Die Beurteilung von Stimmen und Gesang

  • Zitat

    Original von Antracis
    Ich finde die Aussage, dass Singen eine Interpretation eines Textes mit musikalischen Tönen sei, sehr treffend.


    Lieber Sascha,


    Mit dieser Aussage bin ich völlig einverstanden. Ich meinte aber was anders.
    Bevor man den Text singen kann, muß man sie verstanden haben. Ich denke hier an einem Begrabnis. In der Kirche las ein Enkel einen Text aus der Bibel. Schnell, ohne Betonung, flach, usw. Er hatte jenen Text m.E. überhaupt nicht verstanden.
    Und gerade das minder gut verstehen von Texten führt dan gezwungenermaßen zu einer minder guten Ausführung.


    Ein anderes Beispiel. Von dem von mir so bewunderten FiDi. Ich habe auf LP Die Fledermaus, m.E. die einzige Operette woran er mitarbeitete. Da war er nicht gut. Er konnte nicht jene Heiterkeit vermitteln. Vermutlich hat er die Rolle gut verstanden, aber konnte er sie nicht darstellen. Das ist ein anderes Punkt. Heitere Rollen waren, glaube ich, nicht sein Fort.
    Und das ist doch auch Interpretation.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Fairy Queen



    Andererseis muss Kritik natuerlich erlaubt sein, darf aber nicht in Respektlosigkeit abgleiten.


    Und wo genau beginnt diese Respektlosigkeit ?



    Der "wertungskritische" Tenor dieses Threads ist mir ehrlich gesagt etwas zu vage. Einerseits ist etwas durchaus gut oder schlecht, andererseits aber auch eigentlich nur anders. Natürlich darf man kritisieren, aber man muß doch auch immer Anerkennen, was für eine Leistung es ist, überhaupt einen Ton zu produzieren ? Was soll man denn dann kritisieren, wenn eigentlich schon der Versuch zu singen, aller Ehren wert ist ? Natürlich sind die Großen zu respektieren - und was ist mit den Kleinen ? Wovor hat man denn den Respekt, wenn nicht vor der Leistung, die offenbar manchmal größer und manchmal kleiner war ? Oder doch nur anders ? Die Vorstellung, doch erstmal selber ein hohes C in petto singen zu müssen, um feststellen zu dürfen, dass es jemand anders nicht kann, erscheint mir doch etwas befremdlich. Wenn ich einen Tenor dafür kritisiere, dass seine Spitzentöne schlecht sind, ist dass keine Aussage, die auf den Vorwurf abzielt, er habe zu wenig geübt, sondern einfach ein Fakt vor dem Hintergrund, dass es alternative Sänger gibt, die das besser realisiert haben - und deshalb (hinsichtlich dieses Aspektes des Gesangs) - durchaus vorzuziehen sind.


    Der Respekt gegenüber einer Gesangsleistung zeigt sich aus meiner Sicht vor allem in der sprachlichen Form, mit der die Kritik geäußert wird. Und da habe ich in der Tat auch so meine Probleme mit manchem Kritiker-Profi und auch mit einigen Beiträgen innerhalb das Forums. Ein ernsthafter Versuch hat aus meiner Sicht auch immer an Anrecht auf ein ernsthaftes Urteil.


    Noch eine Ergänzung: Nicht zu unterschätzen ist der kommerzielle Faktor bei "Gesangsprofis": Wenn ich hier in Berlin in die Oper gehe, gehen schnell mal 100€ über die Kassentheke. Wenn dann eine Gesangsleistung geboten wird, die einfach nur enttäuschend ist, tue ich mich in der Tat schwer, darauf Rücksicht zu nehmen, dass dieser Sänger dennoch jahrelang hart an sich gearbeitet hat. Buhen würde ich natürlich trotzdem nicht, und die Leistung muß schon die Grenze der Respektlosigkeit dem Publikum gegenüber erreichen, um nicht wenigstens einen Höflichkeitsapplaus von mir zu bekommen.


    Gruß
    Sascha

  • Da bin ich völlig deiner Meinung, Sascha! "Ehrliches Bemühen" alleine reicht in keinem Beruf aus, sofern es nicht zu eine akzeptablen Leistung führt. Wobei ich das jetzt rein persönlich bei einem Sänger gar nicht an den Spitzentönen festmache - natürlich ist ein strahlendes C was Schönes, aber die wenigsten Sänger können es so locker aus der Kehle schütteln, und bevor dann ein Ton entsteht, der so klingt, als ob man einer Katze auf den Schwanz steigen würde, ist es mir allemal lieber, eine Arie wird transponiert. (Wobei ich das mit meinen Schweinsohren eh nicht höre... ;) ) Was ich einem Sänger hingegen nicht verzeihe, ist mangelndes Legato, Piani, die mit mehr "heißer Luft" als Stimme erzeugt werden, vordergründige Effekthascherei usw.
    Was das Vergleichen betrifft (Austrias Eingangsfrage!), so vergleiche ich eigentlich weniger Stimmen an sich miteinander, sondern wie verschiedene Sänger eine ganz bestimmte Arie oder auch nur Phrase singen. Ich habe dann oft die verrückte Vision einer Oper, in der vier Tenöre auftreten, jeder quasi als Spezialist für eine ganz bestimmte Szene. :D
    lg Severina :hello:

  • Lieber Sascha, fuer mich faengt Respektlosigkeit da an,wo persoenliche Profilierungssucht der Kritker ueber die messbaren Kriterien gestellt wird.
    Ich habe bereits gesagt, dass es auch fuer mich messbae Kriterien wie intonation, Stil, Legto, Dynamik, Adaequqte Interpretation einer Rolle gibt. Das ist Vorraussetzung, eRNSt gnommen zu werden.Gerade Saenger aber werden immer wieder zur Zielscheibe, weil die Kritiker nur Persoenliches in die Waagschale werfen: so wie auch im Schaefer-Thread passiert.
    Da die Stimme etwas so sehr persoenliches ist, ist diese Gefahr gross.


