Beethoven, Ludwig van: Streichquartette Nr 1 - 3 op. 18

  • Bei den frühen Quartetten höre ich am Liebsten das ganz oben genannten Lindsay String Quartet: iür mich der Inbegriff des klassischen Beethovenspiels. Nie zu gerannt, nie gehetzt, immer klangschön, wunderbar musikalisch.


    Das auch bereits geannte Hagen Quartett ist für mich derzeit das interessanteteste, was es an Beethoven gibt. Ihr bislang einzige frühe-Quartett-Aufnahme (sieht man von den Werkchen ohne op. in der Beethoven-Edition ab) ist oben zu Recht so hoch gelobt worden.


    Das Ungarische Streichquartett mag ich wesentlich mehr als das Budapster Streichquartett, kenne aber nur die frühen Aufnahmen und dort nur die späten Quartette.


    Um eine Lanze für das Alban Berg Quartett zu brechen: diese Kunst des Zusammenspiels stellte schon den Gipfel des Quartettspiels dar! Solch eine perfekte technische Übereinstimmung wie aus einem Guss ist singulär! Musikalisch ists halt nicht jedermanns Geschmack.


    Das Juilliard String Quartett ist für mich der Innbegriff des romantischen Spiels mit subjektivem Gefühlsausdruck; die Emersons der Inbegriff eines Quartetts, bei dem alles mehr nach dem Quartett und weniger nach dem Komponisten klingt. Sehr schön für die Romantik!


    Das (bei Mozart geliebete) Amadeus Quartett mag ich bei Beethoven genaus wenig wie das wenig inspirierte Quartetto Italiano oder das bloß klangschöne Tokyo String Quartett. Mehr empfehlen kann ich das Guarneri Quartett, von dem eine Einspielung angeblich nun bei Brilliant Classics herauskommen soll. Die Auryns fand ich bei den frühen Werken enttäuschend.

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • So,


    auch hier mal einen kleinen Farbtupfer in die Runde geworfen:



    Streichquartett G-Dur op. 18 Nr. 2
    Streichquartett D-Dur op. 18 Nr. 3


    Quatuor mosaiques


    Meine momentane Lieblings-CD... :rolleyes: Ich kannte die beiden Quartette noch gar nicht und war sehr überrascht zu lesen, dass op. 18 Nr. 3 Beethovens erstes Streichquartett war. Für einen Erstling steht dieses Werk [im Vergleich zu Mozart z.B.] in meiner Gunst extrem hoch, besonders das Finale des D-Dur-Quartettes. Ein unmittelbarer Anschluß an Haydns op. 76/77, wie er von Haydn kaum besser hätte umgesetzt werden können. Natürlich bleibt Beethovens Identität erhalten, den Werken "fehlt" Haydns Witz, aber sie sind absolut perfekt! So berichtete denn auch die Leipziger Allgemeine Musiklaische Zeitung 1801 von diesen Werken als vortreffliche Arbeiten von Beethoven, die einen vollgültigen Beweis für seine Kunst geben - und das bei einem Erstversuch: Respekt!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Bisher war mir nur op. 18 Nr. 4 in c-moll zu Ohren gekommen, aber das gehört ja nicht in diesen Thread.


    Die Mosaiques spielen faszinierend gut - einige Passagen aus der schriftlichen Vorstellung des Quartetts habe ich wohlwollend überlesen [man kann sich ja mal irren :D ].


    Insgesamt aber fällt mir auf, dass sowohl Kertész von den festetics als auch Hörbarth von den mosaiques in den höheren Lagen ab c4 die Töne nicht so treffen, wie es mein Ohr verlangt. Sie mögen beide in etwa um einen viertel Ton [oder weniger] tiefer liegen... Das ist mir hier besonders bei op. 18 Nr. 2, dem sogenannten Komplimentier-Quartett aufgefallen. Dieses G-Dur-Quartett erinnert mich denn auch phasenweise an Beethovens erste Sinfonie, die durch meine jetzige Bekanntschaft in ganz anderem Licht erscheint.


