Anton Dermota wurde am 4.6.1910 in Kropa, Slowenien geboren, studierte zuerst Komposition und Orgel in Ljubljana und erhielt dann ein Gesangsstipendium in Wiien.
1934 debütierte er in Cluj (Klausenburg). 1936 hörte ihn der große Dirigent Bruno Walter und engagierte in an die Wiener Staatsoper, wo er als 1. Geharnischter in Wolfgang Amadeus Mozarts "Zauberflöte" debütierte.
Schon bald erhielt er erste Hauptrollen (zuerst Alfredo in "La Traviata" 1937) und entwickelte sich zu einem Wiener Liebling, der einmal durch mehr als vier Jahrzehnte unser führender Mozarttenor werden sollte.
In dieser Zeit erlebt er auch die größte Katasthrophe der Staatsoper mit, als diese am 13.3.1945 bei einem aliierten Luftangriff in Flammen aufging, und half noch mit, Noten und Einrichtungsgegenstände aus den Flammen zu retten.
Ich gehe nun ins Theater an der Wien, dem Ersatzquartier der Wiener Staatsoper, nach 1945, denn dort lernte ich ihn ja, musikalisch, kennen und schätzen.
Anton Dermota, das bedeutet für mindestens zwei Generationen von Opernbesuchern vollendeten lyrischen Gesang - verbunden mit schier unglaublicher Phrasierungskunst und unnachahmlichen Stilgefühl ein lyrischer Tenor der immer im Rahmen seines Faches blieb und dabei nie sein Talent und seine große Liebe zum klassischem Lied verleugnete.
Natürlich war hier seine Gattin, Hilde, die ja bekanntlich seine Klavierbegleiterin wurde, maßgeblich für die künstlerische Vollendung verantwortlich, und so konnte er den einmaligen Bogen von Beethovens Zyklus "An die ferne Geliebte", über Schubert und Schumann, bis hin zu Richard Strauss und Joseph Marx spannen. Für sein Stilgefühl, ja für seine ganz persönliche Einstellung zur Liedinterpretation formulierte er einen Satz, der wohl sicherlich allen, die mit Musik verbunden sind, einen Denkanstoß geben müsste:
"So wie eine kammermusikalisches Streichquartett zu einem großen Orchesterwerk, genauso verhält sich die Liedinterpretation zum Operngesang!"
Und diese instrumentale Führung der Stimme, die fast wie eine Cellosaite angestimmt wird, ist wohl der unverkennbare Zauber der Stimme Anton Dermotas. Und wer diese Künstlerschaft voll und ganz ermessen will, dem würde ich empfehlen, sich die Aufnahme seiner "Winterreise" anzuhören - der Abgesang eines (damals70jährigen) großen abgeklärten Sängers, dem es gelingt, diese biedermeierliche verklärte Resignation voll in die Herzen der Zuhörer zu bringen...
Doch kehren wir zurück, zur eigentlichen Opernkarriere. Es wäre völlig falsch, Anton Dermota nur als Mozartsänger abzutun, darf man doch nicht vergessen, dass er speziell im Theater an der Wien eien Fülle von anderen Partien auch in anderen Fächern sang::
denken wir dabei an den Alma-viva Grafen im "Barbier von Sevilla", Alfred ("La Traviata"), Herzog ("Rigoletto"), Rudolf ("La Bohéme"), Hoffmann ("Hoffmanns Erzählungen"), Des Grieux ("Manon"), Lenski ("Eugen Onegin"), Vladimir ("Fürst Igor") - zuletzt noch Palestrina und Evangelimann - bis zur Operette "Die Fledermaus" (Alfred).
Es ist eigentlich jammerschade, dass es von diesen Rollen keine verfügbaren Aufnahmen gibt (außer Alfred "Fledermaus" und eine Arienplatte mit Lenski, Rudolf) - wären sie doch Zeugnis von einem anderen, leider fast vergessenen Dermota.
Aber allein, was tut's uns Wienern wird unser "Toni" (wie er vom Stehplatzpublikum liebevoll genannt wurde) ewig als der bis heute unereichte Mozartstilist in Erinnerung, ja in unserem Herzen bleiben. Dass das wohl die höchste Wertschätzung für einen Künstler sein muss, kann man erst ermessen, wenn man bedenkt, dass es in seinem Fach immerhin einen Tauber, Wunderlich, Gedda und Schreier gegeben hat.
Sein Belmonte und Ferrando haben Musikgeschichte gemacht, und es war naheliegend, ihn zu seiner Einstellung zur Mozartpfege der großen Dirigenten zu befragen.
Hier schien es mir, als würde ich ein Schatzkästchen der Musikgeschichte öffnen: neben den Antipoden Krips und Böhm erinnert man sich auch an Otto Klemperer, Sir Thomas Beecham, den beiden extravaganten Sir Georg Solti und Herbert v. Karajan, bis zum Giganten der damaligen Zeit: Wilhelm Furtwängler.
Hier kommt man nicht umhin, den einmaligen Salzburger Aufführungen der "Zauberflöte" und "Don Giovanni" zu gedenken, die es ja gottlob auf CDs/LPs noch zu kaufen gibt.
Vorn zweiterer gibt es eine köstliche Anekdote:
Schon bei den Proben fiel Dermota auf, dass Furtwängler in seinem Sendungsbewusstsein zum Klassizismus gerne die Tempi etwas verbreiterte - dabei wohl das Unvergängliche an diesem Werk wirkungsvoll unterstrich, für die Tenorpartie jedoch in der Phrasierung unlösbare Probleme aufwarf. Die Bitte, doch bei den beiden großen Arien auf den Sängeratem Rücksicht zu nehmen, wurde zunächst ungnädig aufgenommen, bei derGeneralprobe aber schon in etwa entsprochen, und nach dem überwältigenden Premierenerfolg erschien ein strahlender Furtwängler in Dermotas Garderobe und empfing dessen Gattin mit den Worten: "Na, war ich heute rasch genug?"
Und so erging es mir an diesem Spätsommernachmittag wie beim Betrachten eines Bilderbuches: da erblickt man den ewigen Grantler Böhm, den nervös präzisen Karajan, aber auch die beiden liebsten Kollegen, den stets philosophiernden Paul Schöffler, sowie den ewigen Spaßmacher Erich Kunz, von dem es in den Dermotamemoiren heißt: "Er kam auf die Welt, um Papageno zu sein."
Die letzten großen Erfolge Dermotas waren der Evangelimann, Palestrina und in seiner letzten Partie die liebevoll gestaltete Minipartie des Monsieur Triquet in "Eugen Onegin" - sein Abschiedsabend in der Wiener Staatsoper als Tamino am 24.1.1981.
Hier schließt sich nun der Reigen in dieser großen Weltkarriere.
Anton Dermota starb am 22.6.1989 in Wien.
Seine Grabstelle ist am Hietzinger Friedhof.