworte, die zu einer guten Vermarktung des Ganzen gehören!
    Tatsache ist, daß heutzutage "alles möglich" ist - und genau an diesem Überangebot an (scheinbarer!) stilistischer Freiheit scheitern viele Komponisten (& auch Zuhörer).


    Wer etwas zu sagen hat, der sagt es in seiner ureigenen Sprache -
    ob er verstanden wird, oder überhaupt verstanden werden will, hängt von seiner Bereitschaft ab, auch wirklich zu kommunizieren.


    Interessiere ich mich dafür, daß meine Musik (gern) gehört wird
    oder will ich nur den Inhalt meiner Schubladen füllen.
    Möchte ich das Rad neu erfinden oder einfach musizieren?
    Will ich die Schlechtigkeit der Welt zum Gegenstand meiner Musik machen oder glaube ich an die Schönheit der Kunst
    ("...hast uns in eine bess're Welt entrückt....")?


    Die Frage des Stils oder der Beständigkeit eines Stils überlässt man besser kommenden Generationen - meine Meinung.



    Gruß


    Michael

    Gruß,


    Michael

    Einmal editiert, zuletzt von MFP ()

  • Zitat

    Original von MFP
    Die Frage des Stils oder der Beständigkeit eines Stils überlässt man besser kommenden Generationen - meine Meinung.


    Also mich als Komponist muss das auch heute schon ein wenig interessieren ...


    Aber wir können ja ruhig mehr als 20-30 Jahre zurück gehen. Die 50er und 60er waren ja alles andere als homogen und stationär. Zwölftonmusik, Serialismus und Neoklassizismus verabschiedeten sich quasi simultan. Lebensdauer: Zwölftonmusik und Neoklassizismus ca. 40-50 Jahre, Serialismus keine 20 Jahre. Aber als Bezugspunkte durchaus noch lebendig.


    Deine These mit den Schlagworten zur besseren Vermarktung halte ich für Quatsch. Und selbst wenn einer dieser Begriffe möglichst gutklingend gewählt ist, werden sie verwendet, um stilistische oder technische Dinge zu bezeichnen, damit man nicht immer alles erklären muss - so wie das Fachchinesisch in jeder Wissenschaft.


    Die ureigene Sprache halte ich auch für Quatsch, jegliche Sprache muss erst erarbeitet und entwickelt werden, keiner kommt mit sowas auf die Welt!


    Deine Fragen sind natürlich Fragen, die jeder auf seine Art beantworten kann. Womit wir wieder beim Pluralismus wären ...

  • Auch mich als Komponist interessiert das -
    nur habe ich keine Lust, mir zu viele Gedanken darüber zu machen!


    Zitat

    Deine These mit den Schlagworten zur besseren Vermarktung halte ich für Quatsch.


    ...glaubst Du wirklich?



    Zitat

    Die ureigene Sprache halte ich auch für Quatsch, jegliche Sprache muss erst erarbeitet und entwickelt werden, keiner kommt mit sowas auf die Welt!


    schon wieder Quatsch - ?
    Natürlich muß jede Sprache erst entwickelt werden -
    aber jeder entwickelt sich anders und findet (irgendwann) zu seiner
    ureigenen Sprache - falls er nicht ständig irgendwelchen Modeerscheinungen hinterherläuft.


    Zitat

    Und es mag viele Komponisten geben, die in deren Kielwasser plätschern, die aber keine Aussicht auf einen sonnigen Platz in der Musikgeschichte haben.


    Arbeitest Du auf einen "sonnigen Platz in der Musikgeschichte" hin ?


    Das wirft wieder die Frage auf: warum komponiere ich ?

    Gruß,


    Michael

  • Zitat

    Original von MFP
    ...glaubst Du wirklich?


    "nur Schlagworte zur besseren Vermarktung" ist ganz klar nicht richtig. Allerdings mag es stimmen, dass eine gekonnte Etikettierung schon ihre Wirkung haben kann. Dann muss aber auch der "Inhalt" was mit dem "Schlagwort" zu tun haben. Und dann ist die Etikette eventuell auch wieder Terminus-fähig.