    Und DAS finde ich dann angesichts der Gesamtleistung respektlos. :motz:


    Ansonsten hast du natuerlich mit deinen Einwaenden nicht unrecht.
    Man sollte aber als Nicht-Saenger nie vergessen, was fuer eine Entbloessung es bedeutet, sich nur mit der Stimme bekleidet, vor Publikum zu stellen.
    Nein, es wird niemand dazu gezwungen und es gehoert schon ein gewisser Exhibitionismus dazu, d'accord!
    Ich will nur ein wenig AUCH dafuer sensibilsieren, sonst
    ncihts.
    Fairy Queen :angel:

  • Vergleiche sind immer etwas Relatives - aber ohne geht es natürlich auf die Dauer auch nicht. Schließlich ist die Urteilsfähigkeit im allgemeinen nur in sehr beschränktem Maß angeboren (das bedarf aber der Erläuterung durch Psychologie und Ethologie), zweitens muß man sich viele Kriterien erst aneignen. So wie man eine chinesische Malerei der Song-Zeit zwar auch "naiv" genießen kann, zum wirklichen Verstehen und vertieftem Genuß aber etwas von den "Regeln" begriffen haben muß, so ist es auch mit der Musik. Solche, die zu Zeiten geschaffen wurde, die uns - in welcher Weise auch immer - nahestehen, werden wir eher beurteilen können als ganz exotische Kreationen oder mittelalterliche Usancen. Um mir Urteilsfähigkeit zu erarbeiten, darf ich auch das Prinzip "Versuch und Irrtum" nicht scheuen. Dann besteht auch noch die Frage: Geht es mir nur um einen rein subjektiven Genuß, oder ist es auf die Dauer für mich notwendig, objektive Erkenntnisse zu erlangen, um auch den subjektiven Genuß wirklich befriedigend zu empfinden (weil ich dann weiß, das er sich nicht auf einer "primitiven" Stufe bewegt)?
    Bei den Stimmen kommt es wohl nicht auf einen einzigen Hauptfaktor an, wie das Timbre, sondern auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Jemand kann noch so ein schönes Timbre besitzen, wenn er permanent daneben singt oder nicht halbwegs artikuliert, wird es nicht reichen. Mit Hilfe von Vergleichen kann man aber die eigene Urteilsfähigkeit trainieren und verbessern. Man muß sich aber auch darüber klar sein, daß ich mit jedem angestellten Vergleich die Realität manipuliere und den Vergleich nicht verabsolutieren darf. Wenn ich ein Hauskonzert besuche oder in einer Kleinstadt eine Aufführung erlebe, erwarte ich ja auch nicht, daß ein Wundermix von Toscanini, Furtwängler, Serafin, Böhm und beiden Kleibers agiert, sondern werde mit eher bescheidenen Erwartungen erscheinen und mich freuen, wenn diese - was ich oft erlebt habe - bei weitem übertroffen werden.
    Jeder hat das Recht zu sagen, mir gefällt das und das oder mir gefällt es nicht. Der Kenner wird es einfach konstatieren, der Wissenschaftler muß auch Begründungen liefern. Dabei darf er keine normative Ästhetik anpeilen oder falsche Dinge miteinander verknüpfen. Wenn ich ein Werk des 19.Jahrhunderts z.B. als kitschig beurteile, dann nicht, weil ich es subjektiv nach heutigen Maßstäben so empfinde, sondern weil es auch nach damaligen Maßstäben als kitschig gelten muß. Mit der Zeit ändern sich eben Beurteilungskriterien und Begriffsinhalte. Kritik ist dann verletzend, wenn sie inadaequate Maßstäbe anlegt oder von außersachlichen Erwägungen bestimmt ist. Stets werden die Grenzen dabei fließend bleiben. Jemand wie Severina oder Austria (ich nehm' mich selber gar nicht aus) beurteilt ein Phänomen wie AN eher ganzheitlich, während Edwin deklarierterweise objektive stimmtechnische etc. und intellektuelle Argumente ins Treffen führt. Für mich als Kunsthistoriker ist das Optische eine wichtige Sache oder vielmehr die Abstimmung zwischen Akustischem und Optischem. Höre ich aber lediglich eine CD, ohne etwas dazu zu sehen, haben andere Maßstäbe zu gelten und tun das auch für mich. Ich könnte daher gar keine absolute Reihenfolge angeben, was für mich an erster Stelle steht. Außerdem kann die Individualität eines Künstlers, einer Künstlerin oder eines Stücks die Maßstäbe sofort verschieben.


    LG


    Waldi

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  • Hallo Sascha


    Zitat

    Für mich ist es so, dass das Timbre sicher absolut notwendig ist, um vollen Zugang zu der Kunst eines Sängers zu finden, es ist aber nicht hinreichend. Singen ist für mich schon mehr, als eine schöne Stimme zu besitzen. Problematisch am Timbre - und seiner zentralen Stellung als Brücke zwischen Interpret und Hörer - ist sicher, dass dies einer der Faktoren ist, auf den der Sänger einerseits am wenigsten Einfluss nehmen kann, der aber auch andererseits vom Kritiker am schwersten zu fassen ist.


    Da stimme ich Dir natürlich zu. Ich bin auch der Meinung, daß ein professioneller Kritiker zwar eine persönliche Meinung zum Timbre haben darf ;-) dabei aber berücksichtigen sollte, daß genau das Timbre eines Sängers eigentlich nicht "kritisierbar" ist - ich kenne mich zwar nicht so gut aus, aber ich denke, es ist so ziemlich das einzige, was man nicht wirklich "lernen" kann.