    Aber die Serie scheint extrem lohnenswert zu sein - ich werde mir peu à peu die anderen beiden wohl auch noch zulegen müssen.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Insgesamt aber fällt mir auf, dass sowohl Kertész von den festetics als auch Hörbarth von den mosaiques in den höheren Lagen ab c4 die Töne nicht so treffen, wie es mein Ohr verlangt. Sie mögen beide in etwa um einen viertel Ton [oder weniger] tiefer liegen... Das ist mir hier besonders bei op. 18 Nr. 2, dem sogenannten Komplimentier-Quartett aufgefallen.


    ab c4 gibt es keine "richtige" Intonation mehr, weil die von uns empfundene Tonhöhe nicht mehr linear mit der Frequenz ansteigt.
    Die Intervalle müssen gespreizt gespielt werden um richtig zu erscheinen, jedoch um wieviel, das ist zum Teil persönliche Ansichtssache.


    Herkömmliche Geiger spielen sowieso immer "lieber zu hoch als falsch", daher tun sie auch hier gern des guten zu viel, was leider zum Quasi-Standard auch für den Hörer geworden ist.
    Einige HIP-Geiger bewegen sich im anderen Extrem, was anfangs ziemlich schocken kann, aber klangliche Vorteile hat: die hohen Geigentöne stimmen besser mit den Obertönen darunter liegender Stimmen überein.


    Auch bei Sigiswald Kuijken ist das ziemlich extrem. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe ich mich daran gewöhnt und finde die "abgedunkelten" Spitzentöne schöner.
    Freilich eine Gewissensfrage, weil man dann irgendwann viele andere Geiger nicht mehr ertragen kann.


    Gruß, Khampan

  • Salut,


    Danke für die Aufklärung!


    "Gewöhnt" habe ich mich auch daran in dem Sinne, dass ich beim erneuten Abspielen dieser Einspielungen genau weiß, wie es klingt. Trotzdem ist es für mich falsch.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salü,


    dem ausführlichen Booklet der mir ausgeliehenen Einspielung der Quartette op. 18 Nos. 1-6 durch das Ensemble Smithson String Quartet ist zu entnehmen, dass es von op. 18 Nr. 1 eine Urversion Beethovens gibt, welche vollständig in Stimmen erhalten ist.


    Beethoven selbst schreibt am 1. Juli 1801 an Carl Ferdinand Amenda [1771-1836]: "Dein Quartett" - gemeint ist op. 18 Nr. 1 - "gib ja nicht weiter, weil ich es sehr umgeändert habe, indem ich erst jetzt erst recht Quartetten zu schreiben weiss, was du schon sehen wirst, wenn Du sie erhalten wirst."


    Es ist einfach zu verlockend für mich, diese Urversion kennen zu lernen. Kennt jemand diese Urversion - wurde sie jemals eingespielt?


    Weiterhin ist dem Booklet interessanter Weise zu entnehmen, dass Beethoven ein separates Skizzenheft für die sechs Streichquartette angelegt hat, welches auch noch erhalten ist. Daraus lässt sich - den Ausführungen Kenneth Slowiks folgend - die Kompositionsreihenfolge der sechs Quartette ableiten. Diese nämlich - was eigentlich nicht weiter verwundert - stimmt mit der heutigen Zählung nicht überein. Auch wurde demzufolge das Quartett c-moll op. 18 Nr. 4 nicht - wie bisher verbreitet - noch zu Bonner Zeiten komponiert.


    Viele Grüße
    Ulli I.

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Hallo Ulli,


    das gibt es:



    Und alles, was sonst darauf ist, ist absolut hörenswert.
    Die erste, von Amenda aufgehobene Version, sind die Tracks 12-14, das Quartett firmiert unter der Bezeichnung Hess 34.