    Zitat

    aber jeder entwickelt sich anders und findet (irgendwann) zu seiner
    ureigenen Sprache - falls er nicht ständig irgendwelchen Modeerscheinungen hinterherläuft.


    Naja, zumindest zu einer eigenen Stimme - das "ur" halte ich in der Tat für deplaziert. Und diese Stimme ist etwas wandelbares, auch, wenn man nicht hinter Modeerscheinungen hinterherläuft. Aber auch beim Hinterherlaufen kann man seine Stimme behalten, wie Fortner bewiesen hat, der neoklassizistisch, zwölftönig, seriell und postseriell hinterhergelaufen ist, und dennoch er selbst blieb - wahrhaft erstaunlich und in SEINER Art imponierend.

    Zitat

    Arbeitest Du auf einen "sonnigen Platz in der Musikgeschichte" hin?


    Nach Möglichkeit. Ich friere nämlich immer so leicht.
    ;)


    Noch zu einem älteren Zitat:

    Zitat

    Tatsache ist, daß heutzutage "alles möglich" ist - und genau an diesem Überangebot an (scheinbarer!) stilistischer Freiheit scheitern viele Komponisten (& auch Zuhörer).


    Genau. Und das hat mE durchaus mit den Überlegungen über stilistische Haltbarkeit zu tun ...

  • Zitat

    Naja, zumindest zu einer eigenen Stimme - das "ur" halte ich in der Tat für deplaziert. Und diese Stimme ist etwas wandelbares, auch, wenn man nicht hinter Modeerscheinungen hinterherläuft. Aber auch beim Hinterherlaufen kann man seine Stimme behalten, wie Fortner bewiesen hat, der neoklassizistisch, zwölftönig, seriell und postseriell hinterhergelaufen ist, und dennoch er selbst blieb - wahrhaft erstaunlich und in SEINER Art imponierend.


    Da hast Du natürlich sehr recht - Strawinsky war für mich auch so ein Beispiel -
    so etwas bewundere ich sehr!
    Gemeint war natürlich: (verzweifelt) eine Mode hinterherlaufen und
    "das Hinterherlaufen" zum eigenen Stil zu deklarieren.


    Zitat

    Nach Möglichkeit. Ich friere nämlich immer so leicht.


    das klingt überzeugend ! Ich wünsche Dir viel Glück dabei - und möglichst wenig "frostige Begegnungen" ;)

    Gruß,


    Michael

  • Die gedankliche Ansatz ist für mich zunächst dieser:


    Bevor ich mich den Begriffen "Neue Sachlichkeit" etcpp. nähere, konstatiere ich das Vorhandensein von zahlreichen Personalstilen. Da haben wir in verschiedenen Threads schon darüber gesprochen. Das scheint mir das ganz wesentliche Kennzeichen der zeitgenössischen Musik zu sein.


    Inwieweit Personalstile zu Gruppen mit gemeinsamen Merkmalen zusammengefaßt werden können, wäre eine weitere Frage. Wobei ich nicht verschweigen will, daß ich das für ein mind. sehr schwieriges Unterfangen halte. Und auch die Frage wozu? stellen möchte.


    Für die letztgenannten Stile nennst Du selbst jeweils einen Komponisten. Das wäre - sofern keine anderen hinzutreten - nur ein Personalstil.


    Inwieweit besteht denn Konsens, die erstgenannte Gruppe von Komponisten unter diesen Begriff zu subsumieren? Oder ist das mehr ein gedankliche Krücke? Eine Kategorisierungsspielerei?


    Als Schlagwort für eine bessere Vermarktung kann ich den Begriff jedenfalls nicht sehen.