    Zitat

    Aber woran machst Du dann fest, dass er gut ist ? Dafür muss es doch Maßstäbe geben. Selbst wenn das nicht bewusst analytisch geschieht, muss doch ein Abgleich mit Deinen Vorstellungen vom Singen und einer passenden Rolleninterpretation stattfinden. Glaubst Du wirklich, dass sich diese Vorstellung unabhängig von Deiner (Hör)erfahrung durch Tonträger und Bühne entwickelt hat ?


    Könnte es nicht auch sein, daß ich in mir eine recht genaue Vorstellung davon habe, wie Don Giovanni aufgrund der Literatur und Mozart's Musik rüberkommen "muß"? oder vielleicht aufgrund meiner persönlichen Lebenserfahrung :D ?


    Zitat

    Wenn ich einen Don Giovanni auf der Bühne erlebe, der über eine Stimme verfügt, die sehr wenig geschmeidig geführt wird, er darüber hinaus Höhenprobleme hat und in keinster Weise eine gewisse Sinnlichkeit mittels Singen und Spiel ausstrahlt, ist er eine Fehlbesetzung, und wenn er einerseits nicht die Qualitäten aufweist, die ich von der Rolle erwarte und die bereits von vielen bedeutenden Rollenvertretern eingelöst wurden , andererseits dem nichts entgegen zusetzen hat, ist er halt aus meiner Sicht schlecht.


    Ist diese Beurteilung wirklich nur anhand von Vergleichen mit einem anderen Sänger möglich? Ich steig nicht runter :D Das hört man doch, ohne Vergleiche bemühen zu müssen, wenn einer Höhenprobleme hat, das sieht man doch, wenn einer nur herumsteht, usw.....


    Zitat

    Wenn nun natürlich jemand gerne einem Don Giovanni zuhört, der sich hölzern durch die Partie blökt, die Spitzentöne auslässt und anstelle einen Liebhaber von Don-Juan-Typus darzustellen, lieber unseren aktuellen Bundespräsidenten Köhler auf die Bühne bringt, bleibt Ihm das unbenommen - und er darf das natürlich auch gut finden. Aber nur, weil es anders ist, kann ich dann nicht zustimmen, das es sich um einen tollen Sänger handelt.


    Das ist, wie Dein Smiley auch zeigt, polemisch :D Einer, der "anders" ist, muß nicht in der von Dir beschriebenen Weise agieren. Bleiben wir beim Don Giovanni: jahrzehntelang war er der "charmante" Verführer, nun ist er auf den Bühnen zum brutalen Macho mutiert. Und es gibt bestimmt noch mehr Varianten, ihn darzustellen.


    Zitat

    Da stimme ich 100% zu. Allerdings haben sich die wirklich großen Sänger dadurch ausgezeichnet, dass viele Tugenden oder zumindest ein zentraler Vorzug extrem stark ausgeprägt waren (was wohl letztendlich auch zu einer seltenen Einstimmigkeit unter den diversen Publikationen zum Thema bei den wirklichen Knüllern führt.)


    Nö. Selbst bei den Knüllern gibts Streitereien, wie man hier oft nachlesen kann ;-)


    Zitat

    Aber generell gehe ich sicher nicht so weit zu sagen, es gäbe kein gut und schlecht, sondern nur ein anders. Das erinnert mich sonst sehr an eine Story, die mir eine Freundin neulich erzählte. Sie hat in Ihrem Studium der Sozialpädagogik gelernt, es gäbe keine weniger intelligenten Menschen, sondern diese seien nur alternativ begabt. Finde ich diesen Ansatz seitens der Pädagogik durchaus begrüßenswert, ist er aus meiner Sicht beim Singen nur eingeschränkt möglich. Denn immerhin handelt es sich dort um eine Kunst, die sich - trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen - innerhalb bestimmter Gestaltungsmittel bewegt.


    Mein Prinzip des "anders sein" bezieht sich ja direkt auf Stimme, Gesang und Darstellung. Ein Sänger, der falsch singt, dafür aber gut kochen kann, wird auch mich nicht in die WSO locken :D


    Zitat

    Inwieweit man nun für das Finden des eigenen Bewertungsmaßstabes den Vergleich bemühen möchte, ist - zumindest sofern es um den nichtkommerziellen Bereich geht - natürlich eine vollkommen persönliche Entscheidung.
    Es ist so, wie mit meinen Eltern: Die gehen seit 30 Jahren in das gleiche italienische Restaurant, das zwei Häuser von ihrer Wohnung entfernt ist. Und erzählen jedem, dass es dort das beste Essen in der Stadt gäbe, obwohl sie noch nie bei einem anderen Italiener waren. Aber Ihnen gefällts halt.


    Der Vergleich hinkt. Ich esse auch gerne französisch, griechisch, türkisch, chinesisch, japanisch... ;-) Zum Gesang: neben Ghiaurov konnten bei mir durchaus auch andere Baß/-baritone bestehen, wenn sie gerade an der WSO sangen. Was werden Deine Eltern übrigens machen, wenn dieser Italiener zusperrt?


    Zitat

    Die Frage ist, weshalb man kritisiert.


    Nö. Die Frage ist, wie man kritisiert ;-)


    Zitat

    Ich beziehe das mal konkret auf mich und meinen angestrebten Beruf:
    Wenn jemand einem Patienten empfiehlt, die Behandlung lieber von einem anderen Arzt durchzuführen zu lassen als von mir, weil der über größere Fachkompetenz für den konkreten Fall verfügt, ist das keine Verurteilung meines bisherigen Lebenswerkes, sondern ein extrem sinnvoller Hinweis für den Patienten.