    Ich hatte schon mal gedacht, das Quartetto Paolo Borciani wäre mit diesem Programm eine gute Wahl für ein Konzert zu einem Beethovenfest im Kammermusiksaal. Vielleicht schlage ich es mal vor, falls Du es gut findet. Ich kann eine sachkundige Meinung dazu nicht äußern, dazu fehlt es mir an Kenntnissen.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Salü,


    wenn es jemand wissen konnte, dann Du - das war klar. :]


    Danke - meine aus allen Nähten platzende Merkliste ist nun um eine CD bereichert [und mein Regal hoffentlich auch bald].


    Die enthaltene Quartettversion der 9. Klaviersonate habe ich übrigens bereits - um mag es sehr:



    Ludwig van Beethoven [1770-1827]
    Klavierquartette WoO 36 Nr. 1-3CD
    +Streichquartett in F [nach der Klaviersonate op. 14, 1]


    Christoph Eschenbach
    Amadeus Quartett


    ..eigentlich sogar lieber als das Original.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Stabia
    Ich hatte schon mal gedacht, das Quartetto Paolo Borciani wäre mit diesem Programm eine gute Wahl für ein Konzert zu einem Beethovenfest im Kammermusiksaal.


    Entsinne ich mich falsch, dass Paolo Borciani letztes Jahr bereits verstorben ist?

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Hallo Ulli,


    ich habe wirklich nicht alles, aber manches.
    Hausgott ist eben Hausgott.


    Das Streichquartett zur Klaviersonate finde ich einfach wunderbar (ich habe sie auch vom Gewandhaus in der Gesamtausgabe). Aber auch die Sonate. Hier ist für mich am deutlichsten, wie die Klangfarbe der Instrumente Wirkung zeigt. Die beiden Stücke sind in meinen Ohren zwei verschiedene Kompositionen.
    Umgekehrt geht es mir auch so mit Op. 133 und der auch von Beethoven geschriebenen Version für 2 Klaviere, die wesentlich herber als das Quartett ist.


    Gruß aus Bonn :hello: :hello:

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  • Noch ein kleiner Nachschlag für Ulli:


    leider kann ich weder bei JPC noch Amazon das Cover finden, weiß auch nicht mehr, wie ich daran gekommen bin.
    Ich habe eine CD "The forgotten Works for String Quartet" vom Covington String Quartet, offenbar aus Kanada, verlegt bei Monumental Records. 2006
    Monumental Records 127 S. Fairfax St, #326
    Alexandria, VA 22314
    http://www.monumentalrecords.com
    Hier werden unter anderem Schnipsel zum ersten Mal gespielt, die erste Versionen zu 18/5 (Menuett), 18/5 (Andante), 18/4 (langsamer Satz) sind.
    ich weiß, daß das nicht unter 18/1-3 gehört, aber dennoch.


    Übrigens ist da das "Brilliant Qu." Biamonti 382 , das Pencarrow Str.Qu. für Richard Ford und ein sehr hübsches Cue Biamonti 281 zu hören, wie auch die Beethovenschen Fugen-Übungen aus seiner Lehrlingszeit bei Albrechtsberger.
    Alles sehr gut anzuhören, auch die Hoffmeister'sche Bearbeitung des Andante faviori, die lt. dem sehr guten booklet von Beethoven wahrscheinlich begutachtet und überarbeitet wurde.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

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  • Salve,



    Irgendwo bin ich des neulichs drübergestolpert... :boese2:


    Zitat

    ich weiß, daß das nicht unter 18/1-3 gehört, aber dennoch.