  • Hallo Robert,


    leider ist es ganz so einfach auch nicht. Wenn gerade eine Stilerfindung en vogue ist, wird sie immer von zahlreichen Künstlern nachgemacht. Oft ist es einfacher, die Zugehörigkeit eines Werkes zu einer solchen Stilmode zu erkennen als den Komponisten dazu. Oder mehrere Künstler entwickeln gemeinsam einen Stil. Denke an die Malerei: Kirchner, Heckel und Pechstein sind um 1910 nicht auseinanderzuhalten, Picasso und Braque auch kaum. In der Musik begegnet das auch immer wieder.


    Es gibt also die persönlichen "Sprachen" und die "Stile", durch die sich die Sprachen hindurchschlängeln - oder daran vorbeischlängeln. Dabei sind die "Stile" etwas schwer zu greifen. Manchmal denke ich: je mehr der Etiketten, desto besser. Nicht wegen der Spielerei sondern um das Gemeinsame zu bezeichnen, das sich plötzlich bei einigen durchaus persönlichen Leistungen zeigt (um die Epigonen und Nachläufer geht es dabei gar nicht).


    New Complexity: neben und nach Ferneyhough: Pugh, Finnissy, Kyburz, Mahnkopf würde ich in diesen Dunstkreis geben.


    musique concrete instrumentale: neben und nach Lachenmann: Richter de Vroe, eventuell Spahlinger, Billone


    Ich weiß nicht, wer die "neuen Einfachen" so etikettiert hat - sie selbst haben sich jedenfalls dagegen (leider erfolglos) gewehrt. Der Begriff ist nämlich völlig daneben.


    Vielleicht ist es aber falsch, diese Begriffe für Stilbezeichnungen zu halten. Vielleicht gibt es gar keine Stile mehr. Das ist nämlich eigentlich meine Frage hier.


    :hello:

  • Hallo MFP,
    hallo KSM,
    Ihr stellt die Fragen, die sich wohl alle Komponisten stellen.
    Allerdings: Kann man selbst auf einen Stil hinarbeiten? Erkennt man selbst den eigenen Stil? Und wenn ja: Ist das dann nicht eher das Gegenteil davon, nämlich ein bewusst eingesetztes Stilelement und damit eine Manier?
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    das Komponieren ist - zumindest bei mir -
    auch immer verbunden mit großen Selbstzweifeln;
    das Verwenden einer gewissen Technik ist noch lange
    keine Garantie für eine stilistische Zugehörigkeit;
    das Ausprobieren einer "neuen Technik" immer eine heikle
    Sache - will ich dadurch den Horizont meiner Aussagen erweitern
    oder will ich nur klingen wie "Herr XY"?


    Ich habe bei derartigen Experimenten herausgefunden, daß mir
    gewissen Dinge bzw. Techniken einfach widerstreben und ich mit
    dem Endergebnis einfach nicht zufrieden bin - wenn ich also nicht dazu stehen kann, wie soll ich dann den Zuhörer überzeugen?


    Gewisse Elemente kann ich beim Komponieren nicht ablegen -
    und das ist das, was ich zumindest als "persönliche Note" bezeichnen
    möchte - ob es tatsächlich ein "eigener Stil" ist, kann ich nicht sagen.
    Aber es schmeichelt sehr, wenn man vom Zuhörer "erkannt" wird ;)

    Gruß,


    Michael

    Einmal editiert, zuletzt von MFP ()

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  • Wenn ich eine "Gemeinsamkeit der verschiedenen Kompositionsansätze der letzten Jahre suche , dann glaube ich eine gefunden zu haben .


    Man könnte all die Musik, die in den letzten jahren geschrieben wurde - in diverse Schubladen stecken und ihnen je nach Gusto verschiedene Namen geben:


    Oppositionelle Musik - weil der Komponist (meist) in Opposition zum Publikum steht.


    Intellektuelle Musik - Weil man diese Musik vielleicht verstandesmäßig begründen und analysieren kann - kaum je geniessen



    Synthetische Musik - Um jeden Preis wird Neues gesucht - ob es gefällt oder nicht....