    Wenn dieser Jemand Dich aber gleichzeitig mies macht oder in Deinem Privatleben herumschnüffelt, wird's schon ein bissl an Dir nagen, oder? Wenn ich dringendst einen Herzschrittmacher benötigte und der fachlich Kompetentere keinen Termin frei hat, käme ich zur Not auch zu Dir :D Auf die Musik umgemünzt: wenn die Knüller seit Jahrzehnten tot sind, werde ich mich deshalb nicht ins Kämmerlein zurückziehen, um rauschende CDs zu hören und auf Opernbesuche verzichten. Vor allem: was nützt es mir, festzustellen, daß "früher alles besser war"? ich nehme das an, was heute auf der Bühne steht. Ein Grund meiner "Milde" mag auch sein, daß das Live-Erlebnis für mich absolute Priorität vor Tonträgeraufnahmen hat.


    :hello:
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von Walter Krause
    Kritik ist dann verletzend, wenn sie inadaequate Maßstäbe anlegt oder von außersachlichen Erwägungen bestimmt ist. Stets werden die Grenzen dabei fließend bleiben. Jemand wie Severina oder Austria (ich nehm' mich selber gar nicht aus) beurteilt ein Phänomen wie AN eher ganzheitlich, während Edwin deklarierterweise objektive stimmtechnische etc. und intellektuelle Argumente ins Treffen führt.
    Waldi


    ähm.... *räusper*.... wär' ja zu schön, wenn er dabei bliebe :D


    :hello:


    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Natürlich ist es auch mir wichtig, ob mir eine Stimme vom Timbre her gefällt - aber für mich ist das das unwichtigste der wichtigen Kriterien.


    - Wenn eine Stimme herrlich klingt, aber seelenlose Koloraturen liefert,
    - ein wunderbar leuchtendes Timbre besitzt, ich aber nicht recht weiß, ob die/der Sänger/in nun in russisch, in französisch oder gar in deutsch singt
    - einfach schön ist, es aber an der korrekten Intonation fehlt,
    dann ist das einfach kein/e Sänger/in für mich.


    Ich habe eine wahrscheinlich völlig abwegige Auffassung von Gesang: Für mich ist Gesang niemals Selbstzweck, sondern kunstvoll gesteigerte Deklamation. (Daher kann ich mit den Belcanto-Werken und der daran anknüpfenden Entwicklung auch wenig anfangen.) Ich verlange von einem Sänger, daß er den Inhalt dessen, was er singt, entweder kennt oder zumindest mich davon überzeugen kann, diesen Inhalt zu kennen. Und damit meine ich auch bestimmte Schlüsselwörter, nicht nur die ungefähre Kenntnis des Inhalts eines Monologs.


    Ebenso ist mir wichtig, daß die/der Sänger/in die Stilsphäre eines Komponisten erfaßt. Wenn etwa, um nur ein Beispiel zu bringen, Neil Shicoff Brittens "Peter Grimes" singt, als wäre es Puccini, erlaube ich mir den Hinweis, daß Britten mit Puccini nichts zu tun hat, sondern seine Deklamation von Purcell ableitet.


    Darüber hinaus schätze ich es, wenn die/der Sänger/in auch musikalisch ungefähr weiß, was vorgeht. In Phrasen hineinatmen etwa schätze ich nicht so unbedingt, wenn ein/e Sängerin hingegen merkt, daß ein Komponist bestimmte melodische Motive zueinander in Beziehung setzt und die/der Sänger/in zieht das gesanglich nach, empfinde ich fast etwas wie ein Glücksgefühl.


    Und wenn das gegeben ist, dann mag ich auch Sänger/innen, deren Timbre ich an sich absolut nicht schätze.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    (Daher kann ich mit den Belcanto-Werken und der daran anknüpfenden Entwicklung auch wenig anfangen.)


    Wie war des noch @Edwin?
    Du magst Belcanto (=schönen Gesang) nicht? Und wo tun wie da den Mozart hin @Edwin?????? ggg


    :hello:

  • Hallo Michael,


    also erstens ist Mozart meines Wissens nach nicht gerade der Exponent des Belcanto (da würde ich eher Donizetti, Bellini, Rossini und die Weiterentwicklungen nennen), zweitens - hm, Mozart... Es gibt Komponisten, viele Komponisten, sehr viele Komponisten, die mir mehr bedeuten... :untertauch:
    :hello:

    ...

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  • Wichtig bei einem Sänger ist, da wiederhole ich mich, welche Ausstrahlung der Sänger hat, Präsenz, Textverständlichkeit, SEELE, Interpretation, wie kommt es bei dem Zuschauer an. Lieber eine Stimme die weniger schön ist, aber mit Herz und Seele gesungen, als eine technisch perfekte Stimme, die das Publikum überhaupt nicht anspricht, tot ist, kalt ist.
    Natürlich ist es super, wenn beides gut ist.


    Darum ist es für meine Gesangsschüler wichtig Bühnenpräsenz zu erlernen, mit Herz zu singen, das Publikum anzusprechen, dafür mache ich Workshops, damit sie lernen szenisch Arien umzusetzen, zu interpretieren, um sich wohl zu fühlen auf der Bühne.


    Liebe Grüsse


  • Hallo EDwin,
    Eben deshalb habe ich solche Probleme mit "historischen Stimmen", weil mich da sehr oft das Gefühl beschleicht "Der weiß überhaupt nicht, was er da singt!" (Sonst könnte er z.B. jetzt nicht so brüllen, er müsste ein ganz anderes Wort betonen usw. uw.) Das bezieht sich allerdings nur auf das vorest winzige Spektrum historischer Stimmen, die ich kenne. Sascha hat mir erfolgreich Jussi Björling ans Herz gelegt, mit dem könnte ich mich durchaus anfreunden, :D , also vielleicht habe ich bisher einfach nur das Falsche gehört. (Corelli z.B. :( :( :( )
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner



    Es gibt Komponisten, viele Komponisten, sehr viele Komponisten, die mir mehr bedeuten...


