In Klavierkompositionen sind wohl jetzt Beethoven und Anton Eberl die stärkesten. Beyde haben Neuheit, Feuer und Kraft; beyde strömen von Ideen über, und beyder Werke sind ziemlich schwer zu exequiren, lohnen dann aber auch gewiß die Mühe. Beethoven, um meiner Vergleichungssucht noch einmahl den Zügel schiessen zu lassen, hat, wie mir scheint, mit Jean Paul viele Aehnlichkeit. Beyde zeichnen sich durch sehr vieles Genie, aber doch auch durch sehr viele Sonderbarkeiten und Bizarrerien aus, die man dem Genie verzeihen muß. Eberls Kraft wirkt mehr aufs Ganze, als auf einzelne Theile. Mit feurigem lebenden Kolorite stellt er, wie Klingers Gemählde, mit großen Zügen, kräftige Gestalten vor unsere Seele, die uns mit wunderbarer Macht ergreifen, wenn gleich noch zuweilen zu viele wilde ungezähmte Stärke sichtbar ist.
(Julius Wilhelm Fischer, Reisen durch Oesterreich, Ungarn, Steyermark, Venedig, Böhmen und Mähren, in den Jahren 1801 und 1802, Erster Theil, Wien 1803, S. 217f.)
Der Komponist Anton Eberl ist einer jener tragischen Figuren, die zu Lebzeiten höchstes Ansehen genossen und alsbald nach Lebensende in Vergessenheit gerieten. Ist es die Schere der historischen Distanz, welche die Verbindung in unsere Zeit schnitt? Ein Komponist der leichten Muse ohne Tiefgang und dem auf oberflächlichen Effekten bedachten Publikum zugeschnitten? Oder mußte Eberl weichen gemäß dem Motto: "Des Guten Feind ist der Bessere"? Der Bessere - das befand die Nachwelt - ist dann wohl doch ein Herr Beethoven.
So stellt sich die Frage, ob sich die Beschäftigung mit Eberl lohnt. Hierauf kann ich mit einem beherzten JA antworten, die Beschäftigung lohnt. Und wie. Denn Eberl ist kein schlechter Beethoven sondern bester Eberl. Doch der Reihe nach.
(Franz Josef) Anton Eberl wurde am 13. Juni des Jahres 1765 in Wien geboren. Bereits in frühen Jahren zeigte sich ein großes Talent - mit 8 Jahren gab er private Klavieraufführungen in Wien. Im Alter von 19 Jahren trat er zum ersten mal im öffentlichen Rahmen - ebenfalls in Wien -auf. Ob er in der Zeit vor seinen ersten öffentlichen Auftritten Unterricht bei Mozart erhielt, bleibt wohl bis heute ungeklärt - fest steht, daß Mozart ihn unterstützte und freundschaftlich zugewandt war. Der Name Mozart sollte ihm jedoch noch einige Scherereien bescheren.
Ein erstes Bühnenwerk aus dem Jahre 1787 - Die Marchande des Modes - soll ihm wiederum angeblich die Wertschätzung Glucks eingehandelt haben.
Ein Jahr später begann Klaviersstücke unter Mozarts Namen zu erscheinen, die ersten eine ganzen Reihe, die derart veröffentlicht wurden. Das frühest datierte Werk dieser Reihe ist ein Variatonssatz über Ignaz Umlauf's Zu Steffen sprach im Traume und gehörte zu Mozarts Lieblings-Unterrichtswerken.
Weitere Variationen wurden ebenso unter Mozarts Namen veröffentlicht.
Die 1798 entstandene und als op. 1 veröffentlichte Klaviersonate teilte das gleiche Schicksal. Sowohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung als auch Jahre später wurde sie unter dem Namen Mozarts geführt.
Eberl versuchte in öffentlichen Briefen (1798,1805) diesen Fehler zu korrigieren, 1799 scheiterte Constanze Mozart bei dem Versuch, den Verlag Breitkopf & Härtel an der Aufnahme Eberlscher Werke in das Gesamtwerk Mozarts.
Die frühe C-Dur-Symphonie aus dem Jahr 1783 erschien noch 1944 in Mailand als "neue Mozart-Symphonie"!
Im Winter 1795/96 unternahm Eberl Konzertreisen mit Konstanze Mozart und ihrer Schwester Aloysia Lange durch Deutschland, zehn Jahre später sollte er mit dem jungen Meyerbeer Werke für zwei Klaviere in Berlin aufführen. Zwischen diesen Konzertreisen ergab sich für Eberl die Möglichkeit sich zweimal in St. Petersburg (1796-99, 1801-02)als Pianist, Klavierlehrer, Unterhalter der königlichen Familie und Kapellmeister zu betätigen.
Haydns Schöpfung führte er erstmals in Russland zu einem großen Erfolg.