    Sagen wir es mal pontiert. Die Musik des späten 20. Jahrhunderts und später nimmt kaum bis gar nicht Bezug auf Auftraggeber bzw Publikum. Man könnte sich vorstellen, daß man unser Zeitalter dereinst auch jenes des Individualismus (eine elegante Umschreibung für Egoismus) bezeichnen wird. Jeder macht was er will ohne Bindung an irgendwelche Regeln und konventionen . Erlaubt ist (nicht nur) was gefällt - sondern (in besonderem Maße) auch was NICHT gefällt.


    Nonkonformismus als Stilmerkmal



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie ich meine, wird der Begriff "Stil" häufig als Sammelbegriff für verschiedene Inhalte, häufig von "Kompositionsmethode", verwendet. So ist das oben genannte Beispiel der Zwölftonmusik für mich nicht als Stil fühlbar, wohl aber als Methode des Komponierens mit 12 nur aufeinander bezogenen Tönen (deshalb mag ich den irreführenden Begriff "Zwölftonmusik" nicht sehr. Es ist eine "Zwölftontechnik").


    Ich kann es mir nicht vorstellen, auf einen Stil hin komponieren zu können. Vielleicht mag es dem einen oder anderen Komponisten gelingen, einen natürlichen oder natürlich wirkenden Organismus zu erschaffen, meist ist den Kompositionen der Krampf allerdings anzumerken (das bilde ich mir zumindest ein).


    Ich glaube, Stil ist eine unbewusste Art der eigenen (Musik)Sprache; wenn sich die Sprache mehrerer Komponisten sehr ähnelt, spricht man zurecht von einem gemeinsamen Musikstil.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Zwölftonmusik für mich nicht als Stil fühlbar,


    Und da fühlst Du völlig richtig.
    Ein für alle Mal: Die Dodekaphonie ist eine Technik, kein Stil. Ergo klingt der Berg ein bisserl anders als der Webern.


    :hello:

    ...

  • eine zwischenfrage:
    kann man technik und stil immer trennen?
    gibt es hier einen bedarf an begriffs-definitionen?


    meine frage begründet sich aus erfahrungen der bildenden kunst.


    beispiel: der kubismus ist sowohl eine technik, als auch ein stil.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Der Kubismus ist meiner Meinung nach ebenfalls eine Technik. Die Stile von Braque und Feininger liegen doch weit auseinander. Allerdings halte ich es für möglich und sogar wahrscheinlich, daß die Technik den Stil beeinflußt.
    :hello:

    ...

  • Da ich jetzt immer unsicherer wurde, was "Stil" überhaupt bedeutet, habe ich das unzuverlässigste aller Nachschlagewerke benutzt:

    Zitat

    Original von Wikipedia
    In Kunst und Handwerk bezeichnet der Stil demgemäß die Art und Weise, wie ein (Kunst-) Werk geschaffen ist (die Art des Prozesses und die Art des Resultats), wobei es um Merkmale geht, die typisch bzw. charakteristisch sind für einen Künstler, eine Epoche, eine Schule oder auch nur ein Werk. Der Stil kann unabhängig sein von Funktion oder Inhalt des Werks; dann hat er sich verselbständigt. In der Kunst wird Stil manchmal von Manier abgegrenzt.


    Demzufolge jedenfalls wären Zwölftontechnik und Kubismus schon Stile. Außerdem kann ein Stil auch nur einmal - nämlich in einem Werk vorkommen.


    Und ferner hätte jedes Werk zwangsläufig einen Stil, da sich für jedes Werk etwas Typisches wird finden lassen - oder?


    Nochmal zum Kubismus - was soll denn ein Stil im 20. Jh. sein, wenn nicht der Kubismus? Expressionismus und Dada wohl noch viel weniger. Oder den "alten" (polyphonen) und den "neuen" (homophonen) Stil um 1600 dürfte man dann auch nicht mehr als Stil ansehen, da Gabrieli und Gesualdo doch recht unterschiedlich sind aber beide zum alten Stil gehören?
    ?(

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Sagen wir es mal pointiert. Die Musik des späten 20. Jahrhunderts und später nimmt kaum bis gar nicht Bezug auf Auftraggeber bzw Publikum.