    „Bedeuten oder weniger“ Edwin ist sicher subjektiv. Und müssen tut ma gar nix @Edwin.
    Ich würd halt mal meinen, wenn die Arien
    (Don Ottavio – Don Giovanni):
    „Il mio tesoro intanto“
    und in Cosí fan tutte (Ferrando):
    „Un’aura amorosa“
    nicht zum schönsten gehören, was der Belcanto überhaupt hervorgebracht hat, dann weiß ich nicht mehr, was ich dazu sagen soll. ?(


    LG Micha :hello:

  • Salut Austria [als Threadstarterin] und alle, die es sonst noch interessieren könnte,


    bei Stimmen ist mir der persönliche unverkennbare Eigenklang der Stimme - die Stimme selbst eben - am aller wichtigsten. Man kann das vielleicht vergleichen mit einer reizenden oder interessanten Telefonstimme. Eine großartige Sängerin, deren Namen mit gerade nicht einfällt, meine in "Menschen der Woche" vor kurzen sinngemäß, dass die heute ausgebildeten Stimmen zwar ganz gut seien, aber dem Zeitgeschmack entsprechend [offenbar] alle gleich klingen und austauschbar sind. Sowas hatten wir mit Orchestern auch schon mal - gar nicht lange her...


    Für mich gehören dazu Ann-Christin Biel, Gösta Winbergh, Marijana Mijanovic [oder wie das Ding heißt], Simone Kermes, Veronica Cangemi, Sylvia Sass, Vivica Genaux, Antonio A[n]bete, Cecilia Bartoli... Stimmen, die man sofort erkennt [auch, wenn man garnicht hinhört].


    :hello:


    Ulli

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    und dennoch wird Mozart meines Wissens nicht zum Belcanto gerechnet, obwohl es gut ist, seine Musik schön zu singen.


    Worauf liegt die Betonung?


    :boese2:

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

  • Unter Saengern zaehlt Mozart sehr wohl zum Belcanto.
    Wegbereiter und exemplum in nuce sozusagen.


    Wer Mozart singen kann, kann auch bald Bellini und Donzetti singen und eine bessere Übung fuer die Stimme als Mozart gibt es meiner Ansicht nach gar nicht.
    Legato, Beweglichkeit, Schierer Schoenklang. Mittelmaessigkeit,
    haessliche Stimmfarbe oder schlechte Angewohnheiten raechen sich sofort.
    Alles muss klingen als sei es ganz natuerlch und kinderleicht und gerade das ist es eben nicht.
    Viele denken Mozart sei etwas fuer Anfaenger.
    Vom Notenbild mag es so scheinen, wenn man sich etwa Zerlina, Cherubino oder Despina ansieht.
    Aber Mozart gut singen, d.h. SCHOEN zu singen, ist eine echte Meisterschaft und ich behaupte mal, dass das viel schwieriger ist als Verdi oder Wagner.
    Da kann man naemlich nicht mit Gebruelll oder Deklamation und allerlei angeblichen Ausdrucksmitteln ueber stimmliche Maengel hinwegtaeuschen. :no:
    Gesang als eine Form der Deklamation zu sehen, lieber Edwin, finde ich eine sehr verkuerzte Denkweise.
    Gesang ist viel mehr als das.
    Wir sind doch nciht in der griechischen Tragoedie steckengeblieben!
    Fairy Queen :angel:

  • Äh,


    also Mozart als Übungsvorstufe zu Donizetti und Bellini zu bezeichnen, halte ich für ziemlich grob danebengelangt.


    Es gibt in der Musik m. E. eher einen Rück- als einen Fortschritt [Halt! Hierzu haben wir einen eigenen Thread].


    :hello:


    Ulli

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Unter Saengern zaehlt Mozart sehr wohl zum Belcanto.
    Wegbereiter und exemplum in nuce sozusagen.


    Und ich dachte schon, ich sei total verblödet @Fairy gggggggggg ?(

  • Ich glaube, ihr habt mich missverstanden, bzw. ich habe mich nicht klar ausgedrueckt. :untertauch:
    Mozart ist NATUERLICH KEINE Uebestufe fuer Donizetti und Bellini und rein musikalisch ein ganz anderes Kaliber.
    Ich spreche hier in diesem Fal NUR saengerspezifisch.
    Ich habe die stimmlichen Voraussetzungen im Auge gehabt, die man sowohl bei Mozart wie dann im sogenannten italienischen Belcanto braucht und da ist Mozart fuer mich eben aenlich wie auch
    Haendel vorher ein Belcanto-Komponist .Belcanto hier nicht als Opern-Epoche sondern im Wortsinne zu verstehen.
    Viele Gesangspaedagogen sagen immer wieder,dass Mozart die ideale Saengerschule in allen Ausbildungsstufen ist.
    Und auch dass niemand Donizetti, Bellini, Rossini singen kann, wenn nicht Mozart und vorher Haendel beherrscht werden.
    Das hoere ich immer wieder von Lehrerseite und kann es aus bisheriger Erfahrung auch nur bestaetigen.
    Was die musikalischen Gehalte im Ganzen betrifft, kaeme ich niemals auf die Idee, Mozart als Vorlaufer von irgendwas zu bezeichen :no: :no: :no:
    Mir ist durchaus bewusst, dass die Komplexitaet der Kompositonen gerade in den Opern bei den sogen. Belcanto-Komponistenoft "vergleichsweise niedrig" ist.Wahrscheinlich werde ich dafur jetzt von anderer Seite verhauen :untertauch:
    Mozarts Musik ist fuer mich absolut und einzigartig, so wie die von Bach auf andere Weise auch.
    Ich hoffe, dass ihr nun besser versteht, was ich sagen wollte.


    Fairy Queen :angel:

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Und wenn das gegeben ist, dann mag ich auch Sänger/innen, deren Timbre ich an sich absolut nicht schätze.


    Guten Morgen Edwin,


    Deine Anforderungen an einen Sänger/Sängerin sind streng :-) (wenn sie ALLE erfüllt werden müssen) und es wird nicht viele geben, die 100% Deinen Wünschen entsprechen. Aber ich kann Deinen nüchternen Zugang zum Gesang gedanklich nachvollziehen.


