Beim Stöbern durch die Konzertpläne 2008/2009 der umliegenden Orchester bin ich auf einen mir bis dato völlig unbekannten komponisten gestoßen: Paul Gräner. Das Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera und sein GMD Erich Solén wollen im März 2009 gleich drei Werke des Komponisten an einem Abend aufführen: Wiener Sinfonie, Schwedische Tänze, Flötenkonzert op. 116. Grund genug sich einmal etwas näher mit Graener zu beschäftigen.
Paul Graener (eigentlich Paul Hermann Franz Gräner; * 11. Januar 1872 in Berlin; † 13. November 1944 in Salzburg) war ein deutscher Komponist, Dirigent und NS-Kulturpolitiker.
Leben
Paul Gräner war Sohn eines Gürtlermeisters. 1881 wurde er Sängerknabe im Domchor, 1884–1890 besuchte er das Askanische Gymnasium in Berlin. 1888 erhielt er eine Freistelle am Veitschen Konservatorium; dort studierte er Komposition bei Albert Becker. Nach ersten Engagements als Kapellmeister in Stendal, später in Bremerhaven, Königsberg und Berlin war er von 1898 bis 1906 Musikdirektor am Theatre Royal Haymarket in London, wo er auch an der Royal Academy of Music unterrichtete. Die internationale Schreibweise seines Namens (Graener) behielt er später bei. Vor der Übersiedlung nach England heiratete er seine Frau Maria Elisabeth (geb. Hauschild; 1872–1954); aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Heinz (der als 10-jähriges Kind starb), Franz (1898–1918 ) und Klara (Claire; 1903-193?). Nach einer kurzen Station in Wien, wo er als Kompositionslehrer am Neuen Konservatorium wirkte, war Paul Graener von 1911 bis 1913 Direktor des Salzburger Mozarteums. Ab 1914 lebte er als freischaffender Komponist in München. Von 1920 bis 1927 unterrichtete er – in der Nachfolge Max Regers – als Kompositionsprofessor am Konservatorium Leipzig. 1930 wurde Graener, als Nachfolger des verstorbenen Alexander von Fielitz, Direktor des Stern’schen Konservatoriums in Berlin. 1934 übernahm er die Leitung einer Meisterklasse in der Akademie der Künste.
Nach dem Tod seiner Tochter Klara Anfang der 1930er Jahre adoptierte er deren Kinder. Er war außerdem der Vater des Malers Paul Corazolla sowie des Cellisten und Dirigenten Jan Corazolla (1931–1998 ). Deren Mutter, die Sängerin Margarete Corazolla (1902–2001), gehörte eine Zeitlang gemeinsam mit ihrer Schwester(?), der Pianistin Berti Corazolla, zu den Bewohnern der Künstlerkolonie Berlin.
Seit Ende der 1920er Jahre war Paul Graener Mitglied im nationalsozialistischen Kampfbund für deutsche Kultur. In einigen Vokalkompositionen vereinnahmte er Texte der deutschen Romantik für NS-Propaganda, so z.B. 1932 ein Kriegslied von Theodor Storm und den Gesang der Erinnerung (1807) von Friedrich Schlegel (mit der Zeile „Der Retter ist nicht weit“).
Im Februar 1933 erregte Graener Aufsehen, als er zusammen mit anderen Mitgliedern des „Kampfbundes“ ein Konzert von Michael Jary störte. Am 1. April 1933 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 1.597.250)[1]. 1933 übernahm er die Führung der Fachschaft Komposition der Reichsmusikkammer. Ab 1934 war er deren Vizepräsident (nach dem Rücktritt von Wilhelm Furtwängler); 1941 legte er dieses Amt nieder, sein Nachfolger wurde Werner Egk.
Graener erhielt zahlreiche Auszeichnungen des NS-Regimes. 1944 wurde seine Berliner Wohnung zerstört; alle Manuskripte gingen verloren. Graener reiste mit seiner Familie über Wiesbaden, München, Wien und Metz nach Salzburg, wo er 72-jährig im Landeskrankenhaus verstarb.
Tonsprache und Rezeption
Vor allem als Liedkomponist steht Graener in der Tradition von Johannes Brahms, Hugo Wolf und Richard Strauss. Gelegentlich bedient er sich aber auch einer atonalen Tonsprache (in den Galgenliedern nach Morgenstern) oder orientiert sich am Impressionismus (in der Oper Don Juans letztes Abenteuer und dem Orchesterwerk Aus dem Reiche des Pan).
In den 1920er Jahren war Graener ein vielgespielter Opernkomponist. Durch seine Hinwendung zum Nationalsozialismus avancierte er ab 1933 zu einem der meistaufgeführten lebenden Komponisten in Deutschland. Seit seinem Tode wird er kaum noch gespielt, vielfach wird sein Werk als epigonal eingeschätzt. Am bekanntesten sind heute seine Morgenstern-Lieder, die in verschiedenen historischen Aufnahmen greifbar sind.
Kompositionen
Bühnenwerke
Backfische auf Reisen. Operette in einem Akt. Libretto: Fritz Bolger. UA 1891 Bremerhaven
The Faithful Sentry (op. 1; 1899). Singspiel in einem Akt. Libretto: Samuel Gordon (nach Theodor Körner). UA 1899 London (Theatre Royal Haymarket)
Das Narrengericht (op. 38; 1912). Singkomödie in 2 Akten. Libretto: Otto Anthes. UA 1913 Wien
Don Juans letztes Abenteuer (op. 42; 1914). Oper in 3 Akten. Libretto: Otto Anthes. UA 11. Juni 1914 Leipzig (Opernhaus; mit Robert Burg?)