    Bezug nimmt sie schon immer mal wieder - auch z.B. wenn sie irritieren will.

    Zitat

    Man könnte sich vorstellen, daß man unser Zeitalter dereinst auch jenes des Individualismus (eine elegante Umschreibung für Egoismus) bezeichnen wird. Jeder macht was er will ohne Bindung an irgendwelche Regeln und konventionen . Erlaubt ist (nicht nur) was gefällt - sondern (in besonderem Maße) auch was NICHT gefällt.


    Dem ist eigentlich nicht zu widersprechen.

    Zitat

    Nonkonformismus als Stilmerkmal


    und als Aufgabe. Schließlich würde es keinen Sinn machen, dem Pluralismus entgegenzutreten, indem man dasselbe macht, wie jemand anderer. Der Pluralismus ist also gewissermaßen die Regel oder Konvention der Gegenwart. Sozusagen: "immer schön pluralistisch bleiben" - woraus folgt, dass nicht erlaubt ist, was einem so gefallen würde, nein, man muss - etwas anderes - machen (als das, was bekannt ist). Daraus folgt ja auch schon, dass so ein Stil entweder nur kurz halten kann oder sich stark ändern muss (denn sonst werfen böse Zeitgenossen wie Edwin und ich z.B. Pärt vor, immer nur sich selbst zu kopieren). Ist dieser musikgeschichtliche Stand reversibel? Oder war es doch schon immer so und nur das Tempo und die Distanzen sind größer geworden? Und wenn (was ich annehme) letzteres der Fall ist, können die Distanzen wieder kleiner werden? Ist nicht zu erwarten, dass durch Auffüllen von Bereichen "zwischen" den bekannten Stilen zwangsläufig die Distanzen wieder kleiner werden? Aber das ist wohl eine Frage des Beobachtungsstandpunkts - was zunächst sehr weit entfernt scheint sieht aus einem (künftigen) Blickwinkel plötzlich (aufgrund eines später entwickelten Stils) recht nahe verwandt aus ...
    :hello:

  • Zitat

    Kurzstückmeister: Demzufolge jedenfalls wären Zwölftontechnik und Kubismus schon Stile


    Wie ich meine, ist die Zwölftontechnik (Komposition mit 12 aufeinander bezogenen Tönen) das Pendent zu der Technik des Komponierens mit Tönen, die auf einen Hauptton bzw. eine Tonart bezogen sind (wie die gesamte barocke, klassische oder romantische Musik, aber auch Musik von Glenn Miller, Johnny Cash, Rex Gildo, Tokio Hotel sowie der Erkennungsmelodie der Ziehung der Lottozahlen). Es käme wohl niemand auf die Idee, diese Musiken unter dem Dach eines Stiles zu beherbergen.


    Ich meine, wir können die beiden rein technischen Vorgehensweisen nicht als Stil bezeichnen. Denn: was würde sonst "Technik" bedeuten?


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • @Alfred


    Zitat

    Wenn ich eine "Gemeinsamkeit der verschiedenen Kompositionsansätze der letzten Jahre suche , dann glaube ich eine gefunden zu haben .


    Man könnte all die Musik, die in den letzten jahren geschrieben wurde - in diverse Schubladen stecken



    da bin ich ja beruhigt, ich dachte schon, du meinst - in den Aktenvernichter...


    :baeh01:
    dorthin gehört IMO Musik jener Komponisten, die konsequent am Interpreten und am Publikum vorbeikomponieren - also z.B: die Provozierer, die Weltverbesserer, die Unbelehrbaren...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Zitat

    Original von tastenwolf
    da bin ich ja beruhigt, ich dachte schon, du meinst - in den Aktenvernichter...
    dorthin gehört IMO Musik jener Komponisten, die konsequent am Interpreten und am Publikum vorbeikomponieren - also z.B: die Provozierer, die Weltverbesserer, die Unbelehrbaren...