    Für mich allerdings gilt: ein Sänger, dessen Timbre mir mißfällt, und wenn er technisch noch so perfekt singt, berührt mich nicht. Und ich will definitiv berührt werden.


    :hello:


    Austria


    bauch- und herzgesteuert :D

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Hallo Ulli,


    Du hast mit Deinem Beitrag einen Aspekt in die Diskussion eingebracht, den ich bei einem Sängerporträt von Enrico Caruso schon gehört habe. Da meinte der Autor, dass heutige Sänger rein von der Technik gesehen kompletter sind. Was den aktuellen Stimmen fehlt, seien die Eigenheiten einer Stimme, die dann entstehen, wenn der Sänger eine kleine Schwäche zu kaschieren versucht. Was heute beinhart als Fehler kritisiert würde, nahmen offenbar die Hörer früher eher als Eigenheit des Sängers wahr, an der man neben der Stimme den Sänger identifizieren konnte. Geht uns über die Perfektion der Stimmen etwas verloren?


    Auch Walter hat etwas für mich wichtiges in den Raum gestellt: Wie werden Sänger kritisiert, die - noch- nicht auf den großen Bühnen der Welt angekommen sind oder auch nie ankommen werden? Hier im Forum wird ja größtenteils über die großen Sänger diskutiert. Kann es sein, dass die großen Sänger bei der Bewertung etwas leichter haben, als weniger bekannte Sänger? Der Mensch ist ja versucht, sein Bild von etwas/jemandem aufrecht zu erhalten.


    Das Ergebnis eines Experimentes wäre interessant: Nehmen wir an, dass eine Gruppe von Menschen, die nur die Partitur und die Musikgeschichte kennen, aber keine Sänger und deren musikhistorische Bedeutung kennen, eine Reihe von bekannten und unbekannten Sängern vorgespielt bekommen und dann eine Wertung abgeben müssten. Wie sähe das Ergebnis aus? So wie die Ranglisten hier im Forum und den Zeitungen oder völlig anders.


    Da ich nicht zu den musikalischsten Menschen gehöre und mir auch lange jemand fehlte, der mich in die Musik einführt, konnte ich noch keine Klangvorstellung von Werken entwickeln. Das ist aber, so scheint es mir, Voraussetzung, um eine/n SängerIn fundiert kritisieren zu können. Daher bin ich auch relativ leicht zufrieden zu stellen und wäre auch leicht bei einem Konzert in der Provinz, wie es Walter angedeutet hat, zu begeistern. Außer es schleicht sich im Hinterkopf so etwas wie die kognitive Disonanz ein,dass das Konzert mit einem im MV nicht mithalten kann und sich, deshalb die gefühlte Begeisterung nicht gezieme.


    Ich bin Austria für den Thread dankbar, da ich hier zumindest auf der theoretischen Ebene viel neues erfahren konnte. Also, herzlichen Dank. :hello:


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Die Frage, wie nimmt jemand ohne grosse vergleichende Rezeptionserfahrung eine Singstimme wahr, finde ich ganz besonders wichtig.
    Dann kommt es doch tatsaechlich auf den ganz wesentlichen Aspekt des individuellen Beruehrtwerdens an. Worauf sonst frage ich mich?
    Grobe Unsauberkeiten und musikalische Maengel werden trotzdem wahrgenommem, aber ganz anders eingeordnet, scheint mir.
    Und der Wiedererkennwert einer nicht stromlinienfoermigen Stimme ist auch ein grosses Qualtaesmerkmal fuer mich, so der Klang mir ANGENEHM war. Haessliche Stimmem erkenne ich wieder, will sie aber nciht hoeren. ;)


    Gerade wenn man selbst als AnfaengeSaenger erste Erfahrungen sammelt, sind die hier dargestellten Aspekte von NICHT-Sangern besonders wichtig und bedenkenswert.
    Wie oft denkt man selbst nur an die mangelhaftedie Gesangs-Technik und vergisst darueber, dass der ueberwiegende Teil des Publikums ganz andere Dinge wuenscht und geniessen will.


    Und ich bin froh, dass es mir weiter gelingt, so wie Franz, Konzerte in der Provinz, mit ganz unbekannten aber schoenen Stimmen einfach zu geniessen, wel mir die Stimmen so gefallen.
    Da geht es mir wie Austria: ich WILL unbedingt beruehrt werden. Der Rest ist verzeihlich, auch wenn ich ihn leider wahrnehme.
    Ist das ein eher weibliches Hoerverhalten oder eine Frage der Persoenlichkeit?


    Fairy Queen :angel:


  • Hallo Franz, ich weiß jetzt natürlich nicht, inwieweit mir das Unterbewusste manchmal einen Streich spielt, aber ich bilde mir ein, bei meinen Lieblingen (die halt schon zur obersten Liga gehören) wesentlich strengere Maßstäbe anzulegen als bei mittelmäßigen Sängern, von denen ich mir ohnehin nichts Besonderes erwarte. (Siehe meine große Enttäuschung über Villazon in der Berliner Manon, die von den meisten anderen nicht geteilt wurde)
    Was das von dir vorgeschlagene Experiment betrifft, habe ich unlängst in der NZZ einen interessanten Artikel gelesen: Der Geiger Joshua Bell mimte in einer New Yorker Metro-Station einen einfachen Straßenmusikanten (Ich glaube sogar, mit seiner echten Stradivari!), und es passierte - nichts! Er errang nicht mehr Aufmerksamkeit, er verdiente nicht mehr als jeder andere Straßenmusikant auch. Dieses Experiment wurde in anderer Besetzung (ich weiß leider nicht, mit wem) in London wiederholt - mit dem gleichen Ergebnis. Bloß wurde dort der Künstler von einem ehemaligen Kollegen an der Musikhochschule erkannt, und die Stradivari von einem Obdachlosen (! so berichtet jedenfals die NZZ) identifiziert. Man kann jetzt natürlich einwenden: Wer hat schon Zeit und Lust, auf der Straße einem Geiger wirklich genau zuzuhören? Aber eigentlich müsste der Unterschied doch signifikant sein, denke ich jetzt einmal als Laie. Fallen wir also wirklich auf "große Namen" herein? Dazu würde mich eure Meinung interessieren!
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Franz Laier
    Auch Walter hat etwas für mich wichtiges in den Raum gestellt: Wie werden Sänger kritisiert, die - noch- nicht auf den großen Bühnen der Welt angekommen sind oder auch nie ankommen werden? Hier im Forum wird ja größtenteils über die großen Sänger diskutiert. Kann es sein, dass die großen Sänger bei der Bewertung etwas leichter haben, als weniger bekannte Sänger?