    Die Aufsplittung von op. 18, I-III und op. 18 IV-VI in zwei unterschiedliche Threads will mir auch nicht so recht einleuchten. ?(


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salü,


    seid heute kann ich mein Lieblings-Quartett aus der op.-18er-Reihe bestimmen :yes: - ich liste mal meine Reihenfolge, in der ich die Quartette "bewerte"


    1. F-Dur op. 18 Nr. 1
    2. c-moll op. 18 Nr. 4
    3. B-Dur op. 18 Nr. 6
    4. G-Dur op. 18 Nr. 2 und D-Dur op. 18 Nr. 3
    5. unbesetzt
    6. A-Dur op. 18 Nr. 5


    Das A-Dur-Quartett enttäuscht mich, wie auch Haydns 87. Sinfonie [ :hello: JR] - ich finde es einfach überflüssig, aber was soll's... Vom F-Dur-Quartett begeistert mich absolut der 2. und dann erst der erste und die folgenden Sätze. Das c-moll-Quartett mag ich besonders wegen seiner Nähe zu den Werken des Sturm und Drang - dennoch ist es natürlich sehr eigen und typisch für Beethoven. Besonders am B-Dur-Werk ist das Echospiel zwischen erster Violine und Violoncellchen im ersten Satz, G- und D-Dur sind Haydns letzten Werken deutlich am nächsten, weshalb ich sie auch beide gleichwertig einstufe.


    Viele Grüße
    Ulli

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    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Du bis zwar in guter Gesellschaft (Kerman hat auch was an dem A-Dur zu bekritteln), aber nicht in meiner. Ich halte es für einen sehr würdigen Nachfolger von KV 464, und außer im Variationensatz auch nicht zu eng an Mozart angelehnt.


    Zitat


    Vom F-Dur-Quartett begeistert mich absolut der 2. und dann erst der erste und die folgenden Sätze. Das c-moll-Quartett mag ich besonders wegen seiner Nähe zu den Werken des Sturm und Drang - dennoch ist es natürlich sehr eigen und typisch für Beethoven. Besonders am B-Dur-Werk ist das Echospiel zwischen erster Violine und Violoncellchen im ersten Satz, G- und D-Dur sind Haydns letzten Werken deutlich am nächsten, weshalb ich sie auch beide gleichwertig einstufe.


    Das G-Dur hat gewiß teils etwas von Haydn, das D-Dur m.E. aber recht wenig. Früher mochte ich das am wenigsten, inzwischen finde ich es ein hochinteressantes Stück, auch wenn gewiß nicht "perfekt"(außer dem Finale).


    Meine Reihenfolge ist nur beim ersten und letzten Platz eindeutig, 2,3,4 sind sehr nah beieinander:


    1. F-Dur


    2. B-Dur
    3. A-Dur, G-Dur
    4. D-Dur


    6. c-moll
    Das mag daran liegen, dass ich von Anfang an von seiner schlechten Presse beeinflußt war, aber ich finde es wirklich enttäuschend. Alle anderen frühen c-moll-Werke (op.1,3; op.10,1, op.13, op.9,X) halte ich für (teils deutlich) besser. Die Binnensätze sind noch besser als der Rest, aber es paßt auch alles nicht gut zusammen


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)



  • Hallo,


    ja, das ist vermutlich eine Frage der Herkunft. Karl Suske war Konzertmeister in (Ost-)Berlin und Leipzig und ist dem entsprechend eher in der ehemaligen DDR bekannt. Suske ging 1977 von Berlin nach Leipzig und wurde dort Primarius des Gewandhaus-Quartetts (sein Sohn Conrad Suske spielt im aktuellen Gewandhaus-Quartett Violine II). Sein vorheriges Quartett (eben das "Suske-Quartett") bestand bis zu seiner Dienstübernahme in Leipzig, also bis 1977, in Berlin.


    Das Suske-Quartett hat Beethoven komplett und von Mozart etliche Quartette eingespielt. Karl Suske war auch ohne "sein" Quartett recht aktiv, u.a. Mozart-Sonaten, Beethoven-Sonaten, Bach Sonaten & Partiten. Die Solo-Aufnahmen finde ich aber nciht so überzeugend wie die Quartett-Einspielungen.


    Das Suske-Quartett war nach meiner Ansicht besser als das (zu "weich" klingende) Quartetto Italiano oder das (strähnig klingende) Amadeus-Quartet. Ohne Frage: Ein Weltklasse-Quartett. Nur nicht weltweit bekannt.


    Ich empfehle sehr die Mozart-Aufnahmen und den "mittleren" Beethoven (für die Experimentierfelder der letzten Quartette mag ich auch lieber das ABQ). Spottbillig bei Berlin Classics (Vertrieb: edel), falls nicht vergriffen.


    Freundliche Grüße


    Heinz

  • Salü,


    ich suche immer nach passenden Worten, um mir besonders gefallende Sätze zu beschreiben. Für op. 18 Nr. 1 Satz II ist dies der Dialog zwischen Sorglosigkeit und Ermahnung.


    :hello:


    Ulli

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  • Lieber Ulli,


    gestern spät habe ich den 2. Satz vom Takacs Quartett gehört - und war hin und weg von der Dramatik, die durch dieses Quartett herausgearbeitet wurde. Ein Regiseur könnte sich das nicht besser überlegen, wie es Beethoven tat und diese Formation hat es meiner Meinung nach sehr gut erspürt.


    Sorglosigkeit und Ermahnung kann ich nicht hören, wohl aber Traurigkeit, Resignation, Erinnerung an die bessere Zeit. Eigentlich ist bei diesem frühen Werk, in dessen Entstehungszeit Beethoven noch nicht wissen konnte, was ihm bevorstand, für mich die gleiche Gemütslage dargestellt, wie es beim 1. Satz von Op.101 oder dem 3. Satz von Op. 106 ist - das Schwanken zwischen Dur und Moll. Hier ist es etwas expressiver. Schön bauen die Takacs-Musiker Fermate bei den "Fragen" ein. Ich weiß natürlich nicht, ob es in der Partitir auch so steht.
    Dieser Satz ist für mich eine der großen persönlichen Aussagen, die ich bei Beethoven schätze. Mir jedenfalls erzählt er spannendere Geschichten, als wie ich sie im Film sehen würde. Seine Musik ist Sprache.


    Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Zitat

    Sorglosigkeit und Ermahnung kann ich nicht hören, [...]


    Salü,


    das ist bestimmt auch Abhängig von der gewählten Einspielung. Deine - Takacs - kenne ich leider nicht, will mir aber bei Gelegenheit eh mindestens die "große Fuge" davon zulegen, die im Film "Klang der Stille" von diesem Ensemble gespielt wurde.


    Ich kann ja diesbezüglich nochmals mit den Guarneris vergleichen, deren Interpretationen ich aber eigentlich zu gefühlslos empfinde... jedenfalls ist mir op. 18 Nr. 1 II dort nicht so gewichtig aufgefallen... bisher.


    Zitat

    Mir jedenfalls erzählt er spannendere Geschichten, als wie ich sie im Film sehen würde. Seine Musik ist Sprache.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

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  • Die Guarneris sind fad dagegen. Emerson, ABQ kommen an die Takacs heran, die mir überhaupt sehr gut gefallen. Leider sind die CD's nicht ganz billig, aber sie lohnen sich.


    Wie mit den Sonaten sind nicht alle Quartette gleich gut bei ein und demselben Interpreten. Aber das kann man auch nicht erwarten. Durchgehend sind die Emersons expressiv, was sicher zu der Musik gehört.
    Bei einem Semester bei Prof.Platen über Beethovens Spätwerk kamen auch fast ausschließlich CD's von Emerson zum Zuge, die der alte Herr offenbar bevorzugte.(er hat die Artikel in den Booklets für Müller-Brühls Einspielungen der Beethoven-Sinfonien geschrieben) - so komme ich vom Hölzchen aufs Stöckchen- verzeih mir.