    Provozierer, Weltverbesserer und Unbelehrbarer, das paßt doch auch auf Mozart! :D

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  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    [
    Provozierer, Weltverbesserer und Unbelehrbarer, das paßt doch auch auf Mozart! :D


    Eben!! :pfeif::untertauch::D


  • ... leider kann ich nicht so gut formulieren, aber genau diesen Eindruck habe ich bei vielen sogenannten "modernen" Kompositionen auch.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Alfreds Schubladen sind ein Kunstkniff um nicht OT zu scheinen, obwohl sein Beitrag das voll und ganz war ...
    :baeh01:
    Ich fragte ja nach der "Haltbarkeit" der Stile und kam dann immer mehr in Unsicherheit, was "Stil" überhaupt bedeutet. Wenn man es so nimmt wie Edwin (Stil = Personalstil) stellt sich die Frage überhaupt nicht, da Personalstile sich ändern. Edwins Sicht scheint diejenige zu sein, derzufolge es eben gar keine (überpersonellen) Stile mehr gibt, womit die "Haltbarkeit" derselben auch aus der Diskutierbarkeit sich verabschiedet. Die genannten Tendenzen (um jetzt nicht Stile zu sagen) der 80er scheinen aber doch eine verbale Zusammenfassung zu rechtfertigen (vielleicht kommen bessere Etiketten erst, wenn sie länger abgelegen sind) - will man an sie anknüpfen, so muss das wohl auf eine Art "Neo-Tour" geschehen, nicht als "direkte" Fortsetzung, sie müssen wohl als "historisch" behandelt werden - sonst wirds epigonal. Nun, bei dreißig Jahre alten Stilen(?) ist das auch kein Wunder, das war zu Zeiten Mozarts auch so ...


    :baby:
    (in letzter Zeit ein besonders von mir für mich entdeckter Smiley)

  • Hallo Alfred,

    Zitat

    Wenn ich eine "Gemeinsamkeit der verschiedenen Kompositionsansätze der letzten Jahre suche , dann glaube ich eine gefunden zu haben .
    Oppositionelle Musik - weil der Komponist (meist) in Opposition zum Publikum steht.


    Reden wir jetzt über Richard Wagners "Tristan"? - Würde das nicht in einen Wagner-Thread gehören...? ?(


    Zitat

    Intellektuelle Musik - Weil man diese Musik vielleicht verstandesmäßig begründen und analysieren kann - kaum je geniessen


    Lieber Alfred, bitte laß' endlich Deine Seitenhiebe auf Guillaume Dufay. Nur weil Du Nono-Fan bist, brauchst Du nicht die Renaissance-Musik anzugreifen! :D


    Zitat

    Synthetische Musik - Um jeden Preis wird Neues gesucht - ob es gefällt oder nicht....


    Ja, sicher ist Gesualdo nicht gleich in vollem Umfang wahrgenommen worden. Dennoch glaube ich, daß seine Werke der Höhepunkt des Madrigals sind. :yes:


    Zitat

    Nonkonformismus als Stilmerkmal


    Ich könnte ihn verteidigen und einfach sagen: Beethoven war taub und hat daher nicht auf die Umwelt reagieren können. Aber ich glaube, daß er mit voller Absicht und intaktem inneren Ohr so komponiert hat, wie er es eben getan hat. :D
    :hahahaha:


    ------------------------------------------


    Hallo Kurzstueckmeister.

    Zitat

    Edwins Sicht scheint diejenige zu sein, derzufolge es eben gar keine (überpersonellen) Stile mehr gibt, womit die "Haltbarkeit" derselben auch aus der Diskutierbarkeit sich verabschiedet.


    Punktgenau!
    Meiner Meinung nach hat der Individualstil den Zeitstil (oder Epochenstil) abgelöst.
    Wenn ich etwa daran denke, wie man die "Neue Einfachheit" propagiert hat - und Rihm und von Bose ins selbe Boot gesetzt hat...


    :hello:

    ...