    Hallo Franz,


    Ich denke daß Qualität sich nie verkennen läßt.


    Unabhängig von einander haben Severina und ich uns ein Urteil geformt über den ziemlich unbekannten Amerikanischen Tenor Charles Workman. Beiden lobten wir ihn sehr.
    Severina sah ihn in Zürich (??) und ich habe eine Aufnahme von Mozarts "Il Sogno di Scipione", wo er Publio singt.


    LG, Paul

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  • Hallo,


    wer kritisiert schon einen Sänger XY im Provinztheahter, dessen Namen über das Theater kaum hinauskommt und ihn niemand kennt?


    Es sind die "Großen", deren Namen jeden Tag irgendwo zu lesen sind, Kritiken aus aller Welt, dort mitreden zu können, ist doch viel interessanter..... :boese2:


    Es obliegt den Medien einen Star zu machen und ihn auch wieder fallen zu lassen, viele gehen konform mit diesen Kritikern, denn....sie müssen ja Recht haben.....


    Die Meinungen der "normalen" Zuhörer sind nicht gefragt, außer hier im Forum :yes: Sitzt man in der Oper wo sich die Stars auf der Bühne tummeln, die Mehrheit begeistert ist, werden die runtergemacht, die eine andere Vorstellung des/der jenigen haben. Wo nach urteilt man, was muss gefallen an einer Stimme? Der Eine liebt das Timbre, der andere liebt glockenreine Soprane, der Nächste die weiche Stimme. Gut ist immer was gefällt, die Geschmäcker sind verschieden. Wenn es um die Technik geht....das Thema hatten wir schon.


    Ich persönlich liebe das warme Timbre, die Stimme, die mich fesselt in ihre Interpretation, aber auch das hatten wir schon.


    Die Geschmäcker von "Schönheit" sind verschieden und es ist auch gut so.


    Liebe Grüsse :hello:

  • Hallo musika,


    Du hast mit Deinem Einwand hinsichtlich des Wirkungskreises, und der damit einhergehenden Möglichkeit ein Thema in einer Gesprächsrunde zu sein, recht.


    Der Gedanke, der dahinter stand war, dass vielleicht auch Sänger in der Provinz die Qualität eines Sängers auf den wichtigen Bühnen haben, aber eben nicht das Glück des Zufalls hatten, dass bei einem sehr guten Auftritt der richtige Talentsucher im Zuschauerraum saß. Der eine wird bei angenommener gleicher Fähigkeit bekannt, der andere tingelt durch die Stadt- und Landesbühnen. Tut man da nicht manchem Sänger unrecht, indem man sich nur auf die bekannten Stimmen versteift?



    War nur so ein Gedanke, den ich einbringen wollte. :untertauch:


    Was die Schönheit angeht, liegt diese ja im Auge des Betrachters. Vielleicht könnte man ergänzen "des LIEBENDEN" Betrachters, damit hat die Einschätzung von Schönheit mehr Bestand. Da ist man von den Kritiken der anderen unghängiger. :D


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Liebe Freunde, speziell lieber Franz,


    Im Forum stößt man gar nicht selten auf Feststellungen wie: Da habe ich einen mir bisher unbekannten Künstler mit dem und dem Stück gehört, und es war ganz großartig, wo gibt es mehr von dem oder der? Und gibt es das dann auch - sehr oft wahrscheinlich nein.


    Sicher gibt es viele gute bis sehr gute Künstler, die den großen Durchbruch nicht schaffen. Die Ursachen können verschieden sein. So ist die Aufnahmefähigkeit des Kunstmarkts mehr oder weniger begrenzt, sodaß es leichter und sicherer ist, wenn sich eine Firma auf bestimmte Namen konzentriert, die zumindest eine Zeitlang zugkräftig sind. Zwar haben andere Künstler auch ihre Sternstunden (die berühmten haben dafür ihre Schwächeanfälle, die man aber verzeiht, wnen sie nicht zu oft passieren), aber vielleicht zu selten. Dann kommen unter Umständen Rücksichten auf Familie und sonstige Bindungen dazu, sodaß sich die Betreffenden nicht gerne in einem anstrengenden Zirkus engagieren, der ihr Privatleben beeinträchtigt. Manche haben auch nicht die Nerven für stetige Selbstdarstellung voir großem Publikum oder nicht das technische Rüstzeug, um darauf eine internationale Karriere zu bauen. Auf der anderen Seite passieren bestimmt viele Ungerechtigkeiten.