    Gruß aus Bonn :hello:

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  • Gerd Indorf schreibt hier



    zur Entstehungsgeschichte von op. 18, dass Fürst von Lobkowitz im Winter 1798/99 vermutlich gleichzeitig an Haydn und Beethoven einen Kompositionsauftrag für 6 Streichquartette vergeben hat. Haydn schrieb davon aber nur zwei (op. 77, 1802 erschienen) und, als zweisätzigen Torso, dann noch op. 103. Es wird vermutet, dass der gleichzeitige Kompositionsauftrag als eine Art "Wettbewerb" gedacht war, so etwas war damals in Wien offenbar äußerst beliebt. Haydn soll aber durch die ersten drei Beethovenquartette (op.18, 1-3) so entmutigt worden sein, dass er weitere Kompositionsversuche aufgab. Soweit die Vermutungen.


    Aber vielleicht war Haydn auch einfach nur zu alt. Sein nur zweisätziges Op. 103 erschien jedenfalls mit dem Zusatz: "Hin ist alle meine Kraft. Alt und schwach bin ich", ein Motto, das damals auch seine Visitenkarte zierte.


    Wie auch immer, es ist jedenfalls interessant, dass Beethoven offenbar schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt gegenüber Haydn als konkurrenzfähig angesehen wurde.


    Mit Gruß von Carola

  • Hallo, Carola!


    Zitat

    Original von Carola
    Gerd Indorf schreibt hier



    zur Entstehungsgeschichte von op. 18, dass Fürst von Lobkowitz im Winter 1798/99 vermutlich gleichzeitig an Haydn und Beethoven einen Kompositionsauftrag für 6 Streichquartette vergeben hat. Haydn schrieb davon aber nur zwei (op. 77, 1802 erschienen) und, als zweisätzigen Torso, dann noch op. 103. Es wird vermutet, dass der gleichzeitige Kompositionsauftrag als eine Art "Wettbewerb" gedacht war, so etwas war damals in Wien offenbar äußerst beliebt.


    Das ist mir neu. Ich frage mich, warum man davon sonst nichts liest? ?(
    Gibt es außer dem gleichen Auftaggeber und der Entstehungszeit weitere Anhaltspunkte?


    Zitat

    Haydn soll aber durch die ersten drei Beethovenquartette (op.18, 1-3) so entmutigt worden sein, dass er weitere Kompositionsversuche aufgab. Soweit die Vermutungen.


    Op. 77 Nr. 1 ist IMO besser als alle Quartette aus Beethovens op. 18 - ich weiß nicht, ob Haydn so selbstkritisch war, es paßt eher nicht zu ihm...


    Zitat

    Wie auch immer, es ist jedenfalls interessant, dass Beethoven offenbar schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt gegenüber Haydn als konkurrenzfähig angesehen wurde.


    Na ja, so ein Jungspund war Beethoven ja nicht mehr.
    Aber dem "Streichquartettgott" Haydn hatte er auf diesem Gebiet nichts entgegenzusetzen.
    Op. 18 hat das schlagartig geändert. Beethoven war dann bald mehr "en vogue" als Haydn.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Hallo Pius,


    ich hatte von dieser Sache ebenfalls noch nie gehört und war auch ein wenig verwundert. Indorf formuliert allerdings wohl bewusst recht vorsichtig und spricht nur von Vermutungen (auf S. 139 des oben erwähnten Buches). So sei der Kompositionsauftrag "wahrscheinlich" gleichzeitig an Haydn und Beethoven gegangen. Hinsichtlich der These, dass Haydn bereits durch Beethovens erste drei Quartette "entmutigt" worden sei, schreibt Indorf, dies sei "nicht mit Sicherheit zu sagen." Und weiter: "Einige Forscher neigen zu dieser Ansicht". Allerdings beides ohne Quellenangabe oder sonst irgendeine Fußnote.


    Wenige Sätze später verweist er dann allerdings auf einen Brandenburg, der die Kompositionsgeschichte von op. 18 ausführlich dargestellt habe. Ob man dort einschlägig fündig würde, vermag ich nicht zu sagen.


    Mit Gruß von Carola

  • Ich halte das auch für ein Gerücht. Die beiden op.77 sind souveräne Werke, durchaus typisch für den späten Haydn ohne Unsicherheiten oder Krisenzeichen (die sehr schnellen Menuette sind nicht völlig neu, so eins gibt es schon in op.76,1). Ich glaube nicht, dass er sich bei der Komposition grß um den jungen Beethoven geschert hat. Es scheint, dass Haydn nach diesen Werken, sowie den Jahreszeiten und den späten Messen aufgrund seines Alters nicht mehr die Konzentration für größere Werke aufbrachte. Angeblich soll es ihm nicht an Ideen, sondern an Energie für die Ausarbeitung gefehlt haben.


    Beethoven hingegen ist ja mit op.18 keineswegs so forsch und selbstbewußt zu Wege gegangen wie in früheren Werken (etwa op.1 und 2). Er hat mit Unterbrechungen und Umarbeitungen etwas 2 Jahre daran gearbeitet (das war damals für ihn ziemlich lange, wenn man sieht, wieviel er relativ schnell von ca. 1795 - 1802 komponiert hat), wobei die zuerst entstandenen #3 und #1 vor der Publikation gründlich überarbeitet wurden. Werden bei Indorf nicht eine Reihe von Komponisten der Zeit erwähnt, die mit Quartetten als op.1 debüttierten?


    Als pianistischer und kompositorischer Jungstar der 1790er waren Quartette also eigentlich längst überfällig.


    Kerman sieht in #4-6 schon Zeichen einer "Krise", was mir zwar übertrieben scheint, aber nachvollziehbar ist. #4 "rückwärtsgewandt" mit teils dominierender 1. Violine, einem blockhaft simplen Finale, dem eigenartigen scherzando-Satz der gar nicht zum pathetischen Kopfsatz paßt usw. ist weit von der teils fast übertriebenen motivischen Durchgestaltung von z.B. #1 entfernt. Nr.5 lehnt sich so eng an Mozart an wie kaum ein anderes Werk Beethovens (vielleicht das Quintett f. Klavier und Bläser) und #6 ist in vieler Hinsicht ungewöhnlich.
    Aber natürlich kann man das auch als die normale und wünschenswerte Vielfalt eines Quartett-Opus werten.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Nun habe ich also die ersten drei Streichquartette mehrfach mit Hilfe von Partitur und Handbuch angehört und es hat mir sehr viel Freude bereitet, mal etwas gründlicher zu werden. Irgendwann kommt dann natürlich der Punkt, wo beides, Partitur und Handbuch, wieder beiseite gelegt wird und ich einfach nur zuhöre. Der Unterschied zu vorher besteht vor allem darin, dass ich nicht mehr so stark auf die 1. Geige fixiert bin, sondern auch das Cello und die Mittelstimme stärker wahrnehme, wenn z.B. das Thema durch die verschiedenen Stimmen wandert.


    Am wenigstens anfangen konnte ich mit Op. 18, Nr. 2 (G-Dur), vor allem dieses Gestelze im 1. Satz ist mir, mit Verlaub, doch sehr auf den Keks gegangen. Der letzte Satz gefiel mir noch am besten. Bei Op. 18, Nr. 3 (D-Dur) habe ich vor allem den 1. Satz sehr gerne angehört, das wehmütige Hauptthema mit der aufsteigenden Septime mag ich sehr. Dies alles verblasst aber ein wenig gegen den wirklich herzzerreißenden 2. Satz von Op. 18, 1 (F-Dur). Diese in den schwelgerischen Wohlklang des Hauptthemas hineingeschleuderten Zweiunddreißigstel und wie sich das dann vor allem in der Coda immer mehr verdichtet - großartig!


    Am wenigsten zugesagt hat mir bei allen drei Quartetten das Scherzo bzw. der 3. Satz. Das geht mir auch bei anderen Stücken so, die Kombination von Raserei und Munterkeit kann ich nun mal nicht ausstehen. Und wenn es dann gar im Trio noch irgendwie ländlerisch wird - nichts für mich.


    Da ich von den mittleren und späten Quartetten die Partituren noch nicht habe, mache ich jetzt erst mal mit Op. 18, Nr. 4-6 weiter.