Nach seiner Rückkehr nach Wien schuf Eberl eine Reihe von Instrumentalwerken, die ihm höchste Anerkennung der zeitgenössischen Kritik zuteil werden ließen, darunter die Symphonie Es-dur op.33 (1804), Symphonie d-moll op. 34(1805), Klavierkonzerte, die Sonate g-moll op. 39 (1806), das Quintett op. 41(publ.1808 ) sowie das Quintett op. 48 (1806).
Vor allem auf der Feld der Instrumentalmusik und inbesondere mit den Symphonien genoß Eberl ein derart hohes Ansehen, daß er von der Kritik gar neben Beethoven gestellt wurde. Die Es-dur-Symphonie wurde im Rahmen einer im Januar 1805 stattfindenden halböffentlichen Konzertreihe eines Bankiers nebst der ersten Aufführung Beethovens Eroica gespielt und für die bessere der beiden Symphonien befunden.
Ein Korrespondent der Allgemeinen Musikalischen Zeitung schrieb über Eberls Symphonie sie enthalte so viel Schönes und Kräftiges und sei mit so viel Genie und Kunst behandelt, dass sie ihre Wirkung schwerlich irgendwo verfehlen wird, wo man sie gut einstudirt hat. Über Beethovens Eroica gibt es eher Worte des Unverständnisses: des Grellen und Bizarren allzuviel zu finden, wodurch die Uebersicht äusserst erschwert wird und die Einheit beynahe ganz verloren geht.
Nur funf Tage später erfolgt im Jahnischen Saal in Wien die Uraufführung der Symphonie d.moll op. 34 von Eberl, über die in der Zeitschrift der Freymüthige in Berlin verfasste folgende Kritik zu lesen ist:
Eine ganz neue Eberlsche Symphonie aus D entsprach ganz dem, was man von diesem großen Komponisten zu erwarten berechtigt ist, sie vereint schöne und angenehme Ideen mit Neuheit, Kühnheit, und Kraft; ist voll regen Lebens, voll genialischer Wendungen, und doch dabei zu einer schönen Einheit verbunden.
Einer Aufführung von Beethovens Eroica im April selben Jahres in Wien wegen wird diesem empfohlen:
...die Sinfonie würde unendlich gewinnen, (sie dauert eine ganze Stunde) wenn Beethoven sich entschliessen wollte sie abzukürzen, und in das Ganze mehr Licht, Klarheit und Einheit zu bringen; Eigenschaften, welche die Mozartsschen Sinfonieen aus G moll und C dur, die Beethovenschen aus C und D, und die Eberlschen aus Es und D, bey allem Ideenreichthume, bey aller Verwebung der Instrumente und bey allem Wechsel überraschender Modulationen niemals verlassen.
Um die Bedeutung für die abendländischen Musikentwicklung der Eroica wissen wir. Auch nicht neu ist das Unbehagen und Unverständnis, dem man seiner Zeit diesem Werk entgegentrat. Dennoch erstaunlich finde ich in diesem Zusammenhang, die Bemerkung Beethoven möge sich an seinen beiden früheren Symphonien , den beiden letzten Symphonien Mozarts und an den oben genannten Symphonien Eberls ein Vorbild nehmen. Aus dieser Bemerkung wird nicht nur Unverständnis für das neue Werk Beethovens klar, sondern auch die hohe Wertschätzung, die Eberls Symphonien genossen. So hoch, daß sie als einziges nebst Mozart und den frühen Beethoven-Symphonien Beethoven als Vorbild empfohlen werden. Ob die beiden Eberl-Symphonien den Vergleich des frühen Beethoven und des späten Mozarts standhalten, mag jeder für sich entscheiden, starke Werke sind es allemal.
Eberl stößt in diesen beiden Symphonien das Tor zur musikalischen Romantik auf, freilich ohne eilenden Schrittes hindruchzuschreiten.
In der d-moll-Symphonie experementiert Eberl auch mit der äußeren musikalischen Form: kein Scherzo, kein Menuett, stattdessen ein Marsch, der zwischen langsamer Einleitung und ersten Satz gestellt ist!
Das Concerto Köln hat sich frühen Symphonie in C-Dur und den beiden späten Symphonien angenommen - vielleicht eine der besten Einspielungen des Ensembles.
Die Symphonien gehörten noch - trotz kühler Aufhnahme bei den Premieren - zwei Jahrzehnte zum festen Bestandteil des Leipziger Spielplans ehe sie dem Vergessen anheim fielen.
Was gibt es an Einspielungen? Leider nicht sonderlich viel. Bereits hervorgehoben die faszinierende Einspielung der Symphonien, die aber momentan wohl nicht verfügbar ist:
Besonders gelungen auch die Einspielungen der beiden Quintette op. 41 und 48 durch das Consortium Classicum - erschienen bei cpo:
Auf andere Einspielungen - zumindest eine - möchte von einem anderen sehr vertrauenswürdigen Mitglied eingegangen werden
Ich hoffe, ich konnte etwas Neugier wecken auf diesen spannenden Komponisten zwischen Klassik und Romantik
Viele Grüße
Wulf