Theophano (Byzanz) (op. 48; 1918 ). Oper in 3 Akten. Libretto: Otto Anthes. UA 5. Juni 1918 München (Hoftheater)
Schirin und Gertraude (op. 51; 1920). Heitere Oper in 4 Akten. Libretto: Ernst Hardt. UA 28. April 1920 Dresden (Staatsoper)
Hanneles Himmelfahrt (1927). Oper in 2 Akten. Libretto: Georg Gräner (nach dem gleichnamigen Stück von Gerhart Hauptmann). UA 17. Februar 1927 Dresden (Staatsoper; mit Erna Berger [Hannele])
Friedemann Bach (op. 90; 1931). Oper in 3 Akten. Libretto: Rudolph Lothar (nach Albert Emil Brachvogels gleichnamigen Roman). UA 13. November 1931 Schwerin
Der Prinz von Homburg (op. 100; 1934). Oper in 4 Akten. Libretto: Paul Graener (nach Kleist). UA 14. März 1935 Berlin (Staatsoper Unter den Linden)
Irene. Ein Spiel auf Capri (1940?). Singspiel in einem Vorspiel und 3 Akten. Libretto: Alfred Güntzel. UA evtl. 1940 München (Staatstheater am Gärtnerplatz?)
Schwanhild (1941). Oper in 3 Akten. Libretto: Otto Anthes. UA 1941 Köln
Odysseus’ Heimkehr (1941; Fragment). Libretto: Otto Anthes
Orchesterwerke, Konzerte
Aus dem Reiche des Pan (op. 22; 1920). Suite für großes Orchester
Pan träumt im Mondlicht – Pan singt von der Sehnsucht – Pan tanzt – Pan singt das Welt-Wiegenlied
Sinfonietta (op. 27; 1910) für Streicher und Harfe
Schmied Schmerz. Sinfonie d-Moll (op. 39; 1912)
Romantische Phantasie (op. 41; 1923)
Musik am Abend (op. 44; 1915)
Variationen über ein russisches Volkslied (op. 55; 1922)
Waldmusik (op. 60; 1923)
Divertimento D-Dur (op. 67; 1924)
Konzert a-Moll (op. 72; 1925) für Klavier und Orchester
Iuventus academica. Ouvertüre (op. 73; 1926; der Universität Leipzig gewidmet). UA 1926 Leipzig (Gewandhausorchester, Dirigent: Fritz Busch)
Gotische Suite (op. 74; 1927; Emil Mattiesen gewidmet)
Konzert a-Moll (op. 78; 1927) für Violoncello und Kammerorchester
Comedietta (op. 82; 1928 )
Die Flöte von Sanssouci (op. 88; 1930). Suite für Flöte und Kammerorchester
Sinfonia breve (op. 96; 1932)
Drei schwedische Tänze (op. 98; 1932)
Sérénade pittoresque (1937) für Streicher
Konzert D-Dur (op. 104; 1938 ) für Violine und Orchester (Karl Grimm gewidmet)
Feierliche Stunde (op. 106; 1938 )
Turmwächterlied (op. 107; 1938 ). Variationen über das Lied des Lynkeus aus Faust II von Goethe
Prinz Eugen, der edle Ritter. Variationen (op. 108; 1939)
Wiener Sinfonie (op. 110; 1942). UA 1942 (Berliner Philharmoniker, Dirigent: Hans Knappertsbusch)
Salzburger Serenaden (op. 115; 1943)
Flötenkonzert (op. 116)
Kammermusik
Für Klavier:
Minuetto – Gavotte & Pastorale (op. 9; 1905; auch Fassung für Orchester)
Au printemps – Chant du soir – En route & Alla marcia (op. 10; 1905; auch Fassung für Streicher)
Impressionen (1912)
Wilhelm-Raabe-Musik (op. 58; 1922; 3 Stücke)
Einsame Feldwacht. Romanze (op. 59; 1922)
Drei Intermezzi (op. 77; 1927)
Drei Klavierstücke (1932)
Für Soloinstrument und Klavier:
Petite Suite Italienne (1903) für Violine und Klavier
Sonate (op. 56; 1921) für Violine und Klavier
Suite A-Dur (op. 63; 1924) für Flöte und Klavier
Suite c-Moll (op. 66; 1924) für Violoncello und Klavier
Sonate (op. 101; 1935) für Violoncello und Klavier
Für Violine, Violoncello und Klavier:
Suite (op. 19; 1905)
Kammermusikdichtung (op. 20; 1906; Wilhelm Raabe gewidmet, nach der Lektüre des Romans Der Hungerpastor)
Klaviertrio (op. 61; 1923; „Trio atonal“)
Für Streichquartett:
Quartett über ein schwedisches Volkslied (op. 33; 1910)
Quartett (op. 54; 1920)
Quartett a-Moll (op. 65; 1924)
Quartett (op. 80; 1928 )
(Quelle: Wikipedia)
Auch gibt es eine HP: http://www.paul-graener.de
Nur an Einspielung scheint im Moment nichts erhältlich zu sein.
Nun hoffe ich hier mal auf das geballte Fachwissen der Taminos um mehr über den Komponisten und sein Werk zu erfahren.