Liebe Forianer,
Viele von uns kennen die berühmte Arie des Nureddin "Vor deinem Fenster die Blumen" in der Interpretation durch Fritz Wunderlich. Sehr wenige dürften aber je die ganze Oper kennen bzw. gehört haben.
Peter Cornelius (1824-1874), ein Neffe des gleichnamigen berühmten Malers Peter von Cornelius, wird heute vor allem seiner Lieder wegen grühmt, weniger auf Grund seiner beiden Opern "Der Barbier von Bagdad" und "El Cid". Der 1858 uraufgeführte "Barbier" war früher weit populärer und ein oft gespieltes Musterbeispiel der deutschen Spieloper. Heute ist er aus dem Bewußtsein fast verschwunden, obwohl einige Einspielungen noch immer angeboten werden. Als die besten davon gelten die alte Aufnahme von Erich Leinsdorf mit Nicolai Gedda und Oskar Czerwenka sowie die 1973 erschienene von Heinrich Hollreiser mit Rudolf Schock und Gottlob Frick. Nachrangig beurteilt werden meist die Version von Joseph Keilberth (Schock und Böhme) sowie die andere von Hollreiser (Adalbert Kraus und Ridderbusch). Nun muß man zugeben, daß Cornelius' Können weder an das von Lortzing noch an das von Flotow heranreicht und von seinem bewunderten Wagner trennen ihn Welten. Dennoch hat das Werk seine Reize, die allerdings viel Fingerspitzen- und Stimmzäpfchengefühl verlangen.
Erfreulicherweise hat Walhall vor kurzem die alte Aufnahme des Hessischen Rundfunks von 1957 neu herausgebracht.
Angeregt durch eine Anfrage von Joschi habe ich zugegriffen und gebe hier meine ersten Eindrücke wieder:
Der Eindruck ist zwiespältig. Auf der Plus-Seite zu vermerken ist auf alle Fälle die wirklich sehr gute Tonqualität. Prinzipiell nicht dem heutigen Gusto entspricht, daß die Oper in einen hörspielartige Rahmenhandlung (Scheherezade erzählt dem Sultan) eingespannt ist. Die Sprecher sind zwar vorzüglich, aber ihr Text ist ein bißchen zu ernst, ja sogar grausam. Ebenso zu steif ist die Realisierung der Oper geraten. Es fehlt an Lockerheit.
Die Titelpartie (Abul Hassan Ali Ebn Bekar) singt Josef Greindl mit wunderbar tönendem Bass, aber allzu eindimensional. Seinem Barbier fehlt das Doppelbödige (man sehnt sich immer wieder nach Frick). Den Nureddin (auf dem Cover schlampigerweise falsch geschrieben) gibt Richard Holm: Eine wirklich schöne, aber kleine und nicht sehr wandlungsfähige Stimme, bei der das nötige Schmachten leicht ins Larmoyante abrutscht. Trotzdem - mit dieser Einschränkung - eine recht akzeptable, teilweise sogar beachtliche Leistung, sieht man von der großen Arie ab, die Holms Grenzen allzu deutlich spürbar werden läßt. Anneliese Rothenberger als Margiana hat nicht besonders viel zu singen; auch ihr gelingt aber nicht das Leichte. es geht recht seriös zu. Benno Kusche als Kalif ist auch rein stimmlich ein Vergnügen, aber man hat ihn schon lebendiger gehört. Gisela Litz ist eine vorzügliche Bostana. Helmut Krebs ein braver, nicht überragender Kadi.
Der Dirigent, Otto Matzerath, gefällt durch sauberes, korrektes Musizieren, bleibt aber auch etwas zu distanziert.
Alles in allem hat die Aufnahme etwas Akademisches. Man genießt einzelne Wirkungen, denkt sich: "Tolle Stimmen", bleibt insgesamt aber zu wenig berührt. Die Musik wird gleichsam unter ihrem Wert verkauft. Mehr Brio und mehr Gefühl täten besser. Dieser Barbier kommt zu sehr auf Kothurn daher und würde mehr Humor vertragen.
Ich bereue den Kauf nicht, halte ihn aber nur für wirkliche Freaks für unabdinglich.
LG
Waldi