    Müßte ich z.B. eine Rangliste aller Schubert-"Unvollendeten" erstellen, die ich schon gehört habe, so wäre sie nicht nur wegen des zwangsläufig selektiven Charakters problematisch, sondern auch weil manches nicht kontrollierbar wäre (eine besonders schöne Aufführung erlebte ich mit dem jungen Michael Gielen und, ich glaube, den Niederösterreichischen Tonkünstlern; da lief aber kein Band mit). Sicher würde ich - bei ausreichendem Erinnerungsvermögen - Interpretationen erwähnen, die ihr Dasein eher im Beinahe-Anonym-Bereich fristen und manche besser geläufigen hintanstellen.
    Gehe ich aber in ein Konzert von, sagen wir etwa Abbado, oder in eine Oper, um Villazón zu hören, dann erwarte ich natürlich ein entsprechendes Niveau, was für solche Künstler psychisch ganz schön belastend sein kann. Nach einer glaubhaften Anekdote zitterte Caruso einmal vor einem Auftritt wie Espenlaub. Gefragt, wieso er denn so Angst habe, erwiderte er: Weil die Leute draußen erwarten, daß ich wie Caruso singe, aber wer kann schon jeden Tag singen wie ein Gott?


    Dann kommen noch Unwägbarkeiten ins Spiel. Ich sehe und höre, daß sich ein Künstler mit nicht überragenden Talenten so sehr in eine Partie hineinsteigert, daß das Ergebnis wirklich beachtlich ist und die Intensität manche Unzulänglichkeiten vergesssen läßt. Ich werde dann wahrscheinlich dem/der Betreffenden gerne ein weiteres Mal zuhören und -sehen, aber ihn deshalb nicht unbedingt für eine Karriere an einem großen Haus empfehlen. Jemand, der auf der Bühne beeindruckt, muß - soviel kann man vielleicht außer Streit stellen - Persönlichkeit vermitteln. Ob er das mit Timbre oder Technik oder eindrucksvoller Kraft (Brüllen ist nicht gemeint) schafft, das wird jeder Rezipient anders empfinden. Provinzbühnen haben früher und wohl auch jetzt noch Allroundereigenschaften befördert, das war sehr gut und nützlich. Heute kommt ein Supertalent unter günstigen Umständen sehr rasch an die Rampe und wird dort gnadenlos verheizt das ist wohlbekannt und wird auch andauernd beklagt. Ein endgültiges Urteil über solche Künstler zu fällen, ist gar nicht leicht.


    Große Künstler, um auf Franzens Frage konkret zu antworten, haben es einerseits leichter (weil sie eine eventuelle Scharte besser auswetzen können oder weil vielleicht die Erinnerung an vergangene von ihnen erbrachte Spitzenleistungen unbewußt mitschwingt), andererseits ist ihre Aufgabe auch schwerer, weil sie von viel mehr Leuten und umfassender kritisiert werden. Siehe Netrebko. Ich räume gerne gewisse Probleme an ihr ein. Trotzdem danke ich dem Himmel auf den Knien, daß wir endlich wieder eine Sängerin haben, die nicht nur - wie finde ich jetzt einen neutralen, allgemein akzeptablen Ausdruck? - interessant singt, sondern ihren Rollen Leben einhaucht und nicht nur Experten begeistern kann. Zwangsläufig polarisiert so jemand dann auch. Mir ist eine nicht ganz glatte Leistung, die aber mitreißend wirkt, wichtiger, als eine korrekt-langweilige (die vielleicht dafür jemanden mit einem primär intellektualistischen Zugang mit Recht beglücken kann). Aber jetzt drehe ich mich mit meinen Argumenten endgültig im Kreis.


    LG


    Waldi

  • Finde ich gar nicht, Waldi! :] Für mich klingt alles sehr plausibel, und dass auch ich den "Gesamteindruck" über technische Perfektion stelle, habe ich schon oft betont. Besonders der schauspielerishe Aspekt rangiert in meiner Bewertungsskala ganz weit oben.
    Der Punkt "Verheizen" ist ein sehr trauriges Kapitel. In einer Anwandlung von Zynismus habe ich einmal gesagt (nicht im Forum), dass die hoffnungsvollen Talente oft schneller ihre Stimme verlieren als man sich ihre Namen richtig merken kann. Ich bin oft erschrocken und traurig, wenn Sänger/innen, die ich in bester Erinnerung habe, nach etlichen Jahren Absenz wieder in Wien vorbeischauen und stimmlich nur mehr ein Schatten von einst sind. Siehe Alagna - ich war zwar nie ein spezieller Fan von ihm, fand ihn aber früher gut und besitze sogar eine Reihe von Operngesamtaufnahmen mit ihm.
    lg Severina :hello:


    PS: Und natürlich hat Franz Recht, wenn er meint, dass zu einer Karriere auch ein Quäntchen Glück gehört - man muss halt, wie es so schön heißt, zur rechten Zeit am rechten Ort sein ;) !


  • Hallo Waldi,
    genau das ist es, was mir eine Stimme geben muss, wenn ich sie höre. Sie muss nicht berühmt sein, sie kann auf einer Provinzbühne stehen, aber sie singt und fansziniert mich mit ihrem Audruck, ihrer Persönlichkeit und Präsenz.
    Heute ist es sehr schwer auch bei den sog. Provinzbühnen engagiert zu werden, also muss man schön was können und es muss einiges zusammen passen.
    Ich weiß von einem Kollegen, einem Tenor mit sehr schöner ansprechender Stimme, der leider seinen Vertrag nach 2 Jahren nicht verlängert bekam, weil er nicht spielen konnte. Das Singen ist ein sehr hartes Geschäft und da hinein zu kommen, ist bei der Vielzahl an schönen Stimmen, die alles haben und beherrschen, bei der Vielzahl von Ausländern, die es anscheinend alles haben, heute sehr schwer.


    Ein anderes Beispiel. Eine Kollegin mit wunderschöner Stimme und Technik, bekam kein Engagement, was ich schon voraussah, sie hat leider keine Ausstrahlung, ist ein "Mäuschen" und sie stellt nichts dar. Für mich war es vollkommen klar, dass sie nie als Solistin auf der Bühne stehen wird. Sie singt heute im Opernchor und das ist auch gut so und nicht abwertend gemeint.


    Liebe Grüsse :hello:

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