    Mit Gruß von Carola

  • Im Beiheft von dieser CD

    steht auf S. 7, daß der bekannte Haydn-Forscher H.C.Robbins Landon mit der Theorie aufwartet: Haydn habe sich entschlossen, vom Gebiet des Streichquartetts Abschied zu nehmen, nachdem LvB mit seinen sechs Quartetten auf den Plan getreten sei. Der Ältere habe dem jungen Revolutionär also gewissermaßen Platz gemacht.


    Mit Gruß aus Bonn :hello:

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  • Hallo,


    es ist nicht ganz sicher, aber man kann nach meinen Quellen [Georg Feder: Haydns Streichquartette] wohl annehmen, daß Auftraggeber für Haydns letzten vollendeten Streichquartettpack op. 77 Fürst Franz Joseph Maximilian Lobkowitz war. Haydns opus ultimum in diesem Genre [mit Ausnahme des unvollendeten Quartetts op. 103] entstand ~1799. Eben jener gleiche Auftraggeber - Lobkowitz - war es auch, der offenbar zeitgleich [?] den gerade in Wien eingeschneiten Beethoven zu seinen 6 Quartetten op. 18 anregte.


    Beate Angelika Kraus meint in einem Booklet zu Beethovens op. 18 Nrn. 2 & 3 [Einspielung des Quatuors mosaiques], wir wissen aus der Korrespondenz Gottfried Georg Griesingers mit Haydns Verleger Breitkopf & Härtel, dass auch Haydn sechs Streichquartette für Lobkowitz schreiben sollte, die er jedoch nicht mehr sämtlich fertig stellte. Die Aussage lässt darauf schließen, es handele sich dabei offenbar um op. 103 [Haydn], [nicht fertig] komponiert 1803: Haydn hatte dem Grafen Moitz Fries sechs Quintette versprochen, auf die er offenbar keine Lust mehr hatte - er schenkte ihm als Ausgleich die unvollendeten Sätze seines op. 103. Möglicher Weise waren dies die Quartette, die zunächst für Lobkowitz gedacht waren.


    Es gibt also zwei Varianten der Auslegung:


    Entweder duellierten sich Haydn und Beethoven tatsächlich mit op. 77 des älteren vs. op. 18 des jüngeren, oder Haydn resignierte [op. 103]. Er ließ das Fragment mit Widmumng an den Grafen Fries drucken und die Worte: "Hin ist all meine Kraft, alt und schwach bin ich" anführen.


    :hello:


    Ulli

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    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Zitat

    Original von Albus



    Ein Nachtrag zum Ungarischen Streichquartett. Auf dem gezeigten CD-Cover sind die Herren im mittleren Alter, es sind die Mono-Aufnahmen von 1953. In Paris 1966 nahm das Ungarische Streichquartett die Beethoven-Quartette erneut auf, in Stereo; dafür gab es den Grand Prix du Disque. LP SERAPHIM Stereo SIC-6005, Die Mittleren Quartette SIC-6006, die Späten Quartette SIC-6007.


    Hallo Albus,


    kennst Du beide Beethoven-Einspielungen? Welche gefällt Dir besser, und warum? (Ich kenne nur vom ersten Zyklus die späten Quartette - leider: ich mag sie sehr gerne)


    Welchen Zyklus gibts den bei EMI, den frühen oder den späten?

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Neu am Markt: Tokyo String Quartet bei harmonia mundi, dazu auch hier.


    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Hi,
    interessant finde ich die Tacet-Aufnahmen der Streichquartette von LvB vom Auryn-Quartett, auf DVD-Audio.
    Dort gibt es in jedem der 4 Kanäle je ein Instrument.
    Vorne links und rechts je eine Geige, hinten links die Bratsche und hinten rechts das Violoncello.
    (Real Surround Sound)


    Weiterhin gibt es alles auch anders abgemischt. (Moving Real Surround Sound).

    mit vielen Grüßen